Reisebericht: Rundreise Türkei – geheimnisvolles Morgenland

15.10. – 30.10.2011, 16 Tage Rundreise mit Ankara – Hattuscha – Trabzon – Sumela Kloster – Ani – Berg Ararat – Van See mit Akdamar – Nemrud Dag – Atatürk–Staudamm – Göbekli Tepe – Sanliurfa – Kappadokien


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16-tägige Rundreise mit den Höhepunkten Ankara, Hattuscha, Trabzon, Berg Ararat, Van See, Nemrud Dag und Kappadokien
Ein Reisebericht von
Dr. Jutta Petzold-Herrmann
Dr. Jutta Petzold-Herrmann

Reisebericht

15.10., 1. Tag, Anreise nach Ankara
 
Es war schon dunkel und etwas herbstlich kühl, als unsere Reisegruppe nach pünktlichem Start in Berlin-Tegel und Umstieg in Istanbul auf dem Flughafen in An­kara eintraf. Hakan, der türkische Reiseleiter, erwartete uns schon am Ausgang des
Inlandflughafens  und nachdem auch der Bus in Startposition gebracht worden war, konnte die Fahrt zur Stadt und zum Hotel beginnen. Zunächst sahen wir nur eine weite, von Bergen umrahmte baumlose Ebene, aus der aber schnell moderne Stadt­viertel mit einem überwiegenden Anteil an Hochhäusern herauswuchsen.
Ankara liegt ca. 900 m ü.d.M. und befindet sich im Übergangsbereich von Zentralanatolien und Südpontus, das kontinentale Klima zeigt schon im Oktober seine kalten Schattenseiten.
Direkt im Stadtzentrum, in der Nähe des ersten Regierungsgebäudes der Atatürk-Regierung von 1923 und gegenüber der Nationalbank,  bezogen wir unsere Zimmer im Hotel Almer.
 
16.10., 2. Tag, Museum für Anatolische Zivilisationen, Atatürk - Mausoleum,
 
Nur wenig Zeit blieb in Vorbereitung des Museumsbesuches, um den Gästen die bedeutendsten Epochen und Exponate vorab zu nennen und sie auf den Rundgang einzustimmen. Dazu wurden auch die Karten der Türkei mit den wichtigsten Grabungen und Fundorten genutzt, die rechts und links des Museumseinganges zu finden sind. Durch eine aktuelle umfassende Rekonstruktion des Museums­komplexes, der sich in einem alten Basar befindet, waren einige Abteilungen nicht zugänglich. Trotzdem sahen wir wichtige Objekte wie hetitischen Schmuck, Reliefs mit Kampfdarstellungen, die bedeutende Wächterfigur vom Königstor in Hattuscha,
und Plastiken aus dem assyrischen Handelsraum.
Anschließend stiegen wir auf die sich an das Museum anschließende Festung - auch hier wieder sehr viele Bauarbeiten und Rekonstruktionen, vor allem bei den typischen alttürkischen Holzhäusern mit geschlossenen Balkonen, die in der Festung einen kleinen Markt bilden.
Die Aussicht vom höchsten Mauerring der Festung auf die Stadt ist beeindruckend, man sieht deutlich, wie sich ein Bebauungsring um den anderen um die Festung legte und sich dann zur Stadt bildet. Ursprünglich um 1920 eine Kleinstadt mit ca. 25.000 Einwohner, leben heute mehr als 5 Mio. Einwohner in Ankara.
Das Atatürkmausoleum, unsere nächste Besichtigungsstätte, liegt südwestlich des Stadtzentrums und ist von der Festung aus gut zu sehen. Es wurde in den Jahren 1944 -1953 von dem Architekten Emin Onat, einem Schüler von Paul Bonatz (Stuttgarter Hauptbahnhof!!), errichtet. Am Beginn der Ehrenstraße, die von nachgebildeten hethitischen Löwen gesäumt wird, stehen die Türme der „Freiheit“,
„Gerechtigkeit“, der „Unabhängigkeit“ und Turm der „Verteidigung der nationalen Rechte“. Im Innenhof, an der östlichen Seite, erhebt sich das gewaltige Mausoleum mit je 10 Pfeilern an den Längs- und 14 an der Frontseite. Im Inneren der Festhalle steht der Marmorsarkophag, gestaltet von deutschen Künstler Bruno Taut.
Die großen Seitenflügel beinhalten Dokumente von und über Atatürk und seine Kampfgenossen, persönliche Unterlagen, Kleidung bis zum ausgestopften Hund.
Nach der Besichtigung erlebten wir noch die Wachablösung im Ehrenhof.
 
Der Tag wurde mit einer Rundfahrt durch das Regierungsviertel beendet, an dessen Errichtung und Konzeption sich in den dreißiger und vierziger Jahren viele deutsche Architekten, auch beratend, beteiligten.
Die Zeit zum Bummeln durch die alten Stadtviertel ermöglichte schon den Kauf kleiner Geschenke.
 
17.10., 3. Tag, Hattuscha und Amasya
 
Nach einer etwa zweistündigen Fahrt, bei der wir mehrfach den Fluss Kizilirmak überquerten, gelangten wir in Hattuscha an, der Hauptstadt einer der bedeutendsten Hochkulturen Kleinasiens, die sich um 3000 v.Chr. hier niederließ, einen Staat ausbaute,  der seine größte Ausdehnung bis weit nach Mittel- und Südanatolien hatte. Das spätere Großreich wurde von Ägypten, den Assyrern und Babyloniern als gleichberechtigt anerkannt, was das berühmte Tontafel-Archiv auf der Hohen Königsburg den Kennern der Sprache verriet. Seit 1905 bis in die unmittelbare Gegenwart wird dieses archäologische Großprojekt auch vom DAI (Deutsches Archäologisches Institut) unterstützt. Um 1200 v.Chr. verschwand das Reich der Hethiter plötzlich, wahrscheinlich wurde es von den Seevölkern zerstört.
 
Wir besichtigten die Poterne, die Tore und die Tempelreste, von denen anzunehmen ist, dass sich die Bauten kongenial in die Landschaft einfügten, sogar Felsen wurden mit in die Quartiere einbezogen. Viele Rätsel sind aber bis heute noch nicht gelöst.
In Yazilikaya bewunderten wir die in den Felsen als Relief eingemeißelten Priester- und Götterprozessionen, die sich jährlich zur Frühlingszeremonie zusammenfanden.
 
Nach einer anschließenden Fahrt von drei Stunden erreichten wir die malerische Stadt Amasya am Yesilirmak, die sich durch ein altes Stadtzentrum mit gut rekon­struierten Häuserensembles auszeichnet. Über den kleinen Straßen und Gassen am Flussbett erheben sich Felsen, in die vor mehr als zweitausend Jahren Felsgräber für pontische Könige gehauen wurden. Heute sind sie gegen Abend zusammen mit der Zitadelle erleuchtet. Von unserem Hotel, das sich gegenüber der Zitadelle befand, hatten wir einen imposanten Blick auf die Festung, sahen aber das Tal wegen der starken Nebelströme vom Schwarzen Meer nicht.
 
18.10., 4. Tag, Trabzon
 
Die Fahrt führte uns über Samson zum Schwarzen Meer, das wie üblich in Regen­wolken ertrank, weil sich nach einem kurzen Küstenstreifen der Pontus bis in Höhen von 2500 m erheben kann und alle Wolken abregnen lässt. Vorbei an endlosen Haselnussfeldern und Dörfern mit gelegentlichen Teefeldern gelangten wir in Trabzon an und besichtigten die Hagia Sophia. Hier hatten sich schon einige Jahre (1189) vor der lateinischen Invasion in Konstantinopel Abkömmlinge des byzanti­nischen Kaiserhauses wie Alexios Komnenos V. unter den Schutz der georgischen Prinzessin Thamar begeben und ein kleines Königreich gegründet. Es wurde erst 1460/61 durch die Osmanen vernichtet.
Die Kirche ist ein bauliches Kleinod, als Kreuzkuppelkirche mit drei Längs- und einem Querschiff trägt sie Fresken von besonderer Schönheit, so mit einer fein abgestimmten Farbigkeit und einem Realismus in der Darstellung, wie er anderswo noch nicht üblich war.
Die quirlige, verwinkelte Stadt bot für uns viele Erlebnisse, vor allem aber für diejenigen Gäste, die sich mit zum Kupfermarkt durchschlugen. In dem speziellen Viertel gibt es eine Vielzahl von Kupferläden, die Produktion wird oftmals auf der Straße vorgenommen und die Auswahl an blitzenden und blinkenden Gerätschaften ist unüberschaubar.
Im Hotel angekommen, war doch etwas Ruhe nötig, vor allem für unseren Fahrer, der das Meisterstück vollbrachte, in die Parklücke am Hotel zu fahren.
 
19.10., 5. Tag, Kloster Sumela, Tee bei Rize, Cankurtaran-Pass, Artvin
 
Feuchtes, trübes Wetter wie immer in Sumela, aber das konnte uns nicht abhalten, mit 3 Kleinbussen die Höhenunterschiede bis zum Klostereingang hoch in den Bergen zu überwinden. Das Kloster Hagia Maria tou Mela (Heilige Maria am Schwa­rzen­­berg) klebt in einer Höhe von 250 m hoch im Felsen und besteht aus einer Anzahl von Gebäuden und der mit Fresken bemalten Grottenkapelle.1923 mussten die überwiegend griechischen Mönche das Kloster verlassen und sich in Griechenland ansiedeln. Heute ist Sumela wieder ein bekannter Wahlfahrtsort, seine Fresken üben eine magische Wirkung aus.
Weiterfahrt an der Schwarzmeerküste, der Regen wird immer dichter. Trotzdem finden wir Zeit, ein Teefeld zu besichtigen. Nach Rize fuhren wir noch einige Zeit bis zur georgischen Grenze, dann folgten wir der Autobahn, die nach Süden, über den Cankurtaran-Pass  bis nach Artvin führte. Diese Region ist heute noch georgisch geprägt und war im späten 19.Jahrhundert russisch besetzt. Die Stadt Artvin verteilt sich über einen ganzen Höhenzug und das Hotel in etwa 500 m ü.d.M. war über gefühlte hundert Haarnadelkurven zu erreichen.
 
20.10., 6. Tag, Coruh-Tal, georgische Kirchen Ishan und Ösk, Erzurum
 
Das Coruh-Tal ist eines der sehenswerten Naturwunder in der Osttürkei. Tief hat sich der Fluss in das Tal eingeschnitten und vulkanische Schichtstrukturen freigelegt. Jede Straßenbiegung offenbarte eine majestätische Berglandschaft, schroffe, überhängende Felswände und abgeschliffene Bergkegel. Es ist nicht zu verstehen, warum ausgerechnet dieses Tal dafür auserkoren wurde, die Basis eines neuen Staudammes zu bilden. Möglicherweise war unsere Reisegruppe die letzte, die durch dieses Tal fahren konnte.
Mit drei Kleinbussen gelangten wir dann hinein in die ostanatolische Berglandschaft zu der hoch und einsam gelegenen georgischen Kirche Ishan. Sie wurde schon im 7. Jahrhundert als Vierkonchenbau errichtet, später erweitert. Bemerkenswert ist der Tambour, der auf gedrehten Säulen frei auf die Vierung gebaut wurde.
Das Picknick vor Ort war, trotz seiner traditionellen Zutaten, ein wirklicher Genuss und so gestärkt, konnten wir unsere Reise durch die einmalige Bergwelt fortsetzen.
Die georgische Kirche Ösk besichtigten wir am Nachmittag, der Sonnenstand ließ die Fassadenstrukturen der Kirche plastisch erscheinen.
Nach einer Fahrt von mehr als zwei Stunden wurden die Schneefelder um unsere Route herum dichter, in der Ferne zeigten sich hohe, schneebedeckte Berge, das Palandöken - Gebirge mit Skizentrum. Nun war Erzurum nicht mehr weit, die Stadt an der ehemaligen Seidenstraße, heute eines der Kulturzentren der Osttürkei.
Vor allem die Seldschuken haben hier bedeutende Bauwerke wie die Cifte Minareli Medrese, die Yakutiye Medresesi und andere Bauwerke hinterlassen. Die ehemalige
Karawanserei beherbergt heute einen Silberschmuck-Basar.
Unser Hotel lag mitten in den Schneebergen, nachts war Frost angesagt, ein ferner Gruß für das nahende Weihnachtsfest zu Hause.
 
21.10., 7. Tag, Kars, Ani, Berg Ararat, Dogubayazit
 
Die Stadt Kars empfing uns mit strahlenden Sonnenschein, wir fuhren mit dem Bus bis unter die Festung und schauten uns die heute als Moschee genutzte armenische Apostelkirche an. In der angrenzenden Moschee fand gerade das Freitagsgebet statt.
Kars war in den Jahren 1854 - 1856 und 1873 - 1921/23 in russischer Hand, noch heute zeigen sich überall in der Stadt die typisch russischen Garnisonshäuser. Wie alle anderen Regionen und Städte in der Osttürkei war aber auch Kars über lange Jahrhunderte einem wechselvollen Schicksal ausgeliefert.
Unsere Route führte uns von Kars aus in  die ca. 30 km entlegene Ruinenstadt Ani
am Grenzfluss Harpasus, denn gleich am anderen Ufer beginnt Armenien. Ani, eine Stadt mit langer Geschichte, wurde im 9. Jahrhundert zur Stadt erhoben, 961 mit Unterstützung des armenischen Katholikos Ananias zur Hauptstadt des armenischen Königreiches unter Aschot ernannt. Zu diesem Zeitpunkt blühte die Stadt, Ani soll 100 000 Einwohner gehabt haben und mit über 1000 Kirchen ausgestattet gewesen sein. Macht­wechsel, Überfälle der Seldschuken und Erdbeben ließen die Stadt allmählich untergehen. Wir besichtigten die Gregorkirche des Tigran Honentz und die Kathedrale, man bemüht sich hier, die Bausubstanz denkmalpflegerisch zu betreuen.
Entlang der armenischen Grenze bewegten wir uns allmählich auf den Berg Ararat zu, bei klarem Wetter erhebt sich der Berg in seiner vollen Pracht. Mehrere Fotostopps waren nötig, um die besten Ansichten zu erfassen. Vor unserem Hotel in Dogu­bayazit  erreichte er seine stattlichste Ausdehnung.
 
22.10.,8.Tag,  Ishak-Pascha-Palast, Wasserfälle, Van-Tuschpa, Van
 
Unser erster Besichtigungspunkt an diesem Tag galt dem Ishak-Pascha - Palast oberhalb der Stadt und Ebene von Dogubayazit . Der sehenswerte Palast aus der Zeit von 1770 bis 1790 steht auf den Grundmauern einer weiträumigen urartäischen Siedlung und Befestigungsanlage. Der gesamte Fürstensitz ist eine baukünstlerische Meisterleistung, von den Innenhöfen erreicht man eine Vielzahl von entsprechend ihrer Funktion gestalteten und geschmückten Räumen, so Ver­waltungs­­­räu­­­me, Lagerräume, Moschee, Küche und Speisesaal sowie der Harem , der wieder in sich räumlich gegliedert ist. Nach vielen Fotorunden, auch im Hinterland des Palastes, ging die Fahrt in Richtung Van weiter. Zunächst passierten wir nahe der iranischen Grenze ein beeindruckendes Lavafeld, danach gelangten wir bei den Wasserfällen in Muradiye an. Bei herrlichstem Wetter wurden nahe der Wasserfälle Tische und Stühle aufgestellt und das Mittagessen konnte beginnen. Gegen 16 Uhr erreichten wir die Urartäer-Festung Van, die wie ein einziger gigantischer Felsen gen Himmel strebt. Sie wurde jedoch über dem natürlichen Felsen aus Lehmziegeln errichtet, die im Laufe der Zeit verwitterten und vom Untergrund nicht mehr zu unterscheiden sind.
Zitadelle und die am Fuß des Felsens als überwachsene Trümmerlandschaft nur zu vermutende Stadt Alt-Van gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. An der Südfront des Felsens befinden sich Grabkammern, an der Nordwestfront bemerkt man Keil­schrift­­­tex­­te, die von den Taten der Verstorbenen berichten.
Das Leben in der Neustadt Van ist turbulent, die Geschäfte haben bis Mitternacht geöffnet - Zeit, um einige Einkäufe zu machen.
23.10., 9. Tag, Cavustepe, Kelim-Produktion, Bootsfahrt auf dem Van-See, Kirche Akdamar, Tatvan
ERDBEBENTAG, Katzen in Van spielen verrückt!
 
Der für uns aufregendste Tag unserer Reise begann zunächst mit der Besichtigung von Cavustepe, der 25 km von Van entfernten urartäischen Burg und Residenz von Sardur II (764-735 v. Chr). Vor Ort empfing uns Mustafa, ein einheimischer Helfer bei den jahrzehntelangen Grabungen und Erforschungen der urartäischen Besiedlung, der in dieser Zeit selbst die Sprache lernte und heute beliebter Gast auf jeder Tagung zu diesem Thema ist. Er informierte uns nicht nur sachkundig über die Burg, sondern übersetzte auch einen Keilschrifttext über König Sardur. Die Ursprünglich­keit der Anlage, ihre relative Unberührtheit sowie die fast dreitausend Jahre alte Kei­lschrift, in Worte gefasst, hinterließen bei allen Reiseteilnehmern nachhaltige Wirkung.
Unser nächstes Ziel war die Kelim-Kooperative bei Van - wir ließen uns durch Pro­duktionsräume führen und konnten uns an den Kelims und Teppichen mit den far­ben­prächtigsten Mustern nicht sattsehen. Ein Reisegast machte jedoch eine merkwürdige Beobachtung: Katzen in einem großen Freigehege benahmen sich sehr aggressiv.
Unser Weg führte uns weiter zum Van-See. Hier, am Strand, wurden für uns Tische und Stühle aufgestellt für ein opulentes Mittagessen. Genau um 13.45 Uhr geschah es, die Erde bebte wellenförmig und der Strand bekam Blasen, ca. 19 Sekunden lang. Der Schrecken stand allen im Gesicht geschrieben, Tische mit Tellern wackelten, Stühle fielen um. Wir erfuhren nach dem ersten Schreck: es war ein Erdbeben mit der Stärke 7,2, das nach ersten Informationen in Van und Umgebung viel Unheil angerichtet hatte. Uns fielen die Katzen in Van ein….
Trotzdem setzen wir unsere Reise fort, zunächst mit Schiff zur Insel Akdamar. Dort war die sehenswerte Klosterkirche schon gesperrt, der Turm hatte Schäden bekommen. Unsere Rückfahrt und die Weiterfahrt mit dem Bus nach Tatvan verlief ohne Probleme. In Tatvan bemerkten wir eine große Unruhe in der Stadt, leichte Beben hatten den Ort erzittern lassen. Dass noch nicht alles vorbei war, spürten wir gegen 21.30 Uhr. Das Hotel bewegte sich leicht und wankte wie ein Baum im Wind. Nun war schnelle Entscheidung angesagt, aus Sicherheitsgründen übernachteten wir im Bus in der Nähe des Hotels. Noch ein letzter Erdstoß traf den Bus, dann wurde alles ruhig. Am nächsten Morgen kehrten wir ins Hotel zurück, frühstückten und fuhren weiter, aus dem Erdbebengebiet heraus, neuen Zielen entgegen.
 
24.10., 10. Tag, Hasankey am Tigris, Midyat, Deyrulzafaran-Kloster, Mardin
 
Nicht ganz ausgeruht, aber beeindruckt von der Landschaft des Tigrisraumes erreichten wir Hasankeyf, die Stadt, die bald, trotz internationalen Protestes, in den Fluten des Tigris-Staudammes versinken wird. Nach einem Rundgang in der schon weitgehend rückgebauten und verlassenen Stadt fuhren wir weiter nach Midyat, einer früher vornehmlich von Christen (Aramäern) bewohnten Stadt. Das die Stadt nun in einen christlichen Teil mit  Kirchen und aufwendig festlich gestalteten Bürgerhäusern und einem islamisch geprägten Stadtteil geteilt ist, fällt erst beim zweiten Blick auf. Wir unternahmen nach dem Mittagessen einen Bummel durch das Stadtzentrum, das beide Stadtgebiete vereint und besuchten den Basar, ein sehenswertes, als Touristen­­zentrum eingerichtetes traditionelles Bauwerk.
Mit einer Besichtigung des Deyrulzafaran-Klosters im Tur Abdin setzen wir unsere Reise fort. Ein Angehöriger des im Kloster ansässigen jacobitischen Mönchsorden führte uns durch die berühmte, rekonstruierte Anlage syrisch-orthodoxer Christen.
Gegen Abend gelangten im Hotel in Mardin an.
 
25.10., 11. Tag, Diyarbakir - Euphrat - Karakus - Götterberg Nemrud Dag
 
In der Stadt Diyarbakir, heute eine der größten Garnisonsstädte der Türkei,  bestiegen wir die Festungsmauern, aus schwarzem Basalt errichtet. Die Festung wurde von den Römern ausgebaut, später unter Byzanz erweitert und von den Seldschuken und Osmanen stets restauriert.
Die Reise ging weiter an den Euphrat, nach Siverek. Dort verhalfen emsige Kraftfahrer auch unseren Bus noch zu einem Platz auf der schon überfüllten Fähre. Die Überfahrt war ein Erlebnis, ruhiges Wetter, weiter Fluss, freundliche Einhei­mische, die Süßigkeiten verteilten. Über Katha gelangten wir nach Karakus, dem schon von den Römern geöffneten Grabhügel der Mutter von Mithridates, Isias, seiner  Schwes­ter Antiochis und Nichte Aka. Von hier aus ist auch ein Arm des Atatürk-Stausees gut  zu sehen. Nach einem Mittagessen direkt am Euphrat bestiegen wir die Kleinbusse, um uns zum Gipfel des Nemrud Dag zu begeben.
Der Aufsteig zu dem geschichtsträchtigen, symbolisch angelegten Grabmal des Antiochus war mühsam, aber für Reisegäste, die Schwierigkeiten beim Steigen hatten, kamen die hilfreichen Esel gerade recht. So konnten wir uns alle zum Sonnenuntergang an der Westterrasse einfinden, um die bei diesem Licht von einzigartiger Pracht strahlenden Götterstatuen und vor allem ihre Köpfe anzuschauen. Es wird erzählt, dass sich bald schon nur noch Kopien auf dem Berg befinden werden.
Jeder hing auf der Fahrt nach Adiyaman seinen Gedanken nach.
 
26.10., 12. Tag, Atatürk-Stausee - Harran - Urfa
 
Zunächst fuhren wir zu einer Teepause zum Aussichtspunkt an der Staumauer des Atatürk-Stausees, des größten Projektes dieser Art in der Türkei, ca. 2 x so groß wie der Bodensee. Er bewässert nicht nur die Region, sondern vor allem auch den tro­cke­­nen Süden im Bereich der syrischen Grenze. Die Wirkungen spürten wir auf der Fahrt nach Harran in Nord-Mesopotamien. Wassergräben durchziehen die früher wüstenähnliche Landschaft und geben ihr ein völlig neues Gesicht.
Neben den Ausgrabungen und dem Blick auf die Ulu-Moschee Harran gilt das Interesse der Gruppe auch immer dem malerischen Trulli-Dorf mit seiner freundlichen Besatzung.
Zuerst wurden die Damen mit Tüchern geschmückt, dann gab es Tee auf Kamelrückensitzen. Bequemer kann man kaum sitzen, oder?
Kurze Zeit später erreichten wir Sanliurfa und entdeckten die unzähligen fetten Karpfen im Abraham - Teich mit seinen vielen Verzweigungen um die Moschee sowie einen der traditionellsten Basare in der Türkei. Am Nachmittag begaben wir uns auf einen Spaziergang in die Altstadt, das Hotel im Stadtzentrum begünstigte dieses Vorhaben.
An diesem Tag schlugen einige Reisegäste spontan vor, eine Spende für die Erdbe­ben­opfer von Van zu sammeln. Unsere Reisegruppe hatte Glück gehabt, andere nicht. Über 600 Tote waren zu beklagen. Noch am gleichen Abend im Hotel sammel­ten wir 170 €, die wir Hakan übergaben. Das Geld wurde für 20 Wolldecken und Babynahrung eingesetzt.
 
27.10., 13.Tag, Halfeti, Gaziantep-Mosaikenmuseum, Doliche
 
Nach dem Frühstück in Sanliurfa fuhren wir, bald entlang des Euphrat-Ufers, zur Vogelschutzstation für Ibisse (Waldrapp)  in Birecik. Die Vögel werden sorgfältig betreut und ihre Nistplätze werden geschützt und gepflegt.
In Halfeti, oder dem Rest, der davon übrig blieb (ein großer Teil der Stadt ist in den Fluten des südostanatolischen Staudamm-Projektes verschwunden) erwartete uns schon ein kleines Schiff,  mit dem wir gemütlich über den See fuhren, vorbei an der a­l­ten Rö­­merfestung, weiterem historischen Gemäuer und vor allem der verschwun­denen Stadt Halfeti, deren Moschee noch halb aus dem Wasser ragt. Das Seeufer kann man als schöne Promenade bezeichnen, doch zu dieser Jahreszeit fehlen einfach die Touristen.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt erreichten wir die Stadt Gaziantep und ihr einmaliges Zeugma-Mosaikenmuseum. Etwa ein Drittel der musealen Fläche ist derzeit zu sehen, mit wahren Wunderwerken antiker Mosaikkunst, gerettet vor dem Staudamm-Fluten. In ein bis zwei Jahren wird die Schau komplett zu sehen sein. Im Dunkeln eines Sonderraums: das Mädchen von Zeugma, eines der berührendsten und bekanntesten Porträts aus Mosaiksteinen in der Ausstellung.
In den Doliche-Höhlen vor Gaziantep lebten vor Jahrtausenden Menschen und hinterließen ihre Spuren, Abtropfrinnen (für Blut?), merkwürdig abgeschlagene Steinformen und Ritzzeichnungen, ein abgelegener Ort für Geschichten.
 
28.10., 14. Tag, Tarsus, Bahnfahrt nach Kappadokien, Göreme            ,
 
An der Kreuzritterburg Yilanlikale reichte es nur für einen Fotostopp, vielleicht gelingt das nächste Mal eine Besichtigung. In Tarsus angelangt, besuchten wir den Paulus-Brunnen und schöpften Wasser aus den Tiefen des Brunnenschachtes. Die schöne Gartenanlage am Brunnen lud zum Verweilen ein, einige Gäste ruhten sich nach der langen Fahrt aus. Im alten Stadtkern konnte man auch Tee trinken und ein ortsty­pisches Mittagessen bestellen.
Pünktlich 14.20 Uhr bestiegen wir in Yenice den Zug, der uns auf den Gleisen der ehemaligen Bagdadbahn nach Pozanti bringen sollte. Die Bagdadbahn, errichtet 1903 bis ca. 1940, ist etwa 1600 km lang und führte von Konya nach Bagdad. Ihr Bau stellte eine Meisterleistung der (deutschen)  Ingenieurstechnik (Brücken, Strecken­führung, Tunnel) dar. Wir befuhren einen wichtigen Teil der Strecke durch die Kilikische Pforte, die jedoch selbst durch ca. 20 Minuten Tunnelfahrt nicht zu sehen ist. Der Ausstieg aus dem Zug war spektakulär, unsere Abteile der 1. Klasse, die sich am Ende des Zuges befanden, hatten keinen Platz mehr an den Bahnhofs­steigen, sodass wir unsere eigenen Wege aus den Abteilen finden mussten.
Danach fuhren wir im Bus weiter nach Göreme in Kappadokien.
 
29.10., 15. Tag, Kappadokien
 
Das Staunen der Besucher Kappadokiens vor den bizarren Felsformationen, den Felsenkirchen mit gut erhaltenen Fresken, den unterirdischen Höhlenstädten ist allgegenwärtig, die Fotoapparate waren in ständiger Bereitschaft.
Zunächst wagten am Morgen 7 Gäste die Fahrt im Ballon, für sie trotz nicht ganz klaren Himmels ein überwältigendes Naturschauspiel. Sie beschrieben das Abtauchen der Ballons in Schluchten und Senken, manche glaubten gar, mit dem Ballon über unsere Frühstücksterrasse geflogen zu sein und jeden einzelnen Teller gesehen zu haben.
 
Anschließend besichtigten wir das Göreme-Freilichtmuseum, UNESCO-Weltkultur­erbe, mit seinen in Tuffstein geschlagenen Felsenkirchen, so die Barbarakirche, die Apfelkirche, die Schnallenkirche, die Tokali-Kirche  u.a.. Da Nationalfeiertag war, hatten sich tausende Besucher ebenfalls dieses Ziel gesteckt, so dass es schwierig  war, in die Kirchen zu gelangen. Danach stiegen wir auf die Bergrücken von Pasarbagi, das nach dem Säulenheiligen Simeon als Tal der Mönche bezeichnet wird, und dem Kameltal. Am Jägertal über Göreme ließen wir die Wunderwelt der Tuffsteinkegel, auch bei einem Mokka, nochmals auf uns wirken, bevor wir uns auf den Weg nach Ankara begaben. Ein Stopp in der Höhlenstadt Saratli in der Nähe von Aksaray verdeutlichte, wie die Bevölkerung ehemals Schutz vor Überfällen suchte und wie erfindungsreich sie dabei vorging.
 
30.10., 16.Tag,  Heimreise
 
Mit Zwischenstopp in Istanbul gelangten wir pünktlich in Berlin an. Viele Erlebnisse dieser 4700 km langen Reise durch Ostanatolien, freundliche, hilfsbereite Menschen, eine gewaltige Natur, Episoden aus der jahrtausendealten Geschichte, werden in Erinnerung bleiben, nicht zuletzt aber auch die zerstörerische Gewalt Erdbeben, die aus dem Nichts aufbricht und alles in Frage stellen kann.

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