Großbritannien – Wanderreise Shetland–Inseln
Reisebericht: 22.05. – 30.05.2025
Fernab von der schottischen Küste, zwischen Atlantik und Nordsee, etwa gleichweit entfernt von Norwegen und den Faröer-Inseln liegt Shetland - ein Paradies für Naturliebhaber und Kulturbegeisterte zugleich. Keltische und nordische Kultur haben sich hier über die Jahrhunderte vermischt und bilden mit dem Einfluss des modernen Großbritannien doch eine Welt ganz für sich. Am allerbeste erkundet man diese ganz besondere Welt und ihre abwechslungsreichen Küstenlandschaften zu Fuß - denn viele Geheimtipps liegt hier noch fern ab der Straßen verborgen.
Ein Reisebericht von
Sinah Witzig
22.05.25 Anreise nach Schottland
Unsere gemeinsame Reise beginnt am Flughafen in Frankfurt, wo wir den kurzen Flug in die schottische Großstadt Glasgow antreten.
Mit unserem Busfahrer Neil treten wir wenig später unsere Weiterreise mit dem Kleinbus an. Da uns Schottland mit wunderbarem Wetter begrüßt und es erst früh am Nachmittag ist, wählen wir die schöne Route entlang des Südufers des größten Sees Großbritanniens. Am Loch Lomond legen wir einen Stopp ein im Örtchen Balmaha und starten spontan zu einer ersten kleinen Wanderung. Der Conic Hill Trail gehört zum berühmten West Highland Way und bietet schon nach etwa einem Drittel des Aufstiegs eine herrliche Aussicht über den See und die umliegenden Berge – im Norden der namengebende Ben Lomond. Mit 974 Metern ist er der südlichste Munro Schottlands. So werden Berge über 3.000 Fuß Höhe genannt und es ist zum Volkssport geworden, möglichst viele der 286 Munros zu besteigen.
Nach einem kurzen Kaffee-Stopp in der Sonne geht es für uns dann weiter in Richtung Nordosten.
Unser heutiges Ziel ist die alte Königsstadt Perth. Die Kleinstadt am Fluss Tay war einst kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Schottlands. Ganz in der Nähe befindet sich noch heute der Scone Palace, in dessen Kapelle bis ins 17. Jahrhundert die schottischen und später britischen Könige gekrönt wurden. Der Krönungsstein, der „Stone of Scone“, der seit jeher heiß umkämpft ist zwischen Engländern und Schotten, wurde unlängst für die Krönung König Charles III. von Edinburgh nach Westminster überführt und ordnungsgemäß wieder zurückgegeben ins neueröffnete Museum in Perth.
Einmal angekommen beziehen wir unsere Zimmer im alt-ehrwürdigen Royal George Hotel, wo im 19. Jahrhundert sogar schon Königin Victoria residiert hat.
Beim Abendessen lernen wir uns dann alle ein wenig näher und freuen uns auf die nächsten Tage.
23.05.25 Angus Costal Trail und Fährüberfahrt von Aberdeen nach Lerwick
Nach einem typisch schottischen Frühstück treten wir dann am nächsten Morgen mit unserem Fahrer Gordon die etwa einstündige Fahrt in das Küstenstädtchen Arbroath an. Hier beginnt der sogenannte Arbroat oder Seaton Cliffs Trail, ein Teil des Angus Coastal Trails. Etwa sechs Kilometer wandern wir bei herrlichem Wetter entlang der wunderbaren Steilküste. In Auchmithie erwartet uns dann unser Bus zur Weiterfahrt in Richtung Aberdeen. Wenige Kilometer weiter kehren wir in einem netten kleinen Café zur Mittagspause ein, bevor wir unsere Fahrt fortsetzen.
Etwa eine halbe Stunde südlich von Aberdeen legen wir noch einmal einen kleinen Stopp ein, denn dort liegt vorgelagert auf einem Felsen im Meer Dunnottar Castle – oder besser gesagt das, was davon übriggeblieben ist. Aufgrund seiner bedeutenden strategischen Lage spielte die Burg eine wichtige Rolle in der schottischen Geschichte, insbesondere vom frühen Mittelalter bis zur Rebellion der Jakobiten im 18. Jahrhundert. William Wallace seiner Zeit das Castle von den Engländern zurückerobert haben und die Feinde, eingesperrt in einer Kapelle, bei lebendigem Leib verbrannt haben. Auch Maria Stuart und ihr Sohn James I. haben Dunnottar besucht. Während der englischen Bürgerkriege im 17. Jahrhundert wurden die schottischen Kronjuwelen hier vor den Truppen Oliver Cromwells versteckt und später, während der Aufstände der Jakobiter, war es ein umkämpfter Stützpunkt für beide Parteien. Nach der Niederlage von Culloden wurde Dunnottar zunächst dem Verfall überlassen, gegen Ende des 18. Jahrhunderts dann verkauft und als Steinbruch missbraucht, sodass heute nur noch eine Ruine zu besichtigen ist – doch gerade das macht ja auch irgendwie den Reiz aus. Wir machen einen kleinen Spaziergang, um die pittoreske Ruine von verschiedenen Perspektiven aus zu betrachten, dann fahren wir weiter nach Aberdeen.
Die Universitätsstadt an der Ostküste ist die drittgrößte Stadt Schottlands und wird aufgrund ihrer sehr markanten Granitarchitektur auch gerne „Granite City“ oder „Silver City“ genannt. Bei einer kleinen Stadtrundfahrt sehen wir die wichtigsten Gebäude der im 19. Jahrhundert neu geplanten Innenstadt: das Marischal's College, einer der größten Granitbauten der Welt, das Rathaus sowie das Zollhaus. Wir fahren dann weiter in den alten Teil der Stadt und besichtigen die St Machar's Cathedral. Der Heilige soll hier schon im 6. Jahrhundert eine Kapelle gegründet haben, welche dann ab dem 12. Jahrhundert weiter ausgebaut wurde. Wir sind beeindruckt von dem historischen Gebäude mit der ungewöhnlichen Holzdecke. Unweit entfernt liegt das King's College, die erste Universität Aberdeens welche schon 1465 gegründet wurde. Noch immer sind die historischen Gebäude Teil der University of Aberdeen, an der heute ungefähr 17.000 Studierende eingeschrieben sind. Nach einem kurzen Spaziergang über das Gelände fahren wir weiter in Richtung des Hafens. Aberdeen ist bis heute einer der wichtigsten Häfen Schottlands mit einer der größten Fischereiflotten und Versorgungsschiffen für die Ölplattformen in der Nordsee. Wir sehen uns gemeinsam die ehemalige Fischersiedlung Footdee an, wo sich bunte Häuschen aneinanderreihen und einen beeindruckenden Kontrast zum umliegenden Industriehafen bilden.
Der Hafen ist auch unser Ziel für heute, denn hier erwartet uns schon die Northlink Fähre Richtung Shetland. Über Nacht wird uns die MS Hrossay nach Lerwick bringen. Das Check-In-Prozedere verläuft recht unkompliziert und so können wir relativ schnell unsere Kabinen beziehen. Auf dem Außendeck genießen wir noch eine ganze Weile die Aussicht auf Aberdeen, bevor wir dann den Hafen verlassen. Beim Abendessen im Bordrestaurant werden dann die Hoffnungen und Erwartungen der nächsten Tage ausgetauscht. Recht früh ziehen wir uns in die Kabinen zurück, um uns für den ersten Tag auf Shetland auszuschlafen.
24.05.25 Ankunft in Shetland: St Ninian's Isle, Sumburgh Head und echte Wikinger
Schon vor dem Frühstück können wir am Horizont Land entdecken, unser Ziel ist nicht mehr weit und wir können es kaum erwarten an Land zu gehen. Schnell wird noch etwas gefrühstückt und dann ist es so weit. Im Hafenterminal werden wir von unserem sympathischen Busfahrer Guy erwartet. Mit dem Kleinbus fahren wir zunächst einmal durch die Inselhauptstadt Lerwick und kehren im lokalen TESCO-Supermarkt ein, um uns mit etwas Proviant auszustatten. Schließlich verlassen wir die Stadt und fahren auf der Hauptverkehrsstraße A970 Richtung Süden. Shetland-Mainland ist die größte von über 100 Inseln, die zu Shetland gehören. Etwa 22.000 Menschen leben auf 15 dieser Inseln, die Hälfte davon in und um Lerwick herum. Schon wenige Meilen südlich der Stadt bietet sich das klassische Bild: viel Natur und wenig Menschen. Typisch shetländisch ist auch der Nebel, der tief in den Bergen hängt. Wir sind gespannt was uns erwartet. Wir überqueren nach etwa einer halben Stunde den Bergrücken, der Mainland geografisch in zwei Hälften teilt und erreichen das kleine Örtchen Bigton. Das Wetter lässt sich noch nicht so recht einschätzen und so wollen wir keine Zeit verlieren bevor wir zu unserer erste Wanderung auf der Insel starten. Mit unserem Minibus sind wir recht wendig und so befahren wir nun eine kleine Zufahrtsstraße in Richtung Westküste. Vor uns liegt der Strand von St Ninian's, ein Tombolo, der die St Ninian's Insel mit Mainland verbindet und so gut wie nie überspült wird. Es liegt auf der Hand, das dieser Strand als einer der schönsten in ganz Schottland bezeichnet wird. Nach zahlreichen Fotos geht es für uns dann über den Strand hinüber und auf die kleine Insel. Unbeeindruckt von ein paar Regentropfen brechen wir auf zu einer etwa fünf Kilometer langen Rundwanderung, die uns immer entlang der Steilküste führt und immer wieder spektakuläre Aussichten bietet. Am Ende erreichen wir die Überreste der St Ninian's Kapelle aus dem 12. Jahrhundert. Die Ruine ist vor allem deswegen bekannt geworden, weil hier ein Bauernjunge im Jahr 1958 einen Silberschatz aus dem 8. Jahrhundert gefunden hat, der vermutlich vergraben wurde, um ihn vor einem Wikingerüberfall zu retten. Die Originale befinden sich heute im Nationalmuseum in Edinburgh, Repliken werden wir uns im Shetland-Museum in Lerwick ansehen können.
Anschließend führt uns unser Weg ganz in den Süden von Mainland. Die A970 führt nun zum Flughafen von Sumburgh, von wo aus die Shetland-Inseln per Flugverbindung mit dem Rest Großbritanniens sowie in den Sommermonaten mit Norwegen verbunden sind. Um die Südspitze der Insel zu erreichen muss man tatsächlich mit dem Auto die Start- und Landebahn des Flughafens überqueren.
Da es begonnen hat stärker zu regnen, entschließen wir uns, zunächst einmal zu unserem nächsten Ziel zu fahren: der Leuchtturm von Sumburgh Head ist der älteste Leuchtturm Shetlands und wurde 1821 von der renommieren Familie Stevenson aus Edinburgh erbaut, aus der auch der Autor Robert Louis Stevenson abstammt. Das 1905 eingesetzte Nebelhorn ist heute ein technisches Denkmal und ist bis zur 40 Kilometer entfernten Insel Fair Isle zu hören. Sumburgh Head ist jedoch auch für seine großen Kolonien von Wasservögeln bekannt, allen voran natürlich die possierlichen Papageientaucher, die hier „Tammie Norrie“ genannt werden. Wir haben heute trotz des Wetters unglaubliches Glück und können zahlreiche von ihnen beobachten. Einige von uns entschließen sich, das kleine Leuchtturm-Museum zu besichtigen, während sich die anderen in der kleinen Cafeteria aufwärmen. Ein Teil der Gruppe tritt dann tatsächlich – dem Regen trotzend – die Wanderung hinunter zum Sumburgh Hotel an und trifft dann etwa eine halbe Stunde später wieder auf den Bus und den Rest der Gruppe.
Am Nachmittag geht es für uns dann zurück nach Lerwick, wo noch eine Überraschung der kulturellen Art wartet. Im Hinterhof in einer Wohnsiedlung lernen wir die Hintergründe des Up-Helly-Aa Festivals kennen. Die Festlichkeiten finden auf allen Inseln zwischen Ende Januar und Anfang März statt, in Lerwick immer am letzten Dienstag im Januar. Der Höhepunkt ist das Verbrennen eines über Monate mühevoll gebauten Langschiffes, begleitet von Gesängen, Musik und einer Nacht voll Partys. In der sogenannten Galley Shed dürfen wir uns ein solches Langschiff sowie die aufwändigen Kostüme, Malereien und einen Film ansehen, gleichzeitig steht ein Mitglied des Komitees uns geduldig Rede und Antwort.
Nur eine kurze Fahrt entfernt befindet sicht unser Quartier für die nächste Woche. Das Abendessen im Lerwick Hotel schmeckt nicht nur hervorragend, sondern das Restaurant bietet auch eine tolle Aussicht auf die Meerenge zwischen Lerwick und der Nachbarinsel Bressay.
Der erste Abend in Shetland geht also mit vielen schönen Eindrücken zu Ende und wir freuen uns auf die nächsten Tage – es fehlt nur noch ein bisschen besseres Wetter.
25.05.25 Regensonntag–Museumsmarathon und die Burra–Inseln
Der Sonntagmorgen begrüßt uns mit weiterhin mit Regen – eine schlechte Kombination in Shetland, aber wir geben unser Bestes.
Nach dem Frühstück geht es zunächst noch einmal nach Süden, unser Ziel ist der sogenannte Jarlshof. Ihren Namen hat die bekannteste Ausgrabungsstätte Shetlands von niemand geringerem als dem Nationalschriftsteller Sir Walter Scott, der 1814 erstmals die Inseln besuchte und sich zu seinem Roman „Der Pirat“ inspirieren ließ. Ob hier tatsächlich mal ein Jarl, also ein Wikingeranführer, gelebt hat ist unbekannt, was man jedoch weiß ist, dass man hier über 4000 Jahre Geschichte zurückverfolgen kann. Man hat Überreste von Siedlungen aus der Steinzeit und der Bronzezeit gefunden, die eines Langhauses der Wikinger, eines mittelalterlichen Gehöfts sowie die Ruine eines Herrenhauses aus dem 18. Jahrhundert. Mittels Audioguide bekommt man einen tollen Einblick. Da das Wetter sich immer noch von seiner schlechtesten Seite zeigt, fahren wir zunächst weiter nach Hoswick. Im dortigen Besucherzentrum werden verschiedene Ausstellungsstücke zur Textilproduktion in Shetland, vor allem zur Strickkunst, gezeigt. Außerdem gibt es ein Dorfarchiv, ein kleines Café, sowie selbstverständlich einen Souvenirshop. Im Dorf befinden sich mehrere kleine Geschäfte, die Strickwaren verkaufen und der ein oder andere wird hier doch fündig.
Zurück in Lerwick legen wir eine Mittagspause ein und besuchen das Shetland Museum. In einem alten Werftgebäude im Hafen wird allerlei ausgestellt, was mit Shetland in Verbindung gebracht werden kann. Von der Geologie, über die Geschichte bis hin zu Schifffahrt, Fischfang, Schafzucht und Strickarbeiten finden sich hier Informationen und hunderte Artefakte.
Am Nachmittag versuchen wir unser Glück dann an der Westküste. Wir passieren die Berge und erreichen die Bucht oberhalb der alten Hauptstadt Scalloway. Der Name bedeutet soviel wie "die Bucht der Halle" und deutet auf den einstigen Versammlungsort der Wikinger hin, die etwas nördlich der Stadt ihr "Ting" abhielten (das Folketing bezeichnet heute noch das Parlament in den skandinavischen Ländern). Dominiert wird die heutige Kleinstadt durch den großen Fischereihafen und das prominente Scalloway Castle aus dem 17. Jahrhundert, welches aktuell grundsaniert wird. Besonders wichtig wurde die Stadt dann noch einmal zwischen 1943 und 1945 als Haupthafen des sogenannten "Shetland Bus", einer organisierten Rettungsrute zwischen Norwegen und Shetland während des zweiten Weltkriegs, die immerhin etwa 3.500 Menschen das Leben gerettet hat. Sehr eindrücklich wird die Geschichte im kleinen Scalloway Museum dokumentiert.
Ein wenig resigniert müssen wir feststellen, dass es noch immer regnet, doch nach ein wenig Überzeugungkraft seitens der Reiseleiterin steigen wir doch wieder in den Bus und fahren nach einer kleinen Rundfahrt durch Scalloway die Weiterfahrt auf die nahelegenen Burra-Inseln an. Per Brücke erreichen wir zunächst die Insel Trondra und über eine weitere dann West Burra. Hier findet sich mit Meal Beach ein weiterer der schönsten Strände Shetlands. Es ist zwar recht stürmisch, aber dennoch steigen wir aus und gehen hinunter zum Strand. Schlussendlich lassen sich dann doch alle überzeugen eine kleine Wanderung zu machen. Vom Strand aus geht es entlang der Küste ein wenig die Klippen hinauf, bevor man mehrere Weiden kreuzt und dann der Blick auf das Örtchen Hamnavoe eröffnet - nun haben wir wirklich endgültig den Eindruck, uns irgendwo in Norwegen zu befinden und bei dem ein oder anderen erwachen Erinnerungen an die Lofoten. Sogar die Sonne lässt sich kurz blicken – wer hätte das gedacht?! Spätestens jetzt ist allen deutlich geworden, wie unberechenbar das Shetland-Wetter tatsächlich sein kann.
Mit besserer Laune treten wir die Rückfahrt nach Lerwick an und sind gespannt, was uns morgen erwartet.
26.05.25 Die nördlichen Inseln: Yell und Unst
Unser Tag beginnt heute früh, denn heute liegt die weiteste Strecke vor uns: wir wollen die nördlichsten bewohnten Inseln Großbritanniens besuchen, Yell und Unst. Etwa 70 Kilometer führt uns unser Weg nach Norden und zwei Mal müssen wir mit der Fähre übersetzen. Als wir Lerwick verlassen hängt der Nebel wieder tief in den Bergen – was das Wetter wohl heute für uns zu bieten hat? Pünktlich erreichen wir den Fähranleger in Toft von wo aus die kleine Autofähre regelmäßig nach Ulsta auf Yell fährt.
Nach etwa zwanzigminütiger Überfahrt erreichen wir die zweitgrößte Insel Shetlands, die jedoch außer einer beeindruckenden Menge Torf und einigen Shetland-Ponys nicht so viel zu bieten hat. Guy gibt also Gas und so erwischen wir die nächste Fähre von Gutcher nach Belmont. In etwa zehn Minuten überqueren wir den Bluemull-Sound und erreichen die Südküste von Unst. Zunächst fahren wir nun ganz in den Norden der Insel, die als erste Siedlungsstätte der Wikinger auf den Shetlandinseln gilt.
Das Ziel für unsere Wanderung heute ist das Hermaness National Nature Reserve, das bekannt ist für seine großen Kolonien von Basstölpeln und Papageientauchern. Sogar unser Fahrer Guy entschließt sich, heute mit uns zu Wandern: eine sehr ambitionierte Entscheidung, wie wir nachher feststellen werden - es ist seit über 40 Jahren nicht mehr gewandert. Nach einem kleinen Anstieg erreichen wir das Sumpfgebiet, das im Zentrum des Naturschutzgebietes liegt. Ein Steg aus Holzplanken macht das Wandern hier auf dem größten Teil der etwa acht Kilometer langen Stecke sehr angenehm. Schließlich erreichen wir die beeindruckende Steilküste, die bis zu 180 Meter in den Atlantik abfällt. Die raue und unberührte Natur ist wirklich atemberaubend schön und kaum zu vergleichen mit den touristisch erschlossenen Wanderrouten, die wir sonst aus Schottland oder Irland kennen.
Auch heute haben wir wieder Glück mit dem Wetter, wir haben eine außergewöhnlich tolle Sicht, denn die Halbinsel ist berüchtigt für das Auftreten von Seenebel, selbst bei schönstem Wetter. Auch mit Tierbegegnungen werden wir gesegnet: an den Klippen brüten zehntausende Basstölpel und auch einige Papageientaucher können wir entdecken. Zwischendurch werden wir kurzzeitig zwar von zwei Regenschauern überrascht, als Belohnung gibt es dafür aber einen tollen Regenbogen, gleichzeitig mit einer Papageientaucher-Sichtung – was für ein Bild!
Nach etwa der Hälfte des Weges werden wir belohnt mit einer gigantischen Aussicht auf den Leuchtturm von Muckle Flugga, der wie eine Fatamorgana auf den vorgelagerten Felsen thront. Dann kommt die größte Herausforderung: wir erklimmen den 220 Meter hohen Hermaness Hill, der einst eine wichtige Funktion als Signal- und Funkstation hatte. Oben angekommen sind wir mächtig stolz auf uns - und vor allem auch auf unseren völlig erledigten Fahrer - und nach einer kleinen Stärkung sind wir dann auch bereit für den Abstieg Richtung Süden. Der Plankenweg führt uns nun in Richtung Parkplatz und von dort aus fahren wir mit dem Bus noch einmal nach Haroldswick. Wir sehen uns hier das Viking Project an, wo man ein Langhaus sowie ein Schiff der Wikinger im Nachbau besichtigen kann.
Unterwegs zurück zum Fähranleger in Belmont machen wir noch einen kleinen Stopp an der nördlichsten Bushaltestelle des Vereinigten Königsreich, die, liebevoll eingerichtet, als „Bob's Bus Shelter“ bekannt geworden ist.
Wir erreichen den Fähranleger und werden zu unserer Überraschung noch auf die vorhergehende Fähre gebeten und hinter einen LKW gezirkelt. So gewinnen wir unerwartet noch etwas Zeit. Diese nutzen wir, einmal angekommen auf Yell, um die Insel noch ein wenig zu erkunden. Wir wählen die östliche längere Route zurück nach Süden und fahren durch den Insel-Hauptort Mid Yell bis nach Otterswick. Hier befindet sich die sogenannte White Wife of Otterswick. Die Nachbildung der Gallionsfigur des 1923 gestrandeten Schiff Bohus steht stellvertretend für die verzweifelten Frauen die vergeblich auf die Rückkehr ihrer zur See gefahrenen Männer warten.
Mit der Fähre geht es schließlich von Ulsta wieder zurück nach Mainland und wir fahren nach diesem ereignisreichen Tag zurück nach Lerwick, wo uns wieder ein leckeres Abendessen erwartet.
27.05.25 Northmavine: Die Klippen von Esha Ness und Hillswick Ness
Nach einem ausgiebigen Frühstück starten wir den Tag heute langsam. Eigentlich wollen wir nach einem gemütlichen Morgen nach Sandwick fahren und von dort aus mit dem Ausflugsboot auf die Insel Mousa. Doch wir haben ja schon gelernt, dass hier auf den Shetland-Inseln manche Dinge nicht so ganz berechenbar sind. Nachdem wir uns schon mit Proviant eingedeckt haben kommt die ernüchternde Nachricht: aufgrund zu starken Windes kann das Boot heute nicht fahren.
Also Plan B: alle sind einverstanden heute doch eine längere Wanderung in Kauf zu nehmen und so ist beschlossen: wir ziehen das für Donnerstag geplante Programm vor und fahren in einen der nördlichsten Teile Mainlands, auf die Northmavine Halbinsel.
Wir passieren die Ortschaften Voe und Brae und gelangen schließlich an den Mavis Grind, wo nur wenige Meter Landmasse die Nordsee vom Atlantik trennen. Schon die Wikinger nutzten diese Stelle, um ihre Boote zu überführen und sich so viele Kilometer auf rauer See zu ersparen.
Wir haben nun Northmavine erreicht und fahren zunächst ganz an das westliche Ende bis zum Leuchtturm von Esha Ness.
Hier steigen wir aus und folgen zu Fuß aus der Küstenlinie. Diejenigen von uns, die schon einmal in Irland waren, fühlen sich ein wenig an die Cliffs of Moher erinnert. Trotz recht starkem Wind wandern wir bis zum sogenannten „Blow Hole“, hier hat das Meer sich einen Tunnel durch den Felsen geformt, der sich etwa hundert Meter von der Küste entfernt wieder aus dem Felsen öffnet und mit tosendem Rauschen die Wellen in einen tiefen Graben spuckt. Wirklich beeindruckend was die Naturgewalten so alles schaffen.
Mit dem Bus geht es dann später weiter, wir steuern das Dorf Hillswick an. Von hier aus wollen wir zu unserer längeren Wandungen starten. Der Hillswick Ness Trail ist selbst bei Einheimischen aufgrund seiner wunderbaren Aussichten beliebt – außerdem hat man die Chance hier ab und an Otter zu sichten, denn hier lebt eine der größten Kolonien der scheuen Tiere. Otter sollen wir keine zu Gesicht bekommen, jedoch finden wir am Parkplatz das Wildlife Sanctuary geöffnet vor und lernen dort die kleine Kegelrobbe Smudge kennen. Die neun Monate alte Robbe wurde verlassen aufgefunden – vermutlich wegen ihrer zahlreichen körperlichen Einschränkungen. Daher hat man sich entschieden sie hier aufzunehmen. Leider stehen die Chancen für Smudge sehr schlecht, jemals alleine in der freien Wildbahn überleben zu können und er wird wohl sein Leben lang hier bleiben müssen.
Wir verlassen Hillswick schließlich gen Süden und beginnen den Rundweg wie so oft indem wir per Leiter über einen Weidezaun klettern. Der Weg führt uns nun immer entlang der langsam ansteigenden Küstenlinie. Auch wenn gestern noch einige der Überzeugung waren, dass die Landschaft nicht atemberaubender werden kann, ändert sich die Meinung nun doch. Am höchsten Punkt an der Südküste legen wir einen kleinen Stopp ein und genießen die Aussicht.
Wir kürzen die Route nun ein wenig ab und queren eine Senke, um dann zu einer Stelle hinaufzusteigen, die schon von weitem durch etwas sehr seltenes markiert ist: eine Bank. Was das wohl zu bedeuten hat? Wer die Steigung erklommen hat, wird mit einer gigantischen Aussicht belohnt, die es sehr wohl wert ist, einen Moment zu verweilen und zu genießen: vor uns fällt die Küste etwa 80 Meter steil ins Meer ab und eine riesige Felsnadel ragt in der Spalte empor. Den Hintergrund bilden zahlreiche andere Felsformationen in sämtlichen Farbschattierungen.
Beseelt wandern wir weiter, bis wir schließlich doch noch vom Wetter eingeholt werden. Tapfer kämpfen wir gehen Wind und Regen an und meistern schließlich auch den letzten Anstieg. Vorbei an viel Weideland geht es dann etwas leichter zurück nach Hillswick, aber wir sind sehr froh als wir endlich unseren Busfahrer und wenig später auch den Bus wiedersehen. Glücklicherweise verbirgt sich für alle Fälle eine Flasche Whisky im Erste Hilfe Fach – der kommt jetzt zum Aufwärmen gerade recht.
Am frühen Abend fahren wir schließlich ziemlich müde, aber zufrieden, zurück nach Lerwick. Dafür, dass wir heute alle absolut unvorbereitet in Plan B hineingeschlittert sind, ist es doch noch ein sehr schöner Tag geworden.
28.05.25 Bressay und Noss
Neben zwei großen Kreuzfahrtschiffen sehen wir am nächsten Morgen auch blauen Himmel und etwas Sonne. Wir sind gut gestimmt für den Tag. Mit dem Bus geht nach dem Frühstück zunächst hinunter zum Hafen von Lerwick, von wo aus wir die Fähre hinüber nach Bressay nehmen. Die etwa neun Kilometer lange Insel liegt schützend vor der Küste Mainlands und hat somit über die Jahrhunderte dafür gesorgt, dass der Hafen von Lerwick weitestgehend vor dem rauen Einfluss der Nordsee geschützt wurde. Die Überfahrt dauert nur etwa zehn Minuten und schon haben wir unser Ziel erreicht. Schnell wird uns das Offensichtliche verdeutlicht: auf Bressay ist die Welt noch in Ordnung, hier leben nur noch etwa 300 Menschen, die meisten davon sind in der Landwirtschaft tätig. Gleichzeitig bedeutet das jedoch auch, dass hier nicht besonders viel los ist, vor allem nicht am Wochenende - insgesamt begegnen wir mehr Ponys, Schafen, Kühen und Robben als Menschen. Wir fahren zunächst ganz nach Süden, um das Bressay Lighthouse, das wir nun schon seit Tagen aus den Fenstern unseres Hotel von Weitem gehen haben, einmal aus der Nähe zu betrachten. Der Leuchtturm wurde 1854, wie könnte es anders sein, von der Familie Stevenson erbaut und ist besonders deshalb spannend, da er auf einem Felsen thront, der von der Meeresströmung ausgehöhlt wurde.
Nach einer kleinen Pause überqueren anschließend Bressay und landen an der Ostküste von wo aus man eine tolle Sicht auf die vorgelagerte Insel Noss hat. Die nur 3,4 km² große Insel war von je her spärlich bewohnt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts zur Zucht von Shetlandponys genutzt und ist heute gänzlich Naturschutzgebiet und wird nur von zwei Mitarbeitern des Naturschutz bewohnt. Vom Parkplatz aus führt ein schmaler Weg hinunter ans Ufer, von hier aus kann man sich in den Sommermonaten bei gutem Wetter mit einem kleinen Schlauchboot auf die Insel hinüberbringen lassen. Es stellt sich kurze Zeit später auch für uns heraus, dass das nicht unbedingt reibungslos funktioniert – schon als die Naturschutz-Mitarbeiterin Katryn zu uns übersetzt, schwappen mehrere große Wellen in das Boot. Auf Noss kann der eigentliche Steg nicht angelaufen werden und so müssen wir ein Stück weiter in einer Bucht einige Steine hinaufklettern um an Land zu gelangen. Das ganze Prozedere dauert zwar eine Weile, letztendlich schaffen wir es jedoch alle nach Noss hinüber zu gelangen. Vom Visitor Centre aus führt der Rundweg uns nun um die Insel herum - auch hier bekommen wir hinweise auf Otter, Robben und zahlreiche Seevögel zu achten und aufgrund der Raubmöwen bloß nicht zu weit ins Inselinnere abzudriften, denn mit den Bodenbrütern sei nicht zu Spaßen. Otter sehen wir leider keine, dafür jedoch zahlreiche Möwen, Papageientaucher und unendlich viele Basstölpel. Auf dem 181 Meter hohen Noss Head, ganz im Westen, werden unsere Mühen belohnt: von hier aus hat man heute eine grandiose Sicht über die gesamte Länge Mainlands und die Inseln Bressay, Whalsay, Bruray und Mousa. Von hier aus geht es nun nur noch bergab und entlang der Nordküste zurück in Richtung Besucherzentrum. Wir sind geschafft, aber glücklich auch unsere letzte Wanderung ohne Regen absolviert zu haben. Nun müssen wir wieder mit dem kleinen Schlauchboot zurück nach Bressay und von dort aus mit dem Bus wieder zurück nach Mainland. Ein anstrengender, aber unglaublich schöner Tag geht zu Ende. Bei unserem letzten Abendessen ist auch Guy mit von der Partie und wir verbringen einen schönen Abend miteinander.
29.05.25 Mousa und Fährüberfahrt nach Aberdeen
Der letzte Tag auf den Inseln beschert uns nun noch einmal typisches Shetlandwetter: Regen.
Wir lassen uns nicht entmutigen und fahren zunächst mit dem Bus noch einmal nach Scalloway.
Nur wenige Kilometer weiter empfängt uns die sympathische Carol mit ihren Shetland-Ponys und den Tierfreunden unter uns geht das Herz auf beim Anblick der kleinen, aber robusten Vierbeiner.
Carol erzählt viel über ihre Tiere und steht bereitwillig für Fragen zur Verfügung, während wir begeistert Fotos machen und Ponys kuscheln.
Wir haben nun noch etwas Zeit und kehren auf unserer Weiterfahrt noch bei der Lerwick Brewery, der nördlichsten Brauerei des Vereinigten Königreichs ein. Das bekannteste Lager, das 60° North, haben die meisten von uns mittlerweile schon probiert und für gut befunden. Wir haben die Gelegenheit mit der Mitgründerin Kathryn zu sprechen und den sehr gut sortierten Souvenirshop zu besuchen. Auch die ein oder andere Verkostung findet statt und ein paar Dosen Bier wandern in die Rucksäcke – Proviant für später selbstverständlich.
Das Wetter ändert sich entgegen aller Hoffnung nicht, aber wir müssen das Beste daraus machen und fahren nach Süden Richtung Sandwick. Von hier aus fahren wir mit dem Boot hinüber auf die mittlerweile unbewohnte Insel Mousa, die heute vollständig unter Naturschutz steht. Auf einem leichten Rundweg von etwa drei Kilometern umrunden wir fast die ganze Insel.
Das berühmteste an Mousa ist jedoch der Broch. Der über 2000 Jahre alte Steinturm ist der am besten erhaltene der zahlreichen Rundtürme die in ganz Shetland zu finden sind. Beeindruckend ist vor allem, dass man den 13 Meter hohen Turm auch heute noch besteigen darf – angesichts der winzigen Stufen und der Dunkelheit im Inneren des Treppenhauses eine kleine Mutprobe, aber die tolle Aussicht macht es doch auf jeden Fall lohnenswert.
Ziemlich nass fahren wir schließlich zurück nach Mainland und sind froh, wieder in den Bus steigen zu dürfen.
Die letzten Stunden auf den Shetland-Inseln verbringen wir in Lerwick mit Shopping, Kaffee-Trinken und einem Besuch in der gerade erst neu gegründeten Lerwick-Distillery.
Dann ist es Zeit zum Fährhafen aufzubrechen. Nach guter schottischer Tradition begleitet von "Auld lang syne" und ein paar Tränchen erreichen wir unsere Northlink Fähre und müssen uns von unserem freundlichen Fahrer Guy verabschieden - dann geht es schweren Herzens an Bord.
Während wir beim Abendessen sitzen zieht langsam die Küste von Mainland an uns vorbei, bevor es dann bei leicht bewegter See in die Kabinen geht.
30.05.25 Ankunft in Schottland und Heimreise
Früh erreichen wir am nächsten Morgen Aberdeen. Nach dem Frühstück heißt es auch schon bald Koffer zusammenpacken und von Bord, denn unser Fahrer Gordon erwartet uns schon. Auf der Fahrt Richtung Edinburgh scheinen alle in Gedanken und Erinnerungen zu schwelgen, während die sanften Hügel und gelben Rapsfelder der Lowlands an uns vorbeiziehen, werden die Herzen immer schwerer. Einige von uns haben noch eine Verlängerung gebucht und müssen noch nicht so ganz Abschied nehmen, für den Rest geht es dann am späten Vormittag zum Flughafen von Edinburgh und die Reise damit endgültig zu Ende.
Meine lieben Wanderer,
aller guten Dinge sind Drei - sagt man. Auf meiner dritten Reise war das Wetter definitiv herausfordernder als auf den Reisen zuvor. Ich danke Euch, dass Ihr alle Widrigkeiten und kurzfristigen Planänderungen so lockergenommen und ohne zu Murren mitgetragen habt. Vielen Dank auch für die durchweg gute Stimmung in den Zusammenhalt in der Gruppe - es hat großen Spaß gemacht mit Euch!
Ich würde mich sehr freuen, Euch mal wieder zu sehen und bis dahin wünsche ich Euch alles Gute, Gesundheit und die nötige Portion Reiselust.
Eure Sinah