Reisebericht: Südtirol – Rundreise mit Rollstuhl

29.05. – 04.06.2010, 7 Tage barrierefreie Rundreise nach Südtirol in Italien mit Kalterer See – Seiser Alm – Meran – Brentnerdolomiten – Naturpark Trudener Horn – Fleimstal – Karerpass


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Südtirol, heute nördlichste Region Italiens ist ein vielfältiges Reiseland; blühende Natur, glasklare Seen, Weinanbaugebiete und lebhafte Städtchen welche die Nähe zum „eigentlichen Italien“ genauso verraten wie die lange Zugehörigkeit zum La
Ein Reisebericht von
Jörg Nesse
Jörg Nesse

Samstag, 29.05.2010: Dresden – Pflerschtal

...Diese vielbereiste, wunderschöne Gegend wollen wir mit einer Gruppe von 12 Rollstuhlfahrern und ebensovielen „Fußgängern“ entdecken. Aus Dresden kommend fahren wir zunächst Richtung Franken. Am Rasthof Vogtland die erste Pause, in behindertengerechten Transferfahrzeugen treffen dort auch die restlichen Gäste ein. Vorbei an Nürnberg führt uns die A9 nach München. Es ist Wochenende wenig Verkehr, also quer durch die Stadt. Wir fahren an der neuen BMW Welt, dem Olympiagelände vorbei und erhaschen aus einiger Entfernung einen Blick auf die Frauenkirche. Am Luise Kieselbach Platz wird an der Untertunnelung gearbeitet - ein gigantisches Projekt. Der Waldfriedhof und das Schloß Fürstenried sind für uns die letzten Impressionen der bayerischen Landeshauptstadt. Vorbei an Kochelsee und Walchensee geht es Richtung Karwendelmassiv - eine Alternative zur Autobahnverbindung Richtung Garmisch. Die kurvenreiche Strecke stimmt uns schon auf die Passfahrten der nächsten Tage ein. In Tirol angekommen geht es über Seefeld mit 16% Prozent Gefälle den Zirler Berg hinunter ins Inntal um bei Innsbruck unmittelbar wieder mit der Auffahrt zum Brennerpass zu beginnen. Die Autobahn welche auch über die berühmte Europabrücke führt, ist immer wieder ein Erlebnis. Vom Brenner aus folgen wir dem Eisack Fluss bis wir ins Pflerschtal abzweigen. Das Personal des Hotel Alpin erwartet uns schon.

Sonntag, 30.05.2010: Seiseralm – Bergbauwelt Ridnaun Schneeberg

Es regnet in Strömen, die Wolken hängen tief. Eigentlich wollen wir heute auf die Seiser Alm, aber bei dem Wetter? Dann lieber ins Bergwerk. Zunächst fahren wir aber zum Penser Joch. Trotz, vielleicht sogar wegen der Wolken, welche im Wipptal festhängen ist die Fahrt auf über 2200m ein Erlebnis. Wir erleben die unterschiedlichen Vegetationsstufen, sehe Krokusse blühen um dann bei 2°C auf der baumlosen Passhöhe anzukommen. Sanfter, weniger steil geht es vom Joch wieder bergab durch das Sarnthal. Heute noch leben hier die Bergbauern von ihren ganzjährig, sich bis in 1800m Höhe befindlichen, bewirtschafteten Höfen. Es ist Sonntag und wir sehen Leute in traditioneller Südtiroler Tracht von der Messe kommen. Im unteren Talabschnitt prägt die Talfer das Bild. In der Nähe des Gipfels ein schmales Rinnsal, donnert sie an der herrlichen Burg Runkelstein vorbei auf Bozen zu. Tief hat sie sich dabei in das Gestein eingegraben, die Straße folgt dem spektakulären Lauf. Nach einer Mittagspause fahren wir nun ins Ridnauntal. In der Bergbauwelt werden wir zur Führung erwartet. Wir erfahren viel über den Abbau von Silber, Blei und anderen Materialien und sind begeistert über die Transportwege des Erzes im ausgehenden Mittelalter; mit Bahnen unter Ausnutzung des Gegengewichtes über 2700m hohe Bergpässe! Mit gegenseitiger Hilfe können wir sogar, im wahrsten Sinne des Wortes, in den Berg einfahren. Zugegeben, die Navigation vor allem von großen Rollstühlen ist unter Tage nicht einfach, aber wann bekommt das schon geboten. Als wir das Bergwerk verlassen kommt die Sonne durch. Ein heißer Kaffee am Reisebus, nach 8°C im Bergwerk, tut gut. Zurück durchs Ridnauntal, vorbei an Schloß Wolfsthurn zum Hotel. Galadinner im Hotel; 5 erstklassige Gänge, alles viel zu viel - aber eben sehr lecker. Morgen werden wir den Koch zu Beifallsbekundungen ins Restaurant bitten.

Montag, 31.05.2010: Brixen – Bozen – Weinprobe Kalterer See

Der Regen lässt außerhalb des Pflerschtals nach, Brixen empfängt uns mit Sonnenschein. Nicht nur deswegen fühlen wir uns „im Süden“ angekommen. Am Kloster Neustift gibt es die ersten großen Rebflächen, Palmen schmücken Vorgärten und Terrassen. Es passt also, dass wir durch das Sonnentor in die Altstadt rollen. Durch die Lauben - arkadengesäumte mittelalterliche Straßen gelangen wir zum Dom, der Hauptsehenswürdigkeit der Stadt. Hunderte von Jahren war die Stadt Bischofssitz. Der Dom, ein Paradebeispiel des Barock, außen wie innen von erschlagender Pracht. Auch die Hofburg, ehemalige Residenz der Bischöfe schauen wir uns an. An einer Metzgerei, welche den typischen Südtiroler Speck anbietet kommen wir nicht vorbei ohne uns ein ordentliches Stück hauchdünn aufschneiden zu lassen. So gestärkt kann’s nun weitergehen auf herrlicher Strecke dem Verlauf des Eisack folgend nach Bozen. Am Waltherplatz steigen wir aus. Das wir mit unserer Rampe dabei kurzzeitig das geschäftige Treiben auf dem Fußweg blockieren wird schon südländisch unkompliziert toleriert. Südländisch auch die Temperaturen; 24°C zeigt das Thermometer. Wieder Laubengänge - länger und mondäner als in Brixen, geleiten uns zum berühmten Bozener Obstmarkt. Nun, da wir das bunte Geschehen genießen, hier und da etwas probieren, beindruckt sind von der (auch farblichen) Vielfalt des Angebotes, können wir die Begeisterung nachempfinden, welche der traditionelle Markt schon zu Goethes Zeiten hervorgerufen hat. Leicht abgekämpft lassen wir uns wieder in den Bus heben. Es ist schön jetzt einfach zu entspannen. Ab Tramin, der Heimat des Gewürztraminers, folgen wir der Südtiroler Weinstraße. Der Kalterer See, Obstplantagen, Weinfläche, prächtige Ansitze und der „Dom“ von Eppan ziehen vorbei. In St. Pauls Winzereigenossenschaft wird es dann bei einer Weinprobe gesellig. Vernatsch, Traminer und Co. lassen sich durchaus trinken, der Wirt bemisst die „Proben“ wunderbar großzügig. Kurzweilige Infos zum Thema Wein runden den Aufenthalt ab. Wenn es am schönsten ist soll man ja bekanntlich gehen - also nach knapp zwei Stunden Aufbruch. Es ist 19 Uhr als wir wieder im Hotel Alpin sind, auf den Bergen liegt Neuschnee (hier waren heute nur 8°C).

Dienstag.01.06.2010: Sterzing – Seiser Alm

Das Wetter ist angenehm vorhergesagt - wir werden heute unseren Ausflug auf sie Seiser Alm nachholen. Zunächst einmal Stopp in Sterzing. Vom Untertorplatz aus betreten wir die Neustadt. Diese wurde im 15.Jh. nach einem Stadtbrand errichtet. Das Sterzing damals durch den Bergbau reich geworden war sieht man noch heute. Wuchtige Bürgerhäuser mit aufwändigen Erkern bestimmen das Bild der durch Lauben gesäumten Hauptstrasse. Dank eines neuen Fahrstuhls können wir uns sogar das Rathaus, einen wunderbaren Bau der Spätgotik von innen anschauen. Die holzgetäfelte, mit uralten mächtigen Holzdielen versehene Ratsstube ist dabei besonders beeindruckend. Am Stadtplatz, wo der Zwölferturm Neustadt und Altstadt trennt, ist heute Markt. Gegen Mittag geht es dann weiter. Bis Klausen nutzen wir die Brennerautobahn. Dann beginnt der Anstieg auf schmaler Straße zum Hochplateau. Das Massiv des Schlerns beginnt sich vor uns aufzubauen. Bevor wir in Compatsch aussteigen, genießen wir schon den Blick auf Langkofel, Plattkofel und den Sellastock. Sicht und Wetter könnten besser nicht sein. Einige von uns nutzen die Freizeit um mit der Kabinenbahn nach Seis zu fahren, auch mit den Rollstühlen problemlos möglich! Andere lassen sich zu einer Kutschfahrt hinreißen, manche lieber zu Kaffee und Kuchen im „Zentral - Cafe“. Einige rollen sogar bis zum „Ritsch“ - eine Berghütte in 2,5km (!) Entfernung. Die asphaltierte Straße auf der nur der Linienbus fahren darf macht‘s möglich, einige Steigungen verlangen den „Schiebern“ aber eine Menge ab. Logisch, dass wir auf der Rückfahrt zum Hotel noch durch Kastelruth fahren. Unvermeidlich; eine CD der Kastelruther Spatzen beschallt dabei den Bus - „Junge Bergfee lass Dich küssen…“

Mittwoch, 02.06.2010: Meran – Schloss Trauttmannsdorff

Nach dem wie immer reichhaltigen Frühstück begrüßen wir einen italienischen Fahrer, der uns heute nach Meran chauffieren wird. Steffen, unser Chauffeur hat heute seinen freien Tag. Dennoch ist es beruhigend ihn an Bord zu wissen, das Heben und Senken auf der Rampe ist schließlich auch von Vertrauen abhängig. Die Strecke bis Bozen kennen wir schon. Ab Bozen folgen wir dann dem Verlauf der Etsch gegen Strömungsrichtung durch ein schönes Tal. Im Hintergrund erhebt sich die gewaltige Texelbergkette. Sie schirmt Meran nach Norden ab - sorgt so für das berühmte milde Klima. Bei schönstem Wetter spazieren wir so an der Passerpromenade entlang, vorbei am Kurhaus (nach so viel mittelalterlichem Städtebau nun mal Jugendstil) zum Bozener Tor. Auch mit den Rollstühlen lässt sich der Anstieg zur Stadtpfarrkirche meistern. 400m lange Laubengänge, mit weitaus mondänerem „Innenleben“ als in anderen Südtiroler Städten, die wir nun genüsslich leicht bergab rollen waren die Anstrengung wert. Vorbei am schönen Stadttheater kommen wir wieder an die Passer - Zeit zum Eis essen. Nur wenige Fahrtminuten und unser Bus stoppt an Schloss Trauttmansdorff. 2001 wurde hier ein herrlicher Garten, genauer gesagt, mehrere thematische Gärten eröffnet. Bekannt war das Schloss aber schon früher; bereits 1870 verbrachte Kaiserin Sissi hier einige Monate. Daran, und an den daraufhin einsetzenden Tourismus erinnert eine Ausstellung im Inneren der Anlage. Wir genießen lieber die Gärten (im Palmencafe sitzt man auch herrlich) und suchen dann gemeinsam den Ausgang - das verwirrende Wegesystem und teilweise bis zu 8% Steigung trüben etwas den Eindruck der von der an sich herrlichen Anlage bleibt. Für die Rückfahrt hat der Reiseleiter die Tour durchs Passeiertal, die Heimat des Tiroler Volkshelden Andreas Hofer, hinauf zum Jaufenpass vorgeschlagen. Nach einer atemberaubenden Tour bis auf über 2000m Höhe wird bestätigt: eine gute Wahl. So erreichen wir pünktlich zum Abendessen, nach einem erlebnisreichen Tag wieder das Hotel Alpin.

Donnerstag, 03.06.2010: Dolomitenrundfahrt

Unser letzter Ausflug auf dieser Reise, die große Dolomitenrundfahrt, soll den krönenden Abschluss bilden. Das Wetter ist schon mal danach - eitel Sonnenschein. So verlassen wir bei Brixen das Wipptal, fahren ein ins Pustertal. Bei Bruneck sehen wir den Kronplatz, eines der Winterskizentren Südtirols. Am Misurinasee legen wir die erste Pause ein. Wunderbar ist das Gewässer durch die steil aufragenden, hell leuchtenden Dolomiten gerahmt. Über den Passo Tre Croci geht es an Cortina d’Ampezzo vorbei - mit Blick auf die Sprungschanze der olympischen Winterspiele von 1956. Das Tofa Massiv gilt es nun zu umrunden. Dazu müsssen wir auf den über 2000m hohen Falzarego Pass. Kurvenreich von dort die Abfahrt nach Arraba. Fast unvermittelt taucht vor uns der mächtige Sella-Stock auf. In Arraba erst mal Mittagspause; das Hotel Evaldo überzeugt mit guter italienischer und Südtiroler Hausmannskost - außerdem ist für unsere Rollifahrer dort auch der sanitäre Bereich geeignet (ein wichtiger Aspekt auf allen unseren Ausflügen). So gestärkt und gleichzeitig „erleichtert“ ist die Weiterfahrt über das Pordoijoch und das Sellajoch eine wahre Freude. Beide Pässe liegen auf ca. 2200m, die Fernsicht ist nicht in Worte zu fassen. Das Grödnertal bildet am frühen Abend den Abschluss unserer Dolomiten-Rundfahrt. St. Ulrich nutzen wir noch für einen Einkaufsbummel. Auch der heutige Tag ist der Überschrift der Reise „Südtirol - die Sonnenseite der Alpen“ gerecht geworden.

Freitag, 04.06.2010: Heimreise

Nach einem entspannten Frühstück beginnen wir gegen neun Uhr unser Gepäck in den Bus zu verladen. Das Hotel Alpin mit seiner hervorragenden Küche, den auf die Ansprüche von Rollstuhlfahrern ausgelegten Zimmern, ja sogar einem für uns nutzbaren Hallenbad und einer Sauna, wird uns in guter Erinnerung bleiben.

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