Rundreise Wales – Natur & Kultur
Reisebericht: 18.06. – 28.06.2025
Auf den vielbereisten britischen Inseln ist Wales noch immer ein unterschätzter Geheimtipp, den selbst erfahrene Großbritannien-Fans gerne übersehen. Doch die nur 8,5% der Landesfläche des Vereinigten
Ein Reisebericht von
Sinah Witzig
18.06.2025 Anreise nach Rotterdam
Schon früh am Morgen startet unsere gemeinsame Reise am Flughafen Dresden. Um sechs Uhr morgens rollt unser blauer Eberhardt-Reisebus auf die Autobahn. Über Chemnitz und Gera geht es dann weiter über die A4 und A44 in Richtung Kassel. Durch Hessen und das Rheinland geht es dann auf die A3 in Richtung der Niederlande. Leider sind die Verkehrsgötter heute nicht mit uns und wir geraten von einem Stau in den nächsten. Am späten Nachmittag überqueren wir dann endlich die Grenze, doch bis Rotterdam sind es noch einige Kilometer. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir den Check In der P&O in Richtung Hull. Froh, dass wir es noch geschafft haben, kommen wir an Bord der großen Fähre endlich zur Ruhe und können das leckere Abendbuffet genießen. Pünktlich verlässt das Schiff den Hafen in Richtung Großbritannien und unsere Reise kann endlich so richtig beginnen.
19.06.2025 Reise durch Mittelengland nach Wales
Schon früh am nächsten Morgen fahren wir in das Mündungsgebiet Humber und legen wenig später an am Fährhafen von Kingston upon Hull. Zu unserer Überraschung dürfen wir das Schiff nicht wie normalerweise über die Gangway für Fußpassagiere verlassen, sondern müssen über das Treppenhaus hinunter auf eines der Autodecks und werden von dort aus mit einem Linienbus zur Ankunftshalle chauffiert. Die Einreise verläuft dann jedoch schnell und unkompliziert und wenig später sitzen alle wieder vollzählig in unserem Reisebus.
Wir machen uns nun auf den Weg - einmal quer durch die Mitte Englands. Vorbei an Sheffield, Nottingham und Birmingham passieren wir den Peak District Nationalpark und die ehemaligen Hochburgen der Eisen- und Kohleindustrie. Wir ergründen die Herkunft Shakespeares und der unaussprechlichen Worcestershiresauce bevor wir die malerische Region der Cotswolds erreichen.
Da wir recht zügig und ohne Verzögerung durch England gekommen sind, haben wir nun Zeit, eine ausgedehntere Mittagspause einzulegen. Dafür eignet sich die Stadt Gloucester perfekt: sie ist nicht nur für die absurde Tradition des alljährlichen Käserennens bekannt, sondern vor allem für die wunderbar erhaltene gotische Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert. Besonders seit hier Anfang der 2000er Jahre mehrmals für die Harry Potter-Filmreihe gedreht wurde, erfreut sich das Gotteshaus noch größerer Beliebtheit bei Besuchern - wir reihen uns gerne ein und bestaunen die kunstvolle Ausgestaltung des ehemaligen Kloster-Kreuzgangs.
Bei sommerlichen Temperaturen folgen wir nun dem Fluss Severn. Mit 394 Kilometern ist er der längste Fluss Großbritanniens. Er entspringt in den Cumbrian Mountains in Wales, fließt dann durch England um am Ende als Grenzfluss zwischen Wales und England in den Bristol Chanel zu münden. Bevor wir feierlich Wales erreichen, legen wir noch einen kurzen Stopp ein, um die 1966 eingeweihte, erste Autobahnbrücke über den Severn näher zu begutachten. Endlich auf der anderen Seite angekommen, besuchen wir dann noch kurz das Örtchen Chepstow. Es ist die östlichste Siedlung in Wales, direkt am zweiten Grenzfluss Wye gelegen. Direkt nach der normannischen Eroberung, noch gegen Ende des 11. Jahrhunderts, ließ William FitzOsbern hier eine Burg erbauen, die heute nur noch als pittoreske Ruine erhalten ist.
Nun heißt es aber: Kurs West - die Hauptstadt ruft. Das letzte Stück Weg in Richtung Cardiff erweist sich im Berufsverkehr als sehr zäh und als wir unser Ziel schließlich fast erreicht haben, erfahren wir auch den Grund: nur wenige Meter entfernt von unserem Hotel, findet heute in der Arena von Cardiff ein großes Konzert statt. Wir sind froh, dass wir nun endlich unser Tagesziel erreicht haben und in unsere Zimmer einchecken können. Vor dem Abendessen stößt dann auch das letzte fehlende Mitglied unserer Reisegruppe zu uns, so dass wir wenig später alle gemeinsam den Tag ausklingen lassen können.
20.06.2025 Die Hauptstadt Cardiff und walisischer Whisky
Unser erster Tag in Wales ist zunächst einmal der Hauptstadt Cardiff gewidmet. Sie zählt heute als Großraum über eine Million Einwohner. Ursprünglich war der Ort an der Cardiff Bay ein römischer Stützpunkt, der später in Vergessenheit geriet. Im Mittelalter neu gegründet, blieb Cardiff bis zur Industrialisierung ein unbedeutendes kleines Städtchen, das dann aber dank Bergbau und Industrie einen ungeahnten Aufschwung erlebte. Der schottischen Adelsfamilie Bute, gehörte damals fast die ganze Stadt und sie sorgte für kräftigen Wachstumsschub, als sie beispielsweise den Hafen an der Cardiff Bay ausbauen ließ, so dass er kurzzeitig zum größten Kohlehafen der Welt wurde. Erst im Jahr 1905 erhielt Cardiff erneut Stadtrechte, seit 1955 ist die Stadt Hauptort und Verwaltungszentrum des Landes Wales innerhalb des Vereinigten Königreichs. Grund dafür war weniger die historische Bedeutung, als vielmehr die beste Infrastruktur im Land. All dies und noch viel mehr erfahren wir bei unserer Stadtrundfahrt mit unserem sympathischen Stadtführer Karsten. Entsprechend der jetzigen Bedeutung der Stadt wird seit den achtziger Jahren das lange vernachlässigte Hafengebiet in ein Dienstleistungs- und Vergnügungsviertel umgewandelt, welches wir nach einer kurzen Busfahrt hinaus aus dem Zentrum erreichen. Hier an der Cardiff Bay fand nicht nur kurz nach dem Jahr 2000 das neue Parlamentsgebäude seinen Platz, sondern auch zwei weitere Standorte der walisischen Nationalversammlung und ein preisgekröntes, architektonisch bemerkenswertes Kulturzentrum, in dem auch die Nationaloper von Wales ihren Sitz hat.
Nach dem modernen Cardiff gehen wir über zur Geschichte - direkt am Rande der Altstadt, die vorwiegend aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert stammt, liegt das riesige Cardiff Castle.
Auf den Resten eines römischen Kastells wurde es im 12. Jh. zunächst als normannische Burg errichtet. Nach mehreren Ausbaustufen schließlich verfallen, wurde es seit Ende des 18. Jahrhunderts von der Bute-Familie in historisierendem Stil restauriert und erneuert. Wir besuchen zusammen mit Karsten den Innenhof und das darin befindliche viktorianische Herrenhaus, von den Butes fast wie ein Märchenschloss außen und innen ausgebaut. Speisesaal, Smoking Room und Bibliothek zeugen vom Geschmack und dem finanziellen Vermögen der Burgherren. Nachdem wir unseren Stadtführer verabschiedet haben, kann nun jeder noch ein wenig auf eigene Faust die Burg erkunden, eine Mittagspause einlegen oder eines der umliegenden Museen besuchen, bevor wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Programmpunkt machen.
Wie überall auf den britischen Inseln hatte Whisky eine lange Tradition, die schon auf die frühchristlichen Mönche des 6. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Allerdings sorgten die Abstinenzbewegung im 19. Jahrhundert sowie das riesige Angebot an Scotch Whisky für einen Niedergang der walisischen Produktion, sodass die letzte Brennerei im Jahr 1900 verkauft und wenig später geschlossen wurde. Erst im Jahr 2000 begann die Renaissance des Whisky in Wales mit der Gründung der Welsh Whisky Company in Penderyn. Mit einer völlig neuen Destilliermethode und ganz neuen Ideen des Whisky Virtuosen Dr. Jim Swan begann man hier am Rande des Bannau-Brycheiniog-Nationalparks wieder walisischen Single Malt Whisky herzustellen. Bei kuscheligen 42 Grad dürfen wir einen Blick hinter die Kulissen der Brennerei werfen und uns die einzigartige Destilliertechnik ansehen. Anschließend lernen wir eine ganze Menge über die Lagerung des Alkohols und die Unterschiede zwischen irischem, schottischem und walisischem Whisky. Am Ende dürfen natürlich auch eine Vorstellung aller Produkte und eine ausführliche Verkostung nicht fehlen. Gut gelaunt machen wir uns anschließend zurück auf den Weg nach Cardiff.
21.06.2025 Bannau–Brycheiniog–Nationalparks
Am nächsten Morgen machen wir uns noch einmal auf den Weg in Richtung Norden, um ein wenig mehr des Bannau-Brycheiniog-Nationalparks kennenzulernen. Der Nationalpark wurde 1957 als letzter der drei walisischen Parks gegründet. Mit seinen 1344 Quadratkilometern deckt er bedeutend mehr Land ab als nur die Brecon Beacons selbst. Während der Industrialisierung waren die Gebiete des heutigen Nationalparks das Zentrum des Eisen-, Kohle- und Kupferabbaus und vor allem die Kleinstadt Merthyr Tydfil im Taff Valley wurde zur Boom-Town. Davon zeugt noch heute der Monmouthshire & Brecon Canal. Dieser Kanal ist Teil eines noch größeren Transportsystems und wurde 1796 begonnen zu bauen. Es gab zwei damals wichtige Gründe dafür, einerseits Kohle, Kalk und lokale Landwirtschaftsprodukte billig bereitzustellen und andererseits sollten Eisen und Kohle für den Export nach Newport gebracht werden. Und so leiteten der Ingenieur Thomas Dadford, sein Vater und seine Brüder die Arbeiten. Die letzten Arbeiten waren 1812 vollendet. Es begann eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, bis die Eisenbahn der Schifffahrt den Rang ablief. Der Kanal geriet in Vergessenheit und erst als 1952 eine erfolgreiche Zusammenkunft der Inland Waterways Association organisiert wurde, war ein Wendepunkt für die Zukunft des Kanals geschaffen. National interessierte man sich nun für den Zustand des Kanalsystems, um es für Freizeit und Tourismus zu gestalten. 1968 begannen Restaurierungsarbeiten und wurden 1997 in Brecon abgeschlossen. Nun ist der liebevoll Mon&Brec genannte Kanal weithin bekannt und wir können eine gemächliche Bootsfahrt unter grünen Bäumen, durch historische Brücken, Schleusen und Aquädukte unternehmen. Während wir gemütlich vor uns her schippern ist auch mit einem üppigen Afternoon Tea für unser leibliches Wohl gesorgt.
Auf der Rückfahrt nach Cardiff können wir nun noch einmal die Landschaft im strahlenden Sonnenschein genießen und beobachten die Ameisenstraße von Wanderern, die sich heute am Samstag den Weg hinaufschlengeln auf den höchsten Berg Pen y Fan mit seinen immerhin 886 Metern.
Zum Abendessen geht es heute für uns in einen typischen britischen Pub, wo uns zur Hauptspeise das Nationalgericht Fish & Chips erwartet.
22.06.2025 Caerphilly Castle und Reise durch Südwales ins Pembrokeshire
Wir verlassen heute die Hauptstadt Cardiff. Unser erstes Ziel liegt jedoch nicht weit entfernt: Caerphilly Castle wurde sogar errichtet, um die normannische Eroberung Cardiffs zu verteidigen. Die Wehrburg war die erste von vielen Burgen, die unter der Regentschaft Eduard I. errichtet wurde und war als vollkonzentrische Burg mit zwei Ringmauern ein glänzendes Vorbild für die spätere Militärarchitektur. Die Mutter aller walisischer Burgen sozusagen. Mit einer Grundfläche von 1,2 Hektar ist sie nach Windsor Castle die zweitgrößte Burg in Großbritannien. Insgesamt umfasst das Gelände von Caerphilly Castle mit den umgebenden Wasserflächen über 12 Hektar und lädt heute zu Spaziergängen ein. Auch das sehr typisch britische Wetter kann uns von unseren Erkundungen nicht abhalten - dafür ist die Burg eindeutig zu interessant.
Auf den Spuren des Nationaldichters Dylan Thomas reisen wir nun weiter entlang der walisischen Südküste. Geboren wurde der Schriftsteller 1914 in der zweitgrößten Stadt Wales, in Swansea. Dort verbrachte er auch den Großteil seines Lebens und verpasste seiner Heimatstadt den Titel "ugly, lovely town". Inspiriert wurde der junge Dylan Thomas von der düsteren Atmosphäre der Industriestadt, dem Meer und den Bergen, die sie umgeben und der tristen Stimmung, die die Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise hinterließen. In Deutschland ist der Schriftsteller heute eher weniger bekannt, doch zu seiner Zeit beeinflusste er eine Generation an neuen Künstlern - unter anderem Robert Alan Zimmermann, der sich selbst den Künstlernamen Bob Dylan gab.
Wir besuchen den kleinen Ort Laugharne, in dem sich Thomas die letzten Jahren seines Lebens niederließ. Hier, zu Füßen einer mächtigen Burgruine direkt am Meer, kann man sich vorstellen, dass ein Dichter Inspiration findet. Wir machen einen kleinen Spaziergang und essen ein leckeres Eis bevor wir in Richtung Westen weiterfahren.
Unser nächstes Ziel ist das Seebad Tenby, welches reizvoll an der Steilküste des Pembrokeshire liegt. Bekannt ist das Städtchen vor allem für seine bunten Häuser und die gut erhaltene Stadtmauer, die schon im 13. Jahrhundert errichtet wurde. Während unseren Erkundungen werden wir leider von einem Regenguss überrascht und flüchten daher zurück in Richtung Bus - wo es glücklicherweise heiße Schokolade und Irish Coffee zum Aufwärmen gibt.
Nun haben wir es zum Glück nicht mehr weit bis zu unserer nächsten Unterkunft in der Hafenstadt Milford Haven - einer der größten Naturhäfen der Welt. Heute ist hier vor allem Petrolindustrie angesiedelt, im 18. und 19. Jahrhundert sind von hier Walfangschiffe gestartet um wertvolle Ressourcen für die Industrialisierung unter lebensgefährlichem Einsatz zu erwirtschaften. Und ein Waliser, der es auf seinem Weg besonders weit gebracht hatte, trug den Namen seiner Heimat besonders weit: John Grono taufte 1823 den weltberühmten Milford Sound in Neuseeland.
Wir beziehen unser modernes Hotel direkt am Sporthafen und genießen die Stille nach den vergangenen Abenden in der Großstadt.
23.06.2025 Bootsfahrt um Skomer Island, Pembroke und die kleinste City Großbritanniens
Nach einer erholsam-ruhigen Nacht erwartet uns am nächsten Morgen der Pembrokeshire Coast Nationalpark - mit knapp 300 Kilometern malerischer Strände und aufregender Steilküste gilt er als einer der schönsten Großbritanniens. Unser Ziel ist heute zunächst die Bucht von Martin's Haven, wohin uns eine kleine und gewundene Landstraße bringt. Jan kann heute definitiv ein mal mehr sein fahrerisches Können unter Beweis stellen, denn an manchen Stellen ist die Straße kaum breiter als der Bus - und natürlich sind genau das immer die Stellen, an denen uns Gegenverkehr entgegen braust. Nichtsdestotrotz erreichen wir unser Ziel pünktlich und unbeschadet. Bei herrlichem Sonnenschein sind wir nun also bereit zum Highlight unseres Tages: eine Bootsfahrt zum Naturreservat Skomer Island. Die drei Quadratkilometer große Insel ist Naturschutzgebiet und Brutgebiet für zahlreiche Seevögel wie Atlantiksturmtaucher, Lummen, Alken, Kormorane, Möwen und Papageientaucher - vor allem die letzteren sind der Grund für die meisten Besucher nach Skomer zu kommen, denn die kleinen Alkenvögel zu beobachten ist eine wahre Freude. Unsere Bootsfahrt startet mit ordentlich Wellengang, doch wir nehmen es alle mit Humor. Schnell sind wir auch wieder in geschützterem Wasser und können uns nun vollständig der Tierbeobachtung widmen. Neben den vielen Seevögeln entdecken einige von uns auch ein paar Kegelrobben, die sich gemütlich auf den vorgelagerten Felsen sonnen.
Nach einer guten Stunde kehren wir alle beseelt zurück an Land und machen uns auf den Weg zu unserem nächsten Programmpunkt.
Am Mittag erreichen wir die Marktstadt Pembroke. Einst bedeutend durch Wollhandel und Textilproduktion, wurde der Ort zunehmend wichtig als Sitz mächtiger Grafen im an die Stadt anschließenden Pembroke Castle.
Diese gewaltige Festungsanlage beeindruckt bis heute. Hier in diese Burg, seinen Geburtsort, zog sich während der Rosenkriege im 15. Jahrhundert der letzte des Hauses Lancaster, der Earl of Richmond, Henry Tudor zurück. Es gelang ihm, frische Kräfte auszuheben und 1485 in der Schlacht von Bosworth Field den umstrittenen König Richard III. aus dem Hause York zu besiegen. Als Heinrich VII. begründete er die Tudor-Dynastie, deren bedeutendste Vertreter Heinrich VIII. und Elisabeth I. waren. Henry VII. gilt als der Anfang eines „Goldenen Zeitalters" für England. Eintauchen in die Geschichte - das gelingt einem schon beim Besichtigen der mächtigen Burganlage von Pembroke, die mit ihren mehr als fünf Meter dicken Ringmauern, mit mehreren Haupt- und Wohntürmen und an drei Seiten von Wasser umgeben, Stadt und Hafen dominiert und die Umgebung beherrscht. Nach der Besichtigung und einer wohl verdienten Mittagspause setzen wir unseren Weg dann fort in Richtung Norden.
Die winzige Domstadt St David's ist die am westlichsten gelegene Ort in Wales und wurde benannt nach dem ersten Missionar und gleichzeitigem Schutzheiligen von Wales. Das ihm geweihte Gotteshaus ist der größte Kirchenbau in Wales und verleiht der Stadt, trotz ihrer geringen Größe, den Beinamen „City". Seit dem 6. Jahrhundert soll es an dieser Stelle im Flusstal des Alun eine Kirche gegeben haben. Der heutige Bau stammt im Kern aus dem 12. Jahrhundert und ist eigentlich der letzte große normannische Kirchenbau auf der Insel Großbritannien, aber insgesamt 350 Jahre Bauzeit haben vor allem sein Äußeres zur heutigen Mischung normannischer und gotischer Architektur verändert. Beeindruckt besichtigen wir die mittelalterliche Kirche, die etwas außerhalb des kleinen Örtchens in einer Senke liegt. Anschließend bleibt noch ein wenig Zeit für einen nachmittäglichen Bummel durch die Hauptstraße bevor wir unseren Weg nach Norden fortsetzen.
Unser Ziel ist heute das Seebad Aberystwyth, welches gleichzeitig auch der größte Ort auf dem Weg von Süden nach Norden ist. Wir beziehen unsere Zimmer in unserem Hotel direkt an der Strandpromenade und lassen den ereignisreichen Tag beim gemeinsamen Abendessen ausklingen.
24.06.2025 Dampfzüge, ein italienisches Dorf und der längste Ortsnamen Europas
Über Nacht hat sich das sommerliche Wetter in einen ordentlichen Sturm entwickelt und so beäugen wir das Wetter am nächsten Morgen eher skeptisch. Unsere Weiterreise in Richtung Norden führt uns durch mythisch vernebelte Dörfchen und Landstriche - passend dazu fällt unser Gespräch noch einmal auf Geoffrey of Monmouth und seine Niederschrift der Arthuslegende - die im 12. Jahrhundert natürlich politisch unglaublich passend war im Kampf gegen die Eroberungsversuche der Normannen in Nordwales.
Später erreichen wir das Örtchen Machynlleth. Der walisische Adelige Owain Glyndwr, der sich um noch ein letztes Mal 1400 gegen die Herrschaft Englands erhob und mit verbündeten Fürsten einen walisischen Staat gründete, wählte den Ort zu seiner Hauptstadt. 1404 errichtete man hier ein steinernes Regierungsgebäude, in dem bis zum englischen Sieg über Owain das walisische Parlament tagte. Noch heute erhebt Machynlleth den Anspruch, die eigentliche Hauptstadt Wales zu sein.
Wir befinden uns nun schon am Rande Snowdonias, dem Eryri-Nationalparks. Was heute der drittgrößte Nationalpark Großbritanniens ist, war noch bis ins 20. Jahrhundert das größte Schieferabbaugebiet der Welt. Unser erstes Ziel heute ist Blaenau Ffestiniog. Im Jahre 1898 waren hier etwa 17.000 Arbeiter mit dem Abbau von Schiefer beschäftigt. Die Produktionsmengen lagen zu diesem Zeitpunkt bei jährlich 500.000 Tonnen Schiefer. Während man anfangs noch Pferdewagen nutzte um das zerbrechliche Gut in den Hafen von Porthmadog, von wo es nach Europa verschifft wurde, zu transportieren, wurde ab 1833 eine Schmalspurbahn gebaut - mit einer unglaublichen Trassierung: Man nutzte das natürliche Gefälle aus und so konnte die Bahn nur mittels Schwerkraft den Hafen von Portmadog erreichen. Zurück zogen Pferde den leeren Zug. Später kamen Dampfloks, die extra für die spezielle Spurweite der Trasse entwickelt wurden. Anfang des 20. Jahrhunderts führten dann der Rückgang der Nachfrage nach Schiefer und der Krieg zur Stilllegung der Bahn 1937. Eisenbahn-Enthusiasten ist es zu verdanken, dass ab den 50er Jahren eine Wiederbelebung der Strecke für touristische Aktivitäten begann und so können wir heute unsere Fahrt durch Snowdonia antreten. Leider ist es immer noch recht nebelig in den Bergen, aber während wir langsam auf Meereshöhe hinabfahren, wird die Sicht dann deutlich besser. Gegen Mittag erreichen wir Portmadog, wo wir unsere Mittagspause verbringen.
Unser nächstes Ziel liegt nur wenige Kilometer entfernt, könnte aber nicht gegensätzlicher sein: das italienische Dorf in Wales, Portmeirion, war die Idee des Architekten Clough William-Ellis. 1925 begann er, inspiriert von Sehnsuchtsorten wie Portofino, mit den Arbeiten an seinem Projekt. Es sollte mehr als 50 Jahre dauern bis alles fertig war - ein mediterranes Dorf über der Bucht von Tremadog. Die Phantasie des Schöpfers inspirierte über die Jahrzehnte wiederum Schauspieler, Musiker und Filmemacher und auch wir staunen über die Utopie des Ortes.
Bevor wir uns am Nachmittag auf den Weg zu unserem Hotel machen, wagen wir einen Abstecher, überqueren per Brücke die malerische Meerenge Menai-Strait und erreichen Großbritanniens zweitgrößte Insel Anglesey. Es folgt ein Stopp im vielleicht ungewöhnlichsten Ort des Vereinigten Königreiches, der nur wegen der Länge und Unaussprechlichkeit seines Ortsnamens zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten in Wales gehört: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch. Das bedeutet so viel wie "Marienkirche in einer Mulde weißer Haseln in der Nähe der Stromschnellen und der Tysiliokirche bei der roten Höhle" - fast nicht kompliziert, oder? Auf das Angebot den Namen für ein Freigetränk auswendig zu lernen verzichten alle freiwillig und drehen stattdessen eine Runde im obligatorischen Souvenirshop.
Nach unserer Weiterfahrt erreichten wir bald das malerische Städtchen Caernarfon, in dem wir uns in einem altehrwürdigen Hotel für die nächsten drei Nächte einrichten dürfen.
25.06.2025 Eryri Nationalpark mit Snowdon Mountain Railway und Caernarfon
Der heutige Tag bringt uns wieder zurück in den Eryri, ehemals Snowdonia, Nationalpark. Mit dem Bus erreichten wir den kleinen Ort Llanberis am Fuße Wales' höchstem Berg. Da wir noch etwas Zeit haben fahren wir ein kleines Stückchen weiter und erreichen das National Slate Museum - ein Museum welches sich mit dem Schieferabbau in Nordwales beschäftigt. Obwohl es gerade renoviert und die Ausstellung neu geordnet wird, lohnt sich der Abstecher, denn alleine das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert ist sehr sehenswert und wir können Wartungsarbeiten an der Llanberis Lake Railway beobachten und die kleinen Dampfloks in Aktion sehen. Anschließend fahren wir zurück zur Talstation der Snowdon Mountain Railway - der einzigen Zahnradbahn in Großbritannien. Schon 1869 hatte man die Idee zum Bau der Schmalspurbahn zum Gipfel des höchsten Berges in England und Wales. Bis zum Baubeginn vergingen jedoch noch 25 Jahre und 1896 eröffnete man die Touristenbahn feierlich.
Mit einem kleinen Videofilm im Besucherzentrum verkürzen wir uns die Wartezeit auf die Abfahrt des Zuges. Dann geht es los, die etwa 7,5 Kilometer hinauf zum Mount Snowdon oder walisisch Yr Wyddfa. Oft herrschen hier extreme Wettersituationen - ungewöhnlich bei einer Höhe von „nur" 1085 Metern. Diesen Umstand nutzen jedoch bis heute Bergsteiger aus aller Welt, um ihr Equipment für Hochalpintouren zu testen - wie einst schon Sir Edmund Hillary vor seiner Mount Everest Expedition.
Die Kuppe des Berges aus hartem Vulkangestein ist frei von Wald und die erste Hälfte der Auffahrt können wir den Panoramablick in die Bergwelt von Wales genießen, dann geht es leider hinein in die Wolken, die sich leider nicht auflösen wollen. Angekommen an der Endhaltestelle entscheiden sich einige im Bergcafé zu blieben. Nur die Wagemutigsten machen sich an die noch verbleibenden Stufen zum Gipfel, wo uns feuchter Wind um die Ohren peitscht. Eine halbe Stunde Aufenthalt haben wir, die wie im Flug vergeht, dann müssen wir zurück in der Bahn sein zur Talfahrt. Während sich der Zug langsam bergab bewegt, bewegen sich die Wolken langsam aber sicher nach oben und wir können zumindest vom oberen Drittel der Zugstrecke aus noch ein wenig mehr Aussicht genießen.
Zurück in Llanberis bleibt noch Zeit für eine Kleinigkeit zu Mittag, bevor wir uns auf den Weg zurück nach Caernarfon machen.
Wir nutzen den Nachmittag um die ehemalige Hauptstadt des neuen, im 13. Jahrhundert von Eduard I. errichteten englisch geführten Wales, näher zu erkunden. Dazu wartet zunächst die Burg auf uns - eine weitere der vier mächtigen Burgen, die während dieser Periode erbaut wurden. Besondere Bedeutung bekam Caernarfon dadurch, dass 1284 wahrscheinlich der spätere Eduard II. hier in der Burg geboren wurde. Der König erhob seinen Sohn 1301 zum ersten englischen Prince of Wales. Diese Tradition re-etablierte man 1911 mit der Einführung des späteren Eduard VIII. als Price of Wales in der um 1870 restaurierten Burg.
Wir haben ausreichend Zeit, die riesige Anlage zu erkunden, steigen nach oben auf die Festungsmauern und können Filme zur Festung und zur Krönung des heutigen Königs Charles III. zum Prince of Wales 1969 sehen. Im Krönungssaal verdeutlicht ein überdimensionales Schachspiel das "Game of Crowns" im Spiegel der Zeiten, wir können den Thron bestaunen und mit den zahlreichen Zeittafeln in die Geschichte zurückreisen. Wer mag verbringt noch etwas Zeit im Ort selbst, gleich neben der Burg ist ein Markt und die kleinen Gassen laden zum Bummeln ein.
26.06.2025 Weitere Erkundungen im Eryri Nationalpark, die Bodnant Gardens und Conwy
Unser letzter Tag im Eryri Nationalpark beginnt alles andere als ideal: dichter Nebel und Regen begleiten uns, als wir mit dem Bus Caernarfon verlassen. Wir konzentrieren uns also auf andere Dinge und tauchen in die musikalische Welt Wales ein - und es scheint zu helfen. Nach einer knappen Stunde kämpfen sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken und als wir unseren ersten Stopp am malerischen Swallow Wasserfall einlegen hat sogar der Regen aufgehört. Gut gelaunt spazieren wir die Treppen zu dem mächtigen Naturschauspiel hinunter.
Als nächstes erreichen wir einen der bekanntesten Touristenorte von Nordwales, das Dorf Betws-y-Coed, das als „Tor zu Snowdonia" gilt. Drei Flüsse fließen hier zusammen und vereinigen ihre Täler. Rund um den Bahnhof sind Souvenirläden, Restaurants und Cafés zu finden, die einen Bummel und längeren Aufenthalt wert sind.
Dann geht es weiter zu einer der schönsten Park- und Gartenanlagen der britischen Insel - Bodnant Garden. Gegründet 1874 im Park um ein Herrenhaus, warten die, während fünf aufeinanderfolgenden Generationen der Familie gewachsenen und gepflegten, Gartenanlagen mit unglaublicher Üppigkeit und Vielfalt auf. Im Laufe der Zeit - bis die Anlage 1949 dem National Trust zur Verwaltung übergeben wurde - nahm man immer neue Flächen hinzu und Themen der Gartengestaltung in Angriff. So gibt es heute einen wild anmutenden Landschaftspark, der sich dem stark bergigen Relief anpasst, einen italienischen Gartenteil und barock anmutende Garten-Elemente mit einem wunderbaren Rosengarten. Bei nun wieder strahlendem Sonnenschein spazieren wir durch die über acht Hektar große Anlage in der zu dieser Jahreszeit vor allem die Seerosen und Hortensien in voller Blüte zu bestaunen sind.
Am frühen Nachmittag fahren wir dann durch das Conwy-Tal weiter in das gleichnamige Städtchen. Mit seiner Burg und fast komplett erhaltenen Stadtbefestigung gehört es ebenso wie unser Übernachtungsort Caernarfon zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die wuchtige Ruine des Conwy Castle, eine der größten Burgen in Großbritannien, spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte und die Ereignisse in und um Conwy im Mittelalter sorgten auch dafür, dass im späten 15. Jahrhundert das walisische Geschlecht der Tudors auf den britischen Thron gelangte.
Wir interessieren uns jedoch zunächst für etwas Profaneres: das kleinste Haus Großbritanniens. Also spazieren wir gemeinsam zu Hafen und werfen einen Blick auf das kleine rote Haus, eingepfercht zwischen Stadtmauer und Nachbarhaus. Ganze 3,05 Meter tief und 1,8 Meter breit ist das ehemalige Fischerhäuschen vor dem sich schon eine Schlange an neugierigen Besuchern gebildet hat, die alle einmal hereinschauen möchten. Wir nutzen den sonnigen Nachmittag in Conwy dafür, die Stadt weiter zu erkunden, noch einige letzte Souvenirs zu kaufen oder frischen Fisch und Meeresfrüchte zu probieren.
Als wir dann später die Stadt mit dem Bus verlassen gibt es noch ein wenig Nervenkitzel, denn das Stadttor, durch das wir durch müssen ist ungefähr genau so breit wie unser Bus. Da ist Millimeterarbeit gefragt - aber Jan meistert auch diese Prüfung mit Bravour und so können wir die Rückfahrt nach Caernarfon antreten. Wir entscheiden uns dafür noch einmal die längere Route durch den Nationalpark zu fahren, da wir ja am Morgen nicht so wirklich viel Aussicht genießen konnten. Unterwegs halten wir dann noch einmal an, um inmitten der Berge zum Abschluss unserer Reise noch einmal anzustoßen - standesgemäß natürlich mit walisischem Whisky von der nordwalisischen Aberfalls Distillery.
Am Abend müssen wir uns dann schon von unserem ersten Reisegast verabschieden und das Ende unserer Zeit in Wales rückt unweigerlich näher.
27.06.2025 Abschied von Wales und Reise nach Hull
Heute Morgen heißt es nun Abschied nehmen von Wales. Uns erwartet heute wieder eine Fahrt quer durch England, nicht jedoch ohne kurz nach der walisisch-englischen Grenze noch einen Stopp im Städchen Chester einzulegen.
Einst war Chester eine römische Gründung als „Castrum Deva". Doch es war mehr als nur eine Militärpräsenz und aus der ringsum entstandenen Siedlung entwickelte sich ein Ort für Handel und Austausch. Nach der Römerzeit als prachtvoller Ort von den Angelsachsen neu gegründet, wurde Chester im Mittelalter eine äußerst wichtige Handelsstadt, von der aus besonders der Grenzverkehr und Grenzhandel mit Wales organisiert wurde. Das hinterlässt bis heute seine Spuren, denn nicht umsonst ist Chester bekannt für seine einzigartige Bebauung mit Fachwerkhäusern. Ganze Straßenzüge miteinander verbundener historischer Kaufhäuser findet man hier, in denen man auf zwei Etagen einkaufen konnte. Die prächtige Fassadengestaltung begründete den Ruf des Ortes als eine der schönsten Städte Großbritanniens. Wir machen einen Spaziergang in die Stadt bis wir die Fachwerk-Reihen der Innenstadt erreichen, an deren Kreuzung das historische Marktkreuz steht. Dann ist es Zeit für einen individuellen Bummel durch das Zentrum den Besuch der interessanten Kathedrale.
Am Mittag geht es dann weiter durch Mittelengland. Wir lassen Manchester und Leeds an uns vorbeiziehen und erreichen Kingston-upon-Hull überpünktlich. Es bleibt noch Zeit für einen kleinen Abstecher an das Ufer des Humbers, wo wir die berühmte Humber-Bridge - einst die Längste Hängebrücke der Welt - aus nächster Nähe betrachten können. Wir schnuppern noch ein wenig Seeluft bevor wir uns auf die letzten Kilometer in Richtung Hafen machen.
Am frühen Abend geht es dann für uns wieder an Bord der "Pride of Rotterdam" - wie schon auf der Hinfahrt extravagant per Linienbus aufs Autodeck, aber wir hatten ja eigentlich nichts anderes erwartet. Zumindest verläuft heute alles stressfrei und so können alle schon früh das leckere Abendbuffet genießen. Während wir langsam zum Sonnenuntergang den Hafen von Hull verlassen, lassen wir die schönen Erlebnisse der Reise noch einmal Revue passieren.
28.06.2025 Ankunft in Rotterdam und Heimreise nach Deutschland
Nach einer ruhigen Nacht an Bord der P&O Ferries erreichen wir früh am nächsten Morgen den Fährhafen von Rotterdam. Der an der Rheinmündung gelegene Hafen ist einer der größten Seehäfen der Welt und daher natürlich auch sehr geschäftig. Trotz dichtem Verkehr können wir den Zeitplan für die Rückreise einhalten und schaffen es, alle Reisegäste pünktlich zu ihren Ausstiegsstellen zu bringen.
Insgesamt haben wir nun gemeinsam rund Kilometer zusammen zurückgelegt.
Eine lange und ereignisreichte Reise geht zu Ende und viele schöne Erinnerungen und Eindrücke sind mit im Gepäck.
Liebe Reisegäste,
Wir möchten uns noch einmal ganz herzlich bedanken, dass Sie sich entschieden haben, diese Reise zu buchen und sie nach so langer Zeit endlich wieder stattfinden konnte.
Uns hat es sehr viel Spaß gemacht mit einer so netten und harmonischen Reisegruppe unterwegs zu sein und die unbekannten Pfade Großbritanniens gemeinsam zu begehen.
Wir würden uns sehr über ein Wiedersehen freuen - bis dahin wünschen wir allen viel Gesundheit und tolle Erlebnisse.
Herzlich,
Sinah & Jan