Die älteste aktive Eisenbahn der Welt – in Wales
Von Dr. Michael Krause, 02.07.2025
Warum Wales die richtige Reiseregion für Eisenbahnfans ist und welche Geschichte sich hinter der Ffestiniog und Welsh Highland Railway verbirgt ...
200 Jahre Eisenbahngeschichte
Die allgemeine Geschichte der Eisenbahn ist älter, als man zumeist annimmt. Entscheidend dafür war der Bergbau, wo bereits im 16. Jahrhundert auf hölzernen Gleisen fahrende Wagen – Hunte oder Loren genannt – eingesetzt wurden. Mit der Industrialisierung und der zunehmenden Verwendung von Dampfmaschinen wurde 1825 die erste Dampfeisenbahn, die Stockton and Darlington Railway, als erste öffentliche Eisenbahnstrecke in Großbritannien in Betrieb genommen.
2025 markiert damit das 200-jährige Jubiläum der modernen Eisenbahn. Mit der Kampagne „Railway 200“ wird in diesem Jahr daher in ganz Wales und Großbritannien die Eisenbahngeschichte gefeiert inklusive zahlreicher Veranstaltungen, historischen Lokomotivaufmärschen und thematisch passenden Sonderfahrten.

Die Ffestiniog Railway in Wales
Bereits wenige Jahre später wurde 1832 in Wales die Ffestiniog Railway gegründet. Und die existiert bis heute als die älteste noch aktive Schmalspurbahn der Welt! Tausende begeisterte Touristen, zu denen bei verschiedenen Reisen aus dem Eberhardt-Programm auch viele Deutsche gehören, fahren auf einer wundervoll interessanten Strecke mit ihr zwischen dem Bergbauort Bleanau Ffestiniog und dem Hafenstädtchen Porthmadog in Nordwales.

Bergbaustädtchen Blaenau Ffestiniog
Die Züge, die heute mit ihren bunten Dampfloks und kleinen Personenwagen eine besondere Attraktion darstellen, wurden ursprünglich genutzt, um den in der Lagerstätte Blaenau abgebauten Schiefer zur Küste zu bringen, von wo er in die schnell wachsenden Städte Großbritanniens und in andere Länder Europas verschifft wurde.
Startpunkt ist das alte Bergbaustädtchen Blaenau Ffestiniog, gelegen am Rand des kleinen Gwydyr Forst Parks, das mit seinen grauen Steinhäusern und gewaltigen Abraumhalden einen Eindruck von dem hier seit Jahrhunderten betriebenen Schieferbergbau vermittelt. Viele Häuser auch in Deutschland – etwa in Thüringen oder im Siegerland – haben Fassaden und Dächer, die mit walisischem Schiefer belegt sind. Hier in Blaenau kann die noch erhaltene historische Mine Llechwedd Slate Caverns heute von Touristen besichtigt werden, indem die alte „Miners Tramway“ die Besucher in die unterirdischen Kammern bringt.
So ist der Tourismus für die kleine graue Bergbaustadt heute ein wichtiger neuer Erwerbszweig, nachdem die Schieferminen versiegt sind. Hauptattraktion aber ist zweifellos die malerische uralte Ffestiniog Railway, an deren Bahnhof sich die Touristen drängen um die kleinen bunten Dampflokomotiven zu fotografieren oder die etwa 40-minütige Fahrt mit dem historischen Zug anzutreten.
Zwar beträgt die Streckenlänge bis zum alten Hafen von Porthmadog nur etwa 22 Kilometer, aber die gemütlichen kleinen Züge mit den authentischen Kleinwaggons, deren Spurweite nur knapp 60 cm beträgt, dampfen über Brücken und steile Bahndämme durch eine herrliche, von grünen Hügelhängen und dazwischen eingebetteten tiefblauen Seen geprägte Landschaft.

Hafenstädtchen Porthmadog
Ziel ist Porthmadog, von den Walisern kurz „Port“ genannt. An der Küste der facettenreichen Landschaft um Wales‘ höchsten Berg, den Yr Wyddfa (Mount Snowdon), hatte schon 1811 ein Parlamentsabgeordneter zur Land- und Hafengewinnung einen Deich anlegen lassen, der das Mündungsdelta des Flüsschens Glaslyn vom Meer abtrennte und so Land sowie einen für die Industrie nutzbaren Hafen schuf. Porthmadog entstand, ein für kleine hochseetüchtige Segelschiffe gedachter Hafen, mit dem die Schiefer, für die in den wachsenden Industrienationen Europas bedeutende Nachfrage entstanden war, der walisischen Minen abtransportiert werden konnten – unterstützt durch zunächst eine Pferdebahn und kurz darauf durch Europas älteste noch aktive Schmalspurbahn. Auch wenn sie heute DIE Touristenattraktion der Gegend ist, hat sie nichts von ihrem Charme und ihrem historischen Outfit verloren und ermöglicht fast so etwas wie eine Zeitreise – denn sowohl Blaenau Ffestiniog als auch der Endpunkt im Hafen von Porthmadog lassen das beginnende 19. Jahrhundert lebendig werden.

Welsh Highland Railway
Nicht weniger beeindruckend ist die Welsh Highland Railway, die sich heute mit der Ffestiniog Railway nicht nur eine Betriebsgesellschaft, sondern auch einen gemeinsamen Endbahnhof in Porthmadog teilt. Hier treffen sich die Züge beider Strecken – und für Eisenbahnfans wie auch Naturliebhaber ergibt sich so die einzigartige Möglichkeit, zwei der schönsten Schmalspurbahnen Europas zu kombinieren.
Die Welsh Highland Railway – auf Walisisch Rheilffordd Eryri – führt von Porthmadog in südlicher Richtung durch das weite Tal des Glaslyn-Flusses, vorbei an Gletscherrandseen, grünen Weiden und uralten Eichenwäldern, tief hinein in das Herz des Eryri (Snowdonia) Nationalparks. Ziel ist das malerische Städtchen Caernarfon, bekannt für seine gewaltige königliche Burg, die einst zur Sicherung der englischen Herrschaft in Wales errichtet wurde. Die Strecke misst stolze 40 Kilometer – und ist damit die längste Schmalspurbahn Großbritanniens!

Die Ursprünge der Welsh Highland Railway reichen ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sie wurde zunächst ebenfalls als Güterbahn für den Schiefertransport und regionale Verbindungen genutzt, geriet dann aber nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. In einer beispiellosen Leistung von Eisenbahnfreunden und Freiwilligen wurde die Strecke ab den 1990er Jahren vollständig rekonstruiert – mit großem Respekt vor der historischen Substanz und beeindruckendem technischem Aufwand.
Heute fahren moderne Dampflokomotiven, oft mit nostalgischen Salonwagen, durch wilde Berglandschaften und enge Passagen wie den Aberglaslyn Pass, wo der Zug spektakulär an Felswänden entlangführt. Die Reise auf der Welsh Highland Railway ist dabei nicht nur eine Fahrt durch die Natur, sondern auch durch die Geschichte eines stolzen Landes mit keltischem Erbe.