Quarantäne – woher kommt sie und wo kann man ihren Ursprüngen nachspüren?

Sprachhistoriker und Eberhardt-Studienreiseleiter Dr. Michael Krause erklärt, woher das Wort Quarantäne stammt und wie diese Form der Isolation Erkrankter entstanden ist. Große Handelsstädte am Mittelmeer wie Venedig oder Dubrovnik spielten eine Rolle ...

Von Dr. Michael Krause / 28.10.2020
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Derzeit ist ein Wort immer wieder in aller Munde – QUARANTÄNE. Wenn man wissen möchte, woher es kommt, hilft ein Blick in die Geschichte und wie immer ist das Nachspüren am besten auf Reisen möglich – auch wenn es dafür derzeit leider viele Hemmnisse gibt. Aber dem Prinzip Hoffnung treu bleibend sind wir sicher, dass auch der derzeitige Zustand nicht ewig dauern und Reisen bald wieder und dann mit aus der jetzigen Sehnsucht geborenen noch größeren Freude und Lust möglich sein wird. Gewiss gehören dann auch wieder Venedig und Dubrovnik – in einigen unserer beliebtesten Reisen enthalten – zu den gern besuchten "Stars". Diese beiden Städte, einst vom frühen Mittelalter bis zur Ära Napoleons bedeutende und mächtige Mittelmeer-Seerepubliken und Handelszentren im europäischen Maßstab, sind gleichzeitig auch die zwei bekanntesten historischen Quellen für den Quarantäne-Gedanken.

 

Die Pest zwang die damaligen Metropolen zum Handeln

Um die Mitte des 14. Jh., begünstigt durch die Handelstätigkeit insbesondere der Seerepubliken des Mittelmeeres und der Hanse, breitete sich die Pest in Europa aus, jene als "Schwarzer Tod" bezeichnete Krankheit, der man nichts entgegenzusetzen hatte und die innerhalb weniger Jahre etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung des Kontinents dahinraffte.
Vermutlich in Asien und möglicherweise zuerst bei Nagetieren entstanden, soll sie über die Stadt Kaffa (heute Feodossija auf der Halbinsel Krim) durch deren Belagerung ins Handelsnetz der Seerepublik Genua gelangt und über deren Hafen Marseille nach Europa vorgedrungen sein.
Ein zweiter Verbreitungsweg ist das Handelsnetz der Seerepublik Venedig. Auf den Schiffen der Mittelmeer-Handelsmächte – zu denen auch die wichtige kroatische Stadt Dubrovnik, die damals als Seerepublik Ragusa hieß, zählte - und deren Handelspartnern, wurde der Erreger in Europa verbreitet.

Die Idee, dass Infektionen durch Isolation Erkrankter verhindert werden konnten, war nicht neu: bereits im dritten Buch der Thora, der jüdischen Schrift des Alten Testaments, wurde dazu aufgefordert – allerdings nur für sieben Tage, den damals gültigen Zeitraum der Schöpfungs-Idee. Im Zuge der Pest wurden Seuchenhäuser, die man schon von der viel älteren und seit Urzeiten aufgetretenen Lepra kannte, zum Fernhalten von Infizierten aus Ortschaften genutzt, erstmals in Hafenstädten Norditaliens für sieben bis zehn Tage.

Im Zuge der "neuen" Krankheit Pest gingen die Hafenstädte der Seerepubliken dazu über, generell die Besatzungen ankommender Schiffe für eine bestimmte Zeit vor dem Hafen warten zu lassen, um Ansteckungsgefahren zu minimieren.


Lazzaretto Vecchio - die Lazarett-Insel vor den Toren Venedigs

Die Republik Venedig bestimmte im 14. Jh. unter dem Eindruck des "Schwarzen Todes" eine kleine Laguneninsel mit der Kirche Santa Maria di Nazareth zum Aufenthaltsort für Ankommende und ließ dort Unterkünfte errichten. Nach der Kirche benannt und mit Lautverschiebung abgewandelt, führte dies zur Inselbezeichnung "Lazzaretto Vecchio" – Altes Lazarett. Die Inselbezeichnung wurde rasch auf ähnliche Einrichtungen anderer Hafenstädte übertragen und bezeichnet heute eher allgemein ein (Militär)Krankenhaus.
1374 führte Venedig die Bestimmung der "Trentana" ein – 30 (trenta) Tage lange Isolation.   

 

Ragusa (Dubrovnik) erhöhte die Quarantäne auf 40 Tage

Ragusa (Dubrovnik), neben Genua Venedigs Erzrivalin als Handelsmacht im Mittelmeer, ließ ebenfalls vor den Toren ihrer Stadt und in Sichtweite des Hafens "Lazzaretti" bauen, die man heute noch als größte geschlossene derartige Einheit bestaunen kann, z. B. auf den Eberhardt-Reisen nach Kroatien und auf den Balkan und viel malerischer erscheinend, als ihr ursprünglicher Zweck es vermuten lässt.
1377 erhöhte Ragusa auf 40 Tage Abschottung, bevor die Schiffsbesatzung den Boden der Republik betreten durfte und spätestens nachdem 1383 Marseille diese Regelung übernahm, wurde der neue Begriff "Quaranta Giorni" (= 40 Tage) übernommen und ist bis heute als "Quarantäne" erhalten. (Wegen der Herkunft aus dem Italienischen müsste es auch korrekt "Kwarantäne" gesprochen werden - denn niemand sagt Kalität statt Qualität oder Kelle statt Quelle. Nur konsequent Französisch Sprechende würden "karantään" = quaraintaine sagen, dann aber ohne "e" am Schluss…)



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