Reisebericht: Mit dem höchsten Zug der Welt Tibet erkunden!

22.09. – 04.10.2010, 17 Tage Rundreise Shanghai – Xining – Zugfahrt nach Lhasa – Gyantse – Shigatse – Große Mauer – Peking


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Eines der außergewöhnlichsten Reiseerlebnisse erwartete unsere Gäste und Eberhardt-Reisebegleitung Annett Mueller, die sich am sonnigen 22. September von Deutschland für 2 Wochen verabschiedeten.
Tibet - Grandiose Gebirgslandschaften, der höchste Bahnhof der Welt, türkisblaue Hochgebirgsseen, freundliche Menschen, Yaks und eine der faszinierendsten Klosterkulturen Asiens werden wir entdecken - Wir sind gespannt und freuen uns.
Ein Reisebericht von
Annett Müller
Annett Müller

22. – 25.09.2010: Von Deutschland über Peking nach Lhasa

Nach einem gutem Mittagessen im Restaurant "Chili" am Flughafen Dresden ging es los. In Frankfurt/Main komplettierte sich die Eberhardt-Gruppe um Reisebegleitung Annett Mueller, um gemeinsam mit dem neuen Airbus A 380 (einer der 3 von Lufthansa) nach Peking zu fliegen.
Am Morgen landeten wir pünktlich in der chinesischen Metropole, mußten aber eine geschlagene Stunde auf unser Gepäck warten. Um so stürmischer wurde dann auch die Ankunft eines jeden Gepäckstückes mit Eberhardt-Koffergurt auf dem Gepäckband gefeiert. In Peking werden wir von Josef, unserem chinesischen Stammreiseleiter herzlich begrüßt, die Sonne lacht (ca. 27 ° C) und so begannen wir gleich eine kleine Erkundungstour durch Peking. Wir spazierten über den Tianamenplatz und durch die Verbotene Stadt, die sehr, sehr gut besucht waren, insbesondere von Chinesen. Dennoch verloren wir keinen, denn das Eberhardt-Schild an der Teleskopstange hatte Josef fest im Griff und wir immer gut im Blick. Der Massenauflauf hatte natürlich auch einen Grund: Am 22.09.2010 feierte China das Mondfest und anschließend haben die Chinesen 3 Tage frei. In einem kleinen Cafe pausierten wir anschließend bei Kaffee und Kuchen.
Später erhielten unsere "pflastermüden" Füße eine wohltuende Fussmassage im Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin, bevor wir uns das Abendessen schmecken ließen.
Gut gestärkt fuhren wir zum West-Bahnhof, wo wir zunächst einige Zeit in der Wartezone (nur mit gültiger Fahrkarte) unter mächtiger Geräuschkulisse verbrachten. Hier begrüßten wir weitere
4 Reisegäste, die zuvor in China unterwegs waren und sich für eine Verlängerung ihrer Eberhardt-Reise durch Tibet entschieden haben.
Mit dem T 27 um 21:30 Uhr ging unsere Reise in den Tibet dann richtig los.
Ein freundlicher Schaffner begrüßte uns an unserem Schlafwagen (1.Klasse), wo wir unsere 4er-Abteile bezogen: 2 Betten unten, 2 Betten oben (frisch bezogenes Bettzeug war bereits vorhanden), ein Tischchen mit Blümchen, Thermoskanne und Strom - Wir waren positiv überrascht und machten es uns auf den wenigen Quadratmetern gemütlich, denn der Zug war die nächsten 48 h unser Hotel. Ok, die Waschgelegenheit war etwas eigenwillig: 3 Waschbecken mitten im Gang. Wir hatten aber vorsorglich ein Bastrollo mitgebracht, welches wir unkompliziert als Sichtschutz bei unserer "Katzenwäsche" befestigten.
Nach den ersten spannenden 24 Stunden unserer Reise fielen wir schnell, mehr oder weniger, in den Schlaf.
Am nächsten Morgen trafen wir uns im Speisewagen zum Frühstück: Toastbrot, Butter, Marmelade, Wurst, gebratenes Ei und ein "milchhaltiges", warmes, süßes Getränk, welches nur neben der Milch gestanden haben muß - etwas spartanisch, aber wir wurden satt und die vorbei ziehende Landschaft und der anschließende Kaffee mit kleinen Snacks (auch hier hatten wir vorgesorgt) entschädigten auf`s Beste. Die weitere Reise verbringen wir mit Schauen und Schauen, Fotografieren, Erzählen und Vorlesen.
Der Artikel über den, im Excil lebenden, Dalai Lama in der aktuellen Ausgabe der "P.M. BIOGRAFIE" fand viele Zuhörer und lässt unsere Gedanken in den Tibet voraus eilen. Ab und zu hält der Zug auf Bahnhöfen, wo wir aussteigen und uns mit Snacks und Getränken für kleines Geld versorgen können. Auch im Zug selbst kommt ab und zu ein Servicewagen vorbei, der Einiges anzubieten hat. Das Abendessen haben wir im Speisewagen vorbestellt, es schmeckt. In dieser Nacht fahren
wir nun wirklich in die Höhe. Auf dem Bahnhof von Lanzhou (1.876 m) wurde die Lok gewechselt und es geht merklich schneller voran. Bevor wir schlafen gehen, erhält jeder noch ein Formular mit Hinweisen zur "Höhe", welches wir ausgefüllt beim Zugschaffner abgeben. Dieses Formular liest sich wie ein Beipackzettel von Medikamenten.
Vorschrift ist Vorschrift! Die angekündigten Sauerstoffschläuche bekommen wir nicht. In die Abteile wird ausreichend Sauerstoff geblasen, so dass wir auf die "Extra-SauerstoffKur" gut verzichten können. Dennoch ein wenig schade, wir hatten uns doch so auf die Schnappschüsse gefreut. Mittlerweile ist es 22 Uhr und wir befinden uns schon auf 3.389 m (der Höhenmesser im Zug stimmt fast). Nach einem Reisschnaps als Betthüpferl sagen wir "Gute Nacht".
Schon um 3.30 Uhr treffen sich die Frühaufsteher auf den Gang. Wir sind in Golmund, wieder auf 2.700 m. Auch hier steigen "Local people" ein (rechts vom Bahnhof) und aus (links vom Bahnhof) - alles verläuft in " chinesisch geordneten Bahnen", für uns etwas skuril.  Ab Golmund, so der Reiseführer, beginnt die landschaftlich reizvollste Strecke. Und das stimmt auch. Wow, in der Morgendämmerung schimmern Eisfelder und schneebedeckte Berge. Wir fahren durch die Ebenen dauerhaften Frostes. Wahnsinn diese Landschaft, die nun weiter und einsamer wird. Als die Sonne aufgeht, reisst der Himmel auf, strahlend blau und im Kontrast die teils felsigen Berge, deren Gipfel weiss glänzen, bunte Gebetsfahnen und grün-gelbe Steppen, auf den Yaks weiden. Unsere Fotoapparate sind im Dauerstreß.
Fast verpassen wir das bestellte Frühstück auf 4.742 m Höhe. Wir genießen es und probieren heute " China-Breakfast": das gedämpfte chinesische Brot (ähnlich wie Hefeklösse), schmeckt mir mit Marmelade besonders gut. Unseren Morgenkaffee schlürfen wir in unseren Abteilen mit fantastischem Ausblick. Rechts und links der Bahnstrecke sehen wir in großen Abständen auch kleine Kontrollhäuschen. Kommt der Zug (täglich einmal nach Lhasa und einmal nach Peking), springt ein Soldat heraus, steht stramm und salutiert pflichtgemäß unter chinesischer Flagge dem vorbei fahrenden Zug. Von dieser Begrüßung fühlen wir uns "geehrt" und grüßen freundlich zurück.
Langsam fieberten wir dem höchsten Bahnhof der Welt entgegen. Wie schon bei den vergangenen Reisen konnte das Zugpersonal und auch Josef keine präzisen Angaben machen. Also studierten wir noch einmal Karten und den bisherigen Zeitverlauf und schwupps, auf einmal fuhren wir schon in Höchstgeschwindigkeit am höchsten Bahnhof der Welt vorbei. Reaktionsschnell drückten wir auf den Auslöser der Kamera und ein etwas verwackelter Schnappschuß gelang doch. Für alle nach uns Reisenden: Passiert man 3.30 Uhr Golmund, durchfährt man ca. 10 Uhr ein weit gestrecktes Hochplateau umrahmt von weniger spektakulären Bergen. Etwa in dessen Mitte (ca. 10:30 Uhr) befindet sich in Fahrtrichtung links ein modernes, unbewohntes/unbewachtes Bahnhofsgebäude, der höchst gelegene Bahnhof der Welt: Tanggula auf 5.068 m. Etwas dahinter, 4 Meter höher auf einen Hügelchen gelegen, der gleichnamige Pass. Ehrlich gesagt, etwas enttäuscht waren wir schon. Gern wären wir da mal ausgestiegen! Die weitere Fahrt bis zum gegenwärtigen Endpunkt der Strecke Lhasa (in einigen Jahren wird die Strecke bis Shigatse und dann vielleicht bis Nepal und Indien verlängert sein) verging wie im Flug: Großes Naturkino wurde uns da bei herrlichstem Wetter geboten. Nach gefahrenen 4.064 km, davon 960 km über 4.000 m erreichten wir, alle wohlauf und ohne Sauerstoffmangel,  18:30 Uhr den Bahnhof von Lhasa. Yang, unsere 28jährige Reiseleiterin (sie studierte Germanistik in China und lebt nun in Lhasa) begrüßte uns herzlich auf dem modernen Bahnhof (von außen sieht dieser eher wie ein Kulturpalast aus). Unverständlich für uns dürfen Reisebusse nicht an chinesischen Bahnhöfen vorfahren, so gingen wir unsere ersten 500 m auf tibetischen Boden zu Fuß. Als Begrüßungsgeschenk erhielten alle einen "Hahda". Das ist ein weißer Schal, der verschiedene Bedeutungen hat: U.a. heißt man so auf tibetisch Freunde willkommen und wünscht Ihnen Glück. Yang ergänzte, in ihrer sympatischen Art und sehr gutem Deutsch: ... ich wünsche, dass sie alle Schweine haben.... Wir mußten herzlich lachen. Das Abendessen war bereits im Restaurant unseres Hotel "Tianhai" vorbereitet. Und das war auch gut so, denn wir sehnten uns (nach 3 Tagen) nach einer Dusche und einem großen Bett. Das Hotel befindet sich in einer zentralen City-Lage. Die geräumigen Zimmer sind mit Klimaanlage, Bad/WC, SAT-TV (keine deutschen Sender) und Wasserkocher für Tee und Kaffee ausgestattet. Das Hotel wird erweitert und ab November 2010 einer "Verjüngungskur" unterzogen. Ab April 2011 erstrahlt das Hotel dann für unsere Eberhardt-Gäste im neuen Glanz. Lustig ist noch, dass sich unsere Zimmer in der 4. Etage befanden. Allerdings ist die 4 eine Unglückszahl, so hatten wir eine 8-stellige Zimmernummer: statt der 4 eine 5 und davor als Zugabe noch die 8, die als Glückszahl gilt, also 85.... Etwas verwirrend, zumal der Lift nur 4 Etagen anzeigte. Mit einem typisch asiatischen Hupkonzert auf den nächtlichen Straßen als kleine Nachtmusik schliefen wir ein.

26.09. – 28.09.2010: Entdeckungen in und um Lhasa

"Tashi Deley"- Guten Tag, Lhasa. Im Hotellift wurden wir täglich auf`s Neue erinnert, welcher Wochentag gerade ist: Der rote Teppichboden mit Sunday, Monday.... wurde jeden Tag gewechselt. Nach dem täglichen Frühstück (der Kaffee war richtig gut) begannen wir unsere Entdeckungstouren in und um Lhasa. Wegen der Sonn- und Feiertage haben wir den Programmablauf spontan und optimal angepasst, um uns keinen Höhepunkt der Reise entgehen zu lassen. Sonnenschein, blauer Himmel und angenehme Temperaturen (ca. 25°C) waren unsere ständigen Reisebegleiter. Morgens war es immer etwas frisch, aber die intensive Sonne erwärmte schnell die Luft, so dass wir schon bald auf Jacken verzichten konnten. Für ausreichenden Wasservorrat (10 Yuan für 3 Flaschen) sorgte immer unser Busfahrer, denn viel Trinken ist wichtig. Falls die Luft in der Höhe knapp werden sollte (und das tat sie nicht), auch dafür war gesorgt. An Bord hatten wir kleine Sauerstoffflaschen mit Mundstück (20 Yuan), aus denen wir, bei Bedarf, ein Brise Oxygenium inhalieren konnten.
Geruhsam um 9:30 Uhr starteten wir unsere erste Tour. Unser Ziel am Vormittag war das Drepung-Kloster, ca. 11 km von Lhasa entfernt. Drepung bedeutet "großer Reishaufen". Nicht, weil das Kloster von Weitem wirklich so aussieht, sondern es spielt auf eine buddhistische Zeremonie an, bei der die Mönche kleine Reishäufchen symbolisch für die Welt mit all ihren materiellen und sinnlichen Verlockungen an die Buddhas opfern.
Das Kloster wurde 1416 gegründet, früher studierten hier 10.000 Mönche. Das ist Vergangenheit. Gemeinsam mit Pilgern, in deren Hand kleine Gebetsmühlen, vorbei am großen Gebetsmühlengang (bald hatten wir auch den Dreh raus) stiegen wir die Treppen hinauf. An einem bunt bemalten Felsstein hielten auch wir inne: "Oh my money - Go my home" stand auf tibetisch darauf.  Wer kann sich da schon einem kleinem Gebet, egal an welchen Gott, entziehen. In den bunten Versammlungshallen waren die Roben und Gelbmützen der Mönche korrekt auf deren Plätze zusammengelegt. Überall roch es nach Butteröl, welches die Tibeter als Opfergabe darbringen.
Wir tauchten ehrfürchtig in eine andere Welt ein. Die verschiedenen Paläste des Klosters und heilige Stätten, teilweise durch Holzstiegen erreichbar, faszinierten uns mit ihren bunten Wandmalereien und Thangkas (Rollbilder, ähnlich wie Ikonen nur mit buddhistischen Gottheiten). Wir blickten in die Augen von Buddhas der 3 Zeiten, Bodhisattvas, Dalai Lamas, Himmelwächtern, friedvollen und zornigen Gottheiten, die mit Gold und Edelsteinen prachtvoll verziert waren. Stumm und mit Respekt begegneten wir den Tibetern bei der Ausübung ihrer hingebungsvollen und ehrlichen Religion. Überall lächelten uns freundliche Tibeter entgegen, die uns überhaupt nicht als störend empfanden. Manchmal überkam uns eher dieses Gefühl.  Ab und zu störte jedoch ein Klingelton eines Handys die Stille. Nein, wir waren es nicht! Fast jeder Mönch besitzt mittlerweile so ein modernes "Buddhatelefon" und nutzt es intensiv. Obwohl jedes Kloster, welches wir auf unserer Reise besuchten, eine andere Geschichte aufweist und anderen Gottheiten huldigt, ähnelten sie sich in ihrer Bauweise. Auf all unseren Besichtigungen erlebten wir immer wieder nette Begegnungen mit freundlichen Tibetern. Diese vielen "Kleinigkeiten" bereicherten unsere Reise ungemein: Wir trafen eine tibetische Familie, die fast 1.500 km aus dem Hochland nach Lhasa gepilgert war; eine tibetische Studentin, die seit 2 Jahren fleißig Englisch lernt, um in Zukunft Touristen aus aller Welt ihr Tibet zu zeigen; eine betagte Nonne gewährte uns freundlich Einlaß in ihre kleine "Behausung" im Kloster; ein 84 Jahre alter Mönch, dessen Gesichtszüge eine tiefe Zufriedenheit ausstrahlten, nach einem "Männergespräch" streckte er seine Zunge gegenüber unserem 88jährigen Herrn Degner aus, um so seinen Respekt zu zeigen. Herr Degner, liebevoll "unser Opi" genannt, war fit wie ein Turnschuh und bewältigte immer als Erster die unzähligen Treppen und Stufen in den Klöstern, Respekt!
Unterhalb von Drepung befindet sich der Tempel der Weißen Tara und das Kloster Nechung, welches Ende des 17. Jhd. zum Sitz des tibetischen Staatsorakels ernannt. Aus einer Volksreligion gewachsen und vom Buddhismus geduldet zählt das Orakel zu den wichtigsten Heiligtümern Tibets. Anders als im Buddhismus werden hier lokale Schutzgottheiten mit weltlichen Hintergründen verehrt.
Nach einer Mittagspause im Hotel unternahmen wir einen Spaziergang durch den "Garten des Lieblings" oder "Juwelengarten". Norbulingka diente den späteren Dalai Lamas als Sommerresidenz und ist heute beliebtes Ausflugsziel tibetischer Familien. Ein hoher Beamter der Qing-Dynastie ließ hier für den 7. Dalai Lama den ersten Palast errichten. Wir bummelten durch den blütenreichen, mit viel Grün und Teichen angelegten Garten und besichtigten die verschiedenen Paläste.
Am "Khamsum Zilnon" (Theaterhaus/-platz) stimmten wir ein deutsches Volkslied an und ebenso wie früher vergnügten sich die Besucher bei unserem Gesang (damals waren es Aufführungen tibetischer Opern). Höhepunkt der Besichtigung ist der 1956 fertig gestellte "Tagten Minjur Phodrang", der Sommerpalast des 14. Dalai Lamas, den dieser bis zu seiner Flucht nach Indien im Jahre 1959 (das vorher befragte Staatsorakel riet ihm zur Flucht) bewohnte. Für die Tibeter eine bedeutende Stätte, denn hier können sie ihrem Oberhaupt nahe sein, dessen Geist alle Räume durchzieht. Anhand der bunten Wandmalereien erfahren wir viel, sicher nicht alles, zur Geschichte. Die Einrichtung ist eine liebevolle Mischung aus buddhistischen, persönlichen und weltlichen Elementen. Vor dem leckeren Abendessen im "Steakhouse" stöberten wir noch in einem großen Souvenirgeschäft. Einige Gäste besuchten am Abend eine tibetische Folkoreshow (die sehr gut war). Die andere Gruppe unternahm eine "abenteuerliche" Rikschafahrt zum großen Platz unterhalb des Potala-Palastes.
Hier erlebten wir nicht nur die die Probe einer Militärkapelle, die akkurat "chinesisch" mehrmals wiederholt wurde, sondern bestaunten auch die "musikalischen" Wasserspiele, die jeden Abend stattfinden. Dieses eigenwillige Schauspiel konnte gegensätzlicher nicht sein: vor der Kulisse des monumentalen Potala-Palast ein Militäraufzug mit Marschmusik, dazu das Wasserfontänen-Spiel, welches zur Musik aus "Carmen" dramatisch in Szene gesetzt wurde, dahinter die beleuchtete "Befreiungssäule" mit Wachsoldat und wir mitten drin.
Am nächsten Vormittag statteten wir zunächst der "Bank of China" einen Besuch ab, um Bargeld zu tauschen. Es ging recht flott, obwohl der Geldwechsel immer mit viel Papierkram einhergeht. Anschließend fuhren wir in die Altstadt Lhasas. Auf der Barkhor Straße, dem Umrundungsweg der um den Jokhang Tempel führt, war schon mächtig Betrieb. Im Uhrzeigersinn, in der rechten Hand die Gebetsmühle pilgern die Tibeter immer und immer wieder diese Straße entlang. Vorbei an den Hunderten von Pilgern betraten wir durch einen separaten Eingang den Jokhang  Tempel, Tibets Nationalheiligtum.
Potala-Palastes
Oben angekommen schnappten einige ganz schön nach Luft, dennoch genossen wir den einzigartigen Blick von oben. Anschließend besichtigten wir den Palast von innen - Fotografieren ist hier strengstens verboten. Nach dem Abstieg schlenderten wir zum Postamt, um Postkarten und Briefmarken zu kaufen.
Ein abendlicher Spaziergang führte uns durch die belebte Altstadt zum tibetischen Restaurant "Rhythm of Tibet" an der Barkhor Straße, wo wir zu Abend speisten. Anschließend stürzten wir uns noch einmal ins bunte Treiben der Altstadt. Es wurde schon dunkel als wir zum Hotel zurück fahren wollten. Trotz wiederholtem Durchzählen und Rundumblick, Herr Degner blieb verschwunden. Nach einer 3/4 Stunde konnten wir aufatmen, Herr Degner hatte sich verlaufen und sich kurzer Hand mit einem Taxi zum Hotel chauffieren lassen. Mit Händen und Füssen brachte er dann die Hotelangestellten dazu, bei uns anzurufen. Erleichtert fuhren wir zum Hotel und alle waren froh, wieder gesund vollzählig zu sein.
Heute unternahmen wir einen Ausflug in das 70 km entfernte Ganden-Kloster. Lange Zeit war es Sperrzone und konnten von ausländischen Touristen nicht besucht werden. Unsere Fahrt führte auf holprigen Straßen am Lhasa-Fluss entlang.
Yang erzählte uns die interessante Geschichte der politisch brisanten Region. ber eine Serpentinenstraße schlängelte sich unser Bus hinauf, von oben blicken wir auf das grüne Kyichu-Tal. Die Zerstörungen der "Kulturrevolution" sind schon von weiten sichtbar. Doch nach und nach werden die Gebäude des religiösen Zentrums der Gelbmützen-Schule rekonstruiert (Von 200 stehen schon wieder 50). Während der Besichtigung sehen wir nur wenig praktizierende Mönche, an allen Ecken wird gebaut und aufgepasst. Wir sehen deutlich die Ausmaße und Wunden der Zerstörung und Unterdrückung - rechts neben dem Kloster marschierte das Militär lautstark. Nach einer lustigen "technischen" Pause in luftiger Höhe wollen wir zurückfahren, aber ein großer Sandhaufen versperrte uns die Ausfahrt aus dem Kloster. Tibetische Mönche meditierten, "Bauhelfer" genossen ihre Mittagspause, also besorgten wir uns schaufelähnliche Utensilien und schippten fröhlich drauf los, um uns zu befreien. Wir Eberhardtgäste haben beim Wiederaufbau von Ganden geholfen!
Nun war der Weg  für die Rückfahrt frei. Unterwegs stoppten wir an einer Yakweide und an einer Brücke am Lhasa-Fluss, einem Ort für Wasserbestattungen. An den Felsen ragten weiße "Himmelsleitern" empor, damit die kleinen Seelen aus dem Wasser steigen können. Yang gab uns eine umfassende Information zu den verschiedenen Bestattungsformen und deren Bedeutung, die für uns sehr fremdartig und teilweise auch sehr gruselig waren. Unsere Mittagspause verbrachten wir in einem kleinen lokalen Restaurant und ruhten uns noch ein wenig im Hotel aus, bevor wir am Nachmittag zur Besichtigung des Sera Klosters aufbrachen, welches in der Nähe unseres Hotels liegt. Das Kloster wird wegen seiner "Nähe" zu China auch als Konkurrenzkloster zu Drepung gesehen. Das Sera Kloster gehörte neben Drepung und Ganden zu den 3 Klosteruniversitäten, an denen früher mehr als 20.000 Mönche studierten.
Das Kloster Sera besteht aus 3 tantrischen Fakultäten. Im Sera Je werden Kinder gesegnet, in dem man ihnen Ruß von den Yakbutter-Lampen über die Nase streicht, das ist gut gegen böse Geister und für einen guten Schlaf. Nach der Besichtigung haben auch wir alle "schwarze" Nasen. Weiter laufen wir zum Debattiergarten, wo wir den Mönchen und Schülern beim Erlernen der hohen Kunst des konstruktiven Diskutierens und Debattierens zuschauen und zuhören dürfen. Nach dem Abendessen öffnen wir die Hotelbar und machen es uns bei mitgebrachten Snacks und Getränken gemütlich.

29.09. – 1.10.2010: Schneebedeckte Bergpässe und türkisblaue See – Fahrt nach Gyantse und Shigatse

Überflüssiges Gepäck lassen wir im Hotel in Lhasa und nach einem entspannten Frühstück begann unsere reizvolle Fahrt über 280 km nach Gyantse. Anfänglich stoppten unsere Fahrt wieder diverse Polizei- und Geschwindigskeitskontrollen auf der Strecke bis zur neuen Tsangpo-Brücke (Brahmaputra oder Chushül-Brücke). Nach einer "technischen" Pause an einer schicken TOI, die eigens für den chinesischen Staatssekretär gebaut wurde, überquerten wir den Brahmaputra. Unterwegs begleiteten uns fantastische  Landschaften und so wurde immer wieder ein Fotostopp eingelegt. Wir fuhren durch kleine  tibetische Dörfer und erblickten schon von weitem das Bergpanorama mit den Schneebergen Jobo und Jomo.
Eine enge Passtraße führte uns zum Khampa La Pass (Gangbala 4.764 /4.794 m). Hier erwartete uns ein atemberaubender Fernblick. Hier oben waren wir nicht die einzigen, auch eine Fahrradgruppe aus Deutschland, genoß den Sonnenschein auf fast 5.000 m Höhe. Hier oben merkten wir, dass die Luft recht dünn war, also genossen wir alles schön langsam! Tibeter mit geschmückten Yaks, Höllenhunden und Lämmern, den Panoramablick auf Tsangpo-Tal, den schneebedeckten Berg (Nöjin Kangsa = heiliger Berg 7.223 m) sowie den türkisblauen Yamdok Yutsho See. Auf der anderen Passseite fuhren wir wieder hinab. Am Ufer der heiligen Sees wehten viele bunte Gebetsfahnen und unzählige Steinpyramiden (stehen für Glück und ?alte? Liebe) säumten das Ufer, welches wir entlang fuhren: abwechselnd Berge, Dörfer, Nomaden. Einen weiteren Fotostopp legten wir am Karo La Pass (5.010 m) ein und sahen den Gletscher des Nöjin Kangsa hautnah! Nach dem wir die Pässe überwunden hatten, picknickten wir auf einer grünen Wiese am Ufer des See mit der atemberaubenden Kulisse des Bergpanoramas im Hintergrund.
Am Nachmittag erreichten wir dann die kleine Stadt Gyantse, ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Lhasa und Shigatse. Das Hotel war einfach und sauber, auch eine dicke Decke lag bereit, denn in der Nacht sollte es recht kühl werden. Unser Abendessen war für uns im lokalen Restaurant "Gyantse Kitchen" vorbereitet. Persönlich wurden wir durch die Gastgeberfamilie empfangen und mit leckeren tibetischen und nepalesischen Gerichten verwöhnt. Auf Wunsch wurde uns hier eine kleine Kostprobe des Buttertees serviert, der sicher bei vielen Eberhardtgästen nicht zum Lieblingsgetränk erkuren wird.
Das Lhasa-Bier erfreute sich dagegen allgemeiner Beliebtheit. Es war ein geselliger Abend, den wir noch bei einem Verdauungsspaziergang über die einzigste, größere Straße ausklingen liessen. Neugierig beäugten uns Tibeter in deren kleinen Geschäften, mit denen wir freundlich und auf lustige Weise Kontakte knüpften und zur Völkerverständigung beitrugen.
Nach dem Frühstück im Hotel spazierten wir zur Klosteranlage Palchor (Pälkhor Chöde), die von hohen Klostermauern von der Außenwelt abgeschirmt war. Innerhalb der Mauern entstanden damals autonome tibetische Klöster, die ein einzigartiges "ökumenisches" Zentrum bildeten. Anschließend bestiegen wir den Kumbum (begehbare Stupa), der als Mandala zu verstehen ist. Auf den verschiedenen Ebenen sollen 100.000 Gottheiten zu sehen sein, eigentlich sind es nur 27.529. An den Klosterbezirk grenzt die Altstadt  an, die zur Zeit mit Fördergeldern saniert (Kanalisation) wird. Hier erhielten wir einen realen Einblick in das Leben der Tibeter, die uns sehr offen und freundlich als wir durch die Gassen und Gässchen stiefelten. In einer tibetischen Backstube kauften wir ein: leckere, noch warme und süß gefüllte Pasteten aus Winterweizen, hmhm! Am Hauptplatz unterhalb der Festung Burg Dzong  bestiegen wir wieder unseren Bus und fuhren Richtung Shigatse. Unsere Reise führte uns durch das Nyang-Tal, die "Kornkammer" Tibets. Entlang des Nyangchu-Flusses sahen wir Bauern bei der Feldarbeit (Weizen) und bewunderten die vielen Gewächshäuser mit frischen Gemüse und saftigen Melonen. Unterwegs erfuhren wir Interessantes zur Region und Geschichte. So erfuhren wir, dass unweit der Ortschaft Penam (Bailang) früher zum Tode verurteilte Schwerverbrecher erstochen und in den Nyangchu-Fluss geworfen wurden. Auch einen Geierbestattungsplatz sahen wir. Am Nachmittag statteten wir einer tibetischen (sicher "ausgewählten") Bauernfamilie einen Besuch ab. Der Sohn des Haus empfing uns freundlich und zeigte uns seinen "Bauernhof" und sein aus Lehm gebautes Haus. In der unteren Etage sind die Behausungen der Tiere, während im oberen Geschoss die Familie wohnt. Die nette Oma bewirtete uns anschließend in der guten Stube mit Buttertee, Yakkäse, Chang (Gerstenbier ca. 15 %), Tsampa (Teig aus Gerstenmehl, der mit Buttertee verknetet wird), den wir sowohl roh als auch ausgebacken verkosteten. Es war eine sehr nette und freundliche Begegnung.
Am Nachmittag erreichten wir Shigatse und unser Hotel "Shandong", wo uns Tenzin, ein sehr netter Kofferträger mit den Worten "Ich bin ein Tibeter, echt..." begrüßte. Mit den Tenzin hatten wir an den nächsten Abenden beim gemeinsamen Lernen von Vokabeln in Tibetisch und Deutsch noch jede Menge Spass. Das Abendessen nahmen wir im Hotel ein und feierten zugleich den Geburtstag von Frau Ungermann mit süßer Torte und "Tibetischen Quäler".
Bei herrlichem Sonnenschein besichtigten wir am Vormittag das Tashilhunpo Kloster, der Residenz des Pänchen Lama (gelehrter Lama). Beeindruckt waren wir vorallem von der 48-säuligen Großen Versammlungshalle, den wunderschönen Wandmalereien und den 10 m hohen, goldenen Buddha der Zukunft. Danach bummelten wir durch die Altstadt und genossen die Zeit an den bunten Souvenirständen, in den kleinen Geschäften und Imbissstuben. Wir kosteten wieder hier und da, besonders die kleine tibetische Backwaren mundeten uns. Am Nachmittag hatten wir freie Zeit, die viele zum Ausruhen, Einkaufen oder eigene Entdeckungen nutzten. Nach einem lustigen Einkaufsbummel kehrten einige Gäste mit mir in das gemütliche ?Songsten Tibetan Restaurant? ein, in dem wir vorzüglich und echt tibetisch speisten. Alle Gerichte wurden uns vorher erklärt und frisch zubereitet, einfach lecker und preiswert. Zum Abendessen hatten wir im Restaurant "Tashi" reserviert. Der nepalesische Chef empfing uns persönlich und servierte uns nepalisch-tibetische Küche (wird frisch zubereitet). Es war ein leckeres, reichhaltiges Abendessen, das allen schmeckte. Josef hielt anlässlich chinesischen Staatsfeiertages noch eine kleine Rede und wir stießen mit einem "Tibetischen Quäler" auf die Gesundheit und den schönen Tagesausklang an.

2.10. – 4.10.2010: Zurück nach Lhasa – Peking

Leider hatte uns Josef vor 2 Tagen mitgeteilt , dass wir die ausgeschriebene Nördliche Route nicht fahren können, weil die Straße auf 180 km gebaut wird, so mußten wir die gleiche Strecke noch einmal fahren. Es war aber keinesfalls langweilig, denn wir erlebten die Strecke aus einer ganz anderen Sicht und legten kleine Fotostopps ein und waren von der Landschaft erneut begeistert. Am Vortag hatten wir uns bereits für die lange Fahrt mit Obst und kleinen Snacks eingedeckt, um unnötige Pausen zu vermeiden. So erreichten wir ca. 17 Uhr unser Hotel in Lhasa und hatten noch etwas Zeit, um uns frisch zu machen, bevor unser letzter tibetischer Abend begann.
Unser Abendessen hatten wir im "Steak House" unweit der Barkhor Straße bestellt. Pünktlich nahmen wir Platz und hatten auch großen Hunger mitgebracht. Der konnte zunächst nicht gleich gestillt werden, da die Küche mit der Vielzahl der abendlichen Besucher sichtlich überfordert war. Nach mehrmaligen "Küchenvisiten" wurde reichlich aufgetischt und alle wurden satt. Mit dem Bus fuhren einige Gäste zum Hotel zurück, während die anderen noch einmal zum Platz vor dem beleuchteten Potala-Palast bummelten. Dort schnappten auch wir uns dann Rikschas, um uns zum Hotel kutschieren zu lassen. Den letzten Abend ließen wir bei einem mitbebrachten Drink in der Hotelbar ausklingen. Den nächsten Tag konnten wir ausschlafen und hatten bis zum Mittag noch freie Zeit. Nach einem stärkenden Mittagessen im Hotel fuhren wir zum Flughafen von Lhasa, der sich ca. 70 km außerhalb der Stadt befindet. Unterwegs verabschiedeten wir uns von unserer lieb gewonnenen Yang, die uns durch Tibet führte und unserem Busfahrer, der uns sicher chauffierte und sich durch nichts aus der Ruhe bringen liess. Josef begleitete uns natürlich nach Peking zurück. Am Flughafen wurde alles und jeder kontrolliert, alles verleif wieder in chinesisch geordneten Bahnen und wir schmunzelten still vor uns hin, wenn mal wieder länger dauerte. Wir starteten dennoch pünktlich, mußten in Chedong noch einmal umsteigen bzw. wurden quer über das Rollfeld zur anderen Maschine gefahren. Alles verleif ohne Probleme und so kamen wir pünktlich mit allen Koffern zu abendlicher Stunde in Peking an. Mit dem Bus ging es zu unserem Hotel in der City und so erlebten wir noch eine wunderschöne Lichterfahrt durch die chinesische Metropole.
Schnell konnte im Hotel geklärt werden, dass wir noch gar nicht müde waren und gern im Restaurant (was eigentlich schon geschlossen war) den Abend noch ausklingen lassen und unser letztes Geld ausgeben wollten. So wurde es noch ein gemütlicher und langer Abend in Peking. Fast ausgeschlafen und nach einem super Frühstück verabschiedeten wir uns von Josef und fuhren zum Flughafen, wo wir problemlos und zügig eincheckten. Mit dem A380 flogen wir nach Frankfurt/Main zurück. An Bord feierten wir den Geburtstag von Frau Sitte und leerten die Vorräte der Lufthansa an Baileys (als kleine Entschädigung, weil schon wieder das 2. Wahlessen für uns nicht reichte!). In Frankfurt/Main verabschiedeten wir uns herzlich und offiziell, da sich für die meisten Reisegäste hier am Drehkreuz die Wege trennten.
Es war eine faszinierende, mutige Reise mit tiefgreifenden Erlebnissen, die mir noch lange in Erinnerung bleiben; eine Reise, die eine sensible Balance zwischen Gestern und Heute entwickelte und nachhaltig zum "Weiterdenken und Lernen" anregt; mit sympathischen, ehrlichen Begegnungen mit Tibetern; äußerst netten, kommunikativen und neugierigen Reisegästen; herrlichem Wetter und genussvollen Gaumenfreuden und geistvollen Getränken. Bleiben Sie gesund und reisefreudig - Eure Annett Mueller

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