Reisebericht: Jahresausklang im romantischen Norddeutschland

28.12. – 01.01.2013, 5 Tage Bremen – Papenburg – Emden – Greetsiel – Leer


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Granat, Kanäle, Tide_Leben mit dem Wasser in Ostfriesland Wer die Stille mag und die klare Luft, Wind und Wasser, ist richtig im Nordwesten Deutschlands. Die Menschen offen und freundlich, kein Wunder, dass die Ostfriesenwitze out sind. Überall konnten wir trotz Wind und Wasser auch von oben die Städte - oft Hansestädte - geniessen: Bremen, Papenburg mit der Meyerwerft, Emden, Greetsiel, Leer und Cloppenburg.
Ein Reisebericht von
Dr. Grit Wendelberger

Granat, Kanäle, Tide_Leben mit dem Wasser in Ostfriesland


Wer die Stille mag und die klare Luft, Wind und Wasser, ist richtig im Nordwesten Deutschlands. Die Menschen offen und freundlich, kein Wunder, dass die Ostfriesenwitze out sind. Überall konnten wir trotz Wind und Wasser auch von oben die Städte - oft Hansestädte - geniessen: Bremen, Papenburg mit der Meyerwerft, Emden, Greetsiel, Leer und Cloppenburg.
Die wohlhabende Hansestadt Bremen stand zuerst im Mittelpunkt unseres Interesses. Wir begegneten nicht nur den Bremer Stadtmusikanten auf Schritt und Tritt, sondern verstanden auch, warum sie gerade nach Bremen zogen: hier lässt es sich gut leben. Die reich ausgestatteten Häuser mit Rathaus und Dom künden von Bürgersinn und Können, der große Roland, wachsam in Richtung Kirche und Bischof blickend, vom ihrem Freiheitssinn.
Durch die Böttcherstraße mit dem Museum für die berühmte Malerin Paula Modersohn-Becker, die in der Künstlerkolonie Worpswede lebte und schuf zum Markt und dann weiter in das malerische Schnoorviertel ziehend begegneten wir überall gepflegten Backsteinbauten, weihnachtlich geschmückten Läden und Hauseingängen. Wir wärmten uns mit einem Kafee oder Tee, bevor es weiter ging in Richtung Fehnsiedlung Papenburg. Fehn kommt vom niederländischen veen und heißt Moor, hörten wir - also fuhren wir in eine Moorsiedlung mit alter Geschichte, gegründet im 17. Jahrhundert und fuhren im familiengeführten Hotel Hilling vor, einer alten Gastwirtschaft, sehr geschätzt nicht nur im Ort. 
Wir waren dankbar, in der Wärme unsere Füße unter den reich gedeckten Tisch zu strecken und genossen das herzhafte reiche Mahl, eine Auswahl an Hirsch-, Wildschwein- und Gänsebraten. So gestärkt zogen einige von uns in die Gaststube weiter, bevor es anderntags im 18 km langen Ort Richtung Meyer Werft weiter ging. Die AIDA stella und die Norwegian Breakaway wollten wir in den Hallen 5 und 6 sehen und unser der Werft verbundene Führer Herr Schütte liess uns das erfolgreiche Familienunternehmen mit seinen Augen erleben. Die Meyer-Story begann im 19. Jahrhundert von Holz auf Eisen umzustellen und baute und baut viele Schiffstypen von Tiertransportern bis Tankschiffen, doch am bekanntesten sind die vielen Kreuzfahrtschiffe. Beeindruckend schon in Film und Modellen, eines davon 50.000 EUR wert, erhoben sich die riesigen im bau befindlichen schiffe imposant vor unseren Augen - phantastisch! Mit allem Luxus auf Wunsch versehen von Wasserrutschen bis Kletterwänden und Golfplätzen wurde mit hoher Präzision und feiner Logistik etwa 13 Monate an einem Schiff pro Halle gearbeitet, bevor es dann vom Stapel lief und innerhalb von 12 Stunden die Ems hinauf zum Meer fuhr - ein gigantisches Schauspiel, das hunderttausende Besucher jährlich anlockt!
Anschließend erleebten wir in einer Rundfahrt die Geschichte papenburgs selbst, die wir zuvor bereits im Zeitspeicher-Museum anschaulich nahe gebracht bekamen.
Anderntags durchstreiften wir Emden bei bewölktem Himmel, doch vom Turm des ehemaligen Rathauses und heutigen ostfreisischen Landesmuseums hatten wir einen hervorragenden Blick vom Ratsdelft zu unseren Füßen mit den drei Museumsschiffen Feuerschiff, Seenotkreuzer und Heringslogger in Richtung Hafen und Kesselschleuse, zum Kunstmuseum, von Henri Nannen und seiner Frau Eske gegründet und zur großen Kirche, einst Zentrum des protestantischen Glaubens in verfolgten Zeit und heute Spezialbibliothek zum reformierten Protestantismus und seinen Repräsentanten, beispielsweise der polnische Priester Johannes a Lasco. Vis a vis das Bunkermuseum, Mahnmal der großen Zerstörungen im 2. Weltkrieg und die beiden Pelzer- Häuser, wunderschön im 16. Jahrhundert im niederländisch-flämischen Stil aus Sandstein und Ziegeln errichtet. Das Glockenspiel ertönte, es wurde Zeit weiter zu fahren und wir erlebten die Krummhörner Landschaft in tintige Wolken getaucht, aus denen Blitze zuckten und fuhren durch Dörfer mit von weißem Hagelkorn gesäumten Wegesrändern.
So empfing uns Greetsiel trockenen Fußes und entließ uns durchnäßt, wir wärmten uns in der roten Mühle, einer der beiden Zwillingsmühlen am Ortseingang und in der ehemaligen Mühlen-Packstube bei einer ostfriesischen Teezeremonie auf und wollten nicht wieder gehen, denn es lockte auch freundliche Bedienung und Ostfriesentorte zum Klönen und Snaken. 
Greetsiel wird immer besucht - das ganze Jahr zieht es mit nahe gelegenem Leuchtturm, Krabbenkutterflotte und seinen Mühlen Gäste aus allen Landesteilen an. Scharen ziehen am alten Sieltor und dem schiefen Kirchlein aus dem 18. Jahrhundert vorbei, an Poppingas Bäckerei mit dem Museum für alte Wohnkultur vorbei weiter zum Hafen, nur wenige Kilometer auf der Störtebecker-Route entfernt von Marienhafe, dem Rückzugsort des Piraten Klaus Störtebecker. Geschützt von den Häuptlingen wie Tom Brook zog man gemeinsam gegen die Hanse, doch lange ging das nicht gut. Die Hamburger fingen ihn und ein neuer Häuptling kam an die Macht, mit den Seeräubern hatte es ein Ende.
Ja, der alte Greetsieler Sielhafen hatte schon viel gesehen, obwohl er als socher seine Bedeutung inzwischen verloren hatte. Hoffentlich bald wird der Mühlenverein einen neuen Betreiber der grünen Zwillingsmühle sehen, dann kommt wieder mehr Schwung dort hinein, erzählte uns während der Besichtigung seiner roten Mühle der Betreiber: er mahlt vor allem Futter und verkauft auch Erzeugnisse in seinem Mühlengeschäft. Es dunkelte und zurück gings, vorbei an schemenhaften Gulfhäusern und fruchtbarem Marschland zu unserem Hotel, wo uns ein schmackhaftes Mahl, das Nationalgericht "Snirtje" kulinarisch erfreute.
Leer wollte kein Rathaus - doch es erhielt dann spät, erst im 19. Jahrhundert, ein besonders prächtiges. Wir bestaunten die reich verzierten Gewölbe und den prächtigen Festsaal mit seinen Kaiserfenstern und Malereien. Wir kletterten bis auf den Turm und konnten on oben besonders gut die Flussschleife der Leda und Jümme bis zur Ems sehen, um die sich das Städtchen schmiegt. Dank einer Schleuse ist es nun tidenfrei, das erleichtert das Leben am Wasser, denn Sturmfluten verheerten früher oft die Stadt.  
Auf den Spuren von Ernst Reuter und Wilhelmine Siefke, der Schriftstellerin vom "Keerlke" streiften wir vom alten Hafen mit der alten Waage am Fluss entlang zum Packviertel mit der Mennonitenkirche und vielen alten Packhäusern - Umschlagplatz für die Waren. Die Familien zierten ihre Unternehmen bereits mit Logos, wie dem dem Wolf und dem Fisch. Von der wunderschönen Weinhandlung im Haus Samson aus genossen wir die Promenaden und das Treiben vor Silvester: Nachbarn trafen sich auf der Straße zum Snaken oder bei einem Grog oder Tee. Das traditionsreiche Teehaus Bünting lud zum Verweilen ein, letzte Einkäufe, ein holländischer Besucher probiert feil gebotene Holzpantinen. Überhaupt viel holländisches Flair, so nah am westlichen Nachbarn.
 
Doch wir wollten wieder los zu unserer Silvesterfeier im Hotel und versammelten uns einige Momente: wie möchten wir das kommende Jahr 2013 gestalten, was wird es und bringen?
dann wurden wir ab 19 Uhr eingelassen und zu den festlich geschmückten Tischen gebeten, es folgte ein köstlicher Reigen an Speisen und Getränken, wir wurden tischweise dahin geführt und liessen uns auch nicht lange bitten, anschließend das Tanzbein zu schwingen! Wir tanzten miteinander, Alt und Jung, Männer Frauen und Kinder, Gesunde und Kranke, Hoffende und Gedrückte, Großzügige und Genaue, Frohe und Ruhige, Temperamentvolle und Stille. Alle zu einem Reigen vereint, zu Wünschen beim Mitternachtssekt und Feuerwerk: Schön. Kostbare Momente, in denen die Lebenswaage schwebt.
Wie gut, nach durchtanzter Nacht ein Stündchen länger zu ruhen, denn dann ging es mit gepackten Koffern heimwärts mit einem Abstecher über das Museumsdorf Cloppenburg: über 60 historische Gebäude - entstanden während 500 Jahren - auf etwa 20 Hektar mit Mühlen, Kirche, Schule, Guts- Adelshöfen und einfachen Behausungen der Heuerlinge, Gaststube, Handwerksstätten inmitten eines Parkes. Beeindruckend in Dimension und Anschaulichkeit: wie lebte man damals hier in der Region, liebte, arbeitete, betete, starb?
Eine schöne Reise zum Jahreswechsel klang noch in uns nach, als wir uns verabschiedeten: möge das neue Jahr 2013 für uns alle ein gesegnetes sein!
Alle Rechte bei Grit Wendelberger, Halle 2013

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