Rauschen in Ostpreussen
Reisebericht: 02.05. – 09.05.2012
Als "Badewanne der Königsberger" wurde das Ostseebad Rauschen bezeichnet - bis heute hat dieser liebevolle Beiname seine Gültigkeit nicht verloren.
Ein Reisebericht von
Carola Seidel
1. Tag – Mittwoch, 02.05.2012
Am sehr frühen Morgen treffen - noch nicht ganz ausgeschlafen, aber durch den Haustürtransfer doch bequem - die ersten Gäste in Chemnitz auf die Reiseleiterin, die uns schon per Bild auf den Reiseunterlagen sowie durch ihren persönlichen Anruf vor der Reise vertraut ist.
Nachdem wir in Wilsdruff und Dresden sowie bei Lübbenau und im Berliner Raum weitere Gäste aufgenommen haben, ist unsere kleine Gruppe komplett. Nach einer ersten gemeinsamen Kaffeepause und der Vorstellung des Fahrers und der Reiseleitung gelangen wir über die Autobahn schnell zum Grenzübergang Pomellen/Kolbaskowo und damit in unser östliches Nachbarland Polen. Kurz nach dem Grenzübertritt erhalten wir die Möglichkeit, etwas Geld zu wechseln, denn hier ist der EURO noch kein offizielles Zahlungsmittel.
Nun führt uns unser Weg über Landstraßen immer parallel zur Ostseeküste. Wir kommen zwar nicht so schnell vorwärts wie auf einer Autobahn, aber wir bekommen durch die Ortsdurchfahrten einen sehr guten Einblick in das heutige Polen. Dabei sind auch viele Informationen durch die Reiseleitung zu den durchfahrenen Orten sowie zu Land und Leuten sehr hilfreich. Einiges erstaunt uns regelrecht, z. B. wie sauber es in den Städten und Dörfern ist.
So erreichen wir gut informiert - mit zahlreichen Pausen etwa aller 2 Stunden - nach 788 km Fahrt gegen 18.00 Uhr unser Hotel „Posejdon“ im Danziger Stadtteil Glettkau (Jelitkowo), einem ehemaligen Fischerdorf und heute beliebten Ostseebad. Nach dem Abendessen nutzen einige Gäste, die noch nicht zu müde sind, die Möglichkeit zu einem Spaziergang am nahegelegenen Ostseestrand. Mit vielen neuen Eindrücken fallen wir in süße Träume.
2. Tag – Donnerstag, 03.05.2012
Ausgeruht und gut gestärkt vom Frühstücksbufett starten wir um 8.15 Uhr gemeinsam mit unserer Stadtführerin Hildegarda Richtung Zentrum. Wir staunen über die vielen Fahnen an den Häusern - schnell werden wir „aufgeklärt“, denn heute ist Nationalfeiertag in Polen, Tag der Verfassung. Auf der Fahrt ins Stadtzentrum erfahren wir schon viel Neues zu Danzig - als einstiger Hauptstadt Westpreußens, später dann Freistadt und heute Hauptstadt der Wojewodschaft Pommern. Dann geht es zu Fuß weiter - die Innenstadt lässt sich nur auf diese Art und Weise erkunden. Bei der 1 ½ stündigen Führung überzeugen wir uns von dem Können polnischer Restauratoren - besonders deutlich wird die Leistung, wenn man die im Goldenen Tor angebrachten Bilder betrachtet, die die Danziger Innenstadt nach den Zerstörungen im Jahr 1945 zeigen. Unsere Führung beginnt auf der Grünen Brücke. Hier hat man einen wunderbaren Blick durch das Grüne Tor zum Langen Markt sowie am Ufer der Mottlau entlang bis zum Krantor. Letzteren Weg beschreiten wir zuerst und gelangen zum Krantor. Von dort geht es weiter vorbei an der Heiliggeistgasse bis zur wohl schönsten und bekanntesten Gasse Danzigs, der Frauengasse. Diese Gasse wurde komplett im alten Stil wieder aufgebaut - als Beweis dafür kann sicher die Tatsache gelten, dass zahlreiche Aufnahmen für den Film „Die Buddenbrooks“ hier gemacht wurden. Die Gasse endet an der Marienkirche, eine der größten Backsteinkirchen der Welt, in die wir einen kurzen Blick werfen. Weiter führt unser Weg durch die Biergasse zum Zeughaus und weiter zum Goldenen Tor. Schließlich beschreiten wir den Königsweg - die Langgasse entlang vorbei am Uphagenhaus bis zum Rathaus. Hier können wir - am besten von einem Beischlag aus - auch den Artushof, den Neptunbrunnen und das Goldene Haus, den Langen Markt und das Grüne Tor sehr gut sehen. Sehr interessant ist auch der Einblick in das Innere der Gebäude: was von außen wie zahlreiche schmale Häuser aussieht, entpuppt sich im Inneren als ein großes Gebäude, in dem sich heute Büroräume befinden.
In der kleinen Pause erfahren interessierte Gäste noch einiges Wissenswertes zum Thema Bernstein (das uns in den nächsten Tagen fast auf Schritt und Tritt begleiten wird), andere erstehen ein paar kleine Souvenirs. Dann verabschiedet sich unsere Hildegarda, die ihre Ausführungen immer wieder durch heitere Episoden ergänzt hat und uns so ihre Heimatstadt richtig nahebringen konnte.
Wir setzen unsere Reise gegen 11.00 Uhr fort, erreichen nach etwa 1 ½ Stunden bei Elbing (Elblag) die ehemalige Reichsstraße 1 und nach einer weiteren knappen Stunde Fahrzeit den Grenzübergang Rehfeld (Grzechotki). Hier erwartet uns eine intensive, aber keinesfalls schikanöse Kontrolle. An eine gemeinsame Kontrollarbeit der beteiligten Staaten ist hier noch lange nicht zu denken. Zunächst werden die Pässe durch die polnischen Grenzbeamten eingesammelt, geprüft (schließlich verlassen wir die Europäische Union!) und dann wieder an alle Gäste ausgegeben. Fahrer und Reiseleiter „verschwinden“ für geraume Zeit im Abfertigungsgebäude - sage und schreibe 45 Minuten benötigen die Beamten, um die Daten für den Bus und die mitgeführte Kraftstoffmenge im Computer zu erfassen! Dann geht es weiter - wir verlassen die polnische und erreichen die russische Grenzabfertigung. Hier wird als allererstes geprüft, ob auch jeder Gast und auch das Personal ein gültiges Visum besitzt. Sorgen müssen wir uns keine machen, schließlich ist das Visum für alle Reiseteilnehmer durch Eberhardt Travel besorgt und nach Erteilung gründlich geprüft worden. Jede Person im Bus erhält nun eine Migrationskarte - ein hochtrabender Begriff für ein kleines Zettelchen mit noch viel kleineren Kästchen, das nichts anderes ist als eine Zählkarte. Gemeinsam füllen wir das Formular in doppelter Ausfertigung aus - und dann dürfen wir endlich zur eigentlichen russischen Grenzkontrolle schreiten. Das darf man im wörtlichen Sinne verstehen, denn alle müssen aus dem Bus aussteigen. Einer nach dem anderen tritt vor das Fenster, wird genauestens angeschaut, Pass und Visum werden eingescannt, bevor der Pass und ein Teil der Migrationskarte wieder ausgehändigt werden. Während die Gäste noch brav in der Schlange warten, kümmert sich unser Fahrer um die Zollkontrolle und um die Abfertigung des Busses - auch dies ist eine Wissenschaft für sich …Aber auch das meistern wir, haben alle notwendigen Stempelchen zusammen, stellen unsere Uhren um eine Stunde vor (denn alle Zeitangaben werden in der Ortszeit angegeben) und verlassen gegen 16.00 Uhr die Grenzabfertigung.
Sofort merken wir: das ist hier eine andere Welt als in Polen. Einst als Kornkammer Deutschlands bekannt, liegen heute fast alle Felder an der Strecke Richtung Königsberg (Kaliningrad) brach und sind zum großen Teil total verwildert. Wir lassen dieses Bild für einige Minuten kommentarlos auf uns wirken. Dann hören wir allerhand Fakten zum Königsberger Gebiet (Kaliningradskaja Oblast) heute und interessante Aspekte zur Entwicklung in deutschen Zeiten und nach dem 2. Weltkrieg. Über die Königsberger Ringchaussee gelangen wir auf die Zufahrtstraße Richtung Ostsee, legen nochmals ein kleines Päuschen am Waldrand ein und erreichen schließlich gegen 18.30 Uhr unser Hotel „Universal“ in Rauschen (Swetlogorsk). 227 km haben wir heute mit dem Bus zurückgelegt, aber unsere Eindrücke sind so vielschichtig, dass man das kaum beschreiben kann.
Nach dem Abendessen unternehmen wir gemeinsam einen ersten Bummel durch den Kurort, der uns die Orientierung für die nächsten Tage erleichtern wird. Wir sehen das Wahrzeichen der Stadt, den alten Wasserturm, und den Kurpark, wissen anschließend um die Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants Bescheid und fühlen uns für die kommenden Tage gut gewappnet.
3. Tag – Freitag, 04.05.2012
Um 9.00 Uhr wollen wir Richtung Königsberg (Kaliningrad) starten, um die einstige Hauptstadt Ostpreußens und das heutige Zentrum des gleichnamigen Oblast kennenzulernen. Unser örtlicher Reiseleiter Shenja (oder korrekt: Jewgenij Snegowski, hört aber auch auf den deutschen Namen Eugen) ist pünktlich zur Stelle - und wird gleich von einigen Gästen in Beschlag genommen und nach einigen konkreten Straßen und Plätzen gefragt. Der Start nach Königsberg verzögert sich dadurch um ein paar Minuten, aber das ist kein Problem.
Auf dem Weg Richtung Königsberg (Kaliningrad) erfahren wir viel Interessantes zunächst über das Kaliningrader Gebiet sowie aktuelle politische Entwicklungen. Diese Informationen mit viel Hintergrund aus dem Munde eines Einheimischen zu hören ist etwas ganz anderes als die täglichen Nachrichten in den Medien! Plötzlich landen wir in einer Sackgasse - der Neubau der Autobahn unter Einbeziehung von Teilen der alten Straße kann aber auch verwirren. Beruhigend ist diese kleine Irrfahrt nur für eine - die Eberhardt-Reiseleiterin. Die hatte am Vortag bei der Anreise auch kurzzeitig so ihre Zweifel, ob wir noch auf dem richtigen Kurs waren (vielleicht haben die Gäste ja gar nicht gemerkt?) - und das nach fast 20 Jahren Erfahrung in dieser Region! Nun ist es beruhigend, dass das auch einem Ortsansässigen passiert.
In Königsberg (Kaliningrad) angekommen, müssen wir feststellen, dass es das Wetterchen nicht so gut mit uns meint. Temperaturen zwischen 10 und 12 °C (sie werden auch am Nachmittag nicht über 15 °C steigen!) und immer wieder Regenschauer machen uns das Leben nicht leicht. Aber wir sind hart im Nehmen und vor allem auf die Witterung eingestellt, so dass wir die Stadtführung genießen können. Schon bald merken wir: das alte Königsberg existiert nicht mehr. Aber zahlreiche Punkte erinnern noch an die deutsche Vergangenheit, für die sich vor allem die jüngere Generation Kaliningrads sehr stark interessiert - denn bis zur Perestrojka gab es im Kaliningrader Gebiet keine Geschichte zwischen Adam und Potsdam (wie einige Reiseleiter das Totschweigen der Geschichte gern beschreiben).
Wir sehen den früheren Hansaplatz, heute Platz des Sieges - hier ist nicht nur der Name typisch russsisch, sondern die gesamte Gestaltung. Blickfang ist die russisch-orthodoxe Kathedrale, deren goldene Kuppeln selbst bei dieser Witterung weithin leuchten. Der einstige Eingang zur Königsberger Ostmesse ist verschwunden, und auch der frühere Eingang zum Nordbahnhof ist nur noch in Ansätzen zu erkennen (obwohl sich der Nordbahnhof mit den Bahnverbindungen an die Küste nach wie vor dort befindet). Vertrauter dagegen sind einige Gebäude rund um den Platz: das Polizeipräsidium (immer in der selben Funktion), die Gebäude des Gerichts (heute Hochschule bzw. Universität) mit der bekannten Skulptur der kämpfenden Wisente sowie das Stadthaus (auch heute noch Stadtverwaltung).
Als Zeichen der Zuwendung zur deutschen Vergangenheit gilt sicherlich der wiederaufgebaute Dom, den wir ausführlich besichtigen. Die Dominsel (= Kneiphof) war einst ein dicht bebautes Siedlungsgebiet, heute ist es eine gepflegte Grünanlage. Das Grabmal von Immanuel Kant, das sich direkt am Dom befindet, wurde und wird von den Russen immer sehr gepflegt - und war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass der Domruine nicht dasselbe Schicksal widerfuhr wie dem Schloss, die Sprengung. Seit den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts baute man den Dom mithilfe zahlreicher Spenden vor allen Dingen aus Deutschland, aber auch aus dem Kaliningrader Gebiet wieder auf. Heute beherbergt der Dom neben der orthodoxen und der evangelischen Kapelle ein äußerst interessantes Museum zum Leben und Wirken Immanuel Kants im Turm auf mehrere Etagen verteilt. Das Hauptschiff (ebenfalls saniert und mit einer neuen Orgel ausgestattet) darf man leider nicht besichtigen, es wird nur zu Konzerten geöffnet - schade.
Ein weiterer kleiner Rundgang führt uns zum Paradeplatz. Hier steht das neue Gebäude der Kaliningrader Universität, die übrigens den Namen Immanuel Kants trägt. Der Namensgeber blickt von seinem Sockel auf das Universitätsgebäude - und wir erfahren die interessante Geschichte. Das ursprünglich von Christian Daniel Rauch geschaffene Denkmal ist seit den letzten Kriegstagen verschollen, möglicherweise eingeschmolzen wie viele andere Denkmale auch. 1992 wurde dann die heute dort stehende Kopie aufgestellt - auf Initiative und finanziell abgesichert durch Marion Gräfin von Dönhoff, geboren und aufgewachsen auf Schloss Friedrichstein in der Nähe Königsbergs.
Nachdem wir dann auch den Kaliningrader Südbahnhof (einst Hauptbahnhof von Königsberg), einige der früheren Stadttore, das Kaliningrader Dramentheater (Schauspielhaus), den Zoo (Königsberger Tiergarten), Stadtviertel wie Hufen und Amalienau mit zahlreichen alten und teilweise wunderschön restaurierten Villen, den Hafen und noch so vieles mehr gesehen haben, kehren wir wieder in unser Hotel nach Rauschen zurück. 115 km zeigt der Kilometerzähler heute für den Bus an. Um all die Eindrücke unserer heutigen Stadtführung zu verarbeiten, werden wir einige Zeit benötigen.
4. Tag – Samstag, 05.05.2012
Individuelle Unternehmungen stehen für den heutigen Tag auf dem Programm. Das bedeutet, dass unsere Gruppe sich trennt und die Gäste sehr verschiedene Ziele ansteuern. Einige nutzen die Möglichkeit, mit dem Taxi in die Dörfer zu fahren und dort auf den Spuren der Vergangenheit zu wandeln. Da die Autos durch die Reiseleitung organisiert wurden, kann man sicher sein, dass der Fahrer zumindest etwas deutsch spricht und alles dafür tun wird, damit die Gäste möglichst viele ihrer angesteuerten Ziele auffinden und so Erinnerungen aus den Kindertagen oder Erzählungen der Vorfahren nachvollziehen können. Das klingt so selbstverständlich, ist aber mitunter recht schwierig, da manche Dörfer einfach nicht mehr existieren und bestenfalls inmitten hohen Strauchwerks die Relikte aus der Vergangenheit zu finden sind.
Einige Gäste möchten sich am heutigen Tag einfach mal ein bisschen bewegen und wandern individuell an der Ostseeküste entlang, andere wiederum vertiefen in Königsberg ihre Eindrücke vom Vortag. Ein Teil der Gruppe fährt gemeinsam mit der Reiseleiterin per Zug nach Cranz (Selenogradsk), dem einst so mondänen Badeort an der Ostsee. Heute steht Cranz im Schatten des Kurortes Rauschen - diese Information der Reiseleiterin sehen wir schnell bestätigt. Der Bummel durch die Kurstadt und vor allen Dingen über den Markt gibt uns einen Einblick in das bunte Alltagsleben der Russen. Dann steuern wir den Strand an. Bei Temperaturen von maximal 15 °C und einer (typischen) kräftigen Brise vom Meer schließen wir unsere Jacken bis obenhin. Einige lassen es sich dennoch nicht nehmen, wenigstens mit den Füßen ein Bad in der Ostsee zu nehmen - wie mutig!!! Dann trennt sich auch hier die Gruppe: einige wandern noch weiter am Strand entlang, die anderen ziehen es vor, die Ostseewellen hinter der schützenden Scheibe eines Gasthauses zu beobachten und dabei eine Kleinigkeit zu essen. Auf der Rückfahrt nach Rauschen per Linienbus treffen sich alle wieder, die am Morgen gemeinsam nach Cranz gefahren waren. In Rauschen erwartet uns noch ein kurzer Fußweg zum Hotel - und dann bleibt noch genügend Zeit, in Rauschen noch einen Spaziergang zu unternehmen oder einen Kaffee zu trinken. Beim Abendessen im Hotel gibt es dann einen regen Austausch über die doch sehr unterschiedlichen Erlebnisse und Erfahrungen des Tages.
5. Tag – Sonntag, 06.05.2012
Die Kurische Nehrung ist unser heutiges Tagesziel: Sie ist „so merkwürdig, dass man sie eigentlich eben so als Spanien und Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll. Was verbirgt sich hinter diesen Worten, die Wilhelm von Humboldt 1809 an seine Frau schrieb? Wir werden es heute erfahren. Über Pobethen (Romanowo) gelangen wir an den Stadtrand von Cranz (Selenogradsk). Die Stadt können wir leider aufgrund von Baustellen nicht durchfahren - gut, dass einige Gäste am gestrigen Tag schon dort waren.
Auf der Nehrung erreichen wir zunächst das Fischerdorf Sarkau (Lesnoje), bekannt durch die Sarkauer Flundern und durch die „Krähenbeißer“. Nur wenige Kilometer weiter legen wir unseren ersten Stopp ein: hier hat man das Nehrungsmuseum eingerichtet. Dort erhalten wir einen ersten Überblick über die Nehrung, erfahren viel zur Entstehung der Nehrung, zu den Ursachen der wandernden Dünen, zu den verschütteten Dörfern und den Bemühungen zur Befestigung der Dünen durch Franz Epha. Auch zu Flora und Fauna sowie zum Leben auf der Nehrung gibt es interessante Ausstellungsstücke. Nun haben wir eine gute Vorstellung davon, was die Nehrung war und ist - und das möchten wir in den nächsten Stunden in der Natur erleben. Noch ein kurzer Blick über das Haff - und dann geht es weiter Richtung Norden.
Nach nur wenigen Minuten Fahrzeit erreichen wir die Fangstation der Vogelwarte Rossitten. Bei der Führung erfahren wir, warum gerade hier die 1. Vogelwarte der Welt entstanden ist und welche Rolle der Thüringer Johannes Thienemann dabei spielte. Wir sehen die riesengroßen Fangnetze und staunen, mit welch simplen Tricks man die Vögelchen teilweise anlockt. Dann wird uns der gesamte Vorgang der Registrierung und Beringung gezeigt - und schließlich sind alle froh, als der beringte Vogel unversehrt in die Freiheit entlassen wird. Wir hören auch von den (finanziellen) Schwierigkeiten und der mangelnden Unterstützung durch die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, der die ornithologische Station unterstellt ist, aber auch von der guten Zusammenarbeit mit der deutschen Vogelwarte Radolfzell am Bodensee. Mit unserem Besuch und dem Kauf einiger kleiner Andenken wie Kugelschreiber, T-Shirt oder bemalten Steinen leisten wir unseren Beitrag dazu, dass die Vogelwarte auch in den kommenden Jahren ihre Arbeit fortführen kann.
Vom Ort Rossitten (Rybatschij) trennen uns nur wenige Kilometer. Hier werden wir unseren Hunger stillen - wer es authentisch liebt, stärkt sich mit geräuchertem Fisch an einem kleinen Imbiss (Brot dazu besorgt unsere Reiseleiterin aus dem nahegelegenen Tante-Emma-Laden - auch am Sonntag!). Für alle anderen gibt es Würstchen oder Suppe aus der „Buskantine“.
Nun haben wir die Kraft, wieder mal ein paar Schritte zu laufen und die Dünen zu erklimmen - natürlich nur auf den zugelassenen Wegen. Schließlich möchten wir die jahrelange Arbeit des Düneninspektors Franz Epha und seiner vielen Mitarbeiter nicht durch unüberlegte Aktivitäten zunichtemachen. Zunächst fahren wir jedoch in den Ort Pillkoppen (Morskoje), der aufgrund der Verschüttungen bereits der 3. Ort gleichen Namens ist, und spazieren ein Stück am Haffufer entlang. Anschließend fahren wir zur Epha-Höhe. Der ausgewiesene und befestigte Weg auf die Düne ist für alle gut zu meistern. Dass sich dennoch nicht alle den Weg machen, liegt an der Witterung - seit den Mittagsstunden schickt uns der Himmel Regen und später gar Gewitter. Die Unerschrockenen jedoch werden mit fantastischen Blicken auf Haff und Ostsee und auf die zauberhafte Dünenlandschaft sowie auf den Ort Pillkoppen belohnt. Auch einen Spaziergang zur Ostseeseite nehmen einige noch in Angriff - zum Baden lädt das Wetter heute allerdings nicht ein. Schade, denn der Strand ist einmalig schön, feiner breiter Sandstrand! Nach einer kurzen Kaffeepause nehmen wir die Rückfahrt in Angriff und erreichen nach 162 km Tagespensum wieder unser Hotel in Rauschen.
6. Tag – Montag, 07.05.2012
Unser erstes Ziel für den heutigen Tag ist die alte Marinestadt Pillau (Baltijsk), bis zum heutigen Tag der westliche Vorposten der russischen Baltischen Flotte. Noch bis vor wenigen Jahren war die Stadt absolutes Sperrgebiet, nach und nach wurden dann die Bestimmungen erleichtert - heute benötigen nur noch die Ausländer eine besondere Genehmigung, um diese Stadt besuchen zu dürfen. Diese in den Unterlagen, erreichen wir nach einer Stunde Fahrzeit Fischhausen (Primorsk) und kurz darauf die Einfahrt in die Marinestadt Pillau. Eine Kontrolle bei der Einfahrt (wie in den vergangenen Jahren) gibt es nicht mehr. Wir können ungehindert einfahren und während unseres Aufenthaltes fotografieren wie überall. Vorbei an der Siedlung Neuhäuser (die heute zur Stadt Pillau gehört) gelangen wir ins Zentrum der Stadt. Wir verlassen für etwa 1 ½ Stunden den Bus und begeben uns zu Fuß auf Erkundungstour. Wir beginnen am Hafen. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl zu wissen, dass man an der Stelle steht, wo einst unzählige Frauen mit ihren Kindern in der Hoffnung warteten, einen der begehrten Plätze auf den Flüchtlingsschiffen zu ergattern. Daran erinnert heute nichts mehr. Stattdessen sieht man zahlreiche Militärschiffe, den mehr als 100 Jahre alten Leuchtturm sowie das Denkmal für Peter den Großen. Auch die Reformierte Kirche (heute russisch-orthodox) sowie natürlich die Zitadelle, alte Befestigungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert, bekommen wir noch zu Gesicht, bevor wir zur Nordmole fahren. Hier gilt unsere besondere Aufmerksamkeit der Kriegsgräberstätte, die im August 2000 eingeweiht wurde und mittlerweile eine der größten Anlagen ihrer Art ist. Stark beeindruckt sind wir von den Stelen mit tausenden von Namen - und hinter jedem Namen steht ein persönliches Schicksal. Wir gedenken in Stille und legen unsere Blumen nieder.
Später statten wir auch dem Strand noch einen kurzen Besuch ab. Auch wenn´s zum Baden zu kalt ist (das Thermometer hat es kaum in den zweistelligen Bereich geschafft) - wir werden vom Bernsteinfieber gepackt! Und damit sind auch die Brücken zu unserem nächsten Ziel am heutigen Tage geschlagen. Am zeitigen Nachmittag verlassen wir die Marinestadt und erreichen nach einer knappen Stunde Fahrzeit den Ort Palmnicken, heute Jantarnij, was übersetzt so viel wie Bernsteinort bedeutet. In der Tat befindet sich hier das weltweit größte Bernsteinvorkommen, aus dem im Tagebau der wertvolle Rohstoff gewonnen wird - allerdings nicht heute, denn aufgrund der Feiertage arbeitet man diese Woche in vielen Bereichen nicht. Viel interessanter als der heutige Tagebau ist ohnehin das ehemalige Abbaugebiet, das man rekultiviert und als Naherholungsbereich attraktiv eingerichtet hat. Auch im Zentrum des Ortes tut sich in letzter Zeit allerhand: neue Hotels sind entstanden, der zentrale Platz wurde grundlegend rekonstruiert und mit liebevollen Details ausgestattet. Im Museum werden wir dann wieder ein Stück in die Geschichte zurückversetzt - zahlreiche Einzelstücke lassen eine Vorstellung über das frühere Leben in Ostpreußen entstehen.
Nach 113 gefahrenen km kehren wir heute einmal etwas zeitiger als die übrigen Tage nach Rauschen zurück - Gelegenheit, die letzten Souvenirs zu erstehen und die Rubelchen auszugeben. Nach dem Abendessen erwartet uns jedoch noch etwas Besonderes: auf unseren Wunsch haben die Reiseleiter noch eine Musikkapelle organisiert, die uns Liedgut verschiedener Genre in hervorragender Qualität präsentiert - ein toller Abschluss unseres Aufenthaltes im Kaliningrader Gebiet!
7. Tag – Dienstag, 08.05.2012
Zeit des Abschiednehmens ist gekommen. Nach dem Frühstück starten wir von unserem Hotel, Abschied von Rauschen und nach etwa 2 Stunden Abschied vom Kaliningrader Gebiet. Viel haben wir in den vergangenen Tagen gesehen und erlebt, das lassen wir während der Grenzabfertigung Revue passieren. Wie vorhergesagt geht die Abfertigung auf dem Rückweg schneller, nach reichlich einer Stunde sind alle Formalitäten erledigt. Und da auch das Wetter besser, sprich wärmer geworden ist, nehmen wir nicht die schnellste Strecke Richtung Thorn (Torun), sondern die interessantere. Unseren ersten Stopp auf polnischem Boden legen wir in Frauenburg (Frombork) ein. Obwohl das Städtchen zum Kriegsende ebenfalls sehr stark zerstört war, hat es heute einiges zu bieten: der Kathedralhügel wurde vom Krieg verschont und bietet ein wunderbares Bild - am besten vom Wasserturm aus, den einige erklimmen, belohnt mit einem herrlichen Blick auf die Kathedrale einerseits und über das Haff andererseits. Nachdenklich stimmt der Gedenkstein, der in deutscher und polnischer Sprache an die 450.000 ostpreußischen Flüchtlinge erinnert, die im bitterkalten Winter 1944/45 über das Haff geflüchtet sind. Nach einem reichlich einstündigen Aufenthalt setzen wir unsere Fahrt fort, passieren die Stadt Elbing (Elblag) und machen einen weiteren kleinen Abstecher - zum Oberlandkanal. Wer hat schon einmal Schiffe bergauf und bergab über Land fahren sehen? Hier ist das möglich. Heute sind der Kanal und vor allen Dingen die geneigten Ebenen eine reine Touristenattraktion. Zur Zeit seiner Entstehung (Mitte 19. Jahrhundert) erfüllte dieses technische Meisterwerk jedoch seine Aufgabe als äußerst wichtige Wasserstraße für den Warentransport - Georg Steenke sei Dank! Alle technischen Einrichtungen (mit Ausnahme der Seile, die wurden aus Sicherheitsgründen ausgetauscht) stammen noch aus der Erbauerzeit, werden gehegt und gepflegt und sind bis heute voll funktionsfähig! Stark beindruckt von diesem Aufenthalt nehmen wir den Rest unserer heutigen Tagesetappe in Angriff. Nach insgesamt 391 km erreichen wir gegen 18.30 Uhr unser Hotel in Thorn (Torun).
8. – Mittwoch, 09.05.2012
Eine letzte gemeinsame Unternehmung während unserer Reise erwartet uns nach dem Frühstück: die Stadtbesichtigung von Thorn. Wie so oft ist auch diese Altstadt nur zu Fuß zu erkunden - nach der etwa 1 ½-stündigen Führung können wir feststellen, dass die Altstadt zu Recht seit 15 Jahren auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes verzeichnet ist. Fast die gesamte Innenstadt stammt aus dem Mittelalter. Wir sehen viele historische Bauwerke wie das (wahrscheinliche) Geburtshaus von Nikolaus Kopernikus, Marien- und Johanneskirche, den Schiefen Turm, zahlreiche Wohnhäuser und Speicher, das Rathaus, den Artushof und einiges mehr. Interessant auch die kleinen Geschichten und Anekdoten, die unsere Stadtführerin zu vielen Ecken zu erzählen weiß. Dazu gehört auf jeden Fall auch die Geschichte zur Entstehung der Thorner Katharinchen, ein Lebkuchengebäck, das zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Damit (und mit anderen kulinarischen Andenken) „bewaffnen“ wir uns noch nach der Stadtführung, bevor wir unsere Rückreise nach Deutschland antreten. Diese führt uns zunächst über Landstraßen und später über die Autobahn. In Frankfurt/Oder erreichen wir wieder deutschen Boden unter den Rädern, und bereits eine Stunde später verlassen uns die ersten Gäste, die von ihren Transferfahrzeugen zur Fahrt bis an die Haustür bereits erwartet werden. Dies wiederholt sich noch einige Male bis Chemnitz, wo sich nach etwa 600 km Tagestour die letzten Gäste von Fahrer und Reiseleiterin verabschieden. Eine ereignisreiche Woche geht zu Ende, das Erlebte wird noch einige Zeit in uns nachwirken!.