Deutschland

Potsdam, Brandenburg und Werder - Erlebnisse im Havelland

Von Peter Wagner, 01.04.2021
Nikolaikirche und Landtag in Potsdam – © pure-life-pictures - stock.adobe.com
Auf der dieser Etappe seiner Deutschland-Reise war Eberhardt-Prokurist Peter Wagner unterwegs in Potsdam und im umliegenden Havelland. Lesen Sie hier seine unterhaltsamen Eindrücke und Erlebnisse in Babelsberg, Sanssouci, Brandenburg und Werder ...

Potsdam begrüßt eine - seine - neue Woche. Autos und Busse umrunden den Luisenplatz, auf dem Du dann erst einmal stehst und auf das imposante Brandenburger Tor schaust. Richtig Brandenburger Tor Nummer 2. Symbol für den Eintritt nach Brandenburg oder die Rückkehr nach Potsdam.

Ich hatte keine Lust im Hotel zu frühstücken – also suche ich mir was. Fündig werde ich in Babelsberg. In der Hauptstraße gibt es mindestens eine richtige Bäckerei. In eine davon lenke ich meine Schritte: Nein, Frühstück darf er nicht verkaufen. Corona. Also stelle ich mir etwas zusammen und kaufe es einzeln. Draußen stehen Tische, registrieren muss man sich nicht. Lautstark tauschen am Nachbartisch zwei „Herren“ ihre Ideen aus, was man sich jetzt alles vom Staat holen könnte. Unterstützung, Zuschüsse und andere Zuwendungen. Han die eigentlich nix zum Schaffe? Irgendwie ist das kein rechtes Frühstücksunterhaltungsprogramm.
Ich schlendere bis zur nächsten Kreuzung (da es nur eine gibt, ist das relativ einfach 😊) und siehe da, der dortige Bäcker serviert Frühstück – alles kein Problem. Auch hier muss sich niemand registrieren. Pandemiealltag auf 20 m.

Das großartige Babelsberger Rathaus sieht im Sonnenmorgenlicht noch schöner aus als sonst. Farbenprächtig, verspielt. Der Ratskeller ist geschlossen. Dort haben wir schon zünftig Feuerzangenbowle genossen, wenn wir von Rundfahrten durch Babelsberg Station gemacht haben.

Das ist ein Stichwort. Auf in Richtung Bahnhof Drewitz und zu den Filmstudios mit angrenzender Medienstadt. Meine Aktivitäten werden jäh gebremst. Geschlossen – Montag geschlossen. Die Abweisung ist eher abrupt und wirklich unhöflich, schnodderig. Es wird keinen Blick auf Sets vergangener Jahre geben, der Filmfundus – übrigens der größte der Welt – bleibt unbesucht – ja, und zufällige Begegnungen mit Stars und Sternchen sind passe.

Links runter geht es in Richtung Havel, vorbei an den imposanten Bauten, in denen das Deutsche Rote Kreuz residierte oder aber auch die Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften. Immer wieder lange Alleen, gesäumt von schattigen Bäumen. Die Fahrt entlang der Straße lässt manchmal Blicke runter zur Havel zu und geht vorbei an alten und neuen Villen. Babelsberg hat sich seinen eigenen spezifischen Charakter bewahrt.

Eigentlich dürfte man hier am Ende der Straße jetzt nicht weiterfahren – aber da gibt es jetzt kein Halten mehr. Der alte Campus. Hier war die Schranke, dort ist eine freie Fläche und schließlich stehe ich vor dem F-Block. Heimstatt für 5 Jahre Studium. Die Erinnerungen versuchen übermächtig zu werden. Bilder kommen hoch: Ist das wirklich schon 23 Jahre her? Ich rolle zurück. Vorbei an der ehemaligen Direktion der Hochschule für Film und Fernsehen – Ausbildungsort vieler prominenter Schauspieler, Regisseure.

Man traf sich damals in den Kneipchen von Babelsberg und diskutierte, erzählte, träumte. Kult für uns alle war die „Bratpfanne“, die witzigste Studentenkneipe der Stadt. Jeder Student, der seinen Abschluss gemacht hatte, brachte seine letzte Bratpfanne mit einem Spruch vorbei. Diese Pfannen groß, klein und immer witzig, zierten das Refugium gestresster Studenten. Den Ort der Inspiration, des Vergessens, der Verliebtseins und von tausenden Schwüren, es künftig anders zu machen. Hier fanden Revolutionen statt, Freundschaften wurden geschlossen und hielten doch nicht länger als die nächste Runde Helles. Das stete Misstrauen, das Taktieren, die verinnerlichte Vorsicht, wichen an diesem Ort einer Verbrüderung, die infantiler nicht sein konnte, aber doch der Boden für nie enden wollenden jugendlichen Optimismus war, der bis in den nächsten Morgen reichte.
Spärliche Gegenbesuche gab es dann mitunter in der Akademie im kleinen Studentenclub oder der großen Mensa. Kurzes Rückversetzen in eine Zeit, in der man selbst Platten auflegte und ein Schallplattenunterhalter war – heute sind das DJs.
Um 23:00 Uhr kam die erste Grenzstreife – Sperrstunde. Blöd, immer dann, wenn es am tollsten war. Kurzes Gespräch unter Männern, die Hausbar der Grenzstreife (alle waren ja auch etwa in unserem Alter) wurde aufgestockt und man versprach, sich erst in zwei Stunden wiederzusehen.
Sonderservice vom DJ und seinen Kumpels gab es auch. Den Damen der benachbarten Internate konnte eine Haustürtransfer mit dem offenen Fahrzeug der Grenzstreife angeboten werden. Kostete wieder ein Fläschchen, aber man sage noch, vor 1989 hätte es keinen Servicegedanken gegeben.
Vor uns stets die Grenze – 40 m entfernt. Mitte der Havel und Sperrgebiet - lebensgefährlich. Tanz auf dem Vulkan.

Glienicker Brücke an der Havel zwischen Berlin und Potsdam

Ich löse mich von den Erinnerungen und fahre um den Park Babelsberg herum zur Glienicker Brücke. Sagenumwobener Ort heimlicher Agentenaustausche. Verewigt im Thriller „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Wie konnte man dort leben?

Heute ein Idyll am Wasser, eine Traumlandschaft, die sich bis ins Stadtgebiet zieht. Ein Blick auf Frau Schmidtmanns Uferweg. Gestaltet, um der Nachwelt das Leben an und mit der Grenze erklärbar zu machen.
Großartig, wie Frau Schmidmann das gestaltet hat. Ich lernte sie im Pforzheimer DDR-Museum kennen, in dem sie als wissenschaftliche Assistentin arbeitete.

Unwirklich im sommerlichen Urlaubsfeeling der nächste Ort. Die KGB-Stadt, der abgeteilte Teil von Potsdam, wirkt da Jahrzehnte danach immer noch abstoßend. Heimat der roten Spione, die nur ihre Gesetze kannten und von Potsdam aus operierten.
Die kleinen Holzhäuschen der russischen Kolonie wirken da schon friedlicher und versetzen einen in das pittoreske Leben eines kleinen, intakten russischen Dorfes. Übrigens leben da heute noch Nachfahren der russischen Soldaten, die Preußen einst zum Geschenk gemacht wurden und denen man diese Häuser baute, damit man sich wie zu Hause fühlte.
Wie hieß es gestern in Berlin? „Jedem nach seiner Fasson“.

Schließlich stehe ich vor Schloss Cecilienhof. Ort der Potsdamer Konferenz. Am heutigen Montag Sinnbild einer Republik, die in Fragen Corona vor der eigenen Logik auf der Flucht ist.
Im Radio habe ich den halben Vormittag gehört, wie der Tourismus in Brandenburg leidet, es fehlen die Besucher, Gäste, Touristen.
Lieber Tourismuskollege Herr Hücke, möchte ich in den Äther rufen, hier stehen gerade ca. 50 Touristen und wollen Schloss Cecilienhof besuchen und besichtigen und dort Geld ausgeben.
Sehen wir das aber mal richtig positiv aus deutsch-deutscher Vereinigungsperspektive. Seit über zig Jahrzehnten montags geschlossen. Basta und das bleibt so.
Ich kann an Anlehnung an den Ausspruch von Ronald Reagan vor dem geschlossenen Brandenburger Tor nur abwandelnd fordern: Mr. Hücke open that castle.

Na ja, wollen wir nicht auffallen. Immerhin zieren meinen Weg durch die deutsche Pandemie-Gastronomie auch die Hinweisschilder „Bitte warten, Sie werden platziert“.
Da war doch mal was????

Schloss und Park Sanssouci
Hoffnung auf und mit Sanssouci. Weil übersetzt heißt der Name „Ohne Sorgen“ und so liegt es da das imposante Kleinod (eine unangebrachte „Verniedlichung“) – aber passt hier so schön her. Glanz und Gloria und Prunk und auch ein bisschen Protz aber in einer wunderbaren Parkanlage mit einem in die Stadt schweifenden Blick. Potsdam muss man hier besuchen – ein unumgängliches Muss.

Das Grab von Friedrich II. Immer noch verziert mit Kartoffeln, die Besucher dort ablegen. Der Alte Fritz führte die Kartoffel ein. Er erließ dafür 15 Kartoffelbefehle. Der erste wurde anlässlich einer Hungersnot in Pommern im Jahre 1746 verfasst. Pfarrer wurden angewiesen, den Anbau zu propagieren. Sie wurden zu Knollenpredigern ernannt. Volkes Witz ist immer direkt. Die Resonanz bei den misstrauischen Bauern war eher mäßig. So ließ der König Kartoffeln anbauen und von Soldaten bewachen. Das erregte Interesse und man klaute nachts Kartoffeln, um sie selbst anzupflanzen. Die Soldaten hatten Befehl, wegzuschauen. Das war der Beginn des Siegeszuges der Kartoffel in deutschen Landen. Geniales Marketing.
Weiter geht meine Reise nach Brandenburg

Dann ist es aber auch an der Zeit, raus ins Land Brandenburg zu fahren mit seiner gleichnamigen Stadt, die in der Hitze eher fast leblos an der Havel liegt und noch Zeugnis gibt, von Geschichte und Leben, Kultur und Kampf. Brandenburg muss man mögen. Man kann sich aber seiner Faszination nicht wirklich entziehen. Fontane hat sich dazu in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg verewigt. Rote Backsteinbauten prägen das Stadtbild und Gemütlichkeit gibt den Takt vor. Einer von vielen Ruhepolen vor den Toren der Weltstadt Berlin.
In meiner Wahrnehmung zu Brandenburg kommt aber auch Regine Hildebrandt vor – eine authentische und dem Volk verpflichtete Politikern, die von hier kommt. Da braucht man mal nicht nach dem Parteibuch fragen. Eine menschliche Politikerin. Ein Mensch ohne Politik in der Politik tätig.

Brandenburg an der Havel

Rund um Brandenburg erstrecken sich riesige Obstanbaugebiete, die mit Äpfeln, Erdbeeren und anderen Obstsorten den Ruf Brandenburgs in die zumindest deutsche Bundeslandnachbarschaftswelt tragen. Die Havel mit ihren idyllischen Uferlagen gibt dem ein besonderes Gepräge und man meint, dass alle fehlenden Touristen auf dem Wasser unterwegs sind.

Ich verlasse das Städtchen, um noch ein wenig über Land zu fahren, dass sich an diesem Montag mit vielen Tieren auf seinen Koppeln schmückt. Störche sind die klappende Kulisse einer Landschaft, die ihren Nutzern nichts freiwillig hergibt, die einen ständigen Durst nach Wasser hat und mit dem märkischen Heidesand die beste Voraussetzung, um dieses Wasser erbarmungslos wegzusaufen.

Über allem fliegt dann schon mal ein Adler und nicht umsonst ist ihre Landeshymne geprägt von diesen beiden Dingen:

Märkische Heide, märkischer Sand,
sind des Märkers Freude,
sind sein Heimatland.
Steige hoch du roter Adler,
über Sumpf und Sand über dunkle Kiefernwälder,
hilf Dir mein Brandenburger Land.

So kurz und knackig lässt sich dieser Tag auch gut beschreiben.

Das Havel-Städtchen Werder ist ein wahres Kleinod und bezaubert den Besucher mit seinen typischen rund um den zentralen Platz angeordneten Häusern der längst dahingegangenen örtlichen Honoratioren. Das Kopfsteinpflaster wird auch noch Hybrid- und E-Autos aushalten und manchen weiblichen Besucher an die Auswahl richtiger Schuhe erinnern.

Der Hungrige braucht Geduld und sollte sich nicht von Griechen und Italienern in der Hauptstraße verführen lassen. Die anschließende Wahrheit ist mehr als ernüchternd.
Nein, rein ins Städle und runter an die andere Seite der Havel und guten einheimischen Fisch auf den Teller und dazu den weiten Blick über das Wasser.

Weiter geht es in die Mitte von Nirgends und Halt an einem der vielen Erzeugerläden, die hier fast wirklich nur verkaufen, was in der Gegend auch wächst. Staunen an der Kasse, die Kundin aus Berlin zahlt über 50 Euro für einen ökologisch sauber gefüllten Korb. Den Inhalt würde sie im Supermarkt für die Hälfte des Geldes kriegen. Viele kämen aus Potsdam und Berlin, weil sie wüssten, wo und wie hier produziert wird, sagt mir die Verkäuferin. Hier glaube ich es (fast). Die Heidelbeeren und Pilze aus der polnischen Nachbarschaft sind bestimmt auch echt Öko (???) – na ja unter Nachbarn. Aber großartig, wenn das Landleben leben kann.

Abrupter Stopp an einem Schild „Otto Lilienthal“ – das muss jetzt sein. Eine klitzekleine Gemarkung „Derwitz“. Ich folge einem Hinweis und halte schließlich endgültig in der Mitte vom Nirgendwo. Ein kleiner Weg, eine schmale Steigung hinauf, vorbei an einem Hof zur Linken und einer Koppel zur Rechten. Da bietet sich dem Besucher ein Anblick, der zuerst an eine vergessene Altmetallsammlung erinnert. Aber die Tafel gibt Auskunft. Hier unternahm Otto Lilienthal die ersten Versuche mit einem Fluggerät und flog. Als Touristiker ist das eine ehrfürchtige Erkenntnis – hier zu sein, wo fast alles mit dem Fliegen begann. Lilienthal bastelte diese Gerätschaft und traute sich, zu fliegen. Ich glaube das größte Problem war das Finden dieses Hügels in dieser Flachheit von Land. Und dann tat er es und es funktionierte dann 1891.
Ihm ist dieses Denkmal gewidmet und er genießt den ruhigen Ruhm vieler genialer und furchtloser Erfinder ganz in Ruhe. Den Hügel abwärts sage ich mir und ihm: „Otto, aber ich war hier und habe den Ort gesehen“.

Der Rest des Tages endet kurios aber saugut - nämlich beim Spanier mitten in Potsdam und das erstmals seit Wochen ohne das Gefühl, das das Betreten einer Lokalität geplanter Suizid ist.
Potsdam genießt sich und man kann Maske und Hygiene auch ohne Stress machen.

Danke Potsdam – ein gutes Gefühl, um in deinen Mauern gut zu schlafen.

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