Reisebericht: Wandern auf Sardinien – zweitgrößte Insel im Mittelmeer

12.10. – 19.10.2023, 8 Tage Wanderreise auf der Insel Sardinien / Italien: Olbia – Alghero – Punta Giglio – Vulkanküste – Bosa – Gallura – Monte Limbara – Nurra – Isola Rossa – Castelsardo – sardische Auvergne (ca. 53 geführte Wanderkilometer)


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Ein goldener Oktobertag, viel zu warm für die Jahreszeit mit seinen 27 Grad.
In ein paar Tagen sollte in Bayern das Wetter wieder kälter werden, hörte man die Stimme aus dem Radio sagen.
Aber egal, wir fliegen ja nach Sardinien und dort sollte das Wetter beständig schön sein, mit viel Sonne und angenehmen Wassertemperaturen.
Lassen wir uns überraschen.
Ein Reisebericht von
Michael Rass
Michael Rass

Salvatore, gib Gas

Eine interessante Reisegruppe schien es zu sein. Erste Eindrücke konnte man schon vorab bei den Telefonaten gewinnen.
4 Abflughäfen mit 3 Transfers zum Hotel zeugen von einer bunten Mischung unterschiedlicher Charaktere, die sich irgendwie zusammenfinden sollen.
Solche Reisen sind immer spannend, denn sie bergen viel Potential für einen unvergesslichen Urlaub.
Ob es ein gelungener Urlaub werden wird, hängt von jedem Einzelnen ab und zeigt sich am Ende der Reise.
Menschen, die das Wandern lieben, wissen worauf es ankommt, und dies zeigte sich schon bei den ersten Begegnungen und Gesprächen im Hotel.

Ich saß fast alleine im Ankunftsbereich mit meinem Eberhardtanhänger um den Hals und wartete auf 2 Gäste, die mit mir hätten landen müssen. Man kannte sich ja vorher nicht, und so stellte ich mich gut sichtbar in den Warteraum. Aber irgendwie war da niemand mehr.
Mit reichlich Verspätung landete auch der Flieger aus Frankfurt.
Etwas sonderbar schien mir, dass ich unseren Transferbusfahrer noch nicht im Wartebereich entdecken konnte. Er ist längst überfällig.
Vorsichtshalber mal beim Busunternehmen nachgefragt wo er bleibt, aber leider ohne Erfolg, denn die Dame dort verstand weder englisch noch deutsch.
Die Fluggäste kamen bereits in den Wartebereich und noch immer kein Busfahrer zu sehen. Zum Glück gab es die Notrufnummer von Eberhardt, vielleicht weiß man dort mehr? Ich schilderte den Fall und gleichzeitig auch das Fehlen des Ehepaares aus München.
Noch während des Telefonats konnte ich einen Wanderer aus der Gruppe erwischen, aber wo war der Rest?
Er war da, wo er sein sollte.
Unser Salvatore tauchte plötzlich aus dem Nichts auf, mit der gesamten Eberhardtgruppe und lächelte mit seinem typisch sardischen Charme.
„Der kleine Schlawiner“ hat sich ein kleines Späßchen mit mir erlaubt. Aber das bezeugt, dass man sich auf jedenfall auf ihn und auf sein Unternehmen vollends verlassen kann, und wir in der Woche viel Spaß haben werden.

Einen kleinen Wehmutstropfen gab es dennoch, denn ein Koffer wurde irgendwann beim Handling in oder aus dem Flugzeug stark beschädigt. Der Griff war total verbogen und ließ sich nicht mehr in den Trolley zurückschieben. Auf Nachfrage bei den italienischen Behörden gab es die Auskunft, dass für Handgriffe und Räder von Koffern keine Ersatzansprüche gestellt werden können.
Aber ein Mann ist ein Mann, weil er eben was kann. Er nahm den Koffer seiner Frau, drehte in kurzerhand auf den Rücken und trat beherzt mit dem Fuß auf den Handgriff um ihn wieder gerade zu biegen. Dies gelang auch. Problem war fast gelöst. Ganz ließ sich der Griff leider nicht mehr im Koffer versenken.

Jetzt hieß es aber Gas geben. Salvatore ließ seinen Bus über den dunklen Asphalt in die untergehende Sonne Sardiniens fliegen. Golden versank die Sonne hinterm Cappo Caccia. Lapin Kulta auf sardisch.
Die Zeit drängte, denn die Küche des Hotelrestaurants schloss um 21.00 Uhr seine Pforten.
Ein großes Lob an die Gäste, die mit den früheren Transfers angereist waren, dass sie alle auf uns „Nachzügler“ gewartet hatten.
Und da waren auch mein „verlorenes Ehepaar“. Sie hatten ihre Koffer früher bekommen als ich, gingen in den Wartebereich und wurden gleich persönlich vom Chauffeur in Empfang genommen und ins Hotel gebracht.
Gott sei Dank! Unsere Gruppe war komplett.
Ein langer Tag ging zu Ende, manche genossen noch auf der Terrasse einen Drink bei live Pianomusik und dem leisen Rauschen des Meeres.

Meine lieben Gäste

Freitag, der 13te. Für manche doch ein Glückstag.
Besonders wenn man früh morgens vor dem Frühstück ein herrliches Bad im lauwarmen Meer nehmen konnte.
Die aufgehende Sonne hinter Fertilia, vor mir das Hotel noch im Halbschlaf und ich im Wasser liegend und sich friedlich von den Wellen treiben lassen.
Ja, Sardinien hat schon seine besonderen Reize wenn man auf Kleinigkeiten achten kann.

Das Frühstück üppig und notwendig zur Stärkung für den Wandertag entlang der Vulkanküste bis nach Bosa.
Mit den vertrauten Worten „Meine lieben Gäste“ empfing uns Antonio, der Wanderführer zu unserem ersten Ausflug in die sardische Wildnis.
Ein Bilderbuchwetter und ein faszinierendes Licht entlang der Panoramastraße, ließ die typische Mittelmeervegetation in ganz besonderem Grün erstrahlen und sorgte für staunende Gesichter beim Betrachten dieser spannenden Landschaft.
Hoch über uns, Punkt 10.00 Uhr, ein Schwarm Gänsegeier auf Nahrungssuche. Majestätisch segelten sie über die Gipfeln, bevor sie nach 15min wieder im Nichts verschwanden.

Gleich zu Beginn der Wanderung, Antonios Stimme im Doppelklang. Er war gerade dabei uns den Sommerschlaf der Wolfsmilch zu erklären, als aus der Felsenwand gegenüber seine Erklärung nochmal in unser Ohr drang.
Der Weg führte uns über so manchen Felsen, wo man auch mal die Hände zu Hilfe nehmen musste, bevor wir einen herrlichen Ausblick auf den Strand von Punta Argentina und Tenzisos hatten.
Eine faszinierende Landschaft ist es schon, mit seinen bizarren Felsformationen und den Domus de Janas, geformt aus den Kräften der Natur.
Erstaunlich viele Camper hatten sich dort eingerichtet um einen herrlichen und sehr warmen Spätsommertag zu genießen. Wild campen ist allerdings auf Sardinien verboten, doch wo kein Kläger, da auch kein Richter. Es wird wenig kontrolliert.

Von den 116 Wehrtürmen entlang der Küste Sardiniens besuchten wir einen. Den Torre Argentino. Ein Wehrturm, der einst zum Schutze vor einfallenden Sarazenen diente.

Der Schweiß rann von der Stirn, die Hemden durchgeschwitzt und unter uns ein glasklares türkisblaues Wasser, das dauernd rief: „komm herein zu mir“.
Seine kühlende Wirkung konnte jeder bis in die Haarspitzen spüren. Das Meer war nah und doch so weit weg.
Durch mannshohe Büsche und Gestrüpp führte uns Antonio hinunter zu einer kleinen, eher einsamen Bucht, mit dem seltsamen Namen Cumpoltittu.
Raus aus den durchgeschwitzten Kleidern, lechzend nach Abkühlung rein ins Wasser.
Es tat so unheimlich gut, dass wir alle gerne länger geblieben wären. Aber der Weg führte uns weiter zu den bunten Häusern nach Bosa und zur Agricola Columbu.
Vorab aber noch eine kleine Freizeit im Örtchen zu freien Verfügung, wo man sich gerne ein kleines Bier gegen den Durst genehmigte. Ebenso einen kleinen Magenfüller für die bevorstehende Weinprobe mit dem berühmten Malvasia di Bosa.
Antonio führte uns noch etwas durch die Altstadt und zeigte uns die Lagerhäuser wo in den 1950iger Jahren 300.000 Liter DDT lagerten. 30.000 Mann bespritzten 10 Jahre lang jeden Winkel der Küstenregion um die Malaria zu besiegen.

Und dann erreichten wir das Haus von Giovanni Battista Columbu. Im gemütlichen Keller erwartete uns eine einzigartige Verkostung 2er Spitzenweine des Malvasias.
Der kleine Familienbetrieb mit ca. 3ha Anbaufläche wurde in den 1950iger Jahren gegründet und wird heute in 2ter Generation weitergeführt. Zur Ernte gibt es 25 Helfer, die den gesamten Wein in einem Tag ernten und gleich weiter verarbeiten, bevor er in der Hitze Sardiniens zu gären beginnt.
Speziell ist auch Herstellung der Riservaweine. 7 Jahre in Kastanienfässer gelagert, ohne irgendwelche Zusätze. Durch die Verbindung des Weines mit Sauerstoff überzieht mit der Zeit eine natürlich entstandene weiße Hefekultur wie eine Decke den Traubensaft und vergärt ihn im Laufe vieler Jahre zu Wein.
Die Weine von Columbu sind in der Regel keine Tischweine, sondern exzellente Weine für besondere Anlässe und werden weltweit verschickt.
„Aketano“ - Auf hundert Jahre - „Che possiamo contare su di loro“ - Auf das wir sie zählen können.

Auf der Rückfahrt wurde es still. Jeder verarbeitete auf seine Weise den Freitag, den 13ten, den vermeintlichen Glückstag mit seinen wunderbaren Erlebnissen.
Von allen als glücklichen Tag empfunden, bot sich vor dem Abendessen noch die Erfrischung im Meer an, was dankbar angenommen wurde.

Beim Abendessen gab es Sprachkurs „Sächsisch für Anfänger“ oder, „wie man sich gegenseitig verständlich macht“.
Ob man frägt, oder doch lieber frogt
Ob man etwas gräder hält, oder genügt vielleicht doch nur ein gerade.
Hock die zuawa, wenn man sich näher kommen möchte.
Dass, wenn der Nischel weh tut, dies nicht unbedingt mit einer Steinbüste in Chemnitz zu tun haben muss.
Dass man in Dresden unbedingt in die berühmte Borsbergstraße gehen muss um „Zelte“ zu kaufen. Es soll dort auch Doppelzelte geben.
Dass man in Deutschland die Uhrzeit auf 3 verschiedene Arten sagt.
Im Süden: Viertel nach X und dreiviertel. X Uhr
In der Mitte Viertel.X Uhr und Viertel vor X
Und im Norden ganz korrekt X.15 Uhr oder X.45 Uhr
Dass der Ränftl in Bayern ein Scherzl ist,
und der Näppl oder Mohdschegiebchen eine Schüssl.
So manche Anekdote führte zu heftigen Lachen und strapazierte die Bauchmuskeln.

Das "kleine Flämmchen"

Leider musste uns Antonio verlassen, so bekamen wir heute eine neue Wanderführerin mit dem schönen Namen Fiammeta, was „Kleines Flämmchen“ bedeutet. Leicht zu merken ist der Name mit der bairischen Eselsbrücke 4 Meta, (Vier Meter)

Fiammeta ist, im Gegensatz zum ruhigen Antonio, eine quirlige und temperamentvolle Reiseführerin mit einem großen Entertainmenettalent. Es brauchte ein bißchen Gewöhnung, denn die Meisten aus der Gruppe kamen mit Antonios Stil besser zurecht.
Aber spätestens bei der Rückfahrt, als Fiammeta ihr Ständchen live im Bus sang waren alle begeistert von ihr.

Das Frühstück musste heute um eine viertel Stunde vorverlegt werden, da die Anfahrt in die Berge sehr weit war.
Für Badeenthusiasten hieß das noch in der Dunkelheit ab ins Meer, das heute besonders eindrucksvoll war. Die ganze Nacht über gab es Wind und am Morgen empfing uns das Meer mit schönen Wellen. Ein wunderbares Gefühl von den Wellen geschaukelt zu werden.

Während der eineinhalbstündigen Fahrt hinüber nach Tempio und hinauf nach Vallicciolo erzählte uns Fiammeta viel über Nordsardinien mit seinen Charakteristiken, während Salvatore seinen MAN Babybus sicher ab flott durch die teils engen Straßen und Serpentinen lenkte.
So erfuhren wir z.B dass der deutsche Sprachwissenschaftler Hans Leopold Wagner in den 1920iger Jahren die sardische Grammatik schrieb.
Oder dass das Wort Cäsar auf sardisch Käsar heißt, was den Begriff Kaiser in sich trägt.
Käse auf sardisch heißt nicht Formaggio, sondern Käsu

Der heutige Ausflug war eine interessante Reise, denn die Landschaft änderte sich ständig. Wir verließen das vulkanische Gebiet Logudoro und passierten „Klein Jerusalem“. So wird die Stadt Sassari genannt, weil sie auf einem Hügel aus Kalkgestein gebaut wurde.
Hier änderte sich die Vegetation schlagartig und ging über von einer kargen Landschaft in das grüne Sardinien, mit Pinien-, Kiefern- und Korkeichenwäldern.

So war auch unser Weg hinauf zu den Limabargipfeln gesäumt mit Pinien – und Kiefernwälder. Ein herrlicher Weg mit viel Schatten. Gott sei Dank, bei den Temperaturen um die 25 Grad auf fast 1000m Höhe.
Die Ausblicke könnten atemberaubend sein, aber leider war es heute zu diesig. Die Felsenküste von Korsika konnte man trotz sehr gutem Auge schwer erkennen. Nur die hohen Cumuluswolken ließen vermuten, dass in der Ferne sich ein Land befinden musste.
Bizarre Steinformationen aus Granit verschönerten so manches Fotomotiv.
Wer sehr aufmerksam war, konnte den geheimnisvollen Reiter erkennen, der uns beobachtete.
In der Ferne erkannte man den künstlich angelegten Stausee Lago di Liscia zur Wasserversorgung des ehemaligen Hirtendorfes Arzachena, das durch den reichen Aga Khan in den 1960iger Jahren zur modernen Stadt avanzierte. Sardinien hat bis auf den Baratzsee keinen einzigen natürlichen Süßwassersee.

Auf den Gipfeln der Limbaraberge gab, bzw gibt es noch heute unzählige Antennen aller möglicher Radio- und TV-Sender.
Die Radarstation der USAF aus 1966 allerdings ist seit 1993 verlassen. Der Troposphärenfunk wurde durch moderne Satelitenkommunikation ersetzt.
Aber die 6 Parabolantennen sind noch sichtbar, die nach Westen, Norden und Osten zeigten. Die Nordweisenden hatten sogar mit Deutschland Verbindung, zur Zugspitze und nach Feldberg im Schwarzwald.
Unser schöner und leichter Rundweg endete wieder in Vallicciola und zwar am Hotel Monte Limbara Nature.
Dort hatte Fiammeta für uns ein Picknick im Freien organisiert. Das Hotel hatte alles vorbereitet. Mitten im Pinienwald, waren die Granittische urig, im einfachen Stil und doch geschmackvoll eingedeckt.
Der landestypische Rotwein stand in Krügen auf den Tischen neben dem Quellwasser aus Tempio. Teilweise saß man auf Steinbänken und genoß im kühlenden Schatten der Pinienbäume ein grandioses Picknick mit den heimischen Spezialitäten und den Aromen der Natur.
Gerne wäre man noch sitzen geblieben, waren wir doch eine zünftige Gruppe Wanderer beim geselligen Zusammensein.

Aber auf dem Terminplan stand noch Tempio drauf. Auf dem Weg dorthin sang uns Fiammetta live das italienische Lied „Loretta“ für eine Dame aus der Gruppe. Dieses Lied blieb einigen als Ohrwurm hängen, und so durfte Fiammetta dieses Lied am vorletzten Tag der Reise noch einmal singen.
In Tempio Pausana ist ein Besuch des alten Bahnhofes, etwas außerhalb der Stadt, auf jedenfall lohnenswert.
Emilio Olivieri hatte den einst schmucken Bahnhof entworfen.
5 Ausgänge sind den Schienen zugewandt.
Erinnert ihr euch noch?
Sala d´aspetto – der Wartesaal
Uscita – der Ausgang
Telegrafo – das Telegrafenamt
Capo Stazione – Der Bahnhofsvorsteher
Posta _ die Poststation
Das Innere wurde uns verwehrt, der Bahnhof war geschlossen. Durch die milchig weißen Holzfenster konnte man kaum mehr etwas erkennen. Die Wandbilder von Guiseppe Biasi sollen das Landleben der damaligen Zeit darstellen. Leer die Holzbänke, wo einst reges Treiben war. Kein Personal mehr am Schalter oder ein Bahnhofswärter, der noch mit der Hand die Weichen der Gleise verstellen musste.
Die alten Triebwagen samt Waggons und der Trenino Verde, der „Grünen Zug“ sind stumme Zeugen der Vergangenheit und stehen auf den verrosteten Gleisen, die langsam von der Natur bedeckt werden.
Der „Grüne Zug“ wäre eigentlich eine Touristenattraktion und sollte zwischen Tempio und Sassari verkehren. Aber wie überall, scheint man kein Geld mehr für die Instandhaltung und Wartung der Strecke und der Maschinen zu haben.

Ein kleiner Rundgang durch die Altstadt im Herzen der Gallura führte uns durch die schmalen Gassen, gesäumt von Häusern aus grauem Granit. Palazzo Municipale, Via Roma, die Kathedrale die San Pietro, gegenüber die aragonesich-gotische Fassade von Oratorio del Rosaro aus dem 14/15.Jhr und Chiesa di Santa Croce aus dem 12 Jahrhundert.
Ein Anziehungspunkt war auch das kleine Geschäft, wo Taschen, Kopfbedeckungen, Armbänder und Kleider aus Kork verkauft wurden.
Eindrucksvoll auch der Parco delle Rimembraze im Herzen der Stadt. Jede einzelne Steineiche im Park ist einem gefallenen Soldaten aus Tempio gewidmet.

Bis Sonnenuntergang

Nachdem man gestern, fast einstimmig, beschlossen hatte eine gemütliche Wanderung der Längeren vorzuziehen führte uns Fiammeta heute vom Lago Baratz hinüber nach Porto Ferro.
Eine sehr gute Entscheidung, wie es sich am Ende des Tages herausstellen sollte.

Sie führte uns entlang eines Weges, der an Vielfältigkeit nicht mehr zu überbieten war. Wir erlebten alle was Sardinien an Natur zu bieten hat in wenigen Stunden.
Flora, Fauna, Süßwasser, Dünen, Felsen, Sandstrand und Meer.
Begonnen hatte die Wanderung am Lago Baratz, dem einzigen natürlichen Süßwassersee Sardiniens. Ein Paradies für Wasservögel und Ornitologen. Ein Paradies für Libellen, über 50 Arten wurden hier entdeckt, unter anderem die rote und die goldene Libelle. Auf dem Weg entlang des Ufers begleiteten uns die Gesänge der Blässhühner. Ab und zu hüpfte mal ein Fisch aus dem Wasser um nach Mücken zu schnappen. Erbeerbäume säumten den Weg, deren Frucht man wirklich probieren sollte. Bienen machen daraus den seltenen Corbezzolohonig. Der Bitterhonig ist nicht jedermanns Geschmack.
Ausgedehnte Regenbogeneukalyptuswälder, Pinien und Kieferwälder, spendeten Schatten auf unserem Weg entlang des Sees.
Wir umrundeten den See nicht vollständig, warum auch?, sondern folgten dem ehemaligen Flußbett aus der Eiszeit mit den violetten Steinen, Cala Viola, hinauf zu den Dünen und weiter hinüber zum Porto Ferro, dem Goldstrand.
Wilde Oliven, Mirtosträucher, blau blühender Rosmarin, Zwergpalmen und die aus Mexiko importierten Feigenkakteen waren jetzt unsere Begleiter.
Fiammeta wusste viel über die Botanik und wir können uns schon fast wie „kleine Biologen“ fühlen, wenn wir wieder nach Hause zurückkehrt sind.

Torre Bianco, am östlichen Ufer des Porto Ferro, war sozusagen das Endziel. Der Turm war Teil der Verteidigungslinie an der Westküste vor einfallenden Piraten und anderen plündernden Völkern.
Im 2ten Weltkrieg wurde er Teil einer Festungsanlage, die hinauf bis zum Torre Negra führte. Dazwischen einige Bunkeranlage zur Verteidigung mit 2 Kanonen und militärischer Armbrust.
Die Anlage diente als Station und hierher wurden die jungen und unerfahrenen deutschen Soldaten geschickt. Hier wurde nie gekämpft. Gott sei Dank!
Die sardischen Mütter hatten Mitleid mit den jungen Burschen und sie wurden mehr oder weniger von ihnen versorgt. In dieser Zeit war die Gegend noch Malariaverseucht und es gab nicht wenige Todesfälle. Die Deutschen halfen mit Medikamenten aus, so entwickelte sich eine gute Beziehung zwischen Sarden und Deutschen. Sie wurden nie als Ausländer oder Feinde identifiziert.

Wer wollte konnte jetzt noch ein bisschen Felsenklettern hinauf zum Torre Negra. Bis auf 3 Gäste, die den Strand vorzogen, begaben sich noch alle auf eine anspruchsvolle Klettertour hinauf zum Turm, die glaube ich, keiner bereute.
Belohnt wurde die Anstrengung mit einem atemberaubenden Ausblick.
Das Schöne an der Gruppe war, dass alle zusammenhielten und sich gegenseitig sowohl beim Aufstieg, als auch beim Abstieg halfen. Unversehrt kam jeder unten wieder heil an.
Bei Fiammeta ging das Temperament wieder einmal durch, denn groß war die Freude, auf das bevorstehende Bad im Meer. Sie überdehnte sich die Bänder eines Fußes bei einem Luftsprung und anschließender Landung auf den Felsen. Zum Glück hatten wir eine erfahrene Ärztin mit in der Gruppe, die sich ihrer gleich annahm und erste Hilfe leistete.
Für Fiammeta war der Tag leider gelaufen. Sie fuhr gleich mit dem Auto zurück nach Hause zur weiteren Versorgung der Verletzung, während der Rest der Gruppe ein ausgiebiges Bad im Meer genoss. Traumhaft und unvergesslich wird für alle das Gefühl bleiben, wie die Wellen unsere Körper umspülten.
Die Zeit bis zum Sonnenuntergang wurde auf unterschiedliche Weise verbracht. Einige gingen im nahen Restaurant eine Kleinigkeit essen, andere genossen ein kühles Bier oder Aperol bei karibischer Musik an der Strandbar. Manche hatte ihre liebe Not mit kleinen gelben, schwarzgestreiften Flugtierchen, die dem Alkohol nicht abgeneigt waren. Aber dies erledigte sich bald von selbst.
Wieder andere verbrachten die Zeit mit ausgedehntem Spaziergang am Strand entlang.

So mancher Zweifel kam ab und an auf, ob man den Sonnenuntergang auch genießen konnte, denn es schoben sich mehr und mehr Wolken vor die Sonne.
Jetzt hatten wir schon so lange ausgehalten, da kam es auf die paar Minuten auch nicht mehr an.
Wir starteten unseren letzten Fußmarsch hinüber zum Torre del Mont Girat, auf einer faszinierende Felsenlandschaft, geformt durch Wellen und Wind. Jeder suchte sich seinen Platz. Die Fotoapparate schussbereit und warten auf die besten Motive mit die untergehende Sonne. Der Wind wehte durch das Haar und das Meer unter uns spielte sein Lied.
„Glei sollte sich die Sonne ins Meer ditschen“, um 18,47 Uhr, aber 5 Minuten vorher verschwand sie hinter einer Wolkenwand und kam nicht mehr zum Vorschein.
Dennoch hat sich das Warten gelohnt und der Tag bekam seinen goldenen Abschluss.
Salvatore erwartete uns pünktlich am vereinbarten Platz und brachte uns rechtzeitig zurück zum Abendessen.
Einige hatten heute eine schöne braune Farbe abbekommen und zum Erstaunen aller, blieb vom Abendessen nichts mehr übrig. Die Teller restlos leer, der Hunger war anscheinend groß.

Wie jeden Abend verbrachte noch die Mehrzahl der Gruppe eine laue Nacht auf der Terrasse bei guter Live-Hintergrundmusik. Selten aber dennoch fand sich ein Paar, dass den Rhythmus der Musik folgte und das Tanzbein beschwingt über die Terrasse fliegen ließ. Wirklich schön dem Paar zuzusehen.
Wer keinen Tanzpartner gefunden hatte, musste trotzdem nicht aufs Tanzen verzichten. Es bot sich ein Stuhl an. Der Partner war zwar etwas steif, aber bei guter Führung durch die Frau, durchaus akzeptabel.

Es ist wirklich schön und schenkt eine gewisse Zufriedenheit wenn man als Reise(beg)leiter sehen kann, wie sich die Gruppe untereinander prächtig versteht und viel Spaß und Freude bei der Sache hat.
Auch die Aussage, dass keiner auf den anderen verzichten möchte, zeugt von einem großen Zusammenhalt und Respekt.

Ein Tag mit Heike

Fiammeta sorgte, auf Grund ihrer Verletzung, für einen Ersatz für die heutige Wanderung entlang der Küste. Die Führung in Castelsardo hatte sie dann wieder übernommen. Man merkte ihr an, wie schwer es ihr fiel, nicht teilnehmen zu können, war es doch eine ihrer Lieblingswanderungen.

Während der längeren Busfahrt nach Isola Rossa passierten wir den Ort Porto Torres, der früher einmal Turis Libisones hieß, Heute Hafentrum, früher Libanesischer Turm.
In diesem Ort startete Mussolini ein Experiment zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Sardiniens. Schlug aber leider fehl, da die einheimischen Fachkräfte fehlten und diese deshalb aus dem Festland angeworben wurden. Die Einheimischen blieben dadurch wieder arbeitslos.
Irgendwie wiederholt sich die Geschichte gerade in deutschen Sprachraum.

Platamona, das fruchtigen Silbertal zwischen Porto Torres und Castelsardo. Hauptanbaugebiet der Artischocken.
Die wichtigsten Volklieder dieser Gegend besingen aber die Aubergine in alle Variationen. La Milinzana ist die Hymne auf dieses Gemüse.
Und als Fiammeta diese Hymne auf YouTube über Mikrofon übertrug, sang der ganze Bus mit. Es war schon eine lustige Busfahrt.

Wir befanden uns im Gebiet Anglona, in der Mitte zwischen der vulkanischen Nurra und dem Granit der Gallura.
Die Gallura ist menschenleer. Wer dort lebte, lebte einst in Einsamkeit und Isolation. Die Stazzos, die typischen Stationen waren langezogene Häuser mit einer Türe und einem oder 2 Fenstern. Mehr gab es nicht. Die Menschen dort waren reine Selbstversorger und lebten tagtäglich von Hand in den Mund. Heutzutage ist es etwas besser geworden durch den Tourismus.

Heike, eine deutsche Wanderführerin und Ersatz für Fiammeta erwartete uns bereits in Peduletta. Doch bevor die Wanderung startete, gab es noch eine kleine WC- und Kaffeepause im Ort Isola Rossa, bevor uns der Bus hinunter zum Strand von La Marinedda brachte, von wo aus unsere Wanderschaft begann.
Zuerst am Strand entlang, der eigentlich schon das schwerste Hindernis war.
Denn wenn man das Rauschen des Meeres hörte und sich an den gestrigen Genuss des Wassers erinnerte, wollte man am liebsten nicht mehr weiter gehen, sondern hier bleiben und das Meer genießen.
Zum Glück hatte keiner Badesachen dabei.
Und das war auch gut so, denn was hätte man versäumt. Ihr alle erinnert euch noch an die bizarren Felsformationen und an die Farbenpracht der Felsen. Die Aussichten hinüber nach Korsika und die Kontraste zwischen türkisblauem Meer und roten Felsen. Dazwischen grüne Feigenkakteen und Zwerpalmen.
Die einsamen Fischer, die ihr Anglerglück in der Brandung versuchten und der Currygeruch der Strohblumen, die uns auf dem ganzen Weg begleiteten.
Der „kleinen Freund“ von Heike wurde von allen sofort ins Herz geschlossen. Staunende Gesichter, wie akrobatisch der Hund über die Felsen klettern konnte.
Eine spannende Wandertour mit wunderbaren Momenten endete wieder am Strand in der Bar Il Veliero. Das Essen dort war nicht gerade billig, die Portionen dafür aber reichlich und geschmacklich vortrefflich.

Auf der Rückfahrt musste man natürlich den berühmtesten Punkt Sardiniens besuchen, von dem behauptet wird, wenn du da nicht gewesen bist, warst du nicht auf Sardinien.
Der Elefantenfelsen, eine bizarre Felsformation die in der Nuragherzeit als Kultstätte diente. Erkennen konnte man dies an den kleinen Felsnischen, wo man einst die Toten bestattete.

Noch immer hatten wir Glück mit dem Wetter, denn heute sagte man für Nachmittag Regen voraus. Bis jetzt aber nur Wolken am Himmel.
Der Shuttlebus von Castelsardo brachte uns hinauf in die autofreie Altstadt. Malerische Gassen und traumhafte Aussichten, viele Treppen, kleine Geschäfte und örtliches Handwerk prägten unser Bild.
Castelsardo ist die Stadt der Korbflechterinnen und in den Gassen konnte man den Menschen bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken. Alte, traditionelle Motive wie der Pfau und die tanzende Gruppe reihten sich neben neuem Design. Echtes Handwerk made in Sardegna, über Generationen in der Familie weiter und weiter geführt, wäre es in jedem Fall wert mitgenommen zu werden.

Punkt 17.00 Uhr ertönte das Glockenspiel vom ehemaligen Leuchtturm, der zum Kirchturm der Kathedrale des Heiligen Antonio Abate umfunktioniert wurde.

An der Stadtmauer entlang führte uns der Weg entlang der Asinarabucht mit grandiosem Ausblick hinüber zur ehemaligen Gefängnisinsel und heutigem Naturschutzgebiet Asinara. Die Wortherkunft liegt im Wort Sinus = Sinuskurve.
Im Zentrum erwartete uns bereits Salvatore der uns wieder sicher zurück nach Fertilia brachte.
Ein erfrischendes Bad im Meer war vor dem Abendessen natürlich auch noch möglich.
Der Abend klang diesmal mit interessanten und lustigen Gesprächen und mit der gesamten Gruppe auf der Terrasse aus.

Der gesperrte Weg

Für die Badefreunde am Morgen bot sich ein herrlicher Sonnenaufgang über Fertilia an. Die Abkühlung tat gut, bevor man die Wanderung in der „sardischen Provance“ startete.
Über Ittiri, die heimliche Hauptstadt der Artischocken und Heimat unseres Busfahrers Salvatore erreichten wir bald den Ausgangspunkt unserer Wanderung.
Der liegt südlich der Nurra im Gebiet Logudoro, Goldhorn übersetzt, und ist geprägt von einer Hirtentradition.

Wie all die Jahre davor, so ging der Weg auch diesmal über die Weideflächen der Schafe, sprich, über privates Gelände.
Der Bauer hats gesehen und ist uns gefolgt. Es gab eine freundliche Aussprache zwischen ihm und Fiammeta. Am Ende ließ uns der Landbesitzer weiterziehen.
Das Problem sind die vielen Wanderer, die nicht wissen, wie sich in der Natur zu benehmen. Angeblich haben 4 spanische Wanderer seine Schafherde verstreut und er musste sie einen Tag lang suchen.
Der Bauer möchte in Zukunft informiert werden, wenn eine Gruppe sein Land betritt. Dann kann er alles vorbereiten und es gibt keine Probleme.

Über Steppenland, dunkle Eichenwälder und über kleine Trockenmauern führte uns der Weg hinauf auf einen Tafelberg mit grandioser Aussicht. Gegenüber eine alte Nuraghe und darunter tausende von Jahren alte Feengräber.
Im Gegensatz zum Frühjahr, wo hier ein Teppichmeer aus bunten Blumen und mannshohen Sträuchern ist, war die Gegend im Herbst braun und trocken, dafür aber die Wege sehr gut sichtbar.
Ein bisschen Wild-West-Romantik kam auf, als sich 2 Pferde neugierig unserer Gruppe näherten. Vermutlich auf der Suche nach etwas Abwechslung in deren Speiseplan. Denn unsere Rucksäcke waren sehr interessant.
Einer aus der Gruppe hatte Kekse dabei, die dankbar angenommen wurden.

Gegen Ende der Wanderung und gleichzeitiger Höhepunkt auf unserem heutigen Wanderweg, gelangten wir zu den Domus de Janas. Die Häuser der Feen, sind vor Jahrtausenden von Menschenhand geschaffene, in Fels gegrabene Räume, die als letzte Ruhestätte dienten.

Nach 4 stündiger Wanderung hatte jetzt aber jeder Hunger. Salvatore für hinüber nach Thiesi und den engen Feldweg hinauf zum Bauernhof Sa Tance de Santu Ainzu.
Dort wurden wir bereits mit Musik erwartet. Allerdings war noch eine Tiroler Radgruppe von Idealtours aus Wörgl anwesend. Man begrüßte eine bairisch-tirolerische Freundschaft.

Zur Begrüßung Fladenbrot mit gestockter Schafsmilch, Vorspeise Salami mit Pecorino, Hauptspeise gekochtes Lammfleisch mit Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren. Danach gegrilltes Spanferkel vom Feinsten, knusprig, saftig und perfekt gewürzt.
Dazu natürlich Rotwein. Als Desert eine Ricottacreme mit Honig und Eisendrahtschnaps (Treber) verfeinert und dazu Kaffee.

Die größte Überraschung aller, war der Auftritt eines sardischen Hochzeitspaares, das in Musikbegleitung auf unsere Gruppe zukam und Schnaps und Mirto kredenzte.

Der Auftritt sorgte natürlich für jede Menge Spass und Lachen, denn das Hochzeitspaar war ein Ehepaar aus unserer Gruppe, die in sardische Tracht gekleidet wurde und den Spaß einfach mitmachte.
Ganz spontan bildete sich ein Kreis um das Paar und man tanzte und feierte gemeinsam.

Ja, leider kam hier der Abschied viel zu schnell. Eine Dame wollte gleich den Musiker mit nach Hause nehmen, weil er so gut Harmonika spielen konnte und sie eine leidenschaftliche Tänzerin war. Waren es vielleicht Probleme mit der Verständigung, denn der Musiker wollte nicht so recht mitfahren. Egal, das hat er nun davon.

Die Stimmung war phänomenal und während der Heimfahrt, zumindest noch am Anfang, wurde lauthals im Bus so manches Lied aus den 1980iger Jahren gegrölt. Mit der Textsicherheit haperte es zwar, ebenso mit dem Treffen der Töne, aber das war auch egal, denn man hatte einfach Spaß. Und das war gut so und schön.

Allmählich wurde es aber dann doch ruhiger und ruhiger im Bus. Es war ja eine anstrengende Wanderung und da hat man sich ein paar Minuten Augenpflege verdient.
In Punta Negra musste man ja wieder fit sein für ein ausgiebiges Bad im Meer und anschließend für das Einnehmen des 2ten Abendessens.

Der Kellner hatte schon mal vorsichtshalber 4 Tische zusammengestellt, da er ja wusste, dass die Meisten von uns noch einen kleinen Schlummertrunk auf der Terrasse einnahmen.
Nur heute sollte es nicht so ganz gelingen. 3 machten noch einen Abendspaziergang hinein in den Ort Fertilia und einige gingen gleich ins Bett.

Geschichte und Abenteuer

Der letzte Wandertag brach an.
Vorab natürlich das obligatorische Bad im Meer noch vor Sonnenaufgang.
Ein unvergessliches Erlebnis sollte dieser Tag werden, der Geschichte und Abenteuer miteinander verband.
Am Hotel war es noch windig als wir zu jenem bekannten Aussichtspunkt hoch über Cala Dragunara aufbrachen. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick hinüber auf Isola Fordada auf der einen Seite und auf der anderen Seite hinunter nach Porto Conte.
Der natürliche Hafen bot einst allen Seefahrern, egal ob Handelsschiffe, oder Piraten, immer einen sicheren Hafen vor stürmischer See.

Die Sonne bahnte sich mehr und mehr ihren Weg durch die Wolken.
Sollten es doch noch die angekündigten 30 Grad+ werden?
Unser heutiger Ausflug bot eine Gelegenheit in die unberührte Schönheit der Natur Sardiniens einzutauchen. Wege durch die mediterrane Macchia und der Duft der sardischen Kräuter in der Luft.
Für den Anstieg hinauf zum Punta Gilio entschieden wir uns deshalb für den Panoramaweg entlang der Uferlinie, unten am Wasser. Der Wind vom Meer her streichelte sanft unsere Haut und rief ein kühlendes Gefühl gegenüber der feuchten Schwüle hervor.
Unser ständiger Begleiter lag schlafend rechts neben uns. Golden beleuchtet war der Kopf des „schlafenden Riesen“ und hoch oben auf dem Capo Caccia leuchtete die weiße Militärstation und der Leuchtturm in der aufgehenden Morgensonne.
Punta Gilio, die Lilienbucht, war schon immer ein strategisch wichtiger Punkt in der Verteidigung Sardiniens.
Die Blicke reichen noch heute von dort über Alghero 80km hinunter bis Bosa und über das Capo Caccia hinüber bis Porto Ferro, wo man die Sarazenentürme Torre de Mont Girat und Torre Negra in der Ferne erkennen konnte.
Eine Steinruine am Capo Boccato erinnerte uns an die deutsche Radarstation Freya, die einst herannahende Ziele an den „Würzburger Riesen“ in Bosa weitergab. Mit dem Rückzug der deutschen Truppen 1943 wurde das Radar zerstört und ins Meer geworfen.
Unmittelbar gegenüber konnten wir einen Blick in den Abgrund von Su Dasterru werfen. Der etwa 15m tiefer Schacht isrt der Zugang zu einer Tropfsteinhöhle und möglichen weiteren Höhlen.

Noch ein paar Schritte und wir erreichten das Museumsgelände der ehemaligen Militärstation der Flugabwehr SR 413 aus dem 2ten Weltkrieg.
Mit erklärenden Tafeln zwischen den verschiedenen Militäranlagen entlang des Weges vor zur Punta, wurde man in jene Zeit entführt, in der der Lärm des Krieges herrschte.
Schaut man heute von der Kanonenstellung hinauf aufs weite Meer und von Alghero bis Capo Caccia, wird der Kriegslärm ersetzt durch die ruhigen Geräusche der umgebenden Natur.

Unsere historisch-naturalistische Wanderung rundeten wir im Refugium di mare, dem ehemalige Schlafkomplex der Soldaten, mit einem gastronomischen Stopp ab. Das vor einigen Jahren neu restaurierte Gebäude ist heute eine Bar, Gästehaus und Restaurant zugleich.
An den Wänden der ehemaligen, in schlichter Eleganz gehaltenen Kaserne, erinnern noch heute Zeichnungen und Sprüche an seine nationalistische Vergangenheit.
Hoch über der Bar steht „Gewinnen und wir werden gewinnen“ und gegenüber bei der Küche „Wenn die Kanonen donnern, wahrlich die Stimme der Heimat ruft“
Die Darstellungen mögen umstritten sein, aber es gehört zu unserer Geschichte, zur Geschichte Sardiniens und der ganzen Welt. Und solange die Mächtigen der Welt Kriege anzetteln, werden solche oder ähnliche Parolen immer ihre Berechtigungen haben.

Auf dem Rückweg zum Parkplatz konnten wir anhand der vielen Schautafeln unsere biologischen Kenntnisse aufbessern. Die Pinie, die uns den ganzen Weg entlang begleitete, wurde irgendwann einmal auf die Insel eingeführt. Sie ist keine einheimische Pflanze. Stein- und Korkeichen, und Bergahorn und Olivenbäume sind die einheimischen Sorten.
An der Pinie scheiden sich auch die Geister. Denn die herabfallenden Nadeln bilden einen dichten Teppich. Wenn sie trocken sind, erhöht sich die Waldbrandgefahr. Deshalb sah man auf all unseren Wanderungen immer wieder breite Schneisen im Wald, sogenannte Brandmauern, die ein Übergreifen der Flammen verhindern sollen.
Es scheiden sich deshalb die Geister, denn es gibt auch einen Nutzen. Der dichte Teppich der Piniennadeln schützt den Mutterboden vor Austrocknung, dadurch hält sich die Feuchtigkeit im Inneren länger.

Es war schon eine spannende Tour, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch diese fantastische Landschaft streifte. Musikalisch umrahmt wurde unser Ausflug durch das Zirpen der Zikaden. Wenn die verstummen, ist die Zeit gekommen, den Wein zu ernten.
Bevor wir allerdings das edle Tröpfchen verkosten durften, hieß es noch einmal Geschichtsunterricht.
Die Nuraghe Palmavera stand auf dem Programm. Bei den ersten Ausgrabungen um 1904 fand man diesen gut erhaltenen Nuraghenkomplex samt Dorf aus der Bronzezeit.
Nuraghen waren, bzw. sind, Fiammetas Spezialgebiet. Aus ihren Erzählungen hörte man allerdings heraus, dass es immer wieder neue Erkenntnisse und Entdeckungen über die Nuragherkultur gibt, und dass das was sie einst einmal in ihrer Studienzeit darüber gelernt hatte, heute schon wieder widerlegt ist.
Aber trotz aller Wahr- und Unwahrheiten im Laufe der Geschichte, standen wir immer noch staunend vor den Gebäuden und bewunderten die damalige Leistung der Bauarbeiter mit ihren wenigen Hilfsmitteln.

Eine Stadtrundfahrt durch das kleine, beschauliche Örtchen Fertilia eröffnete uns deren Geschichte. Nach der Trockenlegung der Sümpfe wurde Fertilia in den 1930iger Jahren von Mussolini gegründet und ursprünglich von den Einwanderern aus Venetien und nach dem 2ten Weltkrieg von istrianischen und dalmatisischen Migranten bevölkert.

Aber jetzt genug Geschichte, ab zu den kulinarischen Freuden des Lebens.
Inmitten der Nurra, dem Hauptanbaugebiet des Weines und des Weingiganten Sella e Mosca befindet sich eine kleine Enklave abseits der Hauptstraße. Eine schmale Sandstraße führte uns in das Weingut von Anna Maria, einem familiengeführten Weingut derer „von Ittri“.
Das Weingut konnte sich im Laufe der Zeit gegenüber dem mächtigen Giganten nebenan immer wieder behaupten. Ihre Weine sind Spitzenweine, die kaum in der Welt zu finden sind. Es werden auch keine Weine verschickt, sondern nur vor Ort verkauft. Neue Ideen sichern ihr Überleben. Mittlerweile etabliert und mit ausgezeichneten Bewertungen ist ihr Angebot: „Urlaub auf dem Weingut“.
Neu dagegen ist, die Gäste und auch Gruppen für ein Weinseminar zu gewinnen, wo man voll in die Weinlese integriert wird. Von der Ente bis zur Lagerung.
Dies ist sehr beliebt bei Japanern und Schweden.
Zum Weingut gehört auch ein Olivenhain. Ihr Olivenöl ist von ausgezeichneter Qualität. Sardisches Öl muss bitter, leicht scharf und im Nachklang muss man am Gaumen der Geschmack der sardischen Kräuter zu schmecken.
Leider hatte sie heuer wetterbedingt einen Ernteausfall von 70%, was das Öl erheblich verteuerte.

Bevor wir in den Genuß ihrer Spezialitäten kamen, gab es noch einen kleinen Spaziergang durch den Weinberg hinüber zum Olivenhain und wieder zurück.
Während man entlang der Weinstöcke schlenderte, gab es ausführliche Erklärungen zum Weinanbau. Nebenbei verschwand so manche Traube direkt vom Stock im Mund.
Dieses Jahr durften wir Ihr Olivenöl zum Erstenmal pur verkosten.
Einfach ein Genuß, oder? Spürt ihr es noch?
Wie sich die goldene Flüssigkeit im Mund ausgebreitet hat.
Wie sich die ganzen Aromen im Rachenraum entfalteten, als wir, wie beim Wein auch, Luft durch die Zähne eingesaugt hatten, damit sich das Öl mit Sauerstoff verbinden konnte.
Erinnert Ihr euch an die eingelegten Oliven, die zum Wein gereicht wurden. Habt ihr noch den leicht salzigen Geschmack im Mund?
Erinnert ihr euch noch, wie oft sie die Näppls (Schüsseln) mit Oliven nachfüllen musste, weil sie uns so sehr schmeckten?

4 Weine gab es zur Verkostung, der neue, moderne Rose aus der Cannonautraube, der weiße Vermentina, der rote Cuvéé aus Merlot und Cannonau und zum Abschluß der kräftige pure Cannonau, genannt „Zikade“. Wir erinnern uns an die musikalische Begleitung bei der heutigen Wanderung.
Zu den Weinen wurden der typische „Pecorino Käsu“ und die Salami gereicht. Von links nach rechts in der Reihenfolge zum Wein zu verzehren.
Wir waren schon im Hotel, einige von uns badeten bereits wieder im Meer, aber noch immer blieb uns der Geschmack der Weine und Oliven im Mund.

Der letzte Abend. Die ganze Gruppe war vereint auf der Terrasse und genoss die letzten Stunden.
Der Pianospieler gab sein Bestes. Der Jupiter leuchtete hell in die laue Nacht. Der Wind wehte vom Meer her. Man sah sich in die Augen und dachte tief im Herzen, „Schade“
Schade, dass man solche schönen Momente nicht einfach festhalten konnte.
Dass man gerne noch weitere Tage miteinander verbracht hätte.
Dass man einfach noch zusammen geblieben wäre und die geschenkte Zeit genossen hätte.

Dieser Abend war ein besonderer Abend. Es wurde viel gelacht und auch getanzt. Aber diesmal nicht mit 4 steifen Holzbeinen sondern mit etwas beweglicheren 2 lebendigen Beinen. Die Profis aus der Gruppe machten dies natürlich perfekt und man konnte mit geübtem Auge schon etwas von Ihnen lernen und gleich in die eigene rhythmische Bewegung mit einfließen lassen. Es gelang nicht immer, zum Leid der Partnerin, aber der Spaß war es wert.

"Wir sagen euch Auf Wiedersehn"

Heute durfte man etwas länger schlafen. Es gab keine Eile und keine Hetze.
Die Nacht war windig und auch am Morgen gab es herrliche Wellen. Unsere eingeschworene Badegruppe verabredete sich auf halb 8 zum „Tanz auf den Wellen“
Das kleine rote Tüchlein, das so eifrig am Strand auf einem Stock flatterte, fiel überhaupt nicht auf und wurde kurzerhand ignoriert.
Es machte einfach Riesenspaß mit den Wellen zu spielen, hindurchzutauchen, sich auf ihnen treiben zu lassen oder einfach sich nur in die Welle zu stellen. Es machte solchen Spaß, dass manche nach dem Frühstück noch ein 2tes mal ins Wasser gingen.

Aber irgendwann kam dann doch der Abschied. Die ersten 4 aus der Gruppe mussten uns verlassen. So manches Tränlein floß oder wurde unterdrückt.
Gänsehaut der Moment, als ein Großteil der Gruppe zum Abschied der 4 Personen Spalier stand und man sich ein Letztesmal in die Arme nahm und sich „Alles Gute“ wünschte.

Die Sonne schien. Um einen kleinen Tisch herum saß der Rest der Gruppe. Kaffee, Prosecco oder ein Bier in der Hand, die Füße auf die Mauer gelegt, der Blick übers aufgeschäumte Meer hinüber nach Alghero und in Gedanken versunken an die schönen Erlebnisse miteinander. Jeder lobte unsere wirklich außergewöhnliche Wandergruppe und so mancher hätte noch gerne um Tage verlängert.
Behalten wir unsere Erlebnisse für immer tief im Herzen.

Ein bewegender und emotionaler Moment auf dem Weg nach Olbia war, als uns eine Whatsapp erreichte. Darauf ein Bild der 4 Wanderfreunde als sie den Flughafen in Olbia erreichten und ein Abschiedslied, live gesungen von einer Dame. Dieses Lied „Wir sagen euch auf Wiedersehn“ wurde kurz vor unserer Ankunft in Olbia über Lautsprecher im Bus allen vorgespielt.
Momente, die man nie mehr vergißt.

Abschied und ein großes Dankeschön an unseren Capitano di Machina, Salvatore und dann einchecken.
Hier verteilte sich die Gruppe etwas, wegen der verschiedenen Abflugszeiten.
An der Bar gab es noch das obligatorische Ichnusa Cruda, und siehe da, eine Dame aus der Gruppe schloß sich dem an und trank ihr erstes Bier auf Sardinien. „Aketano“

Freud und Leid sind nah beinander, heißt es. Wieder eine Whatsapp. Die Dame mit Flug nach Basel, die um 11.00 Uhr unsere Gruppe verließ, sitzt noch immer im Flieger und darf nicht starten. Wann es soweit ist, konnte sie nicht sagen.
Der Grund: 15.30 Uhr Bombendrohung im Flughafen Basel. Der komplette Flughafen wurde evakuiert. Viele Flüge wurden gestrichen, bzw umgeleitet. Ihrer musste warten, was Hoffnung gab.
Der Münchner Flug startete pünktlich, 16.30, der Flug nach Dresden mit halbstündiger Verspätung um 19.00 Uhr.
Vom Schweizer Flugzeug aus konnte sie uns abfliegen alle sehen.
Spät in der Nacht erreichte mich die Nachricht, ihr Flug startete kurz vor 20.00 Uhr und sie landete glücklich gegen 21.30 Uhr in Basel.

Schlusswort

Neben unzähligen vielen schönen Momenten, neben dem Spaß, der Freude und dem vielen Lachen während der ganzen Woche, gab es doch einige noch stärker berührende Momente die tief in die Seele drangen und auch Reiseleiter sprachlos machen können. Man findet einfach keine Worte mehr, denn keines könnte dieser Gruppe je gerecht werden.
Man erinnert sich an den wörtlich ausgesprochene und ehrlich gemeinte Satz, damals beim Abendessen: "Wir möchten auf keinen aus unserer Gruppe verzichten und wir geben keinen her".....
Wer dabei war spürte die Kraft dieser Worte.
Oder das nochmal an Alle gerichtete berührende Abschiedslied, live gesungen, zeugt davon, wie schwer manchen der Abschied voneinander gefallen ist.
Ich würde mir wünschen, dass aus dieser Gruppe neue Freundschaften entstehen und man sich eines Tages, wie im Lied gesagt, einmal wieder sieht.

In diesem Sinne zur Erinnerung noch einmal mit den Worten Antonios
„Meine lieben Gäste, Dankeschön, Gracie Mille!“

Und für alle, die das Abschiedslied noch einmal im Text lesen möchten:
Wir sagen euch Auf Wiedersehen
die Zeit mit euch, war wunderschön
Es ist wohl besser jetzt zu gehn,
wir können keine Tränen sehn.
Kommt gut heim
und Auf Wiedersehen.

Ein Dankeschön geht auf jedenfall auch an Patrick, unserem Reisemanager, zusammen mit seinem ganzen Eberhardtteam dahinter, die alles wie immer perfekt organisierten.
Eine wunderbare Zusammenarbeit, auf die man sich verlassen kann. Dankeschön!

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Vielen lieben Dank für den wundervollen Bericht und die wunderschöne Zeit

Susanne Werner
23.10.2023

Toller Reisebericht, genau so war es! Vielen lieben Dank für die wunderschöne Zeit auf Sardinien.

Annett Hoffmann
23.10.2023