Seerepubliken des Mittelmeeres

Bis heute halten die italienische Kriegs- wie auch die Handelsmarine an einer alten Tradition fest: ihre Bugflagge – die in Fachkreisen Gösch genannt wird und oft mit historischen Seekriegsflaggen übereinstimmt – zeigt die Wappen der vier größten ehemaligen Seerepubliken des Mittelmeeres.

Von Dr. Michael Krause / 26.08.2016
https://assets.eberhardt-travel.de/2016/08/644858ed537f7a1b42f6b56b.jpg

Die Geschichte dieser einstigen Handels- und Kriegsmächte ist mindestens ebenso spannend und wichtig für die Entwicklung der europäischen Kultur des Mittelalters, wie die Seidenstraße, jene historische Handelsroute zwischen Europa und Asien, die durch die Berichte des Handelsreisenden und Abenteurers Marco Polo ins Blickfeld der Geschichtsforschung und des Interesses gerückt ist.

Marco Polo, der im 13. und 14. Jahrhundert lebte und reiste, stammte selbst aus der damals bereits bedeutendsten und einflussreichsten jener Seerepubliken, dem mächtigen Venedig.

Als beginnende Zeit des Aufstiegs der Mittelmeer-Stadtstaaten und Handelsmächte kann man die Zeit nach der Völkerwanderung ansehen. Als eine späte Folge des Zerfalls des Römischen Reiches entstanden bis zum 10. Jahrhundert aus dem Byzantinischen Reich (ehemals Ostrom) und dessen Machtkämpfen insgesamt acht territorial relativ kleine Staaten mit gewaltigen Flotten und entsprechender Handelskapazität. Unabhängig von den damals in Europa dominierenden Mächten und beginnenden Feudalstaaten gestalteten sie die Politik im Spannungsfeld Europa und Nahen Osten aktiv mit und wurden mit ihren Stützpunkten und Kolonien in Übersee – d. h. auch im Schwarzen Meer, in Klein- und Vorderasien und in Nordafrika - zu wichtigen politischen und Handels-Partnern.

Einige ihrer Namen sind nicht mehr sehr bekannt, denn Noli, die kleinste der ehemaligen Seerepubliken, die durch ihre Teilnahme am ersten Kreuzzug zahlreiche Privilegien erhielt, stand stets im Schatten ihres großen Nachbarn Genua, Ancona verlor ihre Selbständigkeit als Stadtrepublik später an den Kirchenstaat und Gaeta und sogar  Amalfi wurden von Konkurrenten verdrängt. Dabei hatten die vereinigten Kriegsflotten der letzteren noch im 9. Jahrhundert entscheidenden Anteil am Sieg über die Sarazenen in der Schlacht bei Ostia.

Amalfiküste in Italien

 

Die Seerepublik Amalfi, die im ganzen Mittelmeerraum für ihre Schiffswerften und die darin gebauten schnittigen Schiffe und Gondeln bekannt war und schon recht früh eigene Münzen prägte, entwickelte mit der „Tabula Amalfitana“ eine Kodifikation des Seerechtes, die noch sehr lange beispielgebend blieb und auch eine der Grundlagen für unser heutiges modernes Seerecht bildet. Dann jedoch eroberten die Normannen, die sich in Sizilien und Süditalien etablierten und die u.a. im Auftrag des Papstes gegen die Araber kämpften, den Stadtstaat Amalfi, der – durch Kriege gegen die Konkurrenzrepublik Pisa geschwächt – seine Selbständigkeit verlor.

Nach der Ausschaltung der Konkurrentin Amalfi war die Republik Pisa ein bedeutender Akteur in der Geschichte des Mittelmeeres. Zunächst gemeinsam mit der Republik Genua und dann als deren Gegner kämpfte Pisa gegen die Sarazenen und brachte ihnen mehrfach Niederlagen bei, bis die Stadt durch ihre aktive Teilnahme am ersten Kreuzzug und der Eroberung Jerusalems viele Handelsvorteile erlangte.

Was folgte, war ein Handels- und Seekrieg mit dem neidischen Rivalen, der Republik Genua, in dem die Pisaner anfangs durchaus erfolgreich waren. Dies zeigte sich in wachsendem Wohlstand, dem die Stadt ihre berühmtesten Bauwerke verdankte: im 12. Jahrhundert wurde das berühmte Domensemble gebaut, dessen Glockenturm (Campanile) als „Schiefer Turm zu Pisa“ zu Weltruhm gelangte. Wer heute die herrlichen, perfekt vollendeten Bauwerke aus weißem Carrara-Marmor bestaunt, der versteht sofort, warum das Ensemble schon seit der Erbauungszeit „Piazza die Miracoli“ – Platz der Wunder – heißt. Versehen mit eigenen, von Papst und deutschem Kaiser bestätigten Rechts-Statuten rieb sich die Republik Pisa in Kriegen mit den Stadtrepubliken Lucca und Florenz, vor allem aber mit dem ewigen Konkurrenten Genua auf. Schließlich sorgten die Auseinandersetzungen der deutschen Stauferkaiser mit dem Papst und ihren französischen Gegnern für die entscheidende Schwächung Pisas. Was im 13. Jahrhundert begonnen hatte, wurde in den folgenden Jahrzehnten fortgesetzt: die Pisaner, zunehmend geschwächt durch Uneinigkeit und Bürgerkrieg im Inneren verloren immer mehr an Einfluss und Boden und mussten sich später endgültig ihren Feinden aus Genua und dem mit diesem verbündeten Florenz ergeben. Seit 1987 gehört die UNESCO den Domplatz von Pisa in die Liste des Weltkulturerbes.    

Dubrovnik

Auf der anderen Seite der Adria bildete sich in Dalmatien die unabhängige Seerepublik Ragusa heraus, deren kroatischer Name Dubrovnik heute maßgeblich ist, und die große Bedeutung im Handel mit dem Orient erlangte.

Heute ist Dubrovnik die in ihrer historischen Authentizität am besten erhaltene der historischen Seerepubliken. Man kann sich bei einem Besuch dieses kroatischen Touristenzentrums ganz hervorragend in die weitgehend erhaltene mittelalterliche Atmosphäre einer solchen Seerepublik hineinversetzen. Spätestens der Rundgang auf der heute noch begehbaren und nahezu komplett erhaltenen Wehrmauer vermittelt einen

unglaublichen Eindruck und gehört zu den wirklichen „Zeitreisen“! Fast erübrigt sich der Hinweis darauf, dass die Altstadt der alten Seemacht schon seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Die Republik Genua hingegen konnte ihre Seemacht spätestens seit der Teilnahme am ersten Kreuzzug Ende des 11. Jahrhundert kontinuierlich ausbauen und wurde zum Beherrscher des westlichen Mittelmeeres und zum wichtigsten Gegner für die das restliche Mittelmeer beherrschende Seerepublik Venedig. Im 15. und beginnenden 16. Jh. war Genua dann auf dem Höhepunkt seiner Macht und wichtiger Kolonialstaat im Mittelmeer, bevor innere Unruhen die Seerepublik entscheidend schwächten. Auch hier hat die UNESCO die in dieser Zeit entstandenen Prachtstraßen mit ihren Renaissance- und Barockbauten in die Liste Weltkulturerbes aufgenommen. Trotz allmählichem Verlust ihres Kolonialreiches, mehreren Niederlagen gegen die Rivalin Venedig und immer wieder in Genua ausgeübter Fremdherrschaft hielt sich die Seerepublik als Staatsgebilde noch bis zu ihrer Auflösung durch Napoleon im Jahr 1797.

 Seerepublik Venedig

Die bekannteste Mittelmeer-Seemacht jedoch ist und bleibt die historische Seerepublik Venedig. Der von einem Dogen geführte Stadtstaat, der aus einem einstigen byzantinischen Außenposten hervorgegangen war, verdankt einen Teil seines Aufstieges, seiner Kolonien und seines Reichtums dem Vierten Kreuzzug, den 1202 bis 1204 der damalige Doge Dandolo so umleiten konnte, dass die Kreuzfahrer und die Venezianer Byzanz eroberten und plünderten. In den folgenden Kriegen gegen Ungarn, das Heilige Römische Reich und Rivalen wie Genua blieb die Republik Venedig trotz verschiedener Rückschläge letztlich siegreich und konnte ihr Herrschaftsgebiet bis auf Dalmatien, Griechenland und andere Teile des Mittelmeeres ausdehnen. Ein großer Teil des Handels mit dem Orient lief über Venedig, das wie Ragusa und Genua erst 1797 durch die Politik Napoleon Bonapartes und die Vormachtstellung Frankreichs seinen Status als bedeutende Seerepublik verlor. Auch Venedig und seine Lagune gehören natürlich zum UNESCO-Weltkulturerbe. Von Chioggia über die venezianische Altstadt und den Lido di Venezia bis zur „Glasinsel“ Murano lohnt sich eine „Zeitreise“ in das Reich der Paläste und Kanäle, wo immer noch das Zeughaus „Arsenale“ mit seinem Kriegshafen auf das Anlegen bewaffneter Galeeren zu warten scheint, die die venezianische Politik und Handelsvorherrschaft überall im Mittelmeer durchsetzen wollen…

 

So könnte eine Reise nach Ligurien, an der Küste des Thyrrenischen Meeres, der Amalfiküste und an der Adria  in Apulien sowie in Dalmatien und am Golf von Venedig zu einer ganz besonderen „Zeitreise“ werden, bei der Sie die Reize der historischen Stadtstaaten mit ihren oft mittelalterlich erhaltenen Stadtkernen und der sie umgebenden zauberhaften Landschaften entdecken. In diesen trotz mancher Gemeinsamkeiten doch so unterschiedlichen Regionen können Sie vielleicht Altbekanntes wiedertreffen, aber Sie erfahren durch die interessanten und Neues und Unerwartetes verknüpfenden Spuren der alten Handelsrouten auch viel Spannendes und bisher weniger Bekanntes über die Gegenden und ihre Bewohner, die einst die für die Geschichte Europas so bedeutsame Verbindung zur berühmten Seidenstraße organisierten, jenem Geflecht von (asiatischen) Karawanenstraßen, das für die Entwicklung beider Kontinente und ihrer Religionen von so immenser Bedeutung war oder zur historischen Bernsteinstraße, die einst im venezianischen Aquileia begann und die Verbindung durch ganz Europa zum Ostseeraum herstellte. Bei dieser Reise in die Vergangenheit dürfen Sie sich also auf eine reichhaltige Mischung aus Architektur, Geschichte, Landschaften und immer wieder auf traumhafte Anblicke und malerische Kulissen freuen!



Venedig - Blick vom San Marco Campanile – © Givaga - stock.adobe.com

Italien Städtereise Venedig - die Perle der Adria

5 oder 6 Tage Flugreise: Markusplatz - Accademia - Rialtobrücke - San Trovaso - Cannaregio - Frari Kirche - Seufzerbrücke - Murano...

zur Reise

Venezianische Gondeln vor dem Markusplatz – © tilialucida - AdobeStock

Italien - Städtereise Venedig in kleiner Reisegruppe

4 Tage Städtereise Venedig - Cannaregio - San Marco - Castello - Dogenpalast - EXKLUSIVE Abendführung im Markusdom

zur Reise

Kommentare zum Reise+Blog