Reisebericht: Große Rundreise durch Polen

18.08. – 29.08.2016, 12 Tage Thorn – Marienburg – Danzig – Elbing – Masuren – Warschau – Krakau – Breslau


  Bildergalerie   Druckversion (PDF)   Kommentare
 
Einst reichte Polen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und war das in religiöser Hinsicht toleranteste Land in Europa. Großzügig angelegte Marktplätze mit repräsentativen Bauten und malerisch gelegene Schlösser prägen den Charakter des Landes
Ein Reisebericht von
Andreas Höhn

Donnerstag, 18. August – Anreise durch Großpolen nach Thorn

Bei durchwachsenem Wetter verlief die Fahrt nach Thorn oder Torun sehr entspannt. Gleich hinter dem Grenzübergang von Frankfurt/ Oder legten wir eine Pause ein, bei der Gelegenheit war, Geld zu tauschen. Die Fahrt ging vorbei an Polens erster Hauptstadt Posen und dem erstem im Jahre 1000 durch Kaiser Otto III. gegründeten Bischofssitz Gnesen, wo einst die Gebeine von Polens Nationalheiligem Adalbert ruhten.
Die Organisation im Thorner Hotel war schlicht perfekt. Unsere Zimmerschlüssel lagen bereit und umgehend konnten wir zum Abendessen gehen, das als Buffet gereicht wurde. Anschließend schlenderten die Gäste zusammen bei einem nunmehr milden Abend mit dem Reiseleiter noch in die mittelalterliche Altstadt, die an allen Ecken studentisches Flair versprüht. hier zum Abend auf. Auf dem Heimweg konnte man im Dunkeln ein feuchtes, aber wirklich tolles Schauspiel genießen. Ein großer Springbrunnen wird nach extra dafür komponierten Stücken wechselnd bunt angestrahlt.

Freitag, 19. August – Deutscher Orden in Thorn und Danzig

Nach einem reichhaltigen Frühstück holte uns pünktlich um neun Uhr Stadtführerin Nadja im Hotel ab und ganz entspannt schlenderten wir durch die noch ruhige Altstadt von Thorn. Gegründet 1233 vom Deutschen Orden nach Magdeburger Recht findet man sich in den schachbrettartig angelegten Straßen schnell zurecht. Besondere Beachtung erfuhren die Johanniskirche und die gotische Dominikanerkirche mit gut erhaltenen mittelalterlichen Wandmalereien und einem Chorgestühl aus Mooreiche. In der anschließenden Freizeit konnten alle noch die gleichzeitig mittelalterlich wirkende und doch so junge Stadt erkunden.
Auf dem Weg nach Danzig legten wir eine abenteuerliche Rast ein. Der Busfahrer Alf fuhr gegenüber der alten Stadt Graudenz fast einen Kilometer rückwärts, um an eine Sandbucht an der Weichsel zu gelangen. Von hier hatten wir einen grandiosen Blick auf die dem Fluss zugewandte Stadtmauer mit 26 mittelalterlichen Speichern. Vorwärts erreichte der Bus wieder die Straße und anschließend ging es dann nach Danzig ins Hotel, wo uns nach dem Einchecken und einer kleinen Erfrischungspause der Reiseleiter bei einem kleinen Stadtrundgang bis zur Danziger Bowke, wo wir das Abendessen einnahmen, mit der Topographie der Altstadt vertraut machte. Vorbei an der Katharinenkirche und der alten Wassermühle des Deutschen Ordens, sowie dem im Stil der niederländisch beeinflussten Renaissance gebauten Altstädtischen Rathaus gingen wir in die Nikolaikirche, die dem Dominikanerorden gehört. Als einzige hat sie samt ihrer Ausstattung das Kriegsgeschehen 1945 ohne größeren Schaden überstanden. Dann konnte man hinter der Königskapelle schon die riesige Frauenkirche sehen, in die wir einen Blick werfen konnten. Ein paar Schritte und schon war der Lange Markt mir Rathaus und Artushof erreicht, den wir einmal rauf und runter spazierten. Zum Abschluss noch durch das Grüne Tor an die Mottlau, wo einst der Hafen war. Nahe beim mittelalterlichen Krantor, einem Wahrzeichen der Stadt, war dann auch die Gaststätte. Natürlich mussten wir einen Blick in die Frauengasse werfen. Hier sind die schönsten Beischläge erhalten, wie die unterkellerten Terrassen der alten Patrizierhäuser hier genannt wurden. Wo einst im Sommer das kommerzielle und familiäre Leben stattfand, wird heute Bernsteinschmuck verkauft. Nach dem ortstypischen Abendessen in der Bowke konnte jeder noch durch die belebte Altstadt bummeln.

Sonnabend, 20. August – Freie Stadt Danzig

Um 9 Uhr holte uns Stadtführerin Anna vom Hotel ab, um nach Oliwa zum alten Zisterzienserkloster zu fahren. Dort konnten wir eine tolle Orgelpräsentation erleben, die natürlich mit Bach endete. Vorher führte uns Anna durch die Klosterkirche. Anschließend folgte eine ganz hervorragende Stadtführung. Ein Höhepunkt war der Besuch der Marienkirche, die die weltgrößte Backsteinkirche überhaupt ist. Anna hatte die Führung so gelegt, dass wir genau um zwölf Uhr sehen konnten, wie aus der astronomischen Uhr der Kirche aus zwei Türchen die zwölf Apostel und über ihnen die vier Evangelisten kommen und nach tänzerischer Drehung wieder verschwinden. Die Stadtführung führte über den Langen Markt zum Königstor und weiter zum Zeughaus. Die anschließende Freizeit nutzten viele Gäste zu einer Bootsfahrt, entweder zu einer Rundfahrt durch den Hafen und vorbei an der Westerplatte. In der Stadt war zudem besonderer Trubel, weil der Abschluss des dreiwöchigen Dominikanermarktes mit vielen Ständen und Livemusik gefeiert wurde. Eine alpin gestimmte Gruppe erklomm zuerst den Turm des Rathauses, um einmal den massigen Baukörper der Marienkirche in vollem Umfang sehen zu können. Nach kurzer Essenspause dann die über 400 Stufen auf den wuchtigen Turm der Kirche, von der man weit über die Stadt auf Land und Meer schauen konnte. Ein anschließender Rundgang führte zunächst zur gerade restaurierten Johanniskirche und dann zur prächtig ausgestatteten Brigittinnenkirche. Wo einst die Aktivisten der Solidarnosc gebangt und gebetet haben, protzt nun ein Bernsteinaltar.

Sonntag, 21. August – Ordensritter, Herzöge, Könige und Kaiser in der Marienburg

Um 08.30 Uhr fuhren wir zur Marienburg, einer der größten Burganlagen überhaupt und die größte aus Backstein. Wir hatten mit der aus dem Ort stammenden Gästeführerin eine sehr gute Führung durch die vielen gotischen Räume und Gänge. In diesem Jahr kann erstmals die Kirche der Burg ohne Gerüste bestaunt werden. Schon zum Auftakt hatten wir von außen die unlängst wieder am Chor angebrachte über acht Meter hohe Madonnenfigur bestaunt, die aus einem Puzzle tausender Restteile wieder in einstiger Pracht erstanden ist. Innen neben Resten mittelalterlicher und historistischer Wandmalereien ein prächtiger Altar, den ein Hochmeister aus dem sächsischen Herrscherhause der Wettiner gestiftet hatte. Ein romantischer Spaziergang durch die Wehrmauern führte zur Gruftkapelle. Die anschließende Pause bot Möglichkeiten zum Essen oder zum Besteigen des Bergfrieds der imposanten Anlage, deren Umfang man von oben erst so richtig einschätzen konnte.
Dann erfolgte die Weiterfahrt nach Sensburg in den Masuren. Das Timing war perfekt. Bis wir in den Bus stiegen, war herrliches Wetter, sobald wir losfuhren, ging ein gewaltiger Dauerregen nieder. Wer mochte, konnte unterwegs während einer Pause auch eine Kleinigkeit von der Bordverpflegung verzehren. Das Spa-Hotel liegt direkt an einem großen See und selbst der Regen legte eine Pause ein, damit wir trocken mit dem Gepäck vom Bus ins Hotel kamen. Das sehr gute Abendbuffet läutete eine gemütliche Regennacht ein.

Montag, 22. August – Masurenrundfahrt zu Land und Wasser und Abendmusik

Um neun holte uns die masurische Ortskundige Hanna aus der preußischen Festungsstadt Lötzen vom Hotel ab und auf kleinen alten Pflasterstraßen, die wohl noch der deutsche Orden bauen ließ, fuhren wir nach Nikolaiki, dem touristischen Hauptort der Masuren. Nach einem kleinen Ortsrundgang ging es aufs Boot und trotz eher regnerischen Wetters genossen alle die entspannende Atmosphäre auf dem Spierdingsee. In der Freizeit konnte man die für so einen kleinen Ort ungewöhnlich große lutherische Kirche, deren Pläne von Karl Friedrich Schinkel stammen, besichtigen. Eingeweiht wurde der klassizistische Bau allerdings erst 1842, ein Jahr nach dem Tode des preußischen Oberlandesbaumeisters. Sie ähnelt mit ihrer in Kassetten aufgeteilten Tonnendecke recht auffallend seinem ersten Kirchenbau im märkischen Neuhardenberg.
Nächster Haltepunkt war der Wehrmachts- Führungsbunker „Wolfsschanze", in dem am 20. Juli 1944 das fehlgeschlagene Attentat an Hitler durch Stauffenberg verübt wurde. Die Führung durch einen Historiker, der mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht hat, veranschaulichte die Struktur der Anlage und ließ die jüngere Geschichte lebendig werden.
Am Nachmittag fuhren wir bei endlich hellerem und trockenem Wetter zur Kirche des Klosters der Heiligen Linde, die eine wundertätige Marienfigur verwahrt. Der jetzige Barockbau stammt vom Jesuitenorden und der Höhepunkt ist die Orgel, unlängst von der Firma Sauer aus Frankfurt Oder restauriert. Neben einem wunderbaren Klang besitzt sie allerhand mechanische Schaufiguren. Sonnen drehen, Engel schwenken ihr Instrumente oder verneigen sich, Glockenspiele werden bewegt und es gibt ein 41. Register für Vogelstimmen.
Am Abend wurde im Hotel für uns gegrillt. Wir konnten in einem verandaartigen Raum sitzen, der sich zum abfallenden Seeufer öffnete. Draußen stand ein Koch mit dem Grill und innen war ein ganz tolles Salatbuffet aufgebaut. Ein professionell agierendes und gut aufgelegtes Quartett spielte und sang für uns Volksmusik aus den Masuren. Die Stimmung hätte kaum besser sein können und wirklich alle waren vollauf begeistert von diesem überaus gelungenen Abend.

Dienstag, 23. August – Hauptstadt Warschau

Quer durch die schöne masurische und masowische Landschaft fuhren wir in die polnische Hauptstadt Warschau. Wir haben den kürzesten Weg genommen und so noch viele Orte und schöne Wälder sehen können. Ab Ostroleka war die S61 als Schnellstraße ausgebaut und in Warschau trafen wir bei unserem Hotel nahe beim Kulturpalast den Hauptstadtführerin Ewa. Nachdem sich alle ein wenig erfrischt hatten, begannen wir sofort mit einer großen Stadtrundfahrt. Zuerst fuhren zum ehemaligen jüdischen Ghetto, wo sich ein Museum und ein Denkmal für den Ghettoaufstand von April/ Mai 1943 befinden. Weltbekannt wurde der Ort 1970 durch den Kniefall des Bundeskanzlers Willy Brandt, zu dessen Denkmal wir um das Ghettomuseum herum gingen.
Abschließend spazierten wir durch die grüne Lunge der Großstadt, die Lazienki Królewski oder königliche Bäder, die im 17. Jahrhundert auf dem Gebiet von Burg und Ort Jazdow entstanden. Dies war der erste hiesige Besiedlungsplatz, bis litauische Eroberer die Bewohner vertrieben, die dann ein neues Warschau auf dem Platz der heutigen Altstadt gründeten. In Jazdow baute bereits König Siegmund III. Wasa ein erstes Schloss und Prinz Lubomirski ließ im 17. Jahrhundert durch einen Holländer einen ersten Badepavillon bauen- daher der Name Bäder. Aus dem Pavillon wurde ein Wasserschlösschen und zahlreiche Parkbauten, zum Schluß im klassizistischen Stil, kamen hinzu. Künstler und Gärtner verwandelten das Terrain in eine Rousseausche Ideallandschaft mit Teichen, Bosketten, Inselchen und antikisierenden Bauten. Selbst ein Amphitheater fehlt nicht. Nach der zweiten polnischen Teilung 1795 fiel der Besitz an den Zaren Alexander I., der ihn noch erweitern ließ. Seit 1918 steht er allen Besuchern offen.
Von hier fuhren wir zum neu aufgebauten Königspalast, zu dem auch ein palastartiger Anbau der Königsfamilie Poniatowski gehört. Nach Besichtigung des Umfeldes mit der Annenkirche schlenderten wir den Königsweg entlang in die nach dem Zweiten Weltkrieg komplett neu aufgebaute Altstadt, dem wohl größten historisch rekonstruierten Bauensemble überhaupt. Die gotische Johanniskathedrale aus dem 13. Jahrhundert ist Warschaus älteste Kirche. Hier wurden Könige gekrönt und Staatschefs schworen auf die Verfassung. In der Krypta ruhen neben den masowischen Herzögen König Poniatowski, die Präsidenten der Zwischenkriegszeit, sowie der Literaturnobelpreisträger Henryk Sinkiewicz und der Primas der polnischen Kirche Stefan Wyszynski. Gleich daneben die barocke Jesuitenkirche und schnell ist man auf dem Altmarkt. Auch hier wurden die zwei- und dreiachsigen Mietshäuser komplett auf den alten Fundamenten neu aufgebaut. Ortstypisch sind die kleinen auf dem First gebauten Dachhäuschen, die lediglich Licht ins Treppenhaus bringen sollten. Durch die wieder aufgebaute Barbakane am Rest der Stadtmauer geht es in die Neustadt zum Geburtshaus der Physikerin Marie Sklodowska Curie, in dem ein Museum untergebracht ist. Nicht weit davon am Obersten Gericht trafen wir auf unseren Bus, der uns zum Hotel brachte, das unweit von Stalins „Geschenk", dem Palast für Kultur und Wissenschaft liegt. Hier gab es bald ein schmackhaftes Abendessen und anschließend schlenderten noch viele Gäste in die Umgebung des Hotels.

Mittwoch, 24. August – Schloss Wilanow

Nach dem Hotelfrühstück holte uns eine andere Ewa ab zur Besichtigung des Königsschlosses in Wilanow. Zuerst schlenderten wir durch den herrlichen Park. Die Eintrittskarten hatte der Reiseleiter im Namen von Eberhardt Travel als kleine Überraschung spendiert. Im Erdgeschoss des Palastes erinnert viel an die Besitzerfamilie, insbesondere an den Entsatz König Sigmund III. Sobieski, der 1683 Wien verteidigte und die Schlacht am Kahlen Berg gewann. Im oberen Geschoss waren viele Fürstenporträts, vornehmlich aus dem 19. Jahrhundert zu bewundern. Anschließend fuhr der Bus zuerst zum spektakulärsten Kirchenneubau der Stadt. In moderner Betonbauweise entstand in Wilanow eine riesige Kuppelkirche, die unlängst von Papst Franciskus geweiht wurde, als dieser zum katholischen Weltjugendtag in Polen weilte. Der Bau erscheint mir als eine misslungene Mischung aus Berliner Kanzleramt und Reichstagskuppel, aber zum Glück entstehen, wie bei allen neuen polnischen Pilgerstätten, diverse Einkaufszentren im Umkreis. Wahlweise ging es dann per Bus zum Nationalmuseum, in die Altstadt oder zum Hotel. So konnte jeder nach seinen Neigungen den Nachmittag in Warschau gestalten. Einige erkundeten die Alt- und Neustadt und spazierten durch den von August dem Starken gestifteten und von Pöppelmann gestalteten sächsischen Park ins Hotel zurück, was etwa eine halbe Stunde Fußweg bedeutet. Einige Gäste schauten sich mit dem Reiseleiter die unermesslich wertvollen Ausstellungsstücke des Nationalmuseums an. Eine Abteilung zeigt die schönsten mittelalterlichen Altäre und Figuren aus den Kirchen Schlesiens und Preußens. Warum hier im polnischen Nationalmuseum ausgerechnet nur die Schätze der seit dem Mittelalter vorwiegend deutsch besiedelter Gebiete und nicht die altpolnischer Landschaften zu sehen sind, ist schon ein eigenartig Ding. Dafür gibt es sehr viel polnische Malerei, vornehmlich aus den letzten beiden Jahrhunderten zu sehen. Schon durch die Größe wirkt Jan Matejkos Riesengemälde von der 1410 gefochtenen Schlacht bei Grunwald oder Tannenberg, wie sie in der deutschen Geschichtsschreibung genannt wird. Zu unserem besonderen Glück präsentierte eine Sonderschau Renaissancegemälde aus dem norditalienischen Brescia. Neben zwei Raffaels gab es einen Tizian und mehrere Bilder von Lorenzo Lotto zu bestaunen. Daneben Memling und einen großen Dürerzyklus aus dem Vatikan. Warschau für alle ein vielleicht etwas anstrengendes, aber auf jeden Fall schönes Erlebnis gewesen.

Donnerstag, 25. August – Sandomierz und Schloss Baranow


Um 08.30 Uhr war unsere Abfahrt nach Sandomierz, bei der uns Ewa begleitete. Größte Stadt am Weg ist das alte Radom mit seiner reichen jüdischen Geschichte. Das auf einem Steilufer der Weichsel gelegene Sandomierz gehört zu den malerischsten Städtchen in Polen. Neben dem gotischen Rathaus interessierten uns hier die Kathedrale. 25 Kilometer südwestlich liegt das Renaissanceschloss Baranow, das der Italiener Santi Gucci um 1600 für die Magnatenfamilie Leszcynski baute, die ja den vorletzten polnischen König stellte, der allerdings hochbetagt im französischen Exil endete. Am schönsten hier gefiel uns der mit Arkaden geschmückte Innenhof. In einem historisch möblierten Gewölbe wurde vor der Führung durch das Schloss ein so leckeres wie überreichlich dimensioniertes Mahl gereicht. Nach einer Suppe gab es für jeden zehn mit Fleisch gefüllte Piroggen, die nur wenige komplett schafften aufzuessen. So gestärkt ging es weiter nach Krakau, wo wir im Hotel das Abendessen einnehmen konnte. Anschließend schlenderten noch einige durch das abendlich belebte Krakau.

Freitag, 26. August – Altstadt Krakau

Um neun holte uns die charmante Stadtführerin Ewa vom Hotel ab und durch den auf der ehemaligen Wallanlage angelegten Park ging es zur Barbakane am Florianstor und hinein in die Floriansstraße. Die Deutschlehrerin spricht akzentfrei unsere Sprache und besitzt dazu ein immenses Wissen über ihre Stadt. Über den Alten Markt führte sie uns vorbei an der Dominikanerkirche mit dem gut erhaltenen gotischen Portal, dann in die Franziskanerkirche mit den Jugendstilfenstern von Wyspianski hin zum Collegium Maius, dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden historischen Universitätsgebäude. Um 11 Uhr öffnen sich die Schaufenster der historischen Uhr und heraus treten die hohen Herren der Universität, als Figuren natürlich.
Anschließend schlenderten wir zum Hauptmarkt in die Marienkirche. Vor dem Hineingehen hörten wir noch das berühmte Bläsersignal des Hejnal vom Turm, das so abrupt abbricht. In der Kirche, der Reiseleiter hatte sich schon um die Eintrittskarten gekümmert, konnten wir Platz nehmen und Ewa erzählte uns den Lebenslauf des Veit Stoss, der um 1447 in Horb am Neckar geboren wurde und 1533 in Nürnberg starb. Er war als Bildhauer und -Schnitzer vor allem in Krakau und Nürnberg als Bildhauer - Arbeiten in Holz und Stein -, Maler und Kupferstecher tätig, vor allem in Krakau (1477-96) und Nürnberg (ab 1496 bis zu seinem Tod 1533) tätig, wobei er zeitweise aus Nürnberg wegen einer Verurteilung fliehen musste. Erstmals 1477 erscheint er in den Quellen, als er nach Krakau geht, um sein erstes Hauptwerk, das Hochaltarretabel der dortigen Marienkirche (bis 1489) und weitere Werke, wie das Grabmal des polnischen Königs Kasimir IV. Jagiello in der Krakauer Kathedrale (1492) zu schaffen. Reich geworden kehrt Veit Stoß 1496 nach Nürnberg zurück, wo er steinerne und hölzerne Skulpturen fertigt. Von den Fuggern beim Erwerb einer fast ausgebeuteten Goldmine bei Breslau betrogen ist er seit 1503 in ein langwieriges Gerichtsverfahren wegen Urkundenfälschung verstrickt. Ihm werden im Dezember 1503 zur Strafe beide Backen mit einem glühenden Eisen durchstoßen und er darf die Stadt nicht ohne Genehmigung des Rates verlassen, flieht dennoch 1504 nach Münnerstadt, kehrt aber 1505 freiwillig nach Nürnberg zurück, wo er erneut verhaftet wird. Ein von Kaiser Maximilian I. 1506 ausgestellter Gnadenbrief wurde vom Rat der Stadt Nürnberg nicht berücksichtigt. Dennoch wird ihm später (1514) erlaubt, in Nürnberg eine Gießwerkstatt zu errichten, um Figuren für das Grabmal des Kaisers zu schaffen, das heute in der Hofkirche zu Innsbruck steht. Auch die Nürnberger Patrizier bestellten weiter Werke bei ihm, so den „Englischen Gruß" in der Lorenzkirche (1517/18). Sein Sohn Andreas, der im Nürnberger Karmeliterkloster als Prior amtiert, beauftragt seinen Vater, sein letztes Werk, das Hochaltarretabel der Karmeliterkirche zu schaffen, das bewusst ohne farbige Fassung bleiben sollte (1520-23). Veit Stoß verstarb 1533 wohlhabend und wurde auf dem Nürnberger St. Johannisfriedhof begraben.
Nach der Freizeit trafen sich um 16 Uhr die meisten Mitreisenden am Hotel, um mit dem Bus ins jüdische Viertel Kazimierz zu fahren. Beginnend bei der Remuhsynagoge mit dem Neuen Jüdischen Friedhof ging es weiter zur Hohen und zur Alten Synagoge. Auch dem katholischen Teil galt ein kleiner Schlenker zur gewaltigen Fronleichnamskirche. Auf dem belebten Hauptplatz von Kazimierz kehrten wir ins Klezmerhois ein, wo uns ein lecker koscheres Menu, sowie ein Musikertrio bestens unterhielt. Um neun brachte uns Busfahrer Alf wieder zum Hotel zurück.

Sonnabend, den 27. August– Der Wawel

Nach einem sehr abwechslungsreich zelebrierten Frühstück holte uns Ewa ab und gemütlich schlenderten wir duch den Park des Promenadenrings zum Wawelhügel. Er ist der südlichste Ausläufer des Krakau-Tschenstochauer Jura, eines 161-155 Millionen Jahre alten Kalksteingebirges im südlichen Zentralpolen. Das ganze Gebiet ist stark verkarstet, und die Landschaft ist von Höhlen durchzogen. Auf der am Weichselufer liegenden Seite des Wawel führt eine solche Karsthöhle von den Burgmauern oben auf dem Hügel bis zu seinem Fuß. Nach ihrer Form gaben ihr die Menschen den Namen Drachenhöhle. So erzählt die Legende, dass hier einst ein Drache gehaust habe, bis der Ritter Krak kam und den Drachen durch List überwand. An diesem Platz wurde dann die Stadt Krakau gegründet, die nach dem Ritter benannt wurde. Historisch belegt ist, dass sich seit dem frühen Mittelalter an dieser Stelle eine Burg befand. Die komplexe Bebauung zeugt von einer über 1000-jährigen Baugeschichte. Dabei finden sich Zeugnisse aus allen Stilepochen wie der Romanik, der Gotik, der Renaissance sowie des Barock. Während der Herrschaft der letzten Jagiellonen erlebte der Wawel sein Goldenes Zeitalter.
Als erstes Kunstwerk der Hochrenaissance auf dem Wawel gilt das Grabmal König Jan Olbrachts von Francesco Florentino. Nachdem das gotische Königsschloss infolge der alchemistischen Versuche besagten Königs Ende des 15. Jahrhunderts niedergebrannt war, wurde es ab 1507 von Francesco Florentino im Stil der florentinischen Renaissance wiederaufgebaut. Nach Francescos frühem Tod wurde sein Werk von Bartolomeo Berrecci, ebenfalls aus Florenz, fortgesetzt. Mit der aus Bari stammenden Bona Sforza, Angehörige des Mailand regierenden Adelsgeschlechts und Gemahlin König Sigismund des Alten, kamen weitere florentinische und mailändische Künstler an den Hof. Der polnische Architekt Benedykt Sandomierski vollendete den Umbau des Schlosses 1536, nachdem Berrecci von einem eifersüchtigen Landsmann auf dem Krakauer Marktplatz erstochen worden war.
Zu jener Zeit war der Wawel eines der prächtigsten Schlösser in Europa, die Residenz des größten Flächenstaates auf dem Kontinent und zugleich der Sitz der Jagiellonendynastie, deren Länder sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und bis zur Adria erstreckten. Die Dachziegel und Säulen sollen vergoldet gewesen sein. Die Außenwände waren mit bunten Fresken bedeckt. Im Schloss befand sich die weltweit größte Sammlung von über 300 Wandteppichen, welche in Arras aus Goldfäden gewirkt worden waren. Ein kurioses Detail ist die Dekoration der Kassettendecken im Saal der Gesandten, die aus geschnitzten und zum Teil grotesk dargestellten Ebenbildern menschlicher Köpfe besteht. Das Schloss wurde zum Vorbild Dutzender Magnatenresidenzen in ganz Mittel- und Osteuropa.
Die Sigismund-Glocke von 1520 war bis ins 20. Jahrhundert hinein die größte Glocke Polens. 1517-1533 wurde von Berecci die Sigismundkapelle erbaut, die als schönste Renaissancekapelle außerhalb Italiens gilt. In ihr liegen die letzten Jagiellonen Sigismund der Alte und Sigismund August. Mit dem Tod Sigismund Augusts 1572 begann die Zeit der Spätrenaissance und des Manierismus, die in die Regierungszeit der ersten polnischen Wahlkönige Heinrich von Valois und Stephan Báthory fiel. Die herausragenden Künstler jener Zeit auf dem Wawel waren der Italiener Santi Gucci. Bona Sforza ließ auch einen Renaissancegarten oberhalb der Ostmauer anlegen, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts rekonstruiert wurde.
Die Renaissanceblüte des Wawelschlosses endete mit dem großen Brand Ende des 16. Jahrhunderts. Zwar wurde im Dachgeschoss für den Brandfall Löschwasser bevorratet, der Brand ereignete sich jedoch im Winter, als dieses gefroren war. Nach diesem Ereignis verlegte König Sigismund Wasa 1596 seine Residenz vom Wawel in das Schloss der masowischen Fürsten zu Warschau, dem späteren Warschauer Königsschloss. Unsere Führung begann in der Kathedrale und Ewa erzählte anhand der Prunkgräber die Geschichte des polnischen Königtums. Im Königsschloss und ging es durch die Gemächer der einst so reichen Residenz. Ein besonderer Höhepunkt waren die flämischen und französischen Wandteppiche, die weltgrößte Sammlung dieser Art.
Nach der Führung holte ein Kleinbus acht Gäste ab zu einem Ausflug nach Auschwitz. Sie hatten den Besuch im größten Vernichtungslager der Nationalsozialisten gebucht und bekamen dort zunächst eine Führung im Stammlager, sowie im riesigen Vernichtungslager Birkenau. Andere Gäste trafen sich um halbsieben am Hotel mit Stadtführer Christian, um in einem nahe beim Markt liegenden Konzertsaal ein Klavierkonzert mit Werken von Chopin zu genießen. Der überwiegende Teil der Gruppe erkundete während entspannter Spaziergänge die vielen Sehenswürdigkeiten der heimlichen Hauptstadt Polens. So war auf dem Markt um die Tuchhallen ein großer Markt mit traditionellem Handwerk aufgebaut. Auf einer Bühne gaben Volkskunstgruppen aus allen Teilen Polens Proben ihres Könnens ab.

Sonntag, den 28. August – Fahrt zur schlesischen Hauptstadt Breslau

Pünktlich um neun starteten wir auf die Autobahn nach Breslau. Unterwegs gab es vom Reiseleiter eine kleine Einführung in die besondere Geschichte Schlesiens. In Breslau fuhren wir gleich in den Scheitniger Park zur Jahrhunderthalle, wo wir Fotostopp und Mittagspause einlegten. Auf dem Messegelände am Zoo befindet sich ja die berühmte Jahrhunderthalle, die, errichtet zum 100. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, selbst wiederum 2013 den 100. Geburtstag feiert. Zu diesem Anlass wurde ein neues und modernes Ausstellungszentrum eröffnet. Seit dem Bau der Kuppel des antiken Pantheons aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert hatte niemand vor Max Berg gewagt, eine Kuppel größeren Durchmessers zu bauen. Die benachbarte Messehalle von Hans Poelzig ist mittlerweile ebenfalls saniert und besticht durch ihre ägyptisierende Form.
Wir trafen uns dann beim Hotel mit dem Stadtführerin Monika und nach dem Einchecken gingen wir zur Universität, um die prachtvollen Barocksäle der alten Leopoldina anzusehen. Vorbei an den alten Fleischbänken kamen wir zur gotischen Elisabethkirche direkt mitten in der historischen Altstadt neben unserem Hotel. Mit 130 Metern hatte sie einen der höchsten Kirchtürme überhaupt, doch schon im ausgehenden Mittelalter stürzte der ein und wurde kleiner neu aufgebaut.
Als Bollwerk gegen den in Breslau praktizierten protestantischen Glauben wurde die Jesuitenanstalt von Kaiser Leopold gestiftet, quasi als katholischer Stachel im evangelischen Fleisch. Von hier spazierten wir zur Dominsel und Monika erklärte im Dom dessen Geschichte und Ausstattung, die teilweise aus anderen Kirchen stammt, weil der Dom mehrfach große Zerstörungen zu erleiden hatte, letztmalig im Zweiten Weltkrieg, wie uns erschütternd eindringliche Fotos zeigten. Weiter ging es zur Sandinsel mit der riesigen Marienkirche, in der viele gotische Altäre aus anderen Kirchen museumsgerecht aufbewahrt und präsentiert werden. Es folgten das Ossolineum, in dem ehemals die Kreuzherren residierten. Gegenüber von mehreren gotischen Kirchen gefiel die historische Markthalle.
Dann liefen wir auf den riesigen Hauptmarkt und Frau Monika erklärte die wichtigsten Gebäude, natürlich zuförderst das gotische Rathaus aus dem 13. Jahrhundert, das man zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit derb bäuerischen Figuren ergänzt hatte. Nachdem sie noch viele Tipps für kleine Besichtigungswege gegeben hatte, verabschiedete sie sich und die Gäste hatten noch Freizeit, die im belebten historischen Stadtzentrum wie im Fluge verging. Kurz vor sieben trafen wir uns bei der Gaststätte Pod Fredra, die nach dem volkstümlichen Breslauer Dichter Fredro benannt ist, dessen Denkmal direkt davor steht. Im Erdgeschoss wartete ein gemütlich ausgestatteter seperater Raum auf uns. Das Mahl war polnisch deftig, schmackhaft und überreichlich. Die meisten spülten mit Bier, ausgeschenkt im Tonkrug, das Ganze zünftig hinunter.

Montag, den 29. August – Schweidnitz und Heimfahrt

Um neun ging es auf belebter Landstraße nach Schweidnitz, wo seit dem Mittelalter das beste Bier Schlesiens gebraut und in viele Orte exportiert wurde. Am Ortsrand interssierte uns die Friedenskirche, die nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges als monumentaler Fachwerkbau für die zumeist evangelischen deutschstämmigen Schlesier errichtet wurde. Zu den Beschlüssen des Westfälischen Friedens im Jahr 1648 gehörte die Erlaubnis für die schlesischen Protestanten, drei Friedenskirchen zu bauen, nämlich in Glogau, Jauer und Schweidnitz. Allerdings musste eine Reihe von Bedingungen erfüllt werden: Steine und Ziegel waren als Baumaterial verboten, nur Holz, Lehm und Stroh durften verwendet werden. Die Kirchen mit Türmen oder Glocken zu versehen war ebenfalls nicht gestattet. Als Standorte kamen nur Plätze außerhalb der Stadtmauern in Frage und die Gebäude mussten innerhalb eines Jahres fertig gestellt werden. Die Baukosten hatten die Gemeinden zu tragen. Die Kirchen in Schweidnitz und Jauer wurden Mitte der 1650er Jahre nach Entwürfen des Breslauer Architekten und Festungsbaumeisters Albrecht von Saebisch erbaut. Die Kirche in Schweidnitz fasste ca. 7.500 Personen. Der einfache Glockenturm wurde extra errichtet, nachdem der Kaiser dies nach der Altranstädter Konvention von 1706 gestatteten mußte.
Die Kirche war eine schöne Bereicherung des Programms, die allgemein Beifall fand. Kurz vor der Grenze hatten die Gäste noch Zeit, in einem Supermarkt allerlei Einkäufe zu tätigen, bevor es endgültig heimwärts ging. Pünktlich erreichten wir die Ausstiegstellen und man verabschiedete sich von netten Mitreisenden.Das Foto stammt aus der Kathedrale von Bitonto. Dies ist die einzige sakrale Stiftung des Kaisers Friedrich II. und die Skulptur auf dem Geländer könnte ihn direkt verherrlichen.
(Foto Höhn).

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Danke für diesen Bericht - angereichert mit wunderbaren Fotos - der bereits schon einen Tag nach Reiseende im Internet zu lesen war.

Barth H. u. U.
30.08.2016