Reisebericht: Rundreise Schottland – Highlands und Inseln

09.06. – 20.06.2023, 12 Tage Rundreise Schottland mit den Highlands – Loch Lomond – Insel Mull & Iona – Insel Skye – Insel Harris & Lewis – Orkney–Inseln – Dunrobin Castle – Grampian Mountains – Edinburgh


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Mit einer lustigen Truppe umrundeten wir den wilden und dünn besiedelten Nordteil Großbritanniens. Kelpies, Hirsche, Riesenhaie, Delfine.
Ein Reisebericht von
Andreas Böcker
Andreas Böcker

Freitag, 9. Juni 2023 – Hainichen bis IJmuiden

Früh, früher, am frühesten ging es für einige los, unser Bus startete nicht, wie normal, in Dresden, sondern erst in Hainichen. Aber dennoch eben sehr, sehr früh. Und dann waren da auch noch zwei Gestalten an Bord, die gar nicht mit nach Schottland fuhren. Zunächst wechselte der Busfahrer. Dann, in Paderborn, der Reiseleiter.
Weiter, nun mit der vollständig richtigen Besatzung, ging es weiter in Richtung der niederländischen Grenze, vorher noch eine Pause und dann bis nach IJmuiden (da ij ein eigenständiger niederländischer Buchstabe ist, wird er in Anfangsstellung korrekt IJ und nicht etwa Ij geschrieben) und auf die Fähre, wo uns eine ruhige Nachtfahrt erwartete. Da wir das Abendessen ein wenig nach hinten verschieben konnten, konnten wir sogar die Abfahrt an Deck erleben. Die Sonne strahlte uns entgegen, ein gutes Omen für die beginnende Schottlandreise.


Samstag, 10. Juni 2023 – Unverhofft verheiratet

Bereits gestern hatten wir am Hafen das Einschiffen einiger italienischer Sportwagen beobachten können, jetzt, als wir auf unseren Bus warteten, durften wir eine ganze Menge verschiedenster Maschinen beobachten. Die Sportwagen, Motorräder und langschnäuzige Modelle, die sich im Design an Oldtimern orientierten, aber wohl eher keine solchen waren.

Als der Bus kam, schlugen wir den Weg in Richtung des Vallum Aelium ein: Des Hadrianswalls. Vorbei an Chollerford Bridge mit Chesters Roman Fort und - wie war das noch? Brokkoli? - dem Miträum von Brocolitia sowie dem Sycamore Gap (bekannt aus Robin Hood König der Diebe mit Kevin Costner) schlugen wir den Weg zum Milecastle 42 (bzw. dem aufgegebenen Steinbruch Cawfield Quarry) ein. Hier hielten wir an und fanden Gelegenheit, dem römischen Bauwerk ein wenig näher zu kommen.

Später, in Gretna Green begegneten wir Peter. Peter übt in Gretna das Amt des Schmieds aus. Flugs hatte er sich Karo und Andreas gegriffen und bestimmte die beiden zum Brautpaar. Astrid wurde zu Karos Mutter, Gerhard zu ihrem Vater erkoren. Mit einem Hammerschlag wurde die Ehe zwischen Karo und Andreas geschlossen (und das, obwohl Karos Schwiegermutter und Andreas' Frau dem Reenactment beiwohnten - die geschlossene Ehe muss daher für ungültig erklärt werden).

In Glasgow warteten nun bereits Thomas und Jutta, sowie Birgit und Ingolf. Diese waren mit dem Flieger gekommen und warteten nun am George Square auf uns. Die hatten uns noch gefehlt, unsere Gruppe zu vervollständigen. Auf dem Weg zu ihnen, nur wenige Minuten vor ihrem Zusammentreffen mit uns, hätte es beinahe ein anderes Zusammentreffen gegeben: Ein Pkw zog mehrere Spuren nach links rüber und es fehlte nicht viel und er wäre in unseren Bus geknallt. Ein geistesgegenwärtiges Brems- und Ausweichmanöver unseres Busfahrers Heiko konnte den Zusammenstoß verhindern. "Du bist wohl sehr schreckhaft", grinste er mir zu.

Mit der wenige Minuten später vervollständigten Gruppe ging es jetzt weiter in Richtung des Loch Lomond, Schottlands größtem See gemessen an seiner Oberfläche. Wir nahmen die High Road. Nicht nur, weil die Erskine Bridge in 45 Metern Höhe über den Clyde spannt, sondern weil dies - im Gegensatz zur Low Road - die Straße der Lebendigen ist.

In Luss hatten wir Gelegenheit, die Beine ein wenig auszustrecken. Luss, echtes Dorf und Soap Opera-Kulisse zeigte sich von seiner Seite als Ausflugsziel der Glasgower, es war schwül-warm und die Leute badeten im See (oder flanierten im Bikini durchs Dorf). Über Tarbet, Arrochar und Inveraray fuhren wir ins Glen Croy, einer von General Wades Military Roads aus der ersten Hälfte des 18. Jhdts. folgend. Korrekterweise muss man sagen, dass sie unter Wades Nachfolger Caulfeild errichtet wurde. Am Stein "Rest and be thankful" (ruhe aus und sei dankbar) machten wir einen kurzen Fotostopp und blickten zurück ins Glen Croy.

Dann ging es weiter in Richtung Oban, nicht ohne einen kurzen Fotostopp am Kilchurn Castle zu machen, wo wir aber durch einen Bahndamm, den man nur unter Strafe überqueren durfte, gestoppt wurden. Nun ja, Kameras gab es nicht und wo kein Kläger da kein Richter, dennoch hielten wir uns an das Verbot. Wir folgten also dem Weg um Loch Awe (Schottlands längster See), am hohlen Berg (the Hollow Mountain, Ben Cruachan) vorbei in Richtung des Loch Linnhe. Die Falls of Lora - ein Gezeitenstrudel bei Connel - waren ruhig und wir bald in Oban.


Sonntag, 11. Juni 2023 – Passt er oder passt er nicht?

Die amerikanische Reisegruppe war schneller als wir. Ihr Fahrer hatte seinen Bus vor unserem in die Parklücke vor dem Hotel bugsiert, unser Fahrer Heiko musste warten. Doch wir hatten hinreichend Zeit, waren sogar das erste Fahrzeug am Hafen, wo uns ein gut gelaunter Mitarbeiter empfing. Nachdem ich die Bordkarten verteilt hatte, verließen wir den Bus, der getrennt von uns auf die Fähre fuhr. Wir würden ihn auf Mull in Craignure wieder besteigen.
Das Meer zwischen Oban und Mull war fast spiegelglatt, nur auf der Höhe des Lismore Leuchtturms kam es zu leichten Verkräuselungen, vermutlich weil hier die ablaufende Ebbe aus Loch Linnhe auf das - mehr oder weniger - offene Meer trifft. Annett sah wohl auch Delfine.
Vorbei an Duart Castle waren wir fast da.
Jetzt ging es stracks von Craignure nach Fionnphort, wo wir zusammen mit ein paar Pilgern die Fähre nach Iona bestiegen. Auf Iona sahen wir zuerst die Nunnery, ein Frauenkloster, das im frühen 13. Jhdt. von einer Tochter des Somerled, des Stammvaters des Clan MacDonald gegründet wurde und das auch noch lange als Grabstätte exklusiv für Frauen verwendet wurde. Dann ging es weiter zur Iona Abbey, der Grablege einiger schottischer Könige (darunter Malcolm, MacBeath und Duncan) und später schottischer Clan-Lords. Das Kloster ist die Gründung des irisch-stämmigen Columba(n), der von dort aus Missionsreisen zu Pikten und Kelten in Schottland unternahm, in der Wikingerzeit wurde es mehrfach geplündert und schließlich aufgegeben. Heute wird es von der christlichen Iona Community gepflegt.

Im Anschluss an unseren Besuch auf Iona fuhren wir dann zum Fährhafen Fishnish, ein Fährhafen, der aus nichts weiter als einer Anlegestelle und einer öffentlichen Toilette besteht. Hier nahmen wir die Fähre um 17:10 Uhr zurück aufs Festland und fuhren am Loch Sunart (dem Loch ohne Schwäne - die Begründung dafür liefert eine schottische Variante von Romeo und Julia) vorbei zurück zum Loch Linnhe, welches Tal der Great Glen Fault ist, welche die schottischen Highlands ins zwei Teile teilt. Hier wollten wir eigentlich mit der Fähre von Ardgour nach Corran fahren, aber die Spiegel des Buses waren zu lang. Zwölf Meter hätten mitgedurft, 12,40 m waren zu viel. So zumindest die Aussage der Fährleute. Also fuhren wir weiter auf dem Nordwestufer des Loch Linnhe entlang, immer im Bewusstsein dessen, dass am Ende eine Brücke sein würde, deren Höhe mit 12 Fuß angegeben war (3,65 m) die Höhe unsereres Busses aber 3,80 betrug, hinuntergelassen 3,70 m. Das verlängerte unsere Gesamtstrecke um etwa 38 km und die entsprechende Fahrzeit (abzüglich der Fährzeit). 45 Minuten Fahrt in gespannter Nervosität: Passt unser Bus oder passt er nicht?!? Naja, eigentlich wusste ich im Innern, dass der Bus passen würde, da ich vor Jahren, als die Corran Ferry unverhoffter Weise mal havariert war, schon einmal mit einem Bus unter der Brücke durchgefahren bin, aber natürlich kannte ich die Messdaten des damaligen Busses nicht. Die Brücke stellte sich als hoch genug heraus und wir konnten passieren und erreichten bald unser Hotel. Eigentlich ist die Strecke am Nordwestufer des Loch Linnhe auch viel schöner als die am Südostufer und bot mit ihren Passing Places einen Vorgeschmack auf die noch vor uns liegenden Strecken in den nördlichen Highlands.


Montag, 12. Juni 2023 – Über die Road of the Isles zum Highlander

"Who wants to live forever" sang die Band Queen 1986 in der Titelmusik zum Film Highlander, die von dem Kampf beinahe unsterblicher Lebewesen handelte, bis nur noch einer übrig bliebe ("Es kann nur einen geben" ist das Mantra der Kämpfer, die teilweise dennoch zusammenarbeiten - letztlich ist es nur die alte Geschichte vom Kampf Gut gegen Böse). Unser Tageshöhepunkt - und für manche auch, so erzählte es mir Andreas später, der Höhepunkt der Reise - war das Eilean Donan Castle, jene Burg, aus der Duncan MacLeod, der Titelheld des Films Highlander zunächst, noch im Unwissen über seine übermenschliche Natur, bejubelt in die Schlacht reitet und dann, nach seinem wundersamen Überleben, als mutmaßlich mit dem Teufel Paktierender schmählich vertrieben wird.

Doch zunächst fuhren wir die Road of the Isles (die Straße der Inseln) in Richtung Mallaig. Mallaig ist der Endpunkt dieser Straße, hier geht es nur zurück oder mit der Fähre weiter. Zunächst stoppten wir an den Banavie Locks, die auch als Neptun's Staircase (Neptuns Treppenhaus) bekannt sind. Hierbei handelt es sich um eine Schleusentreppe, welche Boote benutzen, die den Kaledonischen Kanal als Abkürzung von der Nordsee in die Irische See benutzen, anstatt um Schottland drumherum zu segeln. Der Kanal wurde Anfang des 19. Jhdts. gebaut, um Handelsschiffen die schwierige Passage um die schottischen Küsten zu erleichtern, ist heute aber nur noch für Sport- und Segelboote von Belang. Die Banavie Locks bringen die Segler wieder auf Meeresspiegelniveau herunter. Hier hatten wir nur einen kurzen Aufenthalt, denn wir mussten ja unsere Fähre in Mallaig erreichen und wollten noch zwei weitere Fotostopps machen.

Der nächste Fotostopp war am Glenfinnan Monument, einer Säule, welche in Erinnerung an Charles Edward Stuart ("Bonnie Prince Charlie") und den Beginn des zweiten jakobitischen Aufstands 1745 errichtet wurde. Hier kann man auch die Eisenbahnbrücke - das Glenfinnan Viaduct - sehen, welche durch die Harry Potter-Verfilmungen berühmt wurde, leider war unsere Anwesenheit hier aber nicht fahrplankonform mit dem Vorbeirauschen des Jacobite Express. Der Jacobite Express ist ein Dampfzug und beliebtes Fotomotiv am Glenfinnan Viewpoint. Es waren nicht erst die Regisseure der Harry Potter-Verfilmungen, welche das Glenfinnan Viaduct als Kulisse entdeckten, auch andere Filme hatten diese Landschaft bereits als Kulisse, aber besonders populär wurden sie mit dem berühmtesten aller Zauberschüler.

Auch Loch Shiel, an dessen wirklich malerischen Nordostende Glenfinnan liegt, ist als Kulisse in die Harry Potter-Verfilmungen eingegangen, es ist der See, an dem Hogwarts liegt. Für Muggle-Augen muss Hogwarts allerdings unsichtbar sein... (Muggle?!? - Personen, die keine Befähigung haben zu zaubern und denen die Welt der Zauberer verborgen bleiben soll.).

Es ging weiter in Richtung Mallaig. Am Loch nun Uamh (sprich "Uave", Fjord der Höhle) machten wir Halt am Prince's Cairn, an dem Denkmal, welches daran erinnern sollte, dass hier Bonnie Prince Charlie Schottland 1745 von einem französischen Schiff betreten und 1746 wieder verlassen hatte. Hier fand auch, zwei Wochen nach der vernichtenden Schlacht von Culodden (sprich "Klodden"), ein Gefecht zwischen zwei französischen und drei britischen Schiffen statt, die französischen Schiffe hatten Gold hierhergebracht, um die jakobitische Sache zu finanzieren, dieses Gold ist dann verschwunden, vermutlich im Säckel des örtlichen Clan Chiefs. Von Landseite waren einige Highlander an dem Gefecht beteiligt. Das Gold war entladen worden und einige jakobitische Flüchtlinge an Bord der Schiffe gegangen, als die britischen Kriegsschiffe die unter der Flagge eines Händlers fahrenden Schiffe entdeckten. Es gelang den Franzosen, den Angriff abzuwehren und zu entkommen. Doch das Gold (der Goldschatz von Arkaig) wurde von den Clansmen mitgenommen und soll bis heute vergraben sein... Als wir dort hielten, waren direkt vor unseren Augen zwei Taucher im Wasser - ob die nach dem Gold suchten?

In Mallaig schifften wir uns auf die Fähre zur Insel Skye ein. Während einige von uns im Hafen einen Seeotter oder eine Robbe (ich war eher der Meinung, dass es eine Robbe war, andere hielten die Seeotterdeutung für plausibler) beobachteten, bewunderten andere von uns die Menge an blauen Quallen.

Wieder war die See spiegelglatt und es war schwül - kein Wunder, ist doch der Atlantik in diesem Jahr aufgrund des Zusammentreffens diverser Wetter- und Strömungsphänomene besonders warm. In Armadale gingen wir wieder von Bord und fuhren nur wenige hundert Meter mit dem Bus, denn schon Armadale Castle, eine historistische Ruine aus dem 19. Jhdt. war unser Ziel. Armadale Castle war als Wohngebäude errichtet aber bald aufgelassen worden. Heute wachsen Pflanzen aus dem Gemäuer heraus. Rund um Armadale Castle liegt ein schöner Park mit diversen Pflanzen aus allen Teilen der Welt - das Klima in Westschottland ist ja aufgrund des Golfstroms recht mild - und auch ein Clan-Museum des MacDonald-Clans befindet sich in diesem Park.

Am Nachmittag ging es dann dem bereits erwähnten Tages- und für manche auch Reisehöhepunkt entgegen Eilean Donan Castle, einer der berühmtesten und ikonographischsten Burgen Schottlands, sicher aber dem berühmtesten Tower House. Eigentlich müsste es sich bei dem Eilean Donan Castle um eine Ruine handeln, denn die Burg wurde im 17. Jhdt. in die Luft gejagt (eine komplizierte Geschichte mit Jakobiten, Spaniern, die Burg belagernden Engländern etc.), aber ein Nachfahre des Clan MacKenzie, der eine Frau mit einem reichen Erbonkel geheiratet hatte (dennoch scheint es sich um eine Liebesheirat und nicht bloß die Liebe zum Geld gehandelt haben), ließ in den 1920er Jahren die Burg wieder instand setzen, Pläne über ihr Aussehen im 17. Jhdt. gab es und man baute zudem Annehmlichkeiten für das Leben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Auch die Brücke, über die wir in die Burg gelangten und über die Christopher Lambert als Duncan MacLeod aka der Highlander so ikonenbildend ritt, an der im Film Käfige mit Gefangenen und Leichen angebracht waren, die dem ganzen den Touch Filmmittelalter gaben, die es brauchte, entstand erst beim Wiederaufbau der Burg als extravagantes Domizil.

Eine der örtlichen Tourist Guides zeigte uns ganz stolz die Spione, durch die der vermeintlich Bier organisierende Clanlaird (Scots: Laird, Englisch: Lord) seine Gäste bespitzelt haben soll. Ich frage mich ja, ob das wirklich historische Einrichtungen waren, oder nicht eher Teil der romantisierenden Geschichtsvorstellungen des frühen 20. Jahrhunderts, die nun als vermeintliche Fakten weitertradiert werden.

Nach dem Besuch dieser Burg kehrten wir zurück über die Brücke von Kyleakin [Kajl-akin] nach Skye, wo im Angesicht der Brücke unser Hotel lag. Der Name Kyleakin leitet sich von Håkon IV. ab, Nordschottland und die Inseln gehörten bis ins 13. bzw. 15. Jhdt. zum Königreich Norwegen, 60 % der Ortsnamen auf Skye und 80 % der Ortsnamen auf den äußeren Hebriden sind gälisierte (und als solche wiederum oft anglisierte) altnordische Ortsnamen.


Dienstag, 13. Juni 2023 – Five seasons a day?!?

„Five seasons a day - fünf Jahreszeiten am Tag“, so werden die zahlreichen Wetterwechsel in den Highlands und insbesondere auf der Insel Skye gemeinhin beschrieben. Und genau das haben wir _nicht_ erlebt. Nein, wie schon die Tage zuvor konnten wir unsere Regenklamotten im Koffer lassen und stattdessen die Sonnenmilch auftragen: 27º bei klarem Himmel und durchaus schwül, das war das Wetter, welches uns seit einigen Tagen begleitete und auch weiter begleiten sollte.

Zunächst fuhren wir in Richtung Sligachan, machten aber zunächst einen Fotostopp am Eas a‘ Bhradain-Wasserfall. In Sligachan ließ uns Heiko an der Einfahrt des Allt Dearg Cottage heraus. Wir wollten eine kleine Wanderung zu den Sligachan Falls machen, Wasserfälle, die aus den Black Cuillins hinabflossen. Von diesen aus wanderte ein Teil der Gruppe zum Bus zurück, der Rest wanderte weiter hinunter bis Sligachan und kam noch an dem einen oder anderen Wasserfällchen vorbei. Dort trafen wir alle wieder aufeinander und fuhren nun nach Portree, der Hauptstadt Skyes.

In Portree zerstreute sich die Gruppe, einige von uns suchten aber zunächst zwei Banken auf, um Geld zu wechseln: Euros gegen Pfund und alte, aus dem Verkehr gezogene Pfund gegen gültige. Dann ging es zum Mittagessen. Einige aßen im Fischrestaurant, andere verteidigten ihre Fish ‘n’ Ships gegen die Möwen und ich fand einen Laden, wo es Falafel gab.

Anschließend ging es auf die Halbinsel Trotternish, auf der der Quiraing liegt, ein sich in einem fortwährenden Erdrutschprozess befindlicher Gebirgszug. Den Old Man of Storr hatten wir bereits vor Portree in der Ferne gesehen, dort dürfen Busse aber leider nicht halten. Wir hielten am Rigg View Point, etwas dahinter. Dann wollten wir weiter zum Kilt Rock-Aussichtspunkt, schließlich war ich gestern gefragt worden, ob wir den sehen würden, was ich großspurig versprochen hatte. Der Kilt Rock ist ein auf einem Sandsteinsockel stehender Basaltfels, wobei der Sandstein auch zum Teil von Lava durchzogen ist. Form und Wechsel von Sandstein und Basaltlava geben dem Felsen mit seinem sprechenden Namen sein ikonisches Aussehen. Nun ergab sich aber, dass der Aussichtspunkt geschlossen war. Bauarbeiten.

Wir fuhren hier also vorbei. Bald kamen Staffin und Duntulm. In Duntulm hielten wir und statteten Duntulm Castle einen Besuch ab. Die Aufgabe der Burg ist mit der Schauergeschichte verbunden, dass der Sohn des Lairds vom Clan MacDonald aus dem Fenster gefallen und am Fuß des Burgfelsens zerschellt sei, woraufhin man sein Kindermädchen in einem Ruderboot weit draußen auf dem Meer ausgesetzt habe. Belege für dieses Histörchen gibt es allerdings nicht.

Nicht weit von Duntulm liegt Kilmuir. Hier liegt Flora MacDonald begraben, die hier als heldenhafte Jakobitin gefeiert wird. Doch das wird der zweifelsohne mutigen Frau nicht gerecht. Flora MacDonald rettete Bonnie Prince Charlie das Leben, der ging mit seinem Babyface in Frauenkleidung als Dienstmädchen durch. Sie musste diese Tat mit einer Haftstrafe bezahlen, sagte aber, dass sie für die Hannoveranerprinzen umgekehrt dasselbe getan hätte. Später ging sie, mittlerweile verheiratet, mit ihrem Mann in die amerikanischen Kolonien, sie mussten dann im Zuge der Niederlage der britischen Kräfte im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg nach Schottland zurückkehren. In Kilmuir befindet sich auch das Skye Museum of Island Life, welches wir besuchten.

Schließlich mussten wir aber nach Uig aufbrechen. Uig kommt - wie so viele Namen hier - aus dem Altnordischen und ist verwandt mit vielen Siedlungen, die Wick heißen oder im Namen tragen. Der Ortsname bedeutet ‚Bucht‘ und das Wikingern der Wikinger ist vermutlich hiervon abgeleitet (umstritten). Ein Linienbus, der uns entgegen kam, warnte uns: in einer 180º-Kehre sei trotz Verbots ein Auto geparkt, er als Ortskundiger sei von unten kommend mit Schwierigkeiten daran vorbei gekommen, wir hätten keine Chance und sollten die PKWs durchlassen und ... hm ja... abwarten.
Ich ging vor um die Lage zu checken. Da stand tatsächlich ein Auto in der Kurve geparkt. Ein Trampelpfad zweigte von der Straße ab und ich rief hinein, dass das Auto im Parkverbot geparkt sei und die Straße für Busse blockiere. Wenige Minuten später kamen zwei Amerikanerinnen aus dem Weg, die sich entschuldigten, sie hätten gedacht, das Parkverbot gelte nur für den Scheitelpunkt der Kurve.

Währenddessen fragte der örtliche Busfahrer eines schottischen Busses Heiko, warum dieser nicht weiterfahre, der schildere ihm das Problem. „Damn! - Verdammt!“

Jetzt ging es, nach wenigen Minuten Verzögerung, weiter und wir erreichten den Hafen von Uig noch immer im Zeitplan. Die Fähre nach Lewis und Harris hielt sich nicht an diesen. Sie kam erst, als wir schon hätten abfahren sollen und musste erst entladen werden, bevor wir sie wieder befahren konnten. Obwohl es sich um nur eine Insel handelt, wird sie als zwei Inseln wahrgenommen. Nicht etwa, weil sie an ihrer schmalsten Stelle, Tarbert, wo unsere Fähre landete, nur knapp 600 Meter breit ist, sondern weil sie in einen gebirgigen Teil (Harris) und einen flachen, nur leicht hügeligen Teil (Lewis) geteilt ist.


Mittwoch, 14. Juni 2023 – Lewis – am A... der Welt

In Stornoway hatten wir die Nacht verbracht. Durch die Hochmoore der Insel Lewis fuhren wir von der auf der Ostseite gelegenen Hauptstadt der Doppelinsel Lewis and Harris auf deren Westseite, vorbei an abgetorften Stellen, in der Ferne waren auch vereinzelt Torfstecher bei der Arbeit zu sehen. Torf ist sehr fruchtbar, gleichzeitig aber auch ein traditioneller Brennstoff. Dennoch ist das Torfstechen nicht mehr überall erlaubt, wo es theoretisch geht, denn Torf wächst sehr langsam (Wikipedia: 1 mm/Jahr, 1 cm/10 Jahre) und ist zudem ein CO2-Speicher, da Torf letztlich verhindert, dass die Pflanzenteile verrotten und somit das in den abgestorbenen Pflanzen gespeicherte CO2 wieder abgegeben wird. Die Entwässerung von Mooren und der Torfabbau minimieren diese Speicherfunktion und die Verbrennung von Torf setzt natürlich das ganze gespeicherte CO2 frei, weshalb in Zukunft immer weniger Torf gestochen werden soll.

Unser erster Halt war am Whalebone-Arch. Hierbei handelt es sich um ein privates Gartentor. 1920 war ein verendeter Blauwal mit einer Harpune in seinem Kopf, die allerdings nicht explodiert war, in der Nähe gestrandet. Die Fischer holten ihn in eine Bucht, die zu flach war, als dass professionelle Walfänger ihn bergen konnten. Nach vielem Hin und Her wurde der Wal schließlich auseinander genommen und versucht, ihn zu Geld zu machen. Die Unterkieferknochen und die Harpune, welche mittlerweile in der Hütte eines Fischer explodiert war (zum Glück war niemand zuhause) wurden zum das heute als Whalebone Arch (Walknochen-Bogen) aufgestellt.
Unser nächster Halt war das Freilichtmuseum The Gearrannan Blackhouses, eine in den 1960ern aufgegebene und dann musealisierte Siedlung mit traditionellen Häusern, die aber z.T. schon mit Strom- und Gasanschluss versehen waren, oder die modernisiert worden waren, indem man in das Reed-Dach Dachfenster eingezogen hatte. Hier sahen wir auch an einer Webmaschine die Produktion des sogenannten Harristweeds (Harristweed wird fast ausschließlich auf Lewis hergestellt).

Im Anschluss daran ging es zum eisenzeitlichen Dun Carloway Broch. Diese Brochs genannten Türme entstanden um die Zeitenwende auf den britischen Inseln, haben eine leicht konische Form und interessante Architektur, mit engen Steintreppen zwischen den Außenmauern, welche in höhere Stockwerke führten. Der Dun Carloway Broch, den die letzte Reisegruppe geschlossen erlebt hatte, war wieder zugänglich. Der Broch gilt als einer der besterhaltenen in Schottland und wurde bis ins Mittelalter immer mal wieder benutzt. Zuletzt sollen sich hier in der Frühen Neuzeit Viehdiebe vor ihren Verfolgern verschanzt haben. Einer der Verfolger soll mit Hilfe seiner Dolche die Turmmauer hochgeklettert sein und brennendes Heidekraut von oben in den Broch geworfen haben.

Wir fuhren weiter zu den Callanish Standing Stones. Das sind im Grunde bisher 14 bekannte Steinkreise, einzelstehende Menhire und Alignments (Steinreihen), die größte dieser Anlagen, Callanish I, besuchten wir. Hier treffen zwei neolithische, kreuzförmig angelegte Alignments aufeinander, um den Kreuzpunkt ein Steinkreis. In diese neolithische Anlage, die ca. 500 Jahre lang genutzt wurde (3.100 - 2.600), ist in der Bronzezeit ein kleines Großsteingrab eingepasst worden.

Nun war der Plan nach Roghadal („Rodel“) weiterzufahren, um dort die Kirche mit einer Sheela na-Gig zu besuchen. Aber anderthalb Stunden Fahrt (mal 2) für den kurzen Besuch einer Kirche und vielleicht einem Fotostopp am Lyskentyre Beach schien den meisten dann doch zu viel Zeit investiert und so fuhren wir zum Leuchtturm von Butt of Lewis. Also gewissermaßen zum Anus Mundi. Zumindest von Lewis. Zunächst hielten wir am Hafen von Port of Ness. Das hat nichts mit Loch Ness zu tun. Loch und River Ness sowie der Ortsname Inverness dürften piktischen Ursprungs sein, wohingegen das Ness auf den Inseln und im schottischen aus der Wikingerzeit stammt: ein Ness (bzw. norwegisch Nes) ist eine Landzunge oder eine Halbinsel. Von Port of Ness fahren jedes Jahr einige junge Männer auf eine Hochseeinsel, um dort Basstölpelküken zu fangen. Diese sonst unter Naturschutz stehenden Vögel dürfen hier noch als traditionelle Delikatesse gefangen werden.
Am Butt of Lewis standen wir unter einem der vom Onkel des Schriftstellers Robert Louis Balfour Stevenson (Die Schatzinsel; Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde) errichteten Leuchtturm, beobachteten Basstölpel, Möwen und Kormorane und bewunderten die wilde Küste. Ein Teil der Gruppe wanderte von hier zum Strand von Stoth, wo wir sie später wieder aufnahmen. Nach der Rückkehr nach Stornoway wurde der nahe dem Hotel gelegene Tesco „geplündert“. Die Hauptstadt der Doppelinsel, ist - wie fast alle Orte im schottischen Norden - kaum mehr als ein Dorf, aber hat immerhin mindestens zwei Supermärkte.


Donnerstag, 15. Juni 2023 – Durch die Highlands zum Bad am preisgekrönten Strand

Obwohl, kurz vor dem kürzesten Tag des Jahres im hohen Norden Schottlands, die Sonne uns gerade nicht das Signal gab, frühzeitig ins Bett zu gehen, half es nichts, wir mussten am heutigen Morgen früh am Hafen sein. Frühstück auf der Fähre: six item breakfast. Es ging von Stornoway nach Ullapool auf dem schottischen „Festland“. Ohne großen Aufenthalt in Ullapool - die Fähre hatte für die Überfahrt länger gebraucht als vorgesehen, aber immerhin hatten einige dem Vernehmen nach Delfine gesehen - nahmen wir unsere Fahrt in Schottlands hohen Norden auf.

Am Knockan Crag machten wir unseren ersten Halt. Hier am Knockan Crag entdeckten frühe Geologen, dass das Alter von Erdschichten nicht zwingend in chronologischer Reihenfolge von unten nach oben aufgebaut sein muss. Denn der Moine Thrust war hier über jüngere Gesteinsschichten geschoben worden. Und dass Erdgeschichte und biblische Überlieferung vielleicht nicht zu 100 % übereinstimmten. Denn bis weit ins 19. Jahrhundert hinein las man die Bibel noch so, wie es heute nur radikale Evangelisten tun. Wir entdeckten hier anderes, nämlich den Geschmack von Irn Bru (Iron Brew - Eisengebräu), jenen geschmolzenen Stahlträgern, welche die beliebteste schottische Limonade darstellen, der selbst der Weltmarktführer Coca Cola in Schottland den Rang nicht ablaufen kann, und Auchentoshan, einem Whisky, der aufgrund seiner Milde als Frühstückswhisky verschrieben ist.
Danach ging es weiter in Richtung des Loch Assynt. Hier machten wir zwei Fotostopps, den ersten am Calda House mit dem Ardvreck Castle im Hintergrund, den zweiten am Ardvreck Castle. Am Calda House saß eine junge Dame mit ihrem Standup Paddling-Bord, die vergnügt vor sich hin gluckste. Nun, der süßliche Geruch ihres Rauchmittels verriet, weshalb sie einen solchen Spaß hatte.

Für uns ging die Tour aber weiter. Unseren nächsten Halt machten wir unterhalb eines Sees, dessen natürlicher Ablauf den Wasserfall der klagenden Witwe bildete (Allt Chranaidh). Dazu musste man ca. eine Viertelstunde in eine Schlucht hinein wandern, die man eher in Kroatien als in Schottland erwartet hätte. Im Bach schwammen Forellen, die auf der Jagd nach tiefliegenden Insekten ab und zu aus dem Wasser sprangen, der Weg war leider nichts für jedermann oder -frau und so kam nur ein Teil der Gruppe bis zum Ende mit. Dort störten wir ein schottisches Pärchen, dem wir aber versprachen, in wenigen Minuten wieder weg zu sein. Die holten derweil ihre Badesachen aus dem Auto.

Wir fuhren also weiter zur Kylesku Bridge, die den Fjord Loch a' Chàirn Bhàin, wo im Zweiten Weltkrieg britische Mini-U-Boot-Fahrer trainierten, überquert. Zwar operierten deutsche U-Boote im ganzen Atlantik, aber die zerklüfteten schottischen Westküsten-Sealochs waren weit ab von dicht besiedelten Regionen, außerhalb der Reichweite einer regelmäßigen deutschen Luftaufklärung und somit konnten hier relativ gut verborgen von deutschen U-Booten, einer Luftaufklärung und eventuellen Spionen verschieden Manöver zu Lande und zu Wasser trainiert werden, weshalb von Loch Long bis in den hohen Norden Schottlands immer wieder Denkmäler an britisches Militärtraining während des Zweiten Weltkriegs erinnern. So auch hier an der Kylesku Bridge.

Auf oft schmalen Straßen mit Passing Places flogen wir mit sehnsüchtigen Augen an romantischen Sandstrandbuchten mit türkisblauem Meer und Seen mit Teichrosen vorüber. Endlich erreichten wir die Nordküste. Durness (Dur = Deer, ‚Hirsch‘, etymologisch verwandt mit ‚Tier‘ + Ness = ‚Landzunge‘) war unser Ziel. Hier hielten wir endlich an einem der Strände. Und nicht an irgendeinem, sondern einem Award Winning Beach, einem preisgekrönten Strand. Hier, gewissermaßen an einem Strand an der Nordspitze Schottlands, gingen einige von uns am Strand spazieren, andere wagten den vollen Körpereinsatz und sprangen so hoch im Norden mutig ins Meer. Sicherlich ein unvergessliches Erlebnis. Baden in Nordschottland!

Nach dem Mittag fuhren wir nicht einmal einen ganzen Kilometer weiter, zur Smoo Cave. Die Smoo Cave ist eine Fluss- und Gezeitenhöhle. Der Höhleneingang ist von den Gezeiten, das Innere vom Fluss geschaffen worden. Leider war es in Schottland in diesem Sommer so trocken, dass der Bach Allt Smoo oberhalb der Höhle kein Wasser führte, denn eigentlich ergießt er sich als Wasserfall in die Höhle. Das Loch in der Höhlendecke, durch das der Wasserfall stürzt, hat sich genau an der Stelle entwickelt, an der wasserundurchlässiges Quarzit auf wasserdurchlässigen Kalkstein trifft.

Gruselige Berühmtheit genießt die Höhle, weil der im nahen Balnakeil bestattete MacMurdo(ch) mindestens 18 Reisende durch das Loch in der Decke stieß, um die Getöteten oder tödlich Verletzten auszurauben. Früher hatten Wikinger die Höhle wohl als überdachte Werft genutzt.

Die letzte Etappe nach dem Besuch der Höhle ging weiter in Richtung Thurso. Vorbei an Loch Eriboll (war der Name Inspiration für den Berg Eribor bei Tolkien?). Auch hier wurden die örtlichen Gegebenheiten im Krieg für das Training der Soldaten genutzt: die schiffsförmige Pferdeinsel diente als Ziel für Fliegerangriffe, gemeint war die Tirpitz. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs bekamen die deutschen U-Boote den Befehl, sich hier zu sammeln.

Vorbei am in Abwicklung befindlichen Nuklearkomplex Dounreay kamen wir schließlich zu unserem Ziel: der Siedlung am Fluss des Thor - Thurso.


Freitag. 16. Juni 2023 – Zurück in die Steinzeit: Die Orkneys

John O‘ Groats liegt etwa 45 Minuten Fahrt von Thurso entfernt. Hier fährt die Fähre nach Berwick auf South Ronaldsay, nur eine der etwa 70 Inseln, welche die Orkneys bilden. Heiko durfte auch mit auf die Fähre und in den Bus. Busreisefeeling mal nicht vom Fahrersitz aus. Mit unserem örtlichen Busfahrer, dem etwas muffeligen Craig düsten wir los, immer einen Schritt vor oder hinter einer anderen deutschen und einer amerikanischen Reisegruppe. Unser erste Halt war an der Italian Chapel, der italienischen Kapelle auf der Insel Lamb Holm, die von italienischen Kriegsgefangenen in einer Nissen-Hütte eingerichtet wurde. Die Kriegsgefangenen, welche die sogenannten Churchill Barriers zwischen den einzelnen Inseln aufschütteten, durften hier, im protestantisch-presbyterianischen Norden ihrem Bedürfnis nach katholischer Spiritualität nachgehen. Dass es sich bei der Kapelle um eine Nissen-Hütte handelt, ist dabei kaum noch zu sehen.
Die Churchill Barriers wurden errichtet, nachdem es im Ersten Weltkrieg zwei deutschen U-Booten gelungen war in den Scapa Flow einzudringen und im Zweiten Weltkrieg dem Kaleu Günther Prien, das Schlachtschiff Royal Oak zu versenken. Dabei kamen 833 der an Bord befindlichen Seeleute, darunter viele meist minderjährige Kadetten, ums Leben. Was im nationalsozialistischen Deutschland als Heldenstück galt, führte in Großbritannien zu zwei Maßnahmen: das Alter für den Eintritt in die Kriegsmarine wurde heraufgesetzt und die Zufahrten zum Scapa Flow wurden begrenzt, eben durch die Churchill Barriers. Heute dienen die Churchill Barriers vor allem als Straßenverbindungen zwischen den Inseln.
Zum Ende des Ersten Weltkriegs war die kaiserliche Hochseeflotte in Scapa Flow interniert und, in Erwartung, dass die Regierung den Versailler Vertrag nicht unterschriebe und es am Folgetag wieder zu militärischen Auseinandersetzungen käme, ließ der kommandierende deutsche Admiral die Flotte versenken, dass sie den Briten nicht in die Hände fiele. Als die Briten das merkten, weil die Seeleute die kaiserliche Flagge hissten, die Schiffe verließen und die Schiffe Schlagseite bekamen, versuchten sie noch, möglichst viele der deutschen Schiffe an Land zu ziehen. In den 1920er Jahren wurde noch einige Schiffe geborgen, andere Schiffe liegen, gemeinsam mit der Royal Oak, auf Grund. Die Royal Oak ist ein Kriegsgrab und soll daher möglichst unangetastet bleiben, die deutschen Kriegsschiffe sind als Nichtskriegsgräber ein beliebtes Tauchrevier, sind aber auch Quellen für Vorkriegsstahl (der nicht durch Atombombeneinsatz, Atomtests etc. verstrahlt ist).

Die Mittagszeit verbrachten wir in Kirkwall. Ein Schritt weiter auf dem Weg zurück in die Geschichte. Nach Zweitem und Erstem Weltkrieg kamen wir hier ins Mittelalter. Als die norwegischen Jarle, welche die Inseln beherrschten bereits Christen waren. Jarl Magnus und sein Cousin Håkan führten eine von ihren Vätern (die Brüder waren) geerbete Fehde fort und trafen sich zu einer Unterredung, zu der Magnus unbewaffnet kam. Håkan ließ seinen Vetter dann von einem seiner Leute (angeblich sei es der Koch Lifolf gewesen) erschlagen. Magnus' Neffe Ragnvald beanspruchte nun die Herrschaft seines Onkels und ließ, da am Grab des Magnus wundersame Dinge passierten, den Magnus-Dom bauen. Aber auch Ragnvald wurde Opfer seines Großcousins. Der mehrheitlich aus rotem Sandstein errichtete deutliche Zeichen von Verwitterung zeigende Dom ist nun das Grab für beide, Neffe und Onkel.

Unser nächstes Ziel war die neolitische (jungsteinzeitliche) Siedlung von Skara Brae. Diese ist ein ganz besonderer Fundort. Das Neolithikum ist eine Zeit, in der die Menschen schon Ackerbau und Viehzucht betrieben, alos bereits sesshaft waren und über Generationen an einem Ort lebten. Nun ist etwa der britisch-israelische Historiker Yuval Noah Harari der Aufassung, dass man nicht Stein- sondern Holzzeit sagen solle, denn die meisten Artefakte der Steinzeiten sind nun mal aus organischen Materialien gefertigt (Holz, Horn, Geweih, Knochen) und lediglich die Messer, und Speer- oder Pfeilspitzen sowie die Mahlsteine und Beile aus Stein. Das meiste, was die Jäger und Sammler der Alt- und Mittelsteinzeit und die Bauern und Viehzüchter der Jungsteinzeit an Artefakten hergestellt haben, ist gar nicht auf uns gekommen. Eine neolithische Siedlung besteht im archäologischen Befund aus selten mehr als ein paar Verfärbungen im Boden (Müllgruben und Pfostenlöcher der Ständer ihrer Häuser), mit viel Glück findet man mal einen Mahlstein, selten anderes Werkzeug.

Nicht so in Skara Brae. In Skara Brae haben die Menschen ihre Häuser in den Boden versenkt und mit Bruchsteinmauerwerk die Wände stabilisiert. Sie hatten steinerne Betten und steinerne Schränke. All das kann man in situ (archäologisch für: am Platz) in Skara Brae noch sehen, einschließlich einer Rekonstruktion, wie die Häuser im Neolithikum wohl mal im bewohnbaren Zustand ausgesehen haben mögen. Und den beweglichen Funden im Museum. Ein Pompeji des Nordens. Nebenan noch das Herrenhaus des Lairds, Skaill House, dessen Besichtigung in der Eintrittskarte erhalten ist. Es ging nun wieder zurück in Richtung Kirkwall, vorbei am Cuween Hill mit seinen von der Ferne nach Standing Stones aussehenden Steinsäulen, zum Ring of Brodgar, einem neolithischen Steinkreis. In einem der Steine befinden sich aus der Kreuzfahrerzeit auch Runenritzungen, da wir aber aufgrund des Bodenschutzes nicht näher an die Stein heran durften, konnten wir danach nicht weiter suchen. Im Anschluss fuhren wir zu den Steness Standing Stones, die nicht weiter entfernt vom Ness of Brogar, auf der anderen Seite des Isthmus liegen... stehen!
In der Ferne war der Grabhügel von Maes Howe zu sehen, ein steinzeitlicher Grabhügel, der Wikingern als Unterschlupff diente und daher ebenfalls mit Runeninschriften aufwarten kann, unter anderem einer vom besten Runenschreiber des Westens. Wer das war? Das hat er uns leider nicht verraten. Auf der anderen Seite sonnten sich drei Kegelrobben an den ruhigen Ufern des Loch of Stennes, eine Meereslagune, die hier weit ins Landesinnere von Mainland hineinragt.

Da wir noch Zeit hatten, fuhren wir nach Stromness, wo wir - nun ja... die Kaffeepause verbringen konnten. Danach ging es zurück nach Berwick, wir kehrten zurück nach John O'Groats und fuhren noch zum nordöstlichsten Punkt der britischen Hauptinsel: dem Leuchtturm von Duncansby Head, von wo aus wir für wenige Minuten die Duncansby Stacks sehen konnten. Der Tag war schon weit fortgeschritten und unser Abendessen in Thurso erwartete uns.


Samstag, 17. Juni 2023 – Ab in den Süden: Dunrobin Castle

Caithness und Sutherland gehörten bis 1266 zum Königreich Norwegen. Danach gingen sie vertraglich an Schottland und nur die Inseln blieben noch bis ins 16. Jhdt. in norwegischem Besitz. Unser Weg führte uns heute durch diese beiden Grafschaften. Unser Ziel war Dunrobin Castle, aber zunächst hielten wir zu einem Fotostopp am alten Hafen von Dunbeath. Von hier aus hat man einen guten Blick auf Dunbeath Castle, eine weiß gestrichene Burg, die majestätisch auf einem Felsen über dem Meer liegt. Die Burg ist allerdings für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Hier steht auch eine Skulptur von Kenn, einer Figur des Schriftstellers Neil Miller Gunn, der hier 1891 geboren wurde.. Im Angesicht von Kenn und der Burg gab es Shortbread, Whisky und Drumbuie (Heidehonig-Whisky-Kräuter-Likör). Dann ging es aber weiter nach Dunrobin, die Residenz der Grafen bzw. Herzöge von Sutherland, mit 188 Zimmern das größte Wohnhaus der Highlands, mit einem schönen Park am Meer. Der erste Herzog von Sutherland tat sich besonders bei den Highland Clearances hervor, der Vertreibung der schottischen Hochlandbevölkerung, die auch als ethnische Säuberung betrachtet wird. Ursprünglich waren die Lairds so etwas wie Familienoberhäupter, auch wenn ein schottischer Clan nicht zwangsläufig blutsverwandt sein musste; mit der Anbindung der Lairds an den Hof in London wurden sie von ihren Clans entfremdet, gleichzeitig stiegen ihre standesgemäßen Ausgaben (Adel verpflichtet) und so vertrieben die Lairds ihre Crofter (Pächter), um Land für die Schafzucht zu gewinnen.

Dunrobin Castle besichtigten wir individuell, einige fingen mit den Innenräumen, andere mit dem Park an.

Im Park von Dunrobin Castle gibt es auch eine Falknerei, die zwei Mal am Tag Raubvögelshows anbietet. Nachmittags ging es dann weiter in Richtung Süden, nach Inverness. Hier besichtigten wir die episkopale Kathedrale von 1861, der erste Kathedralneubau in Schottland seit der Reformation. Dann liefen wir über die den Ness überspannende Suspension Bridge, eine Wackelbrücke, die einigen „Angst“, anderen aber richtig viel Spaß machte. Da Inverness Castle nach wie vor von einem Bauzaun umgeben war, sparten wir uns den Anstieg, das Denkmal für Flora MacDonald würden wir eh nicht zu Gesicht bekommen.

Am späteren Nachmittag fuhren mir entlang des Beauly Firth [bjuli: förth] (mit tii-äitsch) < beau lieu (frz. ‚Schöner Ort‘) in Richtung des viktorianischen Kurortes Strathpeffer. Wir wollten noch am Kloster von Beauly, welches von frz. Valliscaulier-Mönchen gegründet wurde, einen Stopp machen, aber kurz vor Beauly gerieten wir in ein Radrennen, der Marktplatz von Beauly, und damit unser potentieller Parkplatz für den Besuch der Klosterruine, bildete die von Publikum gesäumte Zielgerade. Keine Chance. Somit fuhren wir direkt durch bis nach Strathpeffer, unserem nächsten Übernachtungsort. Immerhin konnten wir die Zeiten der gleichzeitig mit uns einlaufenden Radfahrer lesen: Das Radrennen dauerte bereits über sechs Stunden.


Sonntag, 18. Juni 2023 – Ab in den Süden II: Über Blair Castle bis Glenturret

Nachdem tagelang ständig vom Zweiten Jakobitischen Aufstand die Rede war (auf dem Weg nach Mallaig am Loch nan Uamh, wo Bonnie Prince Charlie an Land gegangen war (und Schottland später auch wieder verließ), vorher am Glenfinnan Monument, wo die jakobitisch gesinnten Clans seiner Standarte huldigten, und auf Skye am Grab der Flora MacDonald, war unser erstes Ziel heute Culodden Battlefield. In Culodden ([klodden]) hatte der Duke of Cumberland, der Sohn George II. und Onkel George III., Wilhelm Augustus von Hannover, die jakobitischen Truppen seines Stuart-Cousins Charles Edward nicht nur besiegt, sondern regelrecht niedermetzeln lassen. Das Schlachtfeld gilt heute als Grabstätte, wird aber auch archäologisch untersucht.

Da ich mittlerweile mitbekommen hatte, dass wir Outlander-Fans im Bus sitzen hatten, fuhren wir von dort zu den nahe gelegenen Clava Cairns, bronzezeitlichen Steinhügelgräbern (nicht megalithisch, also keine "Hünengräber"), um die herum allerdings Steinkreise aufgestellt sind. Hier ist auch der berühmte Split Stone, der das Zeitreisen ermöglicht (zumindest bei Outlander), auch wenn die Interpretation, welcher Stein denn nun der Split Stone ist, unterschiedlich ausfällt.

Dann mussten wir uns aber sputen in Richtung Blair Castle. Unser Navi zeigte uns einen Weg in Richtung Osten, was durchaus möglich war, wenn ich auch in Richtung Westen gefahren wäre. In Speyside gibt es interessante Straßenverbindungen, daher wunderte ich mich zwar, aber leider nicht genug. Nun, das Navi führte uns, obwohl eines für Busse und LKW, in ein Wohngebiet und auf Straßen, für die Busse unseres Kalibers nicht zugelassen waren, also führte ich den Bus zur Autobahn und von dort aus ließen wir uns wieder vom Navi leiten. In Blair Castle fuhren wir glatt eine Straße zu früh ab, so dass wir ausstiegen und Heiko mit dem Bus zum offiziellen Parkplatzeingang zurückschickten.

Nach einer kurzen Einführung durch einen deutschsprachigen Burgführer konnten wir Blair Castle ebenfalls individuell besichtigen. Während des Zweiten Jakobitischen Aufstands war die Fürstenfamilie gespalten, während ein Teil the Jacobite cause (die jakobitische Sache) vertrat, stellte sich der andere Teil auf die hannoveranische Seite. Bekannt wurde die Burg durch einen Besuch von Queen Victoria und Prince Albert, welche den Blairs erlaubten, eine Privatarmee zu unterhalten, diese existiert bis heute.

Unser Zeitplan heute war eng gestrickt, denn wir mussten noch zur Glenturret-Destille, die etwas abseits der gewöhnlichen Route lag - in Speyside gibt es ja an sich genug Destillerien, aber man muss eben auch die Führung bekommen.

In der Glenturret Destillery begaben wir uns in die Obhut von John, der uns zunächst darüber informierte, dass der Besitzer der Destille ausnahmsweise kein japanischer Getränkekonzern sei, sondern der französische Kristallwaren-im-Luxus-Segment-Hersteller Lalique. Deshalb habe man auch eine Lalique-Boutique. Dementsprechend würde der Whisky von Glenturret auch nicht mehr in herkömmliche Whisky-Flaschen abgefüllt, sondern in Lalique-Kristall, weshalb man die Flaschen auch nachdem sie leer seien, als Sammlerobjekte verkaufen könne.

John erklärte uns zunächst die Zutaten des Whisky: gemälzte und geschrotete Gerste (barley, Gerstenschrot: grist), Hefe (yeast) und Wasser.
Zunächst einmal stößt man mittels Wasser die Keimung der Roggenkörner an (Germination), diese Keimung (bei der Stärke in Zucker [Maltose] umgewandelt wird) wird durch die Darre unterbrochen.
Die Glenturret-Destillery lässt zwar darren (peated and non peated - getorft und nicht getorft - also über brennendem Torf oder einfach heißluftgedarrt - das ist eine Besonderheit von Glenturret, da andere Destillen entweder getorfte oder nicht getorften Grist verwenden, wohingegen Glenturret das mal so, mal so macht), stellt den Grist aber selber her. Der Grist das ist einfach die nach Keimung und Darre geschrotete Gerste. Hier zeigte uns John stolz eine alte Porteus-Mühle, die gerade von einem Handwerker inspiziert wurde. Das gute Stück kann nur noch von wenigen spezialisierten Handwerkern gewartet werden. Der arme Mann, selbst ein Unikat, wurde dann auch gleich fotografiert. Aber er versicherte, dass auch sein Sohn etwas von den Porteus-Mühlen verstünde. Die Porteus-Mühlen sind bekannt für ihre Langlebigkeit und die von Glenturret soll eine der ältesten noch im Betrieb befindlichen sein. Angeblich soll die Firma Porteus bankrott gegangen sein, WEIL ihre Mühlen so gut waren, dass sie so selten Ersatzteile und Reparaturen benötigten.

Zusammen mit Wasser in verschiedenen Hitzegraden (67° aufwärts), welches Bakterien abtöten aber auch das Gerstenmalz aus dem Grist lösen soll, kommt dieser dann in die Mash-Tuns, die Maischebottiche. Nachdem der Zucker aus dem Grist herausgelöst ist, wird der Grist, der jetzt Draff heißt, von den örtlichen Bauern abgeholt, die damit ihre Kühe füttern - auch Kühe mögen es süß -, der Kuhdung geht wiederum auf die Felder und ist Dünger für die nächste Generation Gerste, die wiederum gemälzt werden will. Ein ewiger Kreislauf.

Für die Whiskyproduzenten geht es aber mit dem Sugery Liquid, der zuckerhaltigen Flüssigkeit, genannt Wort, weiter. Diese wird, auf etwa 20° heruntergekühlt in den Washbacks mit Hefe (yeast) versehen und die Fermentation (wenn man das live erlebt ein wildes Geblubber) beginnt. Ein anderer Destiller in einer anderen Destillerie beschrieb das mal so: "Die Hefe frisst den Zucker und das Verdauungsprodukt ist der Alkohol." Heraus kommt etwas, was die Destiller einen Low Wine nennen. Dieser Low Wine (niedriger Wein) ist eigentlich eine Art Starkbier. Dieses Low Wine genannte Starkbier kommt in die Wash Still, die erste Brennblase, wo es die erste Destillation erfährt. Nach der Destillation kommt das Destillat in die Spirit Still, die zweite Brennblase. Wo es erneut destilliert wird. Nach dieser zweiten Destillation läuft das Destillat durch den Safe (Tresor, von der Regierung verschlossen, um unkontrollierte Entnahme zu vermeiden) und wird in Head, Heart and Tail (Kopf, Herz und Schweif) separiert. Erfahrene Destiller wissen, dass der erste Teil des Destillats (der Kopf) und der letzte Teil des Destillats (der Schweif) keinen Trinkalkohol darstellen. Sie wissen, dass ungefähr die erste Viertelstunde bis 20 Minuten der Kopf durchläuft, anhand von Messgeräten, die sich von außerhalb des Safes bedienen lassen, können sie den Alkohol darauf testen, ob inzwischen das Herz - also Ethanol/Trinkalkohol - durchläuft. Sie wissen auch in etwa, wann statt des Ethanols wieder "schlechter Alkohol" durch den Safe sprudelt. Head und Tail (Fusel, ein deutsches Wort, das Eingang auch in die britische Terminologie gefunden hat) werden in einem anderen Tank aufgefangen als das Heart und gehen zurück in den Destillationsprozess. Das Herz wird - da der Alkoholgehalt zu hoch ist (Brandgefahr!) - mit Wasser verdünnt. Der Alkoholgehalt wird somit von ca. 75 % auf ca. 40 - 45 % heruntergebracht. Jetzt dauert es nur noch drei Jahre Fasslagerung, bis man von Whisky sprechen darf. Der Whisky lagert fortan eine unbestimmte Anzahl von Jahren (mindestens drei) in Fässern aus europäischer oder amerikanischer Eiche, meist Port- oder Sherry-Fässer, in Glenturret verwendet man Bourbon- oder Sherry-Fässer. Vom Holz und von den im Holz gespeicherten Aromen der Weinen bzw. des Bourbon bekommt der Whisky seine Farbe und seinen Geschmack (nichtsdestotrotz gibt es auch die Auffassung, dass man schmecke, ob ein Whisky getorft sei oder dass Whisky aus über getrocknetem Seetang gedarrtem Malz eine "salzige Meeresnote" habe. (Bourbon ("Mais-Whisky") muss allerdings in frischen Fässern aus amerikanischer Eiche gelagert werden.)

In Schottland wird i.d.R. zwei Mal destilliert, in Irland in der Regel drei Mal. (Die schottische Destille Auchentoshan destilliert ebenfalls drei Mal.) Schottische Destiller lästern daher über ihre irischen Berufsgenossen, dass diese es halt nicht besser könnten und daher die dritte Destillation die Fehler aus den ersten beiden Destillationen auffangen solle.

John erzählte uns, dass die berühmteste Katze der Welt hier gelebt habe. Ich weiß nicht, ob es den anderen auch so ging, aber ich dachte bei mir "Garfield? Tom, von Tom und Jerry? Kater Carlo? Grumpy Cat?"
Nein, es war Towser, der alte Mauser. Weil Towser die Schwänze nicht mochte, ließ er diese immer an einem bestimmten Ort in der Destille liegen. Die menschlichen Betriebsangehörigen zählten am Morgen die Mäuseschwänze und je nachdem, wie zufrieden sie mit der Arbeit ihres vierbeinigen Nachtwächters waren, belohnten sie ihn mit einem Schälchen Milch. Towser soll in seinen 24 Lebensjahren (Ø 15 - 18 Jahre) 28.000 Mäuse erlegt haben, also gewissermaßen drei pro Nacht. Dies wurde aber nicht anhand der allmorgendlichen Mitarbeiter-Meetings mit den verschmähten Mäuseschwänzen ermittelt, sondern durch einen kanadischen Studenten, der eine Datenerhebung von einem Monat vornahm und dies dann auf Towsers Lebensalter hochrechnete. Towser, der seit 1987 im Katzenhimmel (der gleichzeitig die Mäusehölle sein muss) jagt, wird derzeit durch zwei Vertreter seiner Art ersetzt, welchen man die Namen Glen und Turret gegeben hat.

Nach dem Abstecher in den Westen - Glenturret nimmt für sich in Anspruch, die älteste schottische Destille zu sein, weil man so weit abseits der üblichen Wege und in einem versteckten Tal lag und daher lange vor der Legalisierung der Whiskyproduktion aktiv gewesen sei - ging es wieder in den Süden, vorbei am William Wallace-Denkmal bei Stirling und Stirling Castle auf seinem Basaltfelsen und Falkirk, wo wir in der Nähe bei den Kelpies hielten. Für den unbedarften Reisenden mögen Kelpies einfach Pferde sein. Doch Obacht! Kelpies sehen nur aus wie Pferde. Wer also in Schottland mal von einem wassertriefenden sprechenden Pferd angesprochen (yepp!) wird, sollte tunlichst das Weite suchen und kein Angebot annehmen, sich doch ein Stück des Weges tragen zu lassen. Denn kaum sitzt man auf seinem Rücken, windet sich die vermeintliche Pferdemähne wie Fesseln um die Hände und das Kelpie springt in den nächstgelegenen See, ó es zu seiner wahren Natur als Unterwassermonster zurückkehrt.

Nach einem kurzen Stopp fuhren wir ohne Verluste weiter zum Barony Castle unserem letzten Hotel in Schottland. In den Gartenanlagen des Barony Castle befindet sich die maßstabsgetreue Great Polish Map of Scotland. Ein polnischer Soldat, der im Zweiten Weltkrieg verwundet wurde und über Ungarn zunächst nach Frankreich und dann nach Großbritannien kam und dann für die polnischen Truppen unter britischem Kommando in Frankreich kämpfte, hatte noch während des Krieges eine schottische Krankenschwester geheiratet und blieb daher nach dem Krieg in Schottland. Aus Dankbarkeit schuf er die große polnische Karte von Schottland. Es gibt zwar ein Türmchen, von welcher man von oben herab auf die Karte schauen kann, aber ihre eigentliche Wirkung entfaltet sie tatsächlich erst im Luftbild.


Montag, 19. Juni 2023 – Schottland adé

Unsere vier Fluggäste ließen wir im Barony Castle zurück, da waren wir knallhart! ... Ach...? Die hatten Taxis zum Flughafen? Na gut. Ohne unsere Fluggäste jedenfalls, die von Edinburgh aus zurückfliegen würden, fuhren wir durch die Scottish Borders Richtung Süden. In den Borders, den blutdurchtränkten und ewig umkämpften Grenzregionen zwischen Schottland und England (nicht, dass es auf beiden Seiten der Grenze nicht auch noch hinreichend Bürgerkriege gegeben hätte), gründeten die schottischen König Klöster, um das Land zu kontrollieren und urbar zu machen. Die berühmtesten sind Melrose, Dryburgh und Jedburgh. Wir hielten in Jedburgh, wo es ein Haus gibt, in dem Mary Stuart übernachtete und außerdem die Klosterruine von Jedburgh. Die Klöster in den Borders waren immer wieder auch Angriffen seitens der Engländer ausgesetzt und hatten dadurch Schäden erlitten - und machen wir uns nichts vor: Auf der anderen Seite der Grenze sah es nicht viel anders aus! - ihren Todesstoß erhielten sie aber durch die schottische Reformation. Damals wurden die Kirchen von radikalen Presbyterianern (Calvinisten) geplündert und bildergestürmt, die Mönche, sofern sie sich nicht von selbst der Reformation anschlossen, vertrieben. Anschließend waren vor allem die Klöster dem Verfall preisgegeben, sofern die Klosterkirchen nicht noch als Gemeindekirchen dienten, dann oft in kleinerem Rahmen.

Weiter ging es zum Carter Bar. Der Carter Bar ist ein Gebirgspass, auf dem die Grenze zwischen England und Schottland liegt. Hier steht jeden Tag - außer an Weihnachten - Alan Smith und wartet auf Touristen, die er mit seinem Dudelsackspiel in Schottland begrüßen oder aus Schottland verabschieden kann. Unter den Klängen seines Dudelsacks vernichteten wir die letzten Tropfen Whisky und Drambuie. Das zuckerfreie Irn Bru fand hingegen nicht so reißenden Absatz. Jetzt war die Fähre in Newcastle unser letztes Etappenziel für den Tag.


Dienstag, 20. Juni 2023 – Zurück in der EU und Astrids Lesestunde

Schottland wäre ja mehrheitlich gerne in der EU geblieben, aber die schottische Bevölkerung macht eben nur einen Bruchteil der Bevölkerung Großbritanniens bzw. des Vereinigten Königreiches aus. Ein weiteres Referendum zur Abspaltung vom United Kingdom, wie 2014, wird den Schotten verwehrt. Damals hatten London und Brüssel in Gestalt von David Cameron und Jean Claude Juncker den Schotten gesagt, dass sie, wenn sie aus dem Vereinigten Königreich ausbrächen auch nicht mehr Mitglieder der Europäischen Union seien. Für viele Schotten, die sonst gerne für den Austritt aus dem UK gestimmt hätten, war das der ausschlaggebende Punkt, entweder nicht am Referendum teilzunehmen oder aber gegen die Abspaltung zu votieren. Und dann kam 2016 der Brexit. Wir waren nun dieses Jahr nicht in Edinburgh, aber letztes Jahr, 2022, hing vor dem schottischen Parlament - zum Ärger von Boris Johnson und seiner Regierung - anstelle des Union Jack das blaugelbe Sternenbanner der EU (die Sterne habe ich nicht gezählt, würde aber vermuten, dass es 28 waren). In Schottland schlägt ein Herz für Europa.

Und wir? Wir waren nun wieder zurück auf dem Kontinent. Leider kam der Bus relativ spät vom Schiff, so dass wir wesentlich später als erwartet gen Heimat fuhren. Bis Erfurt kamen wir verhältnismäßig gut durch, dann jedoch gerieten wir in einen Stau. Fast eine Stunde Stillstand, nur ein Feuerwagen fuhr durch (die Rettungsgasse war vorbildlich!). Wir sahen dann später, dass ein kleiner LKW ausgebrannt war.

Astrid verkürzte uns die Wartezeit, indem sie uns eine Kurzgeschichte vorlas, die sie in einem Buch veröffentlicht hatte und die auf einer wahren Begebenheit fußte. Dann löste sich auch der Stau auf und bald konnten wir alle nach Hause, wo wir sicher bald ins Bett fielen.


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