Reisebericht: Wanderreise Irland und Nordirland – Natur und Kultur erleben

04.06. – 16.06.2023, 13 Tage Rundreise mit mehr Bewegung in der Natur: Dublin – Navan Fort – Giant's Causeway – Glenveagh–Nationalpark – Connemara–Nationalpark – Aran–Inseln – Burren – Cliffs of Moher – Ring of Kerry – Wicklow Mountains (58,5 Wanderkilometer)


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Der von Heinrich Böll beschriebene „irische Regen“ muss ein Mythos sein. Wir erleben auf der Grünen Insel vor allem viel Sonnenschein, der uns bei unseren Küstenwanderungen und Spaziergängen durch herrliche Parklandschaften begleitet. Doch auch Reisen in die Vergangenheit, in die Blütezeit der Kelten und irischen Klöster, und die irische (Alltags-)Kultur kommen auf dieser abwechslungsreichen Rundreise nicht zu kurz.
Ein Reisebericht von
Dr. Andreas Wolfsteller
Dr. Andreas Wolfsteller

1. Tag (Sonntag, 04.06.2023): Flug nach Dublin – Stadtrundfahrt und –spaziergang

Mit Kapitän O’Connor fliegen wir von Berlin auf die Grüne Insel. Er bringt uns sicher nach Irland, wenn auch mit ca. 40 min Verspätung. Daher warten die Gäste aus Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt bereits gespannt auf unsere Ankunft. Passkontrolle und das Kofferholen gehen dann jedoch sehr schnell und vor allem sind auch alle Koffer da. So stürzen wir uns also frohen Mutes und ganz gespannt in den Trubel der irischen Hauptstadt Dublin, die dieses Wochenende ganz im Zeichen eines Mini-Marathons der Frauen und der Gartenschau Bloom im Phoenix Park steht. Noch dazu hat es ob des guten Wetters gefühlt alle Iren vor die Tür und in die Straßen und Parks getrieben. Seit zwei Wochen soll es nicht mehr geregnet haben, erklärt uns unsere Stadtführerin Monika, was wir recht ungläubig aufnehmen, denn schließlich gilt Irland doch als die immer verregnete Insel, oder? Über das schöne Wetter wollen wir uns aber gar nicht beschweren, sondern genießen die Sonne bei unserem Fotostopp an der St Patrick’s Cathedral und später beim Spaziergang durch die Innenstadt. Dabei zeigt uns Monika die berühmte Statue von Molly Malone, führt uns zum Trinity College und später zur Grafton Street, der Haupteinkaufsstraße und Fußgängerzone von Dublin. Da die Läden in Irland auch sonntags geöffnet sind, herrscht geschäftiges Treiben, während gleichzeitig die Einheimischen und Touristen auch schon die umliegenden Pubs zu stürmen beginnen. Ein besonders schönes Gebäude im Herzen von Dublin ist das Powerscourt House, der Stadtsitz der Familie Wingfield. Den zugehörigen Landsitz samt Garten werden wir am vorletzten Reisetag besichtigen. Über die O’Connell Street fahren wir zum Hotel zurück und verabschieden uns von Monika. Das erste abendliche 3-Gänge-Menü im Hotelrestaurant rundet den ersten Reisetag ab. Wer noch nicht müde ist, kann einen Abendspaziergang zum River Liffey unternehmen, in dessen Wasser sich die Abendsonne glitzernd spiegelt, oder einen Pub im Vergnügungsviertel Temple Bar besuchen.


2. Tag (Montag, 05.06.2023): Hill of Slane – Monasterboice – Navan Fort – Letterkenny

Auf den Spuren der Kelten und des Heiligen Patrick verlassen wir die Hauptstadt gen Norden. Das schöne Wetter begleitet uns mit Temperaturen von bis zu 22 Grad. Der wolkenlose Himmel erlaubt herrliche Fotos vom Hill of Slane, auf dem Patrick 433 das erste Osterfeuer Irlands entfacht hat. Wir erkunden das historisch wichtige Tal des Flusses Boyne weiter mit einem Besuch der Klosterruine von Monasterboice. Hier stoßen wir auf den ersten irischen Rundturm und gleich drei Exemplare der berühmten Hochkreuze. Nach einer Mittagspause an einer Raststätte bei Dundalk überqueren wir erstmals die Grenze nach Nordirland. Bei Armagh, dem doppelten Erzbischofssitz und religiösen Zentrum der Insel, besuchen wir das Navan Fort. Genau genommen handelt es sich um einen Komplex aus Zeitreise in die keltische Kultur, einem Spaziergang auf das eigentliche „Fort“ sowie einer Filmvorführung im Besucherzentrum über die Sagen und Legenden Ulsters. Doch zunächst werden wir von einem keltischen Stamm mit Brennnesseltee freundlich empfangen und bewirtet und von einer weisen Frau in dessen Bräuche und Gesetze eingeführt, die uns für heutige Verhältnisse wahnsinnig tolerant und fortschrittlich erscheinen. Anschließend erfolgt eine Unterweisung in der Kriegskunst sowie ein Training im Umgang mit Speer, Schwert, Schild und Wurfspeer. Nach dieser anschaulichen und praktischen Ausbildung kehren wir in die Gegenwart zurück und steigen mit unserem Guide Damien auf den rituellen Hügel hinauf, von dem aus wir in insgesamt zehn Countys blicken können. Zurück im Besucherzentrum stärken wir uns mit Keksen und Kaffee, bevor wir im Kino in die Sagenwelt abtauchen. Nach so vielen Eindrücken und Informationen kommt eine kleine Verschnaufpause im Bus gerade recht. Donal fährt uns in ungefähr 1,5 Stunden quer durch Nordirland zu unserem nächsten Hotel in Letterkenny. Drei Nächte werden wir hier im Norden der Insel verbringen und das County Donegal sowie Nordirland weiter erkunden.


3. Tag (Dienstag, 06.06.2023): Wanderung im Glenveagh–Nationalpark – Fahrt durch Donegal – Strandbesuch bei Dunfanaghy

Wenn ich von den Angestellten des Glenveagh-Nationalparks gebeten werde, beim nächsten Besuch das heutige traumhafte Wetter wieder mitzubringen, dann muss es schon wirklich außergewöhnlich schön sein für irische Verhältnisse. Blauer Himmel, ein leichter Wind, vereinzelte kleine weiße Wölkchen, die sich schnell wieder verflüchtigen, ein hübsches Castle am See, eine herrliche Parkanlage und ein Tal wie ein Gemälde sind die Zutaten für eine traumhafte erste Wanderung auf dieser Reise. Fast alle Gäste kommen anschließend auch mit hinauf zum Aussichtspunkt, der uns einen tollen Blick von oben auf das Glenveagh Castle und seinen ummauerten Garten gewährt. Nach den obligatorischen Erinnerungsfotos gelangen wir beim Abstieg durch die Parkanlage zurück zum Castle. Wer möchte, kann es nun besichtigen, sich im Schlosscafé ein Stück Kuchen gönnen oder den Küchengarten erkunden. Neben dem Shuttlebus gibt es auch die Möglichkeit, die offizielle Wanderung um 4 km zu verlängern und zurück zum Besucherzentrum zu laufen. Der schöne Tag findet seine Fortsetzung in einer kleinen Spritztour durch den Norden des Countys Donegal. Wir machen einen Fotostopp unterhalb des Mount Errigal mit Blick auf das Poisoned Glen und einen Strandspaziergang bei Dunfanaghy. Zumindest unsere Füße freuen sich über ein erfrischendes Bad im Nordatlantik und sehnen sich noch lange nach der Rückkehr ins Hotel an den feinen weißen Sandstrand zurück.


4. Tag (Mittwoch, 07.06.2023): Ausflug nach Nordirland mit Derry, Mussenden Temple und Giant’s Causeway

Für einen weiteren Tagesausflug kehren wir heute nach Nordirland zurück und nehmen das schöne Wetter gleich mit. Auf der Fahrt zum Mussenden Temple können wir von der Foyle Bridge bereits einen Blick auf die Altstadt von (London-)Derry werfen, die wir am Abend auf der Rückfahrt besuchen wollen. Als wir in Downhill an den Ruinen des Bischofspalasts aus dem Bus steigen, ist es durch den Wind erstaunlich frisch, aber für die heutigen Spaziergänge damit ganz angenehm. Der erste davon führt uns nun an den Rand der Klippen, auf denen der kreisrunde Mussenden Temple thront und stoisch den Kräften der Gezeiten trotzt. Einst konnte der Bischof mit seiner Kutsche um den Tempel herumfahren; heute trennt nur noch eine niedrige Steinmauer die Besucher vom Abgrund. Unter uns erstreckt sich weitläufig der Sandstrand von Downhill; drei Reiter drehen dort einsam ihre Runden. Wir reißen uns mühsam von der Aussicht los und laufen durch die Palastruinen zurück zum Bus. Donal fährt uns entlang der Küste und mit einem Zwischenstopp am Dunluce Castle (bei dem wir Zeuge von Dreharbeiten mit einem kleinen roten Oldtimer-Cabrio werden) zum Giant’s Causeway. Die Geheimnisse des vom Riesen Finn MacCool errichten Damms aus Basaltsäulen ergründen wir bei weiterhin herrlichem blauen Himmel per Audioguide und/oder aus der Vogelperspektive auf einem kleinen Klippenspaziergang. Anschließend erfreuen sich meine Gäste bei einer Zusatzwanderung vom Besucherzentrum hinunter zum Runkerry Beach am traumhaften Küstenpanorama, der wunderschönen Blütenpracht sowie einer Austernfischer-Familie aus Mutter, Vater und zwei flauschigen grauen Küken, die tolpatschig hinter den Eltern herwatscheln und -hüpfen. Das Runkerry House — ein riesiges herrschaftliches Anwesen, das zeitweilig dem Staat gehörte — weckt hingegen Begehrlichkeiten und Sehnsüchte nach einem Leben am Meer. Für einen Foto- und Einkaufsstopp an der Bushmills Distillery nehmen wir uns ebenfalls noch Zeit, bevor wir am Nachmittag zurück nach Derry fahren. Hier wartet als letzter Tagesordnungspunkt ein Spaziergang auf der historischen Stadtmauer auf uns, der uns gedanklich in die Zeit der Belagerung während des Williamite War und in den Nordirlandkonflikt zurückversetzt. Zum Glück ist die Zeit der Bomben und Straßenkämpfe (vorerst) vorbei. Die alten Kanonen funktionieren nicht mehr, bleiben aber als Erinnerung auf Protestanten, Katholiken und die heutigen Politiker gleichermaßen gerichtet. Ein langer, aber wieder sehr schöner Tag geht schließlich mit dem letzten Abendessen im Station House Hotel zu Ende und später am Abend gibt es sogar noch Livemusik an der Bar.


5. Tag (Donnerstag, 08.06.2023): Mullaghmore – Westport – Croagh Patrick

Nachdem wir am Morgen unsere Zelte in Letterkenny abgebrochen haben, erreichen wir nach gut einer Stunde Fahrt die (viel kleinere) gemütliche County-Hauptstadt Donegal, wo wir einen ersten Aufenthalt machen. Um den Hauptplatz „The Diamond“ gibt es nette kleine Cafés und auch das Donegal Castle ist gleich um die Ecke. Unterwegs hatte es sich etwas zugezogen, aber nun sind die dicken Wolken wieder verschwunden, sodass wir eine Wanderung bei Sonnenschein um die Halbinsel Mullaghmore unternehmen können. Der kräftige Wind vom Meer her sorgt für Abkühlung und zerzauste Haare. Wir nehmen uns diesmal viel Zeit und bewundern ausgiebig die schroffe Küste und das Classiebawn Castle mit dem Tafelberg Ben Bulben im Hintergrund. Bei einem kurzen Picknick am Hafen können wir uns mit Aussicht auf den schönen Sandstrand stärken. Durch Sligo und damit mitten durch das Yeats Country geht es am frühen Nachmittag weiter nach Westport. Die kleine Stadt gilt mit ihrem Flanierboulevard am Kanal und den hübschen bunten Geschäften als einer der schönsten Orte im Nordwesten Irlands und zieht auch uns in ihren Bann. Ein kurzer Sprint mit dem Bus und wir finden uns am Fuße des Croagh Patrick wieder. Dessen beinahe kegelförmigen Gipfel konnten wir — ausnahmsweise ganz ohne Wolken — bereits auf der Anfahrt nach Westport bewundern. Wir laufen zum Aussichtspunkt am Anfang des Pilgerpfads und genießen gemeinsam mit einer Statue des Nationalheiligen den Blick auf die Clew Bay mit ihren vielen Inseln. Sie war einst Ausgangsbasis der Piratenkönigin Grace O’Malley. Donal möchte uns nun eine besonders schöne Ecke von Irland zeigen und schlägt die Route durch das Doolough Valley über Louisburgh vor. An einigen Stellen wird die Fahrt zum Hindernisparcours, denn Donal muss immer mal wieder ausgebüchsten Schafen mit ihren kleinen Lämmern ausweichen. Durch die Mwelrea Mountains gelangen wir nach einem Fotostopp im Tal mit seiner atemberaubenden Lichtstimmung schließlich zum Killary Harbour und können auf der anderen Seite bereits unser Hotel erkennen. In traumhafter Lage am Fjord erwartet uns hier ein ausgesprochen leckeres Abendessen.


6. Tag (Freitag, 09.06.2023): Wanderung auf den Aran Islands

Bereits die morgendliche Fahrt durch die Berge zum Hafen von Rossaveel ist ein weiteres kleines Highlight. Bei der Ankunft dort merken wir schon, dass heute ein ziemlich starker Wind weht. Die Überfahrt mit der Fähre verläuft hingegen vergleichsweise ruhig, d. h. bei nur leichtem Seegang. Im Hafen von Kilronan zieht allerdings selbst Donal nun seinen Pullover über. Nachdem wir einmal losgezogen sind und zwischen den Trockensteinmauern die Küstenstraße entlanglaufen, wird uns schnell warm. Für unser Picknick zur Mittagspause habe ich einen besonderen Platz ausgesucht: Neugierig beobachten wir ein gutes Dutzend Kegelrobben, die wiederum neugierig abwechselnd ihre Köpfe aus dem Wasser recken. Als wir schließlich langsam weiterziehen, ist das Wasser so weit zurückgegangen, dass die ersten Robben aus dem Wasser kommen und sich einen Liegeplatz für ihre Siesta bei Ebbe suchen und die markante Bananenposition einnehmen. Wir verlassen für eine Weile die Küstenstraße und folgen dem Wanderweg über einen schmalen Pfad zwischen Kalksteinflächen, Trockenmauern und zarten Blumenwiesen. Am Horizont ist bereits am Rand der Klippen das mächtige Steinfort Dun Aengus zu erkennen. Wenig später stehen wir dort oben und blicken vorsichtig und aus mehr oder weniger sicherer Entfernung in den Abgrund; 100 Meter unter uns stoßen die Wellen gegen den Felsen. Warum haben sich die Menschen vor 3000 Jahren hierher zurückgezogen und mit diesen gewaltigen Mauern umgeben? Die irische Geschichte steckt voller Geheimnisse. Warum es ausgerechnet nun zu tröpfeln anfängt, ist ebenso mysteriös, aber der Regen hört bald wieder auf. Die bestellten Shuttlebusse holen uns pünktlich ab und bringen uns zurück nach Kilronan. Bei der Rückfahrt mit der Fähre ist es noch ruhiger als am Vormittag. Der Seegang ist wenig zu spüren. Donal hat eine Fähre früher genommen und wartet bereits mit dem Bus auf uns, um uns zu einem weiteren leckeren Abendessen zurück ins Hotel zu bringen.


7. Tag (Samstag, 10.06.2023): Connemara–Nationalpark, Kylemore Abbey und Weiterfahrt nach Gort

Endlich irisches Wetter! Sonnenschein und Dauerwärme waren ja kaum noch auszuhalten! Vor allem die Landschaft freut sich nach zwei Wochen Trockenheit über den morgendlichen Regenschauer, den der kräftige Wind vom Atlantik her über die Berge Connemaras jagt. Meine Gäste freuen sich vielleicht nicht ganz so doll, aber es gibt ja bei zwei Fotostopps trotzdem noch die wunderschöne Landschaft am Fjord zu bewundern. Am Rosroe Pier quälen wir uns sogar bei leichtem Regen und starkem Wind einen kleinen Hügel hinauf — alles für die Aussicht und tolle Fotos. Dann ändern wir spontan unser Programm, verschieben den Besuch im Connemara-Nationalpark auf den frühen Nachmittag und besichtigen stattdessen jetzt gleich die Kylemore Abbey mit ihrer schönen Park- und Gartenanlage. Immerhin können wir hier dem Regenschauer ins Innere des früheren Herrenhauses der Familie Henry entfliehen. Hier lauschen wir sprechenden Bildern und bestaunen die reiche Ausstattung der restaurierten Räume. Als wir wieder hinaus ins Freie treten, hat der Regen aufgehört. Perfekt abgepasst! Der Erkundung der Parkanlage mit einer sehr hübschen und im Inneren sehr warm gestalteten und einladenden neogotischen Kirche und einem großen viktorianischen Walled Garden steht nunmehr nichts im Wege. Besonders zu empfehlen ist immer auch ein Besuch des hübschen Gärtnerhauses, der Connemara-Ponys und der beiden riesigen grunzenden Schweine. Bevor wir die Region Connemara verlassen (müssen), drehen wir zumindest noch die kleine Runde im Nationalpark. Sie führt bereits ein gutes Stück nach oben, sodass wir einen herrlichen Blick in Richtung Küste haben. Dafür haben wir am Nachmittag Zeit für einen längeren Aufenthalt in Galway und erweitern die technische Pause an der Kathedrale um einen Abstecher in die belebte Innenstadt. Einige Gäste sind so begeistert von den Straßenmusikern und der guten Stimmung in den Straßen der Universitätsstadt Galway, dass sie gern Ausgang bis 23 Uhr haben würden. Das kollidiert leider mit dem geplanten Abendessen im Hotel, weshalb sich mein Pflichtbewusstsein am Ende durchsetzt und wir doch die Weiterfahrt nach Gort antreten. Außerdem ist Donal dort mit seiner Frau verabredet, die uns später im Restaurant einen kurzen Kennenlernbesuch abstattet.


8. Tag (Sonntag, 11.06.2023): Cliffs of Moher und Wanderung im Burren

Das donnernde „Morning“ kommt heute nicht vom Sitz neben mir, sondern aus der letzten Reihe. Donal darf heute nach seinen sechs Tagen im Einsatz nicht fahren, weshalb ich mich neben dem sehr liebenswerten Paul wiederfinde. Er fährt uns in nur rund 15 Minuten zu unserem ersten Ziel: der Kilmacduagh Abbey mit dem „Schiefen Turm“ von Irland. Fast schon düster und bedrohlich wirkt das mehr als 30 Meter hohe steinerne Ungetüm unter der heutigen Wolkendecke. Der Regen soll jedoch an diesem Sonntag ausbleiben und auf der Fahrt zu den Cliffs of Moher durch die ersten Ausläufer des Burren schimmert immer mal wieder ein Stück blauer Himmel durch. Kurz vor Ankunft dort lässt sich bereits erahnen, dass wir heute eine fantastische Fernsicht haben werden, denn wir können rechts im Meer ganz klar und deutlich die Aran Islands erkennen. Dementsprechend begeistert sind wir alle von der Aussicht auf die berühmten, bis zu 200 Meter hohen Klippen. Ganz unten auf dem Meer ziehen Ausflugsboote als winzige Flecken ihre Kreise. Herrlich! Die nun folgende Wanderung vom Ballinalacken Castle nach Fanore auf einem Abschnitt des Burren Way führt uns an vereinzelten idyllischen Ferienhäusern, neugierig herüberschauenden Kühen und hübschen Pferden vorbei. Ich kann sogar zwischendrin mal einen Kuckuck hören — und außerdem wird uns der Weg zwischenzeitlich von einer Kuh und einem Kalb versperrt, aber wir können uns am Ende gütlich einigen und die beiden rennen ängstlich vor uns weg und auf ihre Weide zurück. Kurz vor dem Ziel fängt es erst langsam an zu tröpfeln, dann sogar richtig zu regnen. So ein Pech aber auch! Wie gut, dass es in O’Donohue’s Pub trocken ist und es dort sehr guten Irish Coffee sowie leckere Fish & Chips gibt! Außerdem werden wir Zeuge eines Hurling-Matches zwischen den Countys Limerick und Clare, das live im Fernsehen übertragen und von vielen Einheimischen im Pub verfolgt wird — authentische Einblicke in die irische Kultur! Paul steuert uns gut verköstigt durch die bizarre Steinwüste des Burren und enge Straßenabschnitte an der Bucht von Galway. Als Süßschnabel kann ich dabei unmöglich ohne Zwischenstopp an der Hazel Mountain Chocolate Factory vorbeifahren. Wir bekommen sogar eine kleine Führung, aber den großen, dicken Schokoladenblock kann ich auch diesmal nicht erbeuten. Immerhin ist der Trostpreis eine heiße Schokolade, die ich mir schmecken lasse, als Paul uns die letzten Kilometer nach Gort zurückfährt.


9. Tag (Montag, 12.06.2023): Coole Park – Fahrt über den Shannon – Lartigue Monorail – Tralee

Nach zwei Nächten im Lady Gregory Hotel wollen wir eine Annäherung an die namensgebende Schriftstellerin und wichtige Intellektuelle des Irish Literary Revival versuchen, deren Landsitz – Coole Park – sich unweit von Gort befand. In der Gegenwart dient er als Naherholungsgebiet, wodurch sich Lady Gregory auch lange nach ihrem Tod in den Dienst der irischen Allgemeinheit stellt. Unser Morgenspaziergang führt uns durch sieben kleine Wäldchen zu einem Turlough, der leider nach so langer Zeit ohne Regen fast ausgetrocknet ist. In der Ferne erblicken wir mindestens einen wilden Schwan, einen Vertreter jener Gattung, die William Butler Yeats zu einem seiner berühmtesten Gedichte inspiriert hat. Der Rundweg endet am Autograph Tree mit den Insignien weiterer berühmter Größen wie George Bernard Shaw oder John Millington Synge. Wir wandelten also in großen Fußstapfen. An Ennis vorbei erreichen wir die Küste und wählen die Uferpromenade in Lahinch für unsere Mittagspause. Es sind doch tatsächlich einige Irre, äh Iren, im Wasser — ohne Neoprenanzug! Wir suchen uns ein Plätzchen auf den Steinen, genießen unsere Sandwiches, Baguettes oder auch ein Eis vom Laden an der Ecke und beobachten die mutigen Helden. Mit der „Ferry to Kerry“ setzen wir über den Shannon über (erreichen sogar dank Donals zügiger Fahrweise die verspätete frühere Fähre) und gelangen so nach Listowel zur Lartigue Monorail. Die sei selbst ihm viel zu schnell, witzelt unser irischer Chauffeur und widmet sich lieber der Buspflege, während wir uns schicksalsergeben in zwei ungefähr gleich große Gruppen aufteilen, um die Waggons gleichmäßig zu bemannen bzw. -frauen. Mit viel gutem Willen lässt sich ein kräftiger Fahrtwind erahnen, als sich das stählerne Ungetüm pfeifend und ruckelnd in Bewegung setzt. Mit viel Enthusiasmus führen uns die Mitarbeiter des Museums Lokomotive und Weichen vor. Wer mag, darf für ein Foto selbst den Lokführer spielen und am Pfeifenhebel ziehen. Ein kurzes Schwarz-Weiß-Filmchen sorgt hernach im Kinoraum für weiteres Raunen und Schmunzeln. Mit dem blitzeblank geputzten Bus erreichen wir am Nachmittag die Stadt Tralee und beziehen unsere sehr, sehr schönen Zimmer im zentralen Grand Hotel. Das Abendessen ist ebenfalls hervorzuheben und stimmt damit bestens auf den weiteren Abend ein. Alle meine Gäste begleiten mich nämlich diesmal in die Show „Celtic Steps“ und lassen sich von Gesang, Musik und Stepptanz mitreißen und restlos begeistern. Freudestrahlend laufen wir nach der Darbietung zum Hotel zurück und fallen glücklich in unsere Betten.


10. Tag (Dienstag, 13.06.2023): Ring of Kerry – Zusatzwanderung zum Derrynane Beach und Spaziergang zum Muckross House

Nach dem gestrigen schönen Abend und einer erholsamen Mütze Schlaf im Grand Hotel brechen wir frohen Mutes zum Ring of Kerry auf. Bei Killorglin erreichen wir die berühmte Panoramastraße und folgen ihr entgegen dem Uhrzeigersinn die Küste entlang. Nach einem Fotostopp mit Blick auf die Dingle-Halbinsel wartet die erste Überraschung auf meine Gäste. Wir besuchen Schäfer Tom und erhalten von ihm und seiner eifrigen Border-Collie-Dame eine kleine Demonstration ihres Arbeitsalltags. Tom hat mit seinen Hunden bei Wettbewerben schon mehrere Preise gewonnen und geht auch gern auf unsere Fragen ein. Hinter Cahersiveen, dem Geburtsort des großen Katholikenbefreiers Daniel O’Connell, erklettern wir die Mauern des rekonstruierten Steinforts Cahergall und genießen einmal mehr die schöne Aussicht, bevor wir in Waterville, dem Lieblingsferienort von Charlie Chaplin, unsere Mittagspause machen. Hier an der Ballinskelligs Bay stärken wir uns für die spätere Zusatzwanderung gleich nach dem Fotostopp am Coomakista Pass. Die dortige traumhafte Aussicht auf die Beara-Halbinsel und mehrere kleine Inseln bleibt uns für die ganze Wanderung erhalten. Ein Dank an meine Wetterengel, die dieses Reise-Highlight ermöglicht haben. Für irische Verhältnisse ist es heute wieder richtig warm und sonnig, weshalb die Abkühlung im Meer — und sei es nur für die Füße — am Derrynane Beach sehr willkommen ist. Außerdem lockt im Café im Derrynane House ein leckeres Schokoladeneis. Nun geht es nicht etwa zum Hotel zurück, nein, nein! Es wartet ja später noch der Killarney-Nationalpark auf uns! Ein Fotostopp am Ladies’ View mit Blick auf die drei Seen des Parks verschafft uns einen ersten Eindruck, den wir bei einem schönen Spaziergang vom Torc Waterfall zum Muckross House mit seinem herrlichen englischen Landschaftsgarten vertiefen. Unterwegs sehen wir sogar Rotwild. Ein rundum schöner Tagesausflug geht damit zu Ende und wir freuen uns nun auf unser zweites Abendessen in Tralee.


11. Tag (Mittwoch, 14.06.2023): Desmond Castle in Adare und Nationalgestüt

Im dichten Nebel verlassen wir Tralee und damit die irische Westküste; beginnen unsere Rückreise in die Gegend um Dublin. Damit beginnt sich der Kreis langsam zu schließen und unsere Rundreise neigt sich langsam, aber sicher ihrem Ende zu. Das heutige Wetter demonstriert einmal mehr, welches Glück wir in den letzten Tagen und vor allem gestern hatten. Der Ring of Kerry bei Nebel wäre nicht halb so schön gewesen. Für eine Zeitreise in die geheimnisvolle Vergangenheit der „Grünen Insel“, in die Zeit der anglonormannischen Invasion, liefert der Nebel hingegen das vielleicht perfekte Ambiente. Bei unserer Ankunft in Adare hat sich der Himmel jedoch weitestgehend aufgeklärt und die Sonne beginnt, immer unbarmherziger vom Himmel zu brennen. Ist das noch Irland? Das angeblich immer verregnete Irland? Unser Guide John zeigt uns nun in Adare die Ruinen des Desmond Castle, erklärt dessen Verteidigungsmechanismen und Geschichte und nimmt sich insgesamt viel Zeit für uns und unsere Rückfragen. Nachdem uns Donal an der Burgruine wieder abgeholt hat, haben wir noch Zeit für einen Bummel entlang der Hauptstraße, um die schönen reetgedeckten Cottages zu bewundern. Auf der Weiterfahrt überrascht uns Donal mit einer Gesangseinlage, als wir seine Heimat, das County Tipperary, durchqueren. Den Nachmittag verbringen wir auf dem Irischen Nationalgestüt bei Kildare. Bei einer Führung erhalten wir viele Einblicke in die Zucht englischer Vollblutpferde sowie den gesamten „Industriezweig“. Während die kleinen Fohlen im Nu unsere Herzen erobern, verzückt der japanische Garten des Gestüts unsere Augen und der leckere Kuchen im Café unsere Gaumen. So geht Urlaub! Über die Autobahn geht es weiter nach Dublin und von dort aus Richtung Süden in die Wicklow Mountains zu unserem leider schon letzten Hotel der Reise. Zeitlich kommen wir heute sogar sehr gut durch und haben noch eine Stunde bis zum Abendessen.


12. Tag (Donnerstag, 15.06.2023): Wanderung in Glendalough – Powerscourt Gardens und Powerscourt Distillery

Der Tag in den Wicklow Mountains rundet unsere Rundreise perfekt ab. Wir unternehmen eine letzte Wanderung, besuchen die Powerscourt Gardens und verkosten Whiskey in der Powerscourt Distillery. Auch an diesem schönen Tag sorgen meine Wetterengel für perfektes Wanderwetter in Glendalough, dem romantischen Tal der zwei Seen. Auf den Spuren des Heiligen Kevin wandern wir entlang beider Seen bis zu den Ruinen der alten Bleimine am Ende des Tals. Nach einer kleinen Pause zieht es uns angesichts der brennenden Sonne in den Schatten der Bäume und wir laufen wieder zum Besucherzentrum. Während der dortigen Filmvorführung kehren wir gedanklich an viele Orte zurück, die wir auf unserer Reise besucht haben: Monasterboice, die Aran Islands, das nordirische Derry. In den Gärten von Powerscourt lustwandeln wir anschließend am Fuße des irischen Zuckerhuts, des Sugarloaf Mountain, und erfreuen uns an der bunten Vielfalt an Blumen und Bäumen, thematisch gegliedert u. a. in einen japanischen und einen italienischen Garten. Und dann kommt (endlich) die Whiskey-Destillerie! Schon fast 12 Tage Irland, mehr als 2.000 Reisekilometer ohne Whiskey-Verkostung, das ist nicht nur sehr selten, sondern fast schon sträflich, oder? Hätte der Reiseleiter Andreas allerdings gewusst, welch stürmische, leidenschaftliche und (bewegungs-)intensive Begrüßung und Einweisung ihn und die Gruppe seitens der Dame hinter der Rezeption in ihrem farbenfrohen rosa Kleid erwartet, er hätte die Gruppe vielleicht doch lieber durch den Hintereingang reingeschmuggelt. Eine sehr pathetische Filmvorführung sowie eine Führung durch Produktionshalle und Lagerhaus später — dann stehen die drei formschönen Gläser mit ihrem goldenen Inhalt auf einem Holzbrett hübsch aufgereiht vor uns. Wir dürfen einen Single Grain, einen Single Malt und einen Blended Whiskey probieren, also drei sehr unterschiedliche alkoholische Getränke für verschiedene Anlässe und Zwecke. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber der 10-jährige Single Grain Whiskey ist vom Geruch her mein klarer Favorit. Etwas angeheitert gibt es im Bus noch eine kleine Gesangseinlage vom vielleicht beliebtesten Cockpit-Duo Irlands, bevor wir auch schon wieder zurück sind im Hotel und langsam damit beginnen müssen, unsere ganzen Souvenirs und gekauften Whiskeyflaschen in den Koffern zu verstauen.


13. Tag (Freitag, 16.06.2023): Zugfahrt und Freizeit in Dublin – Heimflug

Entlang der Küste fahren wir mit dem Vorortzug von Greystones nach Dublin zurück und erfreuen uns an der Aussicht auf die Irische See, die Klippen und Felsen, den Strand, Segelboote und auch einige Surfschüler. Wie einst Heinrich Böll kommen wir an der Pearse Street Station in der irischen Hauptstadt an und sehen auf dem Weg zum Trinity College die ersten verkleideten Menschen, die heute am 16. Juni den Bloomsday feiern. Gut die Hälfte der Gruppe besichtigt die alte Bibliothek und die Ausstellung zum Book of Kells. Außerdem haben wir noch Zeit für einen Bummel auf der Grafton Street und/oder einen Spaziergang durch den Park St Stephen’s Green. Nun schlägt aber das Wetter doch in typisch irische Verhältnisse um, wodurch uns der Abschied von Irland am Ende etwas erleichtert wird. Am Flughafen erfolgt eine herzliche Verabschiedung von Donal und wenig später — kurz und schmerzlos — von unseren Koffern. Nach der Sicherheitskontrolle trennen sich unsere Wege und wir fliegen zurück nach Düsseldorf, Berlin und Frankfurt. St Kilian heißt der Airbus A320 von Aer Lingus, der uns leicht verspätet nach Berlin bringt. Dafür kommen dann die Koffer im Vergleich zur Reise im Mai superschnell zu uns. (Der Flug nach Düsseldorf wird am Ende leider noch gestrichen und fünf Gäste müssen eine weitere Nacht in Dublin verbringen. Sie fliegen am nächsten Morgen über Brüssel zurück.)


Schlusswort

Liebe Gäste meiner pflegeleichten Wetterengel-Gruppe im Juni 2023, ich danke euch allen für den vielen Sonnenschein auf dieser Reise. Nicht nur das tolle Wetter hat unsere Wanderreise auf der Grünen Insel zu einem einzigartigen Erlebnis gemacht. Unser irischer Fahrer Donal hat uns viel Spaß bereitet und für musikalische Höhepunkte gesorgt. (Für die Rallye Paris-Dakar 2024 drücken wir ihm alle die Daumen.) Gemeinsam haben wir die schönsten Ecken von Irland gesehen, sind viel gewandert und haben uns kulinarisch mit Kartoffelbrei, Eton Mess und Schokokuchen verwöhnen lassen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich euch bald wieder als Gäste auf einer Eberhardt-(Wander-)Reise begrüßen darf.

Herzlichst,

Euer Andreas Wolfsteller

Kommentare zum Reisebericht

Lieber Andreas,
wir danken Dir sehr für Deine exzellente Reiseleitung durch das sehr schöne Irland sowie die vielen Geschichten und Legenden, die Du mit Deinem eigenen Humor so kräftig gewürzt hast, dass wir schon Muskelkater vom Lachen bekamen ;-)
Wir können uns nun an Deinem sehr lebendigen Reisebericht und Bildern erfreuen, die uns an 13 sehr intensive gemeinsame Tage erinnern!
Wir hoffen sehr, dass wir uns auf einer Deiner nächsten Reisen ab 2024 wiedersehen werden.
Bis dahin alles Liebe und Gute wünschen Dir und Deiner Franziska ganz herzlich
Lotte und Georg

Lotte und Georg Neupert
19.06.2023

Liebe Lotte, lieber Georg,
vielen, vielen Dank für Euren außerordentlich lieben Kommentar. Es freut mich, dass Euch sowohl die Reise mit Donal, Max, Franziska und mir als auch der Reisebericht gefallen haben. Über ein Wiedersehen in der Zukunft würde ich mich ebenfalls sehr freuen.
Bis dahin wünsche ich Euch alles Gute und sende ganz liebe Grüße aus den schottischen Highlands!
Euer Andreas

Andreas Wolfsteller 21.06.2023

Liebe Lotte, lieber Georg,
vielen, vielen Dank für Euren außerordentlich lieben Kommentar. Es freut mich, dass Euch sowohl die Reise mit Donal, Max, Franziska und mir als auch der Reisebericht gefallen haben. Über ein Wiedersehen in der Zukunft würde ich mich ebenfalls sehr freuen.
Bis dahin wünsche ich Euch alles Gute und sende ganz liebe Grüße aus den schottischen Highlands!
Euer Andreas

Andreas Wolfsteller 21.06.2023