Reisebericht: Wandern im Nationalpark Hainich

24.10. – 27.10.2010, 4 Tage Gruppen–Wanderreise rund um Mühlhausen


  Bildergalerie   Druckversion (PDF)   Kommentare
 
Auch eine Reise in nicht so ferne Gefilde birgt eine ganze Menge an Höhpunkten
Ein Reisebericht von
Ralf Kuchenbecker

24.10.10 – Baumkronenpfad – Mühlhausen

Kurz vor acht Uhr treffe ich mich mit den ersten Gästen am Flughafen in Dresden. Unser Bus mit dem Chauffeur Ingo Freyberg steht schon bereit. Nach der Begrüßung kann es also losgehen, wir fahren nach Thüringen. Unser erstes Ziel ist der Baumkronenpfad im Nationalpark Hainich. Auf dem Weg dahin haben wir noch einige Zustiege, den letzten in Gelmeroda. Unsere Gruppe besteht aus elf Gästen, eine angenehme Gruppengröße für eine Wanderreise. Kurz vor zwölf Uhr treffen am ehemaligen Forsthaus Thiemsburg ein, wo sich der Baumkronenpfad befindet. Am Eingang werden wir durch einen Nationalparkführer erwartet. Der Baumkronenpfad ist seit 2005 in Betrieb und einer von sechs die es in Deutschland gibt. Er ist der höchste und längste, verläuft er doch heute auf etwas mehr als 500 Metern durch die Baumkronen. Dabei bewegen wir uns in einer Höhe zwischen 10 und 25 Metern Höhe.
Den Abschluss bildet ein 44 Meter hoher Aussichtsturm, welcher eine großartige Aussicht über einen Teil des Hainich bietet. Unser Nationalparkführer berichtete interessantes zu technischen Detail und auch zu den Besitzverhältnissen. Ursprünglich hatte man auch mal mit einer Besucherzahl von 50000 pro Jahr gerechnet. Die Erwartungen wurden aber bei weitem übertroffen, es kommen heute pro Jahr um die 200000 Gäste. Der Baumkronenpfad hat sich zu einem touristischen Höhepunkt der Region entwickelt. Und natürlich erfahren wir auch allerlei Interessantes zu den Bäumen und Tieren im Nationalpark. Insgesamt sind an Flora und Fauna ca. 10000 Arten zu finden. Bei den Bäumen überwiegt die Rotbuche, nicht zu verwechseln mit der wirklich roten Blutbuche. Der Hainich, mit einer Größe von 16000 Hektar ist das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet in Deutschland. Der Nationalpark macht mit 7500 Hektar aber nur einen kleinen Teil des Hainich aus. Ziel des Nationalparks ist es wieder einen mitteleuropäischen Urwald entstehen zu lassen. Das heißt also, dass der Wald sich selbst überlassen wird und zum Beispiel nur Wanderwege freigehalten werden.
Nach der geführten Besichtigung haben wir auch noch Zeit für eigene Erkundungen. Anschließend wandern wir von der Thiemsburg aus nach Weberstedt. Ein Teil des Weges verläuft auf dem Waagebalkenweg, später biegen wir auf den Feenstieg ab. Dort gibt es immer wieder Märchen und Sagen zu erfahren. Gleich zu Beginn passieren wir den Jungbrunnen und drehen natürlich gleich zwei Runden darum herum. Hoffentlich hilft es! Leider überrascht uns unterwegs ein ziemlich starker Regenguss und so sind wir froh schnell unseren Bus zu erreichen. Unser Chauffeur hat schon Kaffee für uns gekocht und so schmeckt uns dieser jetzt besonders gut. Von Weberstedt sind rund 20 km bis zu unserem Ziel nach Mühlhausen. Unterwegs machen wir noch einen Stopp am geographischen Mittelpunkt Deutschlands in Niederdorla. Dieser befindet sich seit dem 03.10.1990 an dieser Stelle. In Mühlhausen werden wir bereits in unserem Hotel, dem Gästehaus Weidenmühle empfangen. Nach dem ausfüllen der Meldescheine werden alle Gäste zu ihren Zimmern begleitet. Zu Abend essen wir im unmittelbar angrenzenden Puschkinhaus. Das gebotene Menü lassen wir uns alle schmecken. Sozusagen als Schmeckerchen ist bereits ein kleines Getränk inkludiert. Nach dem Abendessen mache ich noch einigen Gästen einen kleinen Verdauungsspaziergang durch die Gassen des sonntäglich ruhigen Mühlhausens mit seinen schön beleuchteten Kirchen.

25.10.10 – Stadtführung Mühlhausen – Vogelschutzwarte Seebach

Nach einem Frühstück, welches keine Wünsche offen lies, machen wir uns auf den Weg die Stadt Mühlhausen zu entdecken. Gemeinsam mit unserer Stadtführerin Uta Helbing gelingt das sehr gut. Am Inneren Frauentor, unserem Treffpunkt mit der Stadtführerin erhalten wir erstmal einen Überblick über die Stadtgeschichte von einst bis in unsere heutige Zeit. Die heute 36000 Einwohner zählende Stadt nannte man im Mittelalter auch die Stadt der Türme, prägten doch damals die zahlreichen Türme der Stadtmauer und der Kirchen die Stadtsilhouette. Auch heute noch ist die Stadt reich an Türmen, vor allem sind das Kirchtürme. Allen voran die von St. Marien, Jacobikirche, Kornmarktkirche, St. Nikolai, St.Petri, Allerheiligenkirche, Kiliankirche, St. Josef, St. Martini, St. Georgii, Bonifatiuskirche und Divi Blasii-Kirche.
In letzterer hatte der 22 jährige Johann Sebastian Bach im Jahre 1707 seine erste Wirkungsstätte. In Mühlhausen komponierte er auch die Ratswechselkantate BWV 71 „Gott ist mein König“. Die Kirche ist, wie auch zahlreiche andere Gebäude in Mühlhausen aus Travertin (Kalktuff) gebaut. Dieser Baustoff kommt in Deutschland unter anderem im Thüringer Becken vor. Im Rathaus der Stadt können wir uns aufwärmen und gleichzeitig die schöne Ausgestaltung betrachten. Am Untermarkt verabschieden wir uns von unserer Stadtführerin und laufen zum Bahnhof. Wir wollen nach Seebach fahren, nur eine Bahnstation von Mühlhausen entfernt. In Seebach befindet sich die erste Staatliche Vogelschutzwarte Deutschlands. Hervorgegangen ist sie 1908 aus dem von Dr. h.c. Hans Freiherr von Berlepsch am Schloss Seebach eingerichteten Vogelschutzpark. Hans Freiherr von Berlepsch gilt als Nestor des Vogelschutzes, auch hat er zahlreiche Nistkästen und auch Futterhäuschen spezifiziert. Bei Ankunft in Seebach wollten wir eigentlich einen Kaffee beim Bäcker trinken. Doch weit gefehlt, heute ist Montag und der Bäcker hat zu. Ich bin nicht im Traum darauf gekommen, die Bäcker in Dresden haben alle Tage der Woche geöffnet. So essen wir unsere mitgebrachten Brötchen und Schnitten ohne den wärmenden Kaffee. In unserem Hotel haben wir die Möglichkeit uns Verpflegung zum wandern mit zu nehmen und müssen dafür natürlich etwas bezahlen. Herr Beck führt uns durch die Vogelschutzwarte und deren Park. In den Volieren sind zahlreiche Vögel zu sehen, alle werden nach ihrer Genesung wieder ausgewildert. Der „Star“ ist ein Kakadu. Er freut sich sehr über unseren Besuch und spricht zu uns immer wieder den bedeutenden Satz „Ich weiß wo Du wohnst“. Wo er das wohl gelernt hat. Nachdem wir uns noch das Grab vom Freiherr von Berlepsch angesehen haben machen wir uns auf den Weg zurück nach Mühlhausen. Unser acht Kilometer langer Weg führt entlang von Feldern und Streuobstwiesen rund um Mühlhausen und endet dann direkt am Hotel. Das Wetter meinte es ausgesprochen gut mit uns, es hat nicht geregnet und die Sonne begleitete uns auf etlichen Abschnitten. Das Abendessen schmeckt uns nach einem Tag an der frischen Luft besonders gut.

26.10.10 – Wanderung zur Betteleiche

Erst kurz vor zehn Uhr beginnt heute unser Tag. Wir wollen mit dem Linienbus nach Kammerforst fahren und von dort eine Wanderung zur Betteleiche machen. Auf dem Weg zum Busbahnhof nutzen wir die Gelegenheit ein Stück auf dem noch Wehrgang der Stadtmauer zu gehen. Auf ganzen 350 Metern ist das möglich, dabei gibt es einiges zu entdecken. Das vielleicht interessanteste ist, das an Stellen, wo die alten Wehrtürme nicht mehr benötigt wurden, im 19. Jh. Lauben aufgebaut wurden. Diese dienten dann den Damen um Kaffeekränzchen abzuhalten. Pünktlich startet unser Bus und nach einer halben Stunde Fahrzeit erreichen wir die Nationalparkgemeinde Kammerforst. Das Wetter scheint es gut mit uns zu meinen, am Morgen hatte es noch etwas geregnet, jetzt jedoch konnten wir schon die Sonne ausmachen. Vom Ort führt uns der Weg zum Reckenbühl, wo sich ehemals ein Forsthaus befand und heute eine Gaststätte. Am Abzweig zur Gaststätte sehen wir ein altes Steinkreuz, das sogenannte „Schüze-Kreuz“. Der Zolleinnehmer Curt Schüze wurde hier 1640 erschossen. Im späten Mittelalter wurden solche Kreuze sehr häufig aufgestellt, sie dienten dazu, an Menschen die unvermittelt aus dem Leben gerissen wurden und nicht die letzte Salbung zur Erlangung des Seelenfriedens erhalten konnten, zu erinnern. So konnte der Bewahrung vor dem Fegefeuer ausreichend Sorge getragen werden. Wenig später erreichen wir an der ehemaligen Antoniusherberge den Rennstieg. Stieg und nicht Steig, so wird der Kammweg hier im Hainich genannt. Gekennzeichnet wird er ebenfalls mit einem „R“.
Nach gut zwei Stunden Wanderung erreichen wir die Betteleiche, das Symbol des Nationalparks. In früherer Zeit befand sich hier das von Bettelmönchen bewohnte Kloster St. Katharinen-Ihlefeld. Viele der Pilgerer legten an der Eiche milde Gaben nieder, meist waren das Lebensmittel. Um diese milden Gaben zu schützen wurde später mit Äxten eine Aushöhlung in den Stamm geschlagen. Über die Jahrhunderte ist dann das heutige imposante Bild des Baumes entstanden. Es sieht so aus als hätten sich zwei nebeneinander gewachsene Bäume vereinigt. Am Ihlefeld machen wir unsere Mittagspause, hier gibt es Bänke und eine Überdachung. Danach führt uns der Weg zum Ihlefelder Kreuz, dem ältesten der Kreuze im Hainich. Hier wird an einen bei der Bärenjagd ums Leben gekommenen Jäger erinnert. Einige Meter weiter findet sich ein Wegweiser der besonderen Art, die „Eiserne Hand“. Dabei handelt es sich um einen Wegweiser, bei dem die Finger der Hand die Richtungen anzeigen. Das Original mit seiner ersten Erwähnung im Jahre 1554 steht heute in Mülverstedt, es wurde 1964 in einer Nacht und Nebelaktion vom damaligen Bürgermeister aus dem Armeegelände geborgen. 1994 hat man dann an gleicher Stelle eine Kopie aufgestellt. Auf der Triftchaussee laufen wir dann langsam bergab am ehemaligen Truppenübungsplatz Weberstedt vorbei. Dabei öffnet sich der Blick in das vor uns gelegene Thüringer Becken. Die Sicht ist gut, ganz deutlich lässt sich der Kirchturm der St. Marienkirche von Mühlhausen erkennen. Vom Parkplatz Zollgarten führt die Straße hinab nach Kammerforst. Wir haben bis zur Abfahrt des Busses nach Mühlhausen noch etwas Zeit. Die Gaststätte „Zum Braunen Hirsch“ hat leider am Nachmittag geschlossen, so nutzen wir aber die Gelegenheit und schauen noch einmal im Nationalparkhaus vorbei. Wieder in Mühlhausen angekommen führt der Weg zum Hotel außerhalb der Stadtmauer entlang und wir haben noch einmal einen schönen Blick auf die Lauben. Nach dieser gut 12 Kilometer langen Wanderung schmeckt uns das Abendessen wieder hervorragend.

27.10.10 – Kloster Volkenroda – Heimreise

Heute nehmen wir Abschied von Mühlhausen. Wir fahren zuerst nach Garbe um dann über den Eselsstieg nach Volkenroda zu wandern. Dieser ist ein Teil des Pilgerweges von Volkenroda nach Loccum. Dieses ist ein Schwesterkloster und wurde von den Zisterziensern aus Volkenroda gegründet. Der Weg bis zum Kloster, welches heute von der Jesus-Bruderschaft Gnadenthal betrieben wird, verläuft über Feldwege und wenn wir uns umdrehen haben wir einen wunderschönen Blick in die herbstliche Landschaft.
Unsere Führerin im Kloster, Frau Helbig, klärt uns die Entstehung des Klosters im Jahre 1131 und über die weiteren Ereignisse in der Klostergeschichte auf. Auch erfahren wir Wissenswertes über die Zeit nach 1990. Als Höhepunkt empfinden wir alle den Rundgang durch den Christuspavillion, welcher für Volkenroda konstruiert wurde, allerdings vorher erst auf der EXPO 2000 in Hannover zu sehen war. Nach der Expo wurde die Glas-Stahlkonstruktion in Hannover abgebaut und dann hier wieder errichtet. Auch das alte Konvetgebäude ist in Stahl und Glas errichtet, dabei wurden die alten, noch vorhandenen Mauern mit einbezogen. Der Architekt des neuen Konventgebäudes hatte dabei das Motto: „Auf alten Mauern errichtet mit den Mitteln von Heute für die Menschen von Morgen“. Im Christuspavillion beeindrucken besonders die mit verschiedenen Materialien gefüllten Fenster des Kreuzganges. Natur und Technik ist dabei das Motto. So sieht man in einem oberen Fenster Muschelnschalen und in dem darunter liegenden Plastiklöffel. Beides kann der Mensch zum gleichen Zweck benutzen. Oder Kandiszucker und Zahnbürsten, auch hier gibt es eine symbiotische Beziehung. Beeindruckend natürlich auch der als Kubus gestaltete Kirchenraum. Hier ist es ganz schön kalt, denn es ist eine Sommerkirche. Am 31.10. zum Reformationsfest wird dann auch die Saison im Christuspavillion beendet. Wieder am Bus erwartet uns ein wärmender Kaffee bevor wir wieder die Heimreise antreten. Vier schöne Tage haben wir im herbstlichen Thüringen verlebt und dabei auch die Langsamkeit, die das Wandern mit sich bringt, genossen. Danke an meine Gäste und hoffentlich bis bald.

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht