Die Romanik

Sie gilt seit dem Ende der Antike und dem Untergang des Römischen Reiches in den Wirren der Völkerwanderung im 5. nach-christlichen Jahrhundert als erste große europäische Kunstepoche und sie ist in nahezu jedem europäischen Land verbreitet.

Von Dr. Michael Krause / 30.05.2016
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Sie gilt seit dem Ende der Antike und dem Untergang des Römischen Reiches in den Wirren der Völkerwanderung im 5. nach-christlichen Jahrhundert als erste große europäische Kunstepoche und sie ist in nahezu jedem europäischen Land verbreitet. Schon ihr Name – Romanik – soll Verwandtschaft mit der römischen Architektur betonen und rückt sie in die Nähe der „Romanischen Sprachen“, jener vom Latein ausgehenden „Volkssprachen“ der einstigen römischen Kolonien in Europa.  Als der französische Gelehrte Charles de Gerville Anfang des 19. Jh. die Bezeichnung „romanesque“ für den überall zu findenden Rundbogenstil vor allem von Kirchenbauten verwendete, wurde der Begriff rasch überall übernommen: er wird heute nahezu universell verwendet für die mit charakteristischen Merkmalen ausgestatten Sakral- und Profanbauten: Rundbögen in Fenstern und Türen, Festungsartige, dicke Mauern mit kleinen Fenstern und wehrhaftem Charakter, Würfelkapitelle an den Säulen. 

 romanische Kirche Notre Dame la Grande, Poitiers

Der Ende des 10. Jh. n.Chr. beginnende Baustil trat nördlich der Alpen auf, wurde im 11. Jh. durch die Normannen auf die Britischen Inseln gebracht und heißt daher dort bis heute “Norman Style“.

Der Baustil begleitete eine Periode, in der sich die großen europäischen Nationalstaaten formten, als Frankreich und Deutschland aus dem Frankenreich entstanden, sich England zunächst zur angelsächsischen Nation formte die nach der Eroberung durch die Normannen ab 1066 zum mächtigen Staat erwuchs, als auf der Iberischen Halbinsel die „Reconquista“, die Rückeroberung der Region von den im 8. Jh. eingedrungenen islamischen Mauren Fahrt aufnahm und sich Portugal und Spanien zu formen begannen. 

Obwohl die Periode dieses Baustils nur etwa zweihundert Jahre andauerte – in Frankreich schon Mitte des 12. Jh. -  in anderen Ländern erst seit dem 13. Jh. durch den Stil der lichtdurchfluteten Gotik abgelöst wurde, hat die romanische Kunst doch überall ihre unauslöschlichen Spuren hinterlassen. Wundervolle Bauten überwiegend in der Sakralarchitektur verdankt Europa ihr: prachtvolle Dome wie den in Speyer, die Stiftskirchen in Quedlinburg oder Gernrode, steinerne Bilderbücher wie in Poitiers mit Notre-Dame-la-Grande. In manchen Regionen haben sich Bauschulen entwickelt, die wie die Burgunder Romanik das Erscheinungsbild des Landes entscheidend geprägt haben. Wundervolle Beispiele wie die Kathedralen in Vezelay, Paray-le-Monial und Autun oder Abtei- und Pfarrkirchen wie die von Fontenay, Tournus, Beaune oder Dijon beweisen dies. So wird eine Reise durch das vor allem für seinen Wein bekannte Burgund ebenso zu einer Zeitreise wie durch verschiedene Gegenden Mitteldeutschlands.

Wenn man sich durch das liebliche Burgund oder andere Regionen Frankreichs bewegt, wenn man in Deutschland der „Straße der Romanik“ folgt, wird nicht nur Geschichte lebendig – neben den Prachtwerken einer Architektur voller Verehrung für Gott, neben kraftvoller Architektur als Demonstration von Macht und Größe illustriert auch eine grandiose Form der Bauplastik den Aufbruch in eine neue Zeit. Das manifestiert sich in den Skulpturen am Tympanon des Hauptportals in Autun und Vezelay im Burgund, die zu den ältesten und besterhaltenen Exemplaren überhaupt gehören ebenso wie beispielsweise im knapp hundert Jahre später entstandenen „Engelszyklus“ in der Klosterkirche von Hecklingen im Harzvorland, der als Höhepunkt des sächsischen Byzantinismus und Stuckplastik von europäischem Rang gewürdigt wird.  

Eine Reise auf der „Straße der Romanik“ ist unbedingt eine Tour durch die deutsche Geschichte des Hochmittelalters. Viele ihrer Objekte – wie Klöster, Dome wie der zu Havelberg und Burgen wie die zu Querfurt berichten von der Entstehung und Expansion des deutschen Reiches, der Verbreitung des Christentums und dem Entstehen einer neuen Zeit. Das ist das Besondere am Reisen: Die Vielfalt und das Zusammenspiel einzelner Programmteile entführen einen immer wieder aus dem Alltag: nicht nur in andere Regionen,  sondern zeigen - oft unerwarteterweise – Hinterlassenschaften anderer Traditionen, Sichtweisen und Lebensumstände, ermöglichen es, sich hineinzuversetzen in vergangene Zeiten …



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