Reisebericht: Rundreise Emilia Romagna – DIE Genussregion in Italien

15.05. – 22.05.2016, 10 Tage Busreise in die Emilia Romagna mit Mantua – Parma (ital. Kulturhauptstadt 2021) – Modena – Ferrari–Museum – Bologna – Dozza – Ferrara – Po–Delta – Adria – Ravenna


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Wohlhabend, gemeinschaftlich, gebildet - eine angenehme Mischung begegnet uns heute in der Landschaft der westlichen Emilia und östlichen Romagna.
Es lohnt also, einmal inne zu halten und die reiche Geschichte von kaiserzeitlichem Wohlstand, letzter Bastion Westroms (Ravenna) mit langobardisch-byzantischer Trennung bis zur Pippinischen Schenkung unter Patrimomium Petri und den neuen Kämpfen zwischen deutschen Kaisern mit dem Papst in Stein gewordenen Spuren zu verfolgen:
wie kommunale Freiheiten im Mittelalter gewonnen und wieder verspielt worden, lässt auch an heutige bedenkenlose Privatisierungen von Allgemeingut denken.

Es war ein langer Weg im Ringen beider unterschiedlicher Ost-westlicher Mentalitäten (die sich auch in der Kochkunst finden) bis eine Region entstand, die man diplomatisch „Emilia Romagna" nannte.
Ein Reisebericht von
Dr. Grit Wendelberger

Pfingstsonntag 15. Mai 2016 – Anreise über Venedig nach Chioggia


Chioggia erreicht man zu Wasser oder zu Land - wir erlebten beides. Der größte Ort der Lagune vor Venedig ähnelt einem Fisch: vom Corso-und Kanal-Rückgrat gehen die Straßen wie Gräten nach Osten und Westen ab zum Fondamento Lombardo und Domenico.
Das Klein-Venedig ist beschaulich, farbig und umgeben von schönen Stränden in Sottomarina, einer davon nahe unserem Hotel.
Der barock überbaute Dom am Corso ist den beiden Ortsschutzheiligen Felice und Fortunato gewidmet.
Nach dem Vorbild des Doms findet man beim Flanieren viele Palazzi des 17. und 18. Jahrhunderts, den Marktplatz und verschiedene Brücken über den Venakanal mit schönen Blicken darauf.
In der abseits gelegenen San Domenico lässt sich Carpaccio' s letztes Werk des Apostel Paulus finden. Von dort starteten wir unsere Schifffahrt nach Venedig.

Pfingstmontag 16. Mai 2016 – Venedig


Wir näherten uns der Emilia Romagna von Venetien und begannen unsere Rundreise mit einem Besuch der einst mächtigen Lagunenstadt, der Serenissima Venedig - heute UNESCO geschützt.
Es ist ein Leben an und mit dem Wasser: Süßwasser, Salzwasser, Brackwasser - all dies muss hier in einem uralten und stets neu einzuspielendem Gleichgewicht errungen werden.
Eine zerstreute Stadt war es auch bereits als byzantinische und mittelalterliche Stadt, dieses Wesen ist heute noch erkennbar.
Auch die faszinierende Arbeitsteilung (Fischerei in Chioggia, Gemüseanbau auf Sant' Erasmo, Glasbläserei auf Murano, Industrie um Mestre) ist typisch geblieben.
Venedig behauptete sich als unabhängige Macht zu Wasser und zu Land bis zum Zusammenbruch der Republik.
Jetzt heißt es eine neue Identität zu finden, als eine Stadt unter anderen. Dafür unternimmt Venedig große infrastrukturelle Anstrengungen, von denen auch wir profitierten.
Uns gefielen sowohl der Markusdom als auch die Gassen und Plätze der Stadt, durch die wir gemeinsam oder dann vereinzelt schlenderten.

Dienstag 17. Mai 2016 – Fahrt entlang des Podelta nach Ravenna


Den Zauber spätantiker Kunst in Ravenna zu entdecken brauchte es einige Jahrhunderte:
in den Zeiten der Kavaliersreisen war die Stadt kein Reiseziel.
Doch gerade diesem Dornröschenschlaf verdankt sie ihre Authentizität, die auch wir genießen durften. Einst Stadt am Meer, heute 7 km entfernt, das signalisiert uns bereits der Besuch von Sant' Apollinare in Classe, einst antike Hafenstadt. Das herrliche Apsismosaik erglänzte im hellsten Sonnenlichte.
Den einzigartigen Rang der Stadt in der Spätantike und im Frühmittelalter zeigte auch sein Missionierer und Schutzheiliger, wohl ein Schüler von Petrus.
Theoderich (Dietrich von Bern) besetzte nach dem Mord an seinem Widersacher Odoaker die Stadt und gewann so Italien.
Danach eroberten es Byzanz und die Langobarden, so dass der historische Glanz nur zwei Jahrhunderte (400-600) währte, doch welch ein Glanz!
Der Dom des Ursus wurde leider wegen einer Barockkirche zerstört, doch wir sahen einige Perlen der Baukunst: das Baptisterium der Orthodoxen, das uns heute eher bescheiden anmutende Mausoleum der bedeutenden Herrscherin Galla Placidia (bestattet zu Rom),
Sant' Apollinare Nuovo (älter als Sant' Apollinoare in Classe), San Vitale (Vorbild der Aachener Pfalzkapelle) und das Mausoleum des Theoderich - ein mörtellos verfugtes Zehneck.
Die Gebeine des arianischen „Ketzerkönigs" wurden von den religiös unduldsamen Byzantinern bald entfernt. Auch danach hat keiner, den man darin begrub, die ewige Ruhe gefunden. Nach diesem "Sahnehäubchen" fuhren wir zurück nach Sottomarina.

Mittwoch 18. Mai 2016 – Ferrara und Ferrari–Museum in Modena


Ferrara ist als einziger Ort der acht Provinzialhauptstädte in nachantiker Zeit entstanden und war unter dem Haus Este in der Renaissance für 150 Jahre tonangebend für den guten Geschmack, den feinen Lebensstil und schöner Literatur in Europa, bevor es an den Apostolischen Stuhl fiel.
Vom einstigen Glanz der großartigen, aber leer geräumten Wasserburg Castello Estense ist nicht mehr viel übrig geblieben (etwas mehr noch im Lustschlösschen Schifanoia).
Jedoch fiel uns zuerst die ungewöhnliche Verkleidung des Palazzo dei Diamanti aus dem 15. Jahrhundert auf, mit 12.000 Marmorblöcken wie Edelsteine im Facettschliff verziert, das überall in Europa nachgeahmt wurde.
Einst wichtiger Hafen am Nebenarm des Po tragen heute Dienstleistungen und Gewerbe zum Wohl Ferraras bei, das wir nicht mehr so still wie Goethe erlebten: selbst die Kathedrale befindet sich inmitten lebhaften Verkehrs- und Markt-Geschehens, in das wir unter farbigen Sonnenschirmen und Gässchen des Judenviertels eintauchten.

Donnerstag 19. Mai 2016 – Modena


Woher wir auch kommen, der elegante Ghirlandina wies uns stets den Weg: der 88 m hohe Glockenturm - altes Symbol kommunalen Stolzes - gehört zur erzbischöflichen Kathedrale im Zentrum der alten Stadt, die zum zweiten Mal dort errichtet wurde im Vertrauen auf den Schutz des Stadtpatrons, dem heiligen Geminianus.
Modenas Bischofskirche ist die älteste der Region und eine Großtat der Meister Lanfrancus und Wiligelmus.
Im Inneren findet sich auch eine farbige Terrakotta-Madonna in der Krypta als regionale Besonderheit.

Das größte Gebäude ist die Residenz der Este - allerdings ist der Hausherr das Militär.

Neben dem Palazzo Ducale gehört die Bildersammlung der Este zu den bedeutendsten Italiens, obwohl sie zahlreiche ihrer Schätze eingebüßt hat (auch August der Starke nutzte die Geldknappheit der Herzogs-Familie und kaufte 100 Gemälde). Besonders sind die Porträts der Este von Velazquez und Bernini - Meister ihres Maler- und Bildhauerfachs.
Ebenfalls im Palazzo dei Musei finden wir die Biblioteca Estense mit der berühmten Bibel des Borso d'Este.
Nach der Freizeit fuhren wir gemeinsam zur Weinessig-Verkostung der Familie Giusti und probierten angeregt von dem Tradizionale mit dem roten Band (banda rossa, nicht bandiera rossa grins grins) oder dem mit Himbeer-, Feigen- oder Trüffel-Geschmack.

Freitag 20. Mai 2016 – Colorno und Parma


Stendhals Karthause von Parma ist poetische Fiktion, deren Spuren konnten wir also nicht folgen. Als der Roman entstand, war es eine heroische Zeit, doch lebte man im Fürstentum der Kaiserwitwe Napoleons recht unangefochten und zufrieden.
Wir starteten also mit dem Colorno Palast im weitläufigen Park, wo Marie Louise von Österreich die heiße Jahreszeit auch zuzubringen pflegte - in der einstigen Sommerresidenz der Farnese und Bourbonen, gelegen an der Straße von Parma nach Mantua.
Leider ist vom einstigen Glanz nicht viel geblieben und es braucht noch viel Zuwendung, doch Leben herrscht schon jetzt dort mit der internationalen Kochschule.
Im Zentrum Parmas tauchten wir mit dem Palazzo della Pilotta in die leidvolle blutige Zeit während des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit ein. Einst offizieller Regierungssitz, dient es heute als Archäologisches Museum, Pinakothek (mit Werken Correggios und Parmigianinos) und Bibliothek mit dem Farnesetheater. Das Theater erlebten wir als überwältigende hölzerne Nachbildung ganz in der Tradition von Palladios Olympischen Theater im venetianischen Vicenza.
Die „gute Stube" der Stadt, der für Autos gesperrte Piazza del Duomo bietet uns Besuchern eines der eindrucksvollsten Architekturbilder Oberitaliens mit Bischofspalast, Dom und Campanile sowie Baptisterium.
Auch das uralte Konvent, Johannes dem Täufer gewidmet (mit historischer Apotheke), lohnte einen Abstecher, doch wir wollten noch auf das Land zu einer Käserei, die uns mit köstlichem Parmeggiano Reggiano und Schinken verwöhnte.

Samstag 21. Mai 2016 – Bologna


Bologna (bona heißt befestigte Stadt) ist die größte und wohl auch die älteste Stadt der gesamten Emilia-Romagna.
Villanova-Kultur, etruskisch-keltisch-römische Besiedlung wechselten einander ab.
Der Schutzheilige Petronius schützte in der Umbruchszeit der Völkerwanderung.
Er ist jedoch nicht in seiner Kirche an der Piazza Maggiore, sondern in Santo Stefano bestattet.
Der 7-Kirchenkomplex verdeutlicht: obwohl sich Bologna nur 30 Jahre in langobardischer Hand befand, sind mehr Relikte erhalten als aus der sechsmal längeren byzantinischen Herrschaft.
Der Große Platz ist umgeben von steinernen Denkmälern der Geschichte:
der Palazzo di Re Enzio erzählt eindrücklich die der lebenslangen Gefangenschaft dieses illegitimen Sohnes und besten Generals Friedrich II., den die Bologneser ritterlich behandelten und den sangesfrohen hochgewachsenen Staufer noch heute in Ehren halten.
Daneben Rathaus, Notarspalast und die bereits erwähnte größte Kirche Bolognas - die gotische San Petronio - Symbol bürgerlicher Autonomie und mit 132 m Länge die größte Pfarrkirche auf Erden.
Symbolträchtig für die Rivalität des Stadtadels auch die beiden noch erhaltenen Geschlechtertürme - Torre Asinelli (hoch) und Garisenda (schief).
Nahe erzählt der Palazzo della Mercantia aus dem 14. Jahrhundert vom Wohlstand der Stadt durch Fernhandel und Gewerbe.
Viele Paläste und Wohntürme lagen im heutigen Universitätsviertel, neben der ausgezeichneten Küche ist ja auch die Gelehrsamkeit Markenzeichen Bolognas.
Die berühmte Universität ist bekanntlich mit der Pariser Sorbonne die älteste des ganzen Abendlandes mit langer Tradition des römischen und kanonischen Rechts.
Im prächtigen Archiginnasio residierte der Rector magnificus seit dem Cinquecento bis 1803. Einige von uns besuchten in der Freizeit dort das Anatomische Theater.

Schließen wir unseren Bummel auf der Piazza Maggiore mit dem Amtssitz des Palazzo Comunale - oft genug vom Apostolischen Stuhl besetzt - und dem Brunnen mit der Figur des Neptun davor, dem Wahrzeichen der Stadt, den alle nur „il Gigante" nennen und der eingerüstet war, da gerade in Restaurierung. An Neptun und Palazzo Comunale schlenderten wir vorbei zum Bus, um nach Dozza in das malerische Wein- und Wandbilderdörfchen zu fahren. Dort inmitten malerischer Landschaft des Vorapennin, in den reich bestückten Weinkellern der Rocca Sforza ließen wir es uns gut gehen bei drei ausgewählten köstlichen Tropfen.

Sonntag 22. Mai Rückflug von Venedig


Nach dem Frühstück und mit gepackten Koffern starteten wir bei schönstem Sonnenschein unsere Rückreise über Padua zum Flughafen Marco Polo nach Venedig.
Intensive, abwechslungsreiche Tage mit vielen Höhepunkten gingen rasch vorrüber, Sie waren mir interessierte angenehme Gäste - gern wieder.
Ihre Grit Wendelberger, Studienreiseleiterin

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