Reisebericht: Rundreise Frankreich – England zur 950 Jahre Schlacht bei Hastings

14.10. – 24.10.2016, 11 Tage Rundreise Südengland und Normandie zur 950 Jahre Schlacht bei Hastings mit Rye – Hastings – Eastbourne – Lewes – Worthing – Winchester – Mont Saint Michel – Bayeux – Caen – Etretat – Fecamp – Beauvais – Reims


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Nach Südengland zur Schlachtnachstellung und über Chichester und Winchester nach Portsmouth zur HMS „Victory“. Durch die Normandie zum Mt. St. Michel, der Halbinsel Cotentin und zum Teppich von Bayeux. Caen und Falaise nach Beauvais und zurück nach Hause
Als im Jahre 1066 das Heer des Normannenherzogs Wilhelm, den man später den Eroberer nannte, die Angelsachsen unter ihrem König Harold II. besiegte, begann damit die Eroberung Englands und eine langjährige Herrschaft der Normannen über die Insel. Auf historisch eindrucksvolle Weise verbanden die Schlacht und die nachfolgenden Ereignisse die Landschafen nördlich und südlich des Ärmelkanals, die zu den schönsten und historisch interessantesten in Europa gehören.
Was also lag näher, als das Ereignis der historischen Nachstellung der Schlacht von Hastings an ihrem 950. Jahrestag zu nutzen, um die Ländereien am Ärmelkanal auch auf einer Reise zu verbinden? Die Kulisse der schönen Landschaften und großartigen Bauten der südlichen Grafschaften Englands waren der Beginn dieser Reise, die - da sie u.a. auf der Schlachtnachstellung beruhte - in dieser Form wohl nur einmal durchgeführt werden wird. So fuhren wir also durch die Wiege Englands, in der bis heute seefahrerisches Gedankengut und Tradition vieles beherrscht und sahen nicht nur die grandiose Nachstellung der Schlacht von Hastings, bei der viele hundert Mitwirkende in historischen Kostümen die historischen Ereignisse wiedererstehen ließen, sondern auch historische Orte wie Chichester und Winchester und das historische Kriegsschiff HMS „Victory" im Hafen von Portsmouth.
Nach nächtlicher Fährüberfahrt erreichten wir die Stadt Caen in der Normandie und nach einer Stippvisite hier durchquerten wir den Landstrich zur Besichtigung des Mont St. Michel, der als „Wunder des Abendlandes" bezeichnet wird. Schließlich zeigte uns eine Rundfahrt einige der Höhepunkte der normannischen Halbinsel Cotentin, die im Besuch des „Teppichs von Bayeux gipfelte. Dieses einzigartige Kunstwerk stellt in vielen Bildszenen die Ereignisse rund um die normannische Eroberung Englands nach. Über Honfleur und Le Havre und Etretát an der Alabasterküste wandten wir uns dann wieder nach Hause zurück. Aber lesen Sie selbst nochmals, wie das alles war und was wir seit dem 14. Oktober, dem Reisebeginn, in den elf Tagen so alles gesehen haben...
Ein Reisebericht von
Dr. Michael Krause
Dr. Michael Krause

Dresden – Calais, erster Tag, 14.10.2016

Wie immer trafen wir uns mit den ersten Gästen am Flughafen Dresden. Mit mehreren Zwischenstopps, bei denen uns der Haustürtransfer Reisegäste zubrachte, wuchsen wir auf 22 Busreisende an - unseren letzten Mitreisenden würden wir erst am nächsten Morgen in Dover treffen. Über deutsche Autobahnen ging s nach Westen, bis wir am Nachmittag die belgische Grenze erreichten. Fast entlang der historischen Sprachgrenze zwischen Wallonen und Flamen fuhren wir durch die Provinzen unseres Nachbarlandes, bis wir den Autobahnring um Brüssel erreichten. Wie immer gab es hier gewaltigen Stau um die belgische Hauptstadt, der zumeist eine Stunde Zeitverlust bedeutet. Daher mussten wir - den gesetzlichen Fahrzeitregelungen folgend, noch zwei ausgiebige Pausen in Belgien einlegen. Auf dem weiteren Weg haben wir noch einen ganz kleinen französischen Sprachkurs gemacht, da wir den ersten Abend in der französischen Hafenstadt Calais verbringen und später im Reiseverlauf mehrere Tage in Nordfrankreich verbringen würden. Schließlich erreichten wir quer durch Flandern Frankreich und schließlich recht spät die Stadt Calais, in deren Nähe sich unser Hotel befand.

Calais – Dover – Rye – Hastings – Battle – Schlachtnachstellung – Eastbourne, zweiter Tag, 15.10.2016:

Unser frühes Frühstück war recht gut und rasch danach brachen wir auf zum Fährhafen. Nach der üblichen, rasch und routiniert abgewickelten Passkontrolle waren wir wenig später auf dem Fährschiff der „P & O-Line" und erreichten knapp zwei Stunden später Großbritanniens Küste. Gleich nach Auffahrt auf die große Insel begrüßten wir unseren noch fehlenden Mitreisenden und machten uns auf den Weg durch die Marschen Südenglands.
Einen ersten Stopp legten wir im Hafenort Rye ein. Allerdings war nicht viel Zeit - heute Nachmittag sollte ja die Schlachtnachstellung sein - aber ein wenig konnten wir uns doch an dem Ort umsehen, der an vielen Stellen mittelalterlichen Charakter bewahrt hat. Einst gehörte er zum in Südengland mächtigen Städtebund der „Cinque Ports (französisch = Fünf Häfen), der heute vorwiegend der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Hafenstädte an der Kanalküste Südostenglands dient.
Etwas später trafen wir in Hastings ein, das neben der Führungsrolle im Städtebund weitere entscheidende Bedeutung für die englische Geschichte hat, denn in ihrer Nähe wurde mit der Schlacht von Hastings ein Wendepunkt der englischen wie auch der französischen Geschichte markiert. Auch unser Aufenthalt in Hastings, heute als Fischerort und vor allem Touristenort bekannt, war unser Aufenthalt nur kurz, eher ein ausgedehnter Fotostopp.

Schlacht von Hastings 1066

Denn das Hauptereignis des heutigen Tages stand bevor, dass Geschichte wiederaufleben lassen sollte: Ende September 1066 ging Wilhelm, Herzog der Normandie, dem man nach den folgenden Ereignissen den Beinamen „der Eroberer" geben würde, mit seinem Heer in Pevensey bei Hastings an Land und stellte sich wenig später in der Schlacht bei Hastings (die allerdings nicht bei Hastings, sondern bei der heutigen Ortschaft Battle stattfand) Harold Godwinson (Harald II.), dem letzten angelsächsischen König Englands, zum Kampf.
Diese historisch bedeutsame Schlacht sollte heute, 950 Jahre später, von hunderten Mitwirkenden nachgestellt werden.
Als wir Battle, den nach dieser Schlacht benannten Ort mit seiner dominierenden Abtei, erreichten, waren bereits größere Menschenmengen und viele mittelalterlich kostümierte Leute in dem sonst beschaulichen Ort unterwegs. Gut, dass wir unsere Eintrittskarten ins Schlacht- und Festgelände vorbestellt hatten, denn an der Tageskasse wäre alles ausverkauft gewesen. Nach kurzem gemeinsamen Gang in die Abtei hatte jeder von uns Gelegenheit, die alten Gemäuer von Battle Abbey und das davor aufgebaute große historische „Kriegslager" zu erkunden, in dem sich bereits hunderte Mitwirkende in ihren möglichst originalgetreuen Kostümen präsentierten. Ein großes Gelände im Vorfeld der Abteigebäude war bereits geräumt und für die bevorstehende „Schlacht" vorbereitet worden.

Nachstellung der Schlacht 2016

Pünktlich um drei Uhr nachmittags ging es dann los: während ein Kommentator über Mikrofon die Hintergründe erläuterte und die mitwirkenden „Truppen" vorstellte, formierten sich die Schlachtreihen und dann begannen mehrere hundert als Angelsachsen und Normannen Ausstaffierte, die historischen Vorgänge der Schlacht bei Hastings nachzustellen
Die Truppen des angelsächsischen Königs Harold II., die vor wenigen Wochen bereits eine Schlacht gegen Harolds Bruder und seinen Verbündeten, den norwegischen König hatten schlagen und gewinnen müssen, stellten sich nun dem in England gelandeten Normannenherzog Wilhelm, der mit seinem Heer seinen Anspruch auf den englischen Thron durchsetzen wollte, entgegen. Wir konnten zusehen, wie mehrere normannische Angriffe vom angelsächsischen Schildwall abgewiesen wurden, selbst einer Attacke der gefürchteten normannischen Reiterei hielten die Verteidiger stand. Dann jedoch ließen sich mehr und mehr der Angelsachsen dazu verleiten, den Schildwall wegen des vermeintlichen Rückzugs der Normannen zu verlassen und durch dessen langsame Auflösung konnte der mit immer neuen Attacken nachsetzende Wilhelm den Sieg erringen. Was am 14 Oktober 1066 zur normannischen Eroberung Englands führte und wesentlich den Lauf europäischer Geschichte beeinflusste, stellte sich uns als gut eingeübtes, buntes Schauspiel dar und begeisterte die heutigen Zuschauer. Und da es erst nach der „Schlacht" zu regnen begann, verbbrachten wir einen sehr angenehmen, unterhaltsamen Nachmittag - gleich zu Anfang war der erste große Höhepunkt und „Aufhänger" der Reise höchst erfolgreich abgelaufen. Zur vereinbarten Zeit trafen wir uns am Bus und fuhren zu unserem Hotel im an der Südküste gelegenen Badeort Eastbourne.

Beachy Head – Herstmonceux Castle – Pevensey – Brighton – Bognor Regis, dritter Tag, 16.10. 2016:

Nach dem Frühstück machten wir - obwohl wir dem regnerisch scheinenden Wetter nicht trauten - einen „Richtig-Reisen-Extra" Abstecher an die Cliff-Küste. Der wohl schönste Punkt der hiesigen Kreideküste ist „Beachy Head", die mit 162 m über dem Meeresspiegel höchste Kreideklippe in Großbritannien. Das macht sie zu einer Landmarke für Schiffe auf dem Ärmelkanal. Hier wurde auch im 19. Jh. ein erster Leuchtturm, erbaut, wegen besserer Sichtbarkeit aber 1902 errichtete man sogar einen 43 m hohen Turm auf einer Plattform mitten im Wasser direkt vor den Klippen, der heute einen äußerst malerischen Anblick bietet.

Herstmonceux Castle

Von Beachy Head fuhren wir zu einem Schloss, das sonst nicht in unseren Programmen auftaucht: Herstmonceux Castle ist eine Wasserburg aus der Tudorzeit, ungewöhnlicherweise als Backsteinbau errichtet. Damals mussten Bauleute und Backsteine aus Flandern nach England gebracht werden. Gebaut wurde damals auf historischem Grund und Boden, denn schon kurz nach der Eroberung Englands durch die Normannen gab es hier eine große Besitzung. 1441 wurde durch die bei Hofe einflussreiche Familie das Backsteinschloss errichtet, aber aus Geschmacksgründen im späten 18. Jh. entkernt und in eine Ruine verwandelt, wobei allerdings alle Außenwände und der Eingangsturm stehenblieben. Wir hörten diese Geschichten bei einer Führung durch die Burg, die heute nicht so ohne weiteres zugänglich ist, denn sie befindet sich in Privatbesitz und beherbergt heute ein Studiencenter der Queens-University aus dem kanadischen Ontario.
Anfang des 20. Jh. wurde die Ruine restauriert, dabei aber angekaufte Architektur- und Einrichtungsfragmente verschiedener Epochen aus England und Frankreich verwendet. Es war höchst interessant, diesen ungewöhnlichen Ort zu besichtigen, zumal uns auch ein geheimer Ausgang und ein flaschenförmig angelegtes altes Verlies gezeigt wurden. Dann hatten wir noch etwas Zeit für den hübschen Garten oder einen Spaziergang auf der Allee aus dreihundert Jahre alten Esskastanien.
Von Herstmonceux Castle aus fuhren wir ins nahegelegene Städtchen Pevensey, das vor 900 Jahren noch an der Küste lag, an der die Flotte Wilhelm des Eroberers gelandet war. Hier gab es einst ein festes römisches Kastell, auf dessen Resten später die Normannen eine Burg errichteten. Wir hatten hier etwas Zeit, bevor es weiterging in Richtung unseres heutigen Übernachtungsortes Bognor Regis. Unterwegs aber hatten wir noch genug Zeit für einen längeren Stopp im wohl bekanntesten britischen Seebad Brighton. Die Stadt ist bekannt für Parties, Nachtleben und für ihr „Pleasure Pier" - eine Seebrücke mit unzähligen Spielautomaten, Kiosken und Rummel-aktivitäten. Zudem gibt es hier den berühmten „Royal Pavillion", der als das exotischste Schloß Englands gilt. Erbaut vom Architekten John Nash im 19. Jh. für den damaligen Prince of Wales waren seine Vorbilder die Mogulpaläste in Indien.
Wir hatten Zeit für einen Bummel zum Schloss, zum Pleasure Pier oder durch die Altstadt von Brighton, bevor wir uns wieder am Bus trafen und zu unserem am Strand von Bognor Regis gelegenen Hotel für die nächsten beiden Übernachtungen fuhren.

Römervilla Bignor – Chichester – Wickham – Fort Brockhurst – Bognor Regis, vierter Tag, 17.10. 2016:

Heute früh begaben wir uns, vorbei an der Stadt Arundel mit dem Arundel Castle, das zu den besterhaltenen Schlössern des Mittelalters in England zählt, zu einer weniger bekanntwen Sehenswürdigkeit aus der Römerzeit. In der Nähe des winzigen Ortes Bignor wurden bei Ausgrabungen die Reste einer der größten Villen der römischen Provinz Britannia entdeckt. Besonders bekannt wurde die Römervilla durch ihre bemerkenswerten und recht gut erhaltenen Mosaikfußböden. Fast einzigartig in Großbritannien sind diese Mosaike - vor allem wegen Motivwahl, Anzahl und Qualität. Der Kopf der Medusa ist hier zu sehen, Ganymed und Zeus und eine Darstellung von Gladiatoren, sowie eine Venusdarstellung - alle ausgeführt von den besten Künstlern ihrer Zeit. Der Besuch hier zeigt wirklich ein Kleinod, das nicht jeder zu sehen bekommt.

Chichester

Von der Römervilla aus fuhren wir in die Kathedralen-Stadt Chichester. Noch vor dem kleinen Rundgang gingen wir zu einem kurzen Besuch in einen der originellsten Pubs - der typischen britischen Kneipen - von ganz Südengland, der in einer ehemaligen Kirche untergebracht ist. In ungewöhnlicher Atmosphäre nahmen wir gemeinsam einen Drink, bevor wir aufbrachen zum keinen Rundgang. Mitten in der Stadt steht das historische Marktkreuz, im 15. Jh. errichtet. Leider war das Chichester Cross, das als eines der schönsten seiner Art in ganz England gilt, wegen Bauarbeiten stark eingerüstet. Immer noch steht es am Kreuzungspunkt der Hauptstraßen der Stadt. Nicht weit war es zur Kathedrale von Chichester, die schon seit dem 11.Jahrhundert Bischofssitz war. Errichtet auf den Fundamenten einer römischen Basilika wirkt die Kathedrale mit ihrem gewaltigen Vierungsturm sehr wuchtig. Zudem hat sie einen für Großbritannien ungewöhnlichen einzelstehenden Glockenturm. Der Schutzpatron der Kathedrale und der Stadt ist einer ihrer Bischöfe, Richard von Chichester, der schon im 13. Jh. von der katholischen Kirche Heilig gesprochen wurde. Sein Standbild steht vor der Kirche steht und sein Grab in der Kathedrale war bis zu seiner Zerstörung in der Reformation ein Wallfahrtsort. In der Kathedrale finden sich mehrere moderne Kunstwerke, deren bekanntestes das in der nördlichen Chorapsis gelegene „Lobet den Herrn"-Fenster von Marc Chagall von 1976 mit überwiegenden Rottönen ist.
Nach dem Aufenthalt in Chichester statteten wir dem historischen Dorf Wickham einen Besuch ab, das einst als Römersiedlung an einer alten Handelssstraße entstand. Der Ort besitzt einen riesigen Marktplatz, der alljährlich Schauplatz des größten und ältesten Pferdemarktes von Enland ist.
Nicht allzulange währte unser Besuch hier, dann waren wir auf dem Weg zurück nach Bognor Regis, allerdings nicht ohne noch einmal vom Wege abzuweichen, um einen Fotostopp am Fort Brockhurst einzulegen. Zusammen mit anderen sogenannten „Palmerston Forts" gehörte der wehrhafte Rundbau zum vorgelagerten Außen-Verteidigungsring der Bucht am Kriegshafen Portsmouth, den wir uns morgen ansehen würden.
Heute ging es erst einmal zurück zu unserem Hotel am Strand von Bognor Regis.

Winchester – Fort Nelson – Portsmouth – Fährüberfahrt, fünfter Tag, 18.10.2016:

Unser heutiges Tagesprogramm führte uns zunächst nach Winchester, der alten Hauptstadt Englands. Spätestens der angelsächsische König Alfred der Große hatte die Stadt stark befestigt und zum Hauptort seines Königsreichs Wessex gemacht. Als die Dänen, die im „Danelag" lange Zeit über große Teile Englands geherrscht hatten, vertrieben waren, wurde Winchester zur Hauptstadt des gesamten Reiches und blieb es auch unter König Edward dem Bekenner, dem Vorgänger Harolds II., der in der Schlacht von Hastings den Normannen unterlegen war. König Alfred der Große begrüßte uns auch in Winchester, denn in der Nähe seiner den Eingang zur Altstadt und den Platz vor dem Rathaus beherrschenden Statue stiegen wir aus dem Bus. Es folgte ein Spaziergang durch die hübsche Altstadt vom Rathaus durch die Fußgängerzone bis zum Westgate, in dessen Nähe sich die Reste der einst gewaltigen Burg von Winchester finden. Hier ist die „Great Hall" interessant, die seit dem 13. Jh. fast unverändert erhaltene große Halle des Palastes. Hier findet sich die neben der Kathedrale wohl bekannteste Sehenswürdigkeit Winchesters, der „Runde Tisch des Königs Artus". In Aufnahme der Artuslegenden, die im späten Mittelalter weit verbreitet waren, fertigte man den Tisch wohl im 12. Jh. an, in der Zeit Heinrichs VIII. wurde er dann mit Bildern versehen. Wir sahen andächtig zu dem hoch an der Wand der „Great Hall" aufgehängten Tisch hinauf (der ein wenig wie eine überdimensionale Dart-Scheibe wirkt) und ließen einige der Legenden Revue passieren. Nach dem Besuch hier gingen wir durch historisches Gelände bis zur Kathedrale, die wir allerdings nur von außen sehen konnten, da sie wegen der gerade laufenden Graduierungsfeiern der Universität geschlossen war. Ein wenig von dem bunten Treiben um die Verleihung der „Doktorhüte" bekamen wir mit und hatten in der Freizeit Gelegenheit, in der historischen Stadt bzw. im Kathedralenbezirk zu bummeln und die Ausmaße des Kirchenbaues zu bestaunen, denn ihr Langhaus ist das zweitlängste in Europa.

Artilleriesammlung im Fort Nelson

Nachdem wir Winchester verlassen hatten, konnten wir uns - noch bevor wir zum Tagesabschluss Portsmouth erreichen wollten - einem besonderen Kleinod widmen: ein Abstecher zeigte uns das gewaltige Fort Nelson, in dem sich heute Großbritanniens größte Artillerie-Sammlung befindet. Das riesige sternförmige Fort mit Außenmauern aus Backstein und grasbewachsenen Erdwällen wurde um 1860 erbaut und gehört zum gewaltigen Verteidigungsring des Kriegshafens Portsmouth. Nicht nur die hierher gehörende Festungsartillerie gibt es hier zu bestaunen, sondern eine großartige Sammlung der verschiedensten Geschütze seit der großen Zeit der Feldschlangen im 15. und 16. Jh. wurde hier zusammengetragen, wird hier teilweise restauriert und aufbereitet ausgestellt. Man kann historische Feldgeschütze, Kanonen und Haubitzen aus beiden Weltkriegen bis hin zu Waffen aus dem ersten Irak-Krieg ansehen. Prunkstücke der Sammlung sind sicherlich eine gewaltige Eisenbahnkanone sowie der größte Mörser, der je gebaut wurde. Nach ausführlichem Besuch dieses Museums - der „Royal Armoury" - ging es zu einer der bedeutendsten britischen Hafenstädte, nach Portsmouth. Hier spielt das Militär traditionell eine große Rolle, denn bis heute ist dieser Marinestützpunkt der wichtigste militärische Hafen Europas. Fast die Hälfte der Royal Navy, der Königlichen Marine, ist hier stationiert, darunter alle Flugzeugträger, die Großbritannien besitzt und das U-Boot Zentrum Gosport. Da sich auch das Hauptquartier der Royal Navy hier befindet, ist die Marine der größte Arbeitgeber der Stadt.

HMS "Victory"

Ein Teil des historischen Militärhafens wird museal genutzt und ist daher öffentlich zugänglich. Mehrere historische Kriegsschiffe sind hier ausgestellt, z. B. die HMS „Warrier", das erste kombinierte Segel-Dampf-Schiff. Dennoch ist ein anderes Kriegsschiff hier die Hauptattraktion: HMS „Victory", das Flaggschiff der britischen Flotte beim Seesieg der Engländer gegen Napoleon in der Schlacht von Trafalgar 1805. Schon 1765 in Dienst gestellte wurde das Linienschiff - so genannt wegen der in mehreren Etagen angeordneten „Kanonenlinien" für den Kampf gegen Napoleons Flotte aufgerüstet. Es verfügte dann über 104 Kanonen und hatte 850 Mann Besatzung. Es wurde nie aus dem Marinedienst entlassen - und ist damit wohl das älteste aktive Kriegsschiff der Welt. Im hier untergebrachten Museum kann man eindrucksvoll die Lebensbedingungen englischer Seesoldaten des 19. Jahrhunderts kennenlernen und gewinn tolle Einblicke in den Bau von Schiffen und Geschichte der Seekriege. Nach dem „Victory"-Erlebnis hatten wir noch etwas Zeit, bevor wir uns an einem der historischen Pubs neben den Hafenanlagen trafen. Hier nahmen wir ein typisch englisches Abendessen ein, bevor wir dann zum Fährhafen aufbrachen, denn nach dem Check in auf die Fähre über den Ärmelkanal verbrachten wir die Nacht in Schiffskabinen.


Caen - Mont St. Michel , sechster Tag, 19.10. 2016:

Früh am Morgen erreichte unser Fährschiff von Brittany Ferries den französischen Hafen Ouistreham an der Flussmündung der Orne, etwa 15 km nördlich der Departementshauptstadt Caen. Hier, in der zweitgrößten Stadt der Normandie, fuhren wir zunächst zum Schlosshügel, um in einem Café unser Frühstück einzunehmen. Stadtführerin Patricia holte uns ab und führte uns zunächst über den Schlosshügel mit seinen Bauwerken, die teilweise schon zu Zeiten Wilhelm des Eroberers angelegt worden waren. Von vielen Punkten hatte und hat man einen guten Überblick über die Stadt, die im 11. Jh. große strategische Bedeutung aufwies und oft Ziel und Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war. Von der Burg von Caen ab starteten wir zu einer kleinen Stadtrundfahrt in unserem Bus, die uns weitere sehenswerte Orte in der Stadt zeigte - beispielsweise die Kirchen Saint-Pierre und Saint-Jean und die Abteien die zu den bedeutendsten Sakralbauten in der Normandie gehören.
Der Nachmittag sah uns auf dem Weg zur normannisch-bretonischen Grenze, bis wir den Mont St. Michel erreichten.Im Mittelalter wurde der Berg „Wunder des Abendlandes" genannt - und bereits bei seinem majestätischen Anblick versteht man diesen Beinamen. Gelegen auf einer Gezeiteninsel inmitten der Bucht von Mont St.Michael ist aus dem einst flachen Felsen in jahrhundertelanger emsiger Bautätigkeit ein gewaltiges, prächtiges Bauwerk - eine Mischung aus Wehrbau, Kloster und Kirche entstanden. Der Wallfahrtsort begann seine Geschichte im 8. Jh. als der Bischof von Avranches eine Kapelle zu Ehren des Erzengels Michael errichten ließ. In einem der aufwendigsten und wohl auch kostspieligsten Bauprojekte des Mittelalters entstanden im Laufe der Zeit nicht nur Verteidigungsanlagen fast auf Meereshöhe, die sich bis in Dutzende Meter Höhe auf dem Felsen hinziehen, sondern auch massive turmhohe Stützmauern, die die Aufbauten eines Klosters und einer großartigen gotischen Kirchenlage tragen. Über 150 m über die Bucht erhebt sich nun, die Klosterspitze krönend, die Figur des Erzengels Michael. Romanische, gotische und renaissance-Gebäudeteile formen nun eines der bedeutendsten Gebäude-Ensembles der europäischen Vergangenheit. Bereits seit 1979 gehört der Mont St. Michel zum UNESCO-Weltkulturerbe und wohl kaum jemand kann sich dem Eindruck entziehen, der von dieser mystisch wirkenden Anlage ausgeht. Hinzu kommt ihre Lage in der Bucht, verbunden mit dem Auf-und-ab der Gezeiten - umgeben von Schlick oder umtost von Wellen, Stürmen und dem Geschrei der Lachmöwen.

"schwebender Kreuzgang"

Auf dem Weg zum Kloster gingen wir nicht wie die anderen Besucher die Hauptstraße, sondern wir wählten den Weg über die Verteidigungsmauern, von wo aus man auch einen guten Blick über die Bucht von St. Michel, hat. Der Aufstieg ist interessant, aufgrund seiner vielen Stufen aber auch ermüdend. Endlich standen wir dann am Haupteingang, ich löste die Tickets und wir erreichten die eigentliche Klosteranlage. Gleich neben der Kirche liegt eines der „Wunder" vom Mont St.Michel. Genannt wird er der „schwebende Kreuzgang", denn er weist eine zur Bucht hin teilweise offene Seite auf, was ihm den Eindruck verleiht, direkt im Himmel zu enden. Von hier gelangt man in die verschiedenen Räumlichkeiten des einstigen Klosters, sieht z.B. in einem Saal die gewaltigen Säulen, die das Gewicht der darüberliegenden Kirche tragen. In mehreren gotischen Sälen haben nicht nur die Mönche gelebt, sondern auch zahlreiche gekrönte Häupter und wichtige Menschen aus ganz Europa als Pilger übernachtet. Die meisten Funktionsräume des ehemaligen Klosters und Einiges vom später hier eingerichteten Staatsgefängnis kann man besichtigen.
Wir hatten genügend Zeit, den Klosterberg kennenzulernen, bevor wir uns wieder am Bus trafen, um nur wenige Kilometer vom Mont St. Michel entfernt im komfortablen Hotel zu übernachten.


Mont St. Michel - Coutances - Gratot - Barfleur - Bayeux, siebter Tag, 20.10.2016:

Von unserem Hotel vor dem Klosterberg Mont St. Michel starteten wir heute zu einer Rundfahrt um die normannische Halbinsel Cotentin. Sie gehört zu den geschichtsträchtigsten Landschaften der Normandie - von hier breiteten sich normannische Adelsgeschlechter bis nach Schottland und Italien aus, denn der Clan von Robert the Bruce sowie das Königsgeschlecht der Hauteville in Süditalien stammten von hier.
Unser erstes Ziel war das 9000 Einwohner-Städtchen Coutances, dessen Bisschof im Mittelalter große Bedeutung und viel Einfluss besaß. Ein Kampfgefährte Wilhelm des Eroberers hatte Coutances im 11. Jh. neu erstehen lassen und der Ort wurde zu einem der geistlichen Zentren des anglo-normannischen Gebietes, denn England und die Normandie waren ja nach 1066 in gleichem Besitz. So bekam die kleine Stadt ihre mächtige Kathedrale, beide liegen relativ zentral im Cotentin, jenem Felsensporn der als Halbinsel in den Ärmelkanal hineinragt. Wir besuchten zunächst die imposante Kirche Saint Pierre, die nahezu genauso zentral in der Stadt liegt wie die Kathedrale und - in der Romanik begonnen - heute vor allem Züge der Gotik und der Frührenaissance aufweist. Zu der Zeit, in der auch die Schlacht bei Hastings stattfand, entfalteten die Bischöfe in Coutance gewaltige Bautätigkeiten, in deren Verlauf dann die wuchtige Kathedrale in normannischer Architektur entstand. Trotz späterer Gotisierung beeindruckt der Kirchenbau noch heute durch seine schwere, kantige Formgebung, die noch viel vom ursprünglichen Baueindruck verrät. Der Vierungsturm weist noch die Wuchtigkeit des frühen Baues auf, da er etwa 20 m niedriger ist als die graziler wirkenden Türme der Westfassade zum Markt hin. Im Inneren der Kathedrale konnten wir erkennen, dass ihre Gotisierung tatsächlich zu großen Fenstern geführt hat, die den gewaltigen Innenraum sehr hell wirken ließen. Wir hatten noch etwas Freizeit, um uns im Städtchen, an dessen Marktplatz die Kathedrale steht, noch etwas umzusehen, bevor wir mit dem Bus zur nahegelegenen malerischen Ruine des Schlosses Gratot weiterfuhren. Lange Zeit war die ehemalige Wasserburg in Familienbesitz und ihre Reste vermitteln einen Eindruck vom Leben des normannischen Adels vom Mittelalter bis zur französischen Revolution. Ihre verschiedenen Bauten - vom wuchtigen Turm aus dem 13. Jh. über den Rundturm aus dem 15. Jh. bis hin zum Pavillion aus dem 18. Jh. - dem einzigen restaurierten und mit Dach versehenen Teil der Burgruine - erzählen die bewegte Geschichte des Bauwerks.
Auf unserer weiteren Rundfahrt durch weite Teile der Halbinsel Cotentin gelangten wir schließlich am Nachmittag nach Barfleur, dem einstigen „Lieblingshafen" der anglo-normannischen Könige und Herzöge. Der kleine Ort mit seiner überdimensional wirkenden Nikolaus-Kirche - der Heilige gilt ja als Schutzpatron der Seefahrer - hat mit seinen alten Fischerhäusern sein altes Ortsbild bewahrt. Man erzählt sich, dass Lotsen aus Barfleur Wilhelm den Eroberer bei seinem Zug gegen England über den Ärmelkanal geführt hätten und von Barfleur aus starteten viele normannische Herrscher, wenn sie nach England fuhren. Nach einiger Zeit für eine Ortsbesichtigung fuhren wir zu unserer heutigen Übernachtung in die einstige Normannenhauptstadt Bayeux.


Bayeux - Teppich von Bayeux - Landungsküste - Caen, achter Tag, 21.10.2016:

Unser Tag startete mit dem Besuch der alten Normannenhauptstadt Bayeux, an deren Rand unser Hotel lag. Kurz war der Weg in die historische Altstadt des kleinen Städtchens, die beherrscht wird von der großartigen Kathedrale Notre Dame, die noch heute Bischofssitz ist. Ursprünglich im normannisch-romanischen Stil errichtet, wurde die Kathedrale später gotisch fertiggebaut und mehrfach leicht stilistisch verändert. Dennoch präsentiert sie sich bis heute äußerlich fast perfekt und stadtbestimmend und beeindruckt im Inneren mit gewaltiger Raumwirkung. Besonders sehenswert ist die Krypta. Da sie mehrere Jahrhunderte lang vermauert und vergessen war, haben sich die Gewölbemalereien und die Gesamtwirkung hier hervorragend erhalten.
Herausragende Sehenswürdigkeit von Bayeux aber ist eines der berühmtesten und bedeutendsten Textilkunstwerke des Mittelalters und das passte genau in die Zusammenstellung und zum Motto unserer Reise - und zur Schlacht bei Hastings! Der „Teppich von Bayeux" zeigt nämlich die Vorgeschichte, den Verlauf und die Bedeutung der Schlacht. Ausgestellt in einem in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eigens dafür errichteten Museumszentrum, präsentiert sich der „Teppich" als fast 70 m langer, nur 52 cm hoher Tuchstreifen, dessen Stickereien in 58 Einzelszenen die Geschichte(n) beschreiben, die sich 1066 rund um die Eroberung Englands durch die Normannen zugetragen haben sollen. Per Audioguide erklärte man uns die Bedeutung der einzelnen, mit bunten Wollfäden gestickten Szenen. Der Bildteppich weist einen erstaunlich guten Erhaltungszustand auf und nötigte uns Staunen über die Kunstfertigkeit und die Phantasie ab, mit denen die Künstler vor 1000 Jahren an diesem wundervollen alten Bildwerk arbeiteten. Tatsächlich entführt einen der Anblick des Kunstwerkes sozusagen als Originalzeuge in die Weltgeschichte!!
Nach dem Besuch der berühmten „Tapisserie" hatten wir noch Freizeit, um z.B. der Altstadt von Bayeux einen Besuch abzustatten. Dann trafen wir uns am Bus und gelangten zur nächsten Etappe unserer Reise.

Landungsküste bei Arromanches

Bald schon erreichten wir die berühmte „Landungsküste", an der im Juni 1944 die Landung der Aliierten in der Normandie erfolgte. Den Auftakt zur endgültigen Niederlage Hitlerdeutschlands bildete die Landung der Truppen aus verschiedenen Nationen, die 1944 mit etwa 4300 Schiffen aus England zum Überraschungsangriff auf die deutsche Westfront hierhergekommen waren. Arromanches ist der Ort an der normannischen Küste, der sich bis heute am stärksten dem Gedenken verschrieben hat. Hier sieht man bis heute die Reste der einst großangelegten Landeoperation, die in der Militärgeschichte beispiellos war. Ihren Hafen nämlich, der zum Ausladen von Truppen und Kriegsmaterial dienen sollte, hatten aufgrund der Unwegsamkeit der Landungsküste die Alliierten mit Hilfe von betongefüllten riesigen Senkkästen, die man zwischen den Schiffen transportierte und dann auf den Boden ließ selbst mitgebracht. 33 künstlichen Molen, sogenannte „Mulberry-Häfen", wurden angelegt und ihre Überreste sieht man heute noch hier bei Arromanches, dazu auch noch Reste der ehemaligen großen Schwimmpontons.Im Museum von Arromanches wird darüber sehr ausführlich berichtet und wir hatten Zeit, uns hier umzuschauen.
Anschließend fuhren wir in der Nähe der Ladungsküste bis Ouistreham und dann weiter zu unserem Hotel nach Caen. Allerdings konnten wir unterwegs noch einen Stopp einlegen: an der berühmten Pegasusbrücke, die 1944 Ziel einer beispiellosen Einzelaktion des „D-Day" genannten Landungstages der Aliierten war. Eine britische Luftlande-Einheit, von deren Schulterstücken mit geflügeltem Pferd übrigens der heutige Ehrenname „Pegasusbrücke" stammt, hatte damals die strategisch wichtige Brücke erobert und gehalten. Wir hatten Gelegenheit zu einem ausgedehnten Fotostopp an der seltsam aussehenden Brücke. Ihre Besonderheit verdankt sie der relativ seltenen 1935 erstmals gebauten Konstruktion einer Wipp-Brücke.
Am Abend erreichten wir unser Hotel am Stadtrand von Caen zur Übernachtung.


Caen - Falaise - Camembertmuseum - Calvadosbrennerei - Honfleur - Le Havre, neunter Tag, 22.10. 2016:

Unser erstes Ziel für heute war die Kleinstadt Falaise. Ihre Burg, die imposant das Städtchen überragt, war bis 1066 Sitz der Herzöge der Normandie und auch der Geburtsort Wilhelm des Eroberers. Von hier aus regierte er die Normandie und fasste wohl auch den Plan, sich seinen Thronanspruch auf England zu sichern. Die Burg Falaise, die wir am Vormittag erreichten und besichtigten, wurde schon im 10. Jh. als Höhenburg errichtet und in drei Phasen ausgebaut. So entstanden ein großer und später ein kleiner viereckiger Bergfried und in einer späteren Phase noch ein runder. Das moderne, in der mit vielen Verteidigungsanlagen und seinen drei Bergfrieden interessant restaurierten Burg eingerichtete Museum, zeigt eindrucksvoll die Residenz der Normannenherzöge und gibt Aufschluss über die Zeit und die Lebensweise jener Phase des Mittelalters in Nordfrankreich.
Auf dem Platz vor der Burg, gleich da, wo unser Bus parkte, konnten wir ein gewaltiges Bronzedenkmal, das einen sehr kriegerischen Hausherrn von Falaise - eben jenen Wilhelm, den Eroberer darstellt, bewundern.
Von Falaise aus fuhren wir weiter durch die normannische Landschaft und machten dann im Städtchen Vimoutiers am Camembert-Museum Halt. Vor einiger Zeit kam man auf die Idee, dem wohl populärsten und am weitesten weltweit verbreiteten normannischen Käse ein Museum zu errichten. Ganz in der Nähe liegt das Dörfchen Camembert, in dem der gleichnamige französische Weißschimmelkäse „erfunden" worden sein soll. Der Legende nach war die Bäuerin Marie Fontaine Harel die erste, die ihn - nach einem ihr überlassenen Rezept aus der Landschaft des Brie - hergestellt haben soll. Rasch trat er seinen Siegeszug an, wurde schnell auch außerhalb der Normandie kopiert und dann auch in anderen Ländern, teilweise in Lizenz, produziert. Wir erfuhren Wissenswertes über die Besonderheiten und die Herstellung der normannischen Käsespezialität - beispielsweise wie die Käse ihre Form bekommen und durch Wenden, Waschen und Reifung ihr charakteristisches würziges Aroma. Natürlich konnten wir auch Käse verkosten - sogar im Vergleich mit zwei anderen populären normannischen Käsesorten, dem Livarot und dem Pont l'Eveque, der als eine der ältesten Käsespezialitäten der Normandie gilt.

Calvadosbrennerei und Hafenstadt Honfleur

Nach der Käseverkostung wartete nach kurzer Busfahrt noch eine andere normannische Speziualität auf uns: der Calvados! An einer Brennerei hielten wir an, wurden freundlich empfangen und durch den Betrieb geführt, in dem in langer Tradition aus dem normannischen Apfelwein „Cidre" der nicht weniger berühmte und leckere „Calvados" gebrannt wird. Benannt wurde der Schnaps nach der Region aus der er stammt. Heute ist dieser Apfelbrand eine der bekanntesten und in alle Welt exportierten normannischen Spezialitäten. Beim Rundgang durch die inzwischen sehr moderne Destillieranlage und dem Durchgang durch die großen Lagerhallen erfuhren wir, was alles nötig ist, um die begehrte, hier erzeugte und nicht nur in Frankreich beliebte Spirituose zu erzeugen. Natürlich konnten wir uns danach auch hier bei einer „Degustation" überzeugen, dass der hier hergestellte Apfelbrand „Calvados" wirklich sehr schmackhaft ist.
Im Anschluss an die Verkostung fuhren wir in Richtung Küste und verbrachten noch etwas Zeit in der hübschen alten Hafenstadt Honfleur. Vor allem ihr von pittoresken hohen, schiefergedeckten Häusern umstandene Hafenbecken ist eine der bedeutendsten Touristenattraktionen der Normandie, die mit ihrem unglaublichen Flair aus dem 17. Jahrhundert nicht nur zahllose Besucher, sondern auch namhafte Künstler anzog und anzieht. Man behauptet sogar, die Stilrichtung der impressionistischen Malerei sei hier erfunden worden. Neben dem historischen Hafenbecken ist auch die „Lieutenanterie", das alte Haus des Hafengouverneurs, sehr sehenswert, an dessen einer Seite noch ein altes Tor mit Ehrentafeln für den ersten Gouverneur Französisch-Kanadas zu finden ist. Von hier, von Honfleur aus, ist Samuel de Champlain Anfang des 17. Jh. nach „Neufrankreich" gestartet und hat die Siedlung Quebec gegründet. Unweit von hier steht die bemerkenswerte alte Katherinenkirche, ein in ganz Europa einzigartiges Werk. Da sie kurz nach dem französischen Sieg im hundertjährigen Krieg erbaut wurde, als überall Baumeister und Steinmetze fehlten, die zum Wiederaufbau der großstädtischen Kathedralen abgezogen worden waren und es für Orte wie Honfleur auch nicht genug Baumaterial gab, errichteten Schiffszimmerleute die flache, aber sehr eindrucksvolle zweischiffige Kirche. Der Überlieferung nach verwendeten sie für die Kirche und ihren malerischen freistehenden Glockenturm als Materialien die Reste abgewrackter Schiffe.
Über die berühmte Brücke, mit über zwei Kilometern etwa so lang wie die Champs-Elysées in Paris, fuhren wir zu unserem Übernachtungsort. Die Pont de Normandie ist bis heute eine der größten Schrägseilbrücken der Welt und führt in etwa 60 m Höhe über dem Höchstwasserspiegel in gewaltigem Bogen eine vielbefahrene mehrspurige Straße über die Seinemündung. An einem der alten Hafenbecken am Rande von Le Havre lag unser Hotel für die heutige Übernachtung.


Le Havre - Etretát - Beauvais - Reims, zehnter Tag, 23.10.2016:

Heute Morgen ging es nach Ètretat, dem vielleicht bekanntesten normannischen Badeort. Er wird eingerahmt von Felsen mit herrlichen Formationen und hat - wie auch das gestern besuchte Honfleur - schon seit Jahrhundertern Künstler angelockt. Darunter sind bedeutende Literaturgrößen wie Gustave Flaubert oder Guy de Maupassant. Sie haben hier gelebt und den Ort ebenso als Schauplatz in ihre literarischen Werke einbezogen wie der hier ansässige Krimiautor Maurice Leblanc, der die Figur des Meisterdiebes und -detektivs Arsène Lupin schuf. Auch bekannte romantische und impressionistische Maler - z.B. Boudin, Courbet und Delacroix waren von den zauberhaften Felsenskulissen angetan. Wie malten auch Huet, Matisse und Monet hier am Schotterstrand des Badeortes. Wer Etretát mit seiner Kies- und Schotterküste kennt, in der Saison extrem dicht mit Badenden und Sonnenhungrigen belebt, der war erstaunt und begeistert über die Ruhe, in der wir bei herrlichem Wetter unsere Zeit hier verbringen konnten. Nachdem wir vom Busparkplatz aus zunächst den Ort mit Restaurants, Creperien und malerischen alten Fachwerkhäusern - das wohl bemerkenswerteste von ihnen ist der Nachbau der alten Fischmarkthalle - durchschritten hatten, erreichten wir bald den Strand. Wundersam sind die von der Natur geschaffenen Formen der „Falaises", jener Kreidefelsen, die wegen ihrer bizarren Formen wegen oft auch „Elefantenfelsen" genannnt werden. Tatsächlich erinnern sie - mit ihren durchbrochenen Steilküstenabschnitten und der Durchbrüche in den Felsen - an im Wasser stehende und mit ihren Rüsseln trinkende Elefanten. Einer von ihnen, „Falaise d'Amont", hat auf seiner Klippe eine kleine Kirche, gewidmet der Schutzpatronin der Seeleutete. Von hier hat man einen schönen Ausblick auf die Formationen die hinter Etretat auf der anderen Seite liegen, die Felsentore der „Falaise Porte d'Aval", ebenfalls „elefantenförmig" und mit einer an ein steinernes Segel erinnernden Felsnadel davor. Wir hatten in Etretát" genügend Zeit, um uns einen Überblick zu verschaffen und das herrliche Wetter für einen grandiosen Ausblick zu nutzen.
Nach unserem Aufenthalt verließen wir die Küste und fuhren ins Landesinnere. Nur noch ein Programmpunk blieb, bevor es endgültig in Richtung Heimat gehen würde. Da hatten wir die Normandie bereits verlassen und hielten an in Beauvais. Die alte Bischofsstadt wird dominiert von ihrer niemals fertiggestellten Kathedrale. Obwohl das Mitte des 13. Jh. begonnene Bauwerk nur aus Querschiff und Chor mit Apsis und Seitenkapellen besteht, zieht dieses Wunderwerk der Gotik alljährlich hunderttausende Touristen an. Der Grund dafür - und der führte auch uns hierher - ist die Tatsache, dass hier das höchste gotische Gewölbe der Welt existiert. Mit 48,50 m Höhe versetzt es nicht nur Besucher Statiker in Erstaunen, es läßt auch erahnen, wie unglaublich gewaltig das Bauwerk auf die Gläubigen des Mittelalters gewirkt haben muss. Selbst die etwas früher gebaute Kathedrale von Amiens, der größte Sakralbauwerk Frankreichs, die das zweithöchste Gewölbe hat, kann hier nicht mithalten.
Wir konnten uns etwas Zeit nehmen für den Besuch der Kathedrale und noch einen kurzen Blick in die Stadt werfen, bevor wir uns wieder am Bus trafen und zu unserem Übernachtungsort in einem Vorort vom Reims, östlich von Paris gelegen, weiterfuhren.


Reims - Dresden, elfter Tag, 24.10.2016:

Heute nach dem Frühstück ging es in Richtung Heimat. Immer in östlicher Richtung fahrend, mussten wir uns schon gegen Mittag vom ersten unserer Mitreisenden verabschieden. Weiter ging es, nun auf deutschen Autobahnen bis nach Thüringen und schließlich Sachsen, ehe wir am späteren Abend unseren Ausgangsort Dresden erreichten.

Epilog

Im Gepäck dieser Reise haben wir, neben zahllosen Fotos, Erinnerungen an eine spektakuläre Schlachtnachstellung und an herrliche Landschaften, Städte und einzigartige Kulturzeugnisse beiderseits des Ärmelkanals. Wir haben ein Stück Geschichte entdeckt und hautnah erlebt, das nicht nur England und Frankreich verbindet, sondern das den Ablauf der Historie in ganz Europa beeinflusst hat. Und es gibt noch viel mehr Derartiges zu entdecken - glauben Sie mir. Vielleicht gelingt uns das ja wieder gemeinsam? Ich würde mich freuen!
Ihr Dr.Michael Krause,
Eberhardt-Studienreiseleiter.

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