Reisebericht: Rundreise Aserbaidschan

12.09. – 21.09.2023, 10 Tage Rundreise am Kaspischem Meer & im Kaukasus zwischen Asien und Europa. mit Baku – Halbinsel Apscheron – Gobustan–Nationalpark – Shamakhi – Sheki – Kish – Goygol – Ganja


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Nur wenige Touristen haben bisher die muslimisch gepägte ehemalige Sowjetrepublik mit ihren 10 Millionen Einwohnern für sich entdeckt. Dabei bietet die aufstrebende Metropole Baku am Kaspischen Meer ebenso interessante Kontraste wie die Regionen im Landesinneren - ein Besuch lohnt sich in jedem Fall!
Ein Reisebericht von
Wolfgang Balling
Wolfgang Balling

Flug an die Schnittstelle zwischen Europa und Asien

Nach zweieinhalb Stunden Flug von 3 deutschen Flughäfen trifft sich unsere kleine Reisegruppe am gigantischen Flughafen Istanbuls.
Von Turkish Airlines weiterhin mit einer Mahlzeit gut versorgt erreichen wir nach weiteren zweieinhalb Stunden am Abend Baku.
Schon beim Anflug sind wir fasziniert vom Lichtermeer und zahlreichen futuristischen Bauten auf der Fahrt zum Hotel, wo uns gegen 22 Uhr aserbeidschanischer Zeit (Deutschland 20 Uhr) noch ein leckeres 3-Gang-Menü erwartet.


Spektakuläres im Gobustan–Nationalpark und erste Annäherung an Baku

Mit freundlichem Busfahrer und einem neuwertigen Kleinbus deutscher Herstellung erwartet uns am frühen Vormittag unsere Reiseleiterin Masuma, die sich mit überaus guten Deutschkenntnissen bis ans Ende unserer Reise informationsreich, engagiert und fürsorglich um uns kümmern wird.
Nach einer Stunde Fahrt nach Süden vorbei an alten Ölförderanlagen und Blick auf das Kaspische Meer erwartet uns gleich ein Naturhöhepunkt unserer Reise im Gobustan-Nationalpark: In einer Mondlandschaft bestaunen wir an der Spitze eines völlig kahlen Hügels eine Vielzahl kleiner Schlammvulkane, aus deren kegelförmigen grauen Mini-Kratern es unaufhörlich blubbert. Und da es in der Nacht davor stark geregnet hatte, findet sich viel Schlamm auch an unseren Schuhen wieder.
Im nicht weit entfernten Museum werden wir vorbereitet auf eine der weltweit größten Petroglyphen-Ansammlung - ursprünglich an Wänden in Höhlen, die später einstürzten: Steinzeitliche Motive von Nutz- und Wildtieren sowie Graffiti der Armee Alexanders des Großen und römischer Legionäre.
Am Nachmittag sind die Flame Towers, 3 spitz zulaufende Wolkenkratzer auf einer Anhöhe Bakus, unser erstes Ziel: Wir genießen trotz Nieselregen die herrliche Aussicht über die Landeshauptstadt und den sich anschließenden längeren Spaziergang durch das Altstadtviertel Itscheri Schecher. Hinter meterdicken Mauern hat sich ein Stück altes Baku bewahrt - eine Zeitreise in eine längst vergangene orientalisch anmutende Welt: Wir erkunden den mittelalterlichen persischen Schirwanschah-Palast inmitten von Architekturdenkmälern und Geschäften mit traditioneller Handwerkskunst und besteigen den Jungfrauenturm, das Wahrzeichen der Altstadt.


Unglaubliche Kontraste: Die Halbinsel Apscheron und Baku

Die nordöstlich von Baku gelegene Halbinsel Apscheron präsentiert sich uns als hässlicher völlig zersiedelter Ballungsraum mit kilometerlangen Kleinbetrieben von Handel und Handwerk. Hinter Mauern sind Areale rostiger Ölbohrtürme erhalten, und auch Müllansammlungen auf den wenigen nicht bebauten Flächen sind keine Seltenheit.
Am kleinen Hügelberg Yanar Dag züngeln seit über 1000 Jahren bis zu 3 Meter hohe Flammen - entweichende Gase der darunter liegenden Erdgasvorkommen als beeindruckendes Naturschauspiel.
Eine weitere Stätte einstiger Feueranbetung, die wir in dieser überaus eigenartigen Gegend besuchen, ist Ateschga, der stimmungsvolle Feuertempel, der wie eine Festungsanlage wirkt. Herzstück ist ein viereckiger Bau mit Torbögen auf Pfeilern und einer Feuerstelle mit ewiger Flamme im Innenhof.
Am Nachmittag erreichen wir die heute begehrte Wohngegend "White City" Bakus mit den liebevoll restaurierten prachtvollen Gründerzeitvillen der ersten westlichen einflussreichen Ölbarone - viel größer können Gegensätze nicht sein! Wir besichtigen die Villa der Gebrüder Nobel, die uns den Reichtum der Zeit zeigt, in der Baku die erste Ölhauptstadt der Welt war.
Als nächstes steht der nicht allzu weit entfernte gewaltige Gebäudekomplex des dem früheren Präsidenten gewürdigte Heydar-Aliyev-Kulturzentrums auf unserem Programmzettel: Wellen, Wölbungen und Spitzen des atemberaubenden Bauwerks scheinen miteinander zu verschmelzen. Im Innern genießen wir die Dauerausstellung "Schätze von Aserbeidschan" und erhalten viele anschauliche Informationen über die Geschichte des Landes im 20. Jahrhundert.


Auf der alten Seidenstraße zum Kaukasus

Schon am Morgen vor der Abfahrt gibt es eine Überraschung: Unser heutiges vorgesehenes Übernachtungsziel, das Bergdorf Lahic im Großen Kaukasus, kann aufgrund der wegen Steinschlag unpassierbar gewordenen einzigen Zufahrtsstraße nicht angefahren werden.
Zunächst geht es aber nach Verlassen der Metropole nach Westen in die Transkaukasische Senke und dabei teilweise entlang der historischen Seidenstraße. Wir fahren durch beeindruckende Wüsten- und Halbwüstenlandschaften und besuchen in Maraza das in einer Hügelhöhle gelegene Mausoleum des Diri-Baba ("Lebendiger Großvater"), eines islamischen Mystikers des 14. Jahrhunderts, sowie den angrenzenden mittelalterlichen Friedhof mit mehreren hundert Grabsteinen.
Dann geht es weiter in das von Baku nur 120 Kilometer entfernte aber schon 800 Meter hoch gelegene Shamakhi - im Mittelalter Hauptstadt des einstigen Schirwanschah-Reiches, die nach mehreren Erdbeben später nach Baku verlegt wurde. Mit spürbarer Demut erleben wir die über 1000 Jahre alte Freitagsmoschee Djuma - die älteste des Landes - mit ihren prächtig bemalten und verzierten Decken und den vielen betenden tiefgläubigen Männern.
Im Hof des Hauses einer Familie erfahren wir anschließend wie auf traditionelle Weise Joghurt hergestellt wird.
Die ziemlich lange Holperfahrt nach Gabala auf einer nicht enden wollenden Baustelle wird dann zur Tortur, unterbrochen von einem längeren Stopp im Bergdorf Basgal. Dort sehen wir in einer kleinen Manufaktur wie die berühmten Kelaghai-Seidentücher, die zur Nationaltracht gehören, mit Ornamenten versehen werden.
Spät, aber dafür in einer mystischen Abendstimmung, besuchen wir dann noch Cuxur Gabala, die Hauptstadt des antiken Königreichs Albanien: heute eine beschauliche archäologische Stätte mit kleinem Museum und Ruinen aus dem 5. Jahrhundert auf einer einsamen großen Wiese.
Das noch spätere Abendessen in einem landestypischen Restaurant entschädigt ein wenig für die Strapazen. Erst gegen 21 Uhr checken wir in unserem Alternativhotel Qafgaz City in Gabala ein.


Herrliches Gebirgspanorama und ein Bergdorf mit uralter christlicher Kirche

Strahlend blauer Himmel erwartet uns heute beim Blick aus dem Hotelzimmer, und wir freuen uns auf die zusätzliche nicht im Programm vorgesehene Seilbahnfahrt von Gabala zur Mittelstation des Tufandag-Gebirges, im Winter ein beliebtes Kaukasus-Skiresort. Auf 1660 Meter Höhe genießen wir bei annähernd Windstille die herrlichen Ausblicke auf Gabala und den schneebedeckten Gipfel des Bazardüzü mit über 4000 Meter Höhe.
Dann geht es mit dem Bus weiter zur bekannten Weinfabrik Savalan mit ihrer 350 Hektar Rebfläche. Eindrucksvoll und interessant ist die geführte Besichtigung des hochmodernen Betriebes. Und nach der Degustation von 6 verschiedenen Rot- und Weißweinen unterliegen einige in der Gruppe doch der Versuchung ein paar Flaschen mit ins Reisegepäck zu nehmen.
Die Weiterfahrt nach Sheki führt uns durch grüne Landschaften mit Ackerbau und Viehzucht, und immer auch mit Blick auf den Großen Kaukasus.
Dort angekommen steigen wir auf 3 Taxen um, die uns die gepflasterte Straße hoch ins ursprüngliche Bergdorf Kis bringen, wo wir die angeblich älteste des antiken christlich geprägten und geheimnisvollen Reiches Albanien besichtigen - "Mutter aller Kaukasus-Kirchen".
Der herrliche Tag endet mit einem Abendessen in einem traditionellen Restaurant. Und wir checken uns für 2 Nächte im sehr guten Macara Sheki City Hotel ein.


Ein Tag in Sheki im Nordwesten

Der ganze heutige Tag gehört Sheki, der ältesten Stadt des Landes. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert war sie einer der größten Orte im damaligen Albanien mit christlichen Tempeln und Kirchen wie in Kis. Eingebettet in die naheliegenden bewaldeten Berge wirkt sie trotz ihrer knapp 70000 Einwohner rundum ländlich: Wunderschöne alte Steingebäude mit Ziegeldächern, auf den Straßen sind fast nur Männer zu sehen sowie zahlreiche herumstreunende Hunde.
Am Vormittag besuchen wir den großen farbenprächtigen orientalischen Basar mit seinen überdachten Ständen voll mit Gewürzen, Früchten und anderen landwirtschaftlichen Produkten. Auch Textilien und Haushaltsartikel sind zu finden. Gleich anschließend lernen wir in einem kleinen Familienbetrieb die Herstellung der Süßwarenspezialität Halva kennen und verkosten verschiedene Sorten gemütlich zum dargereichten Tee.
Um die Mittagszeit geht es um die von einer Steinmauer umgebene Altstadt. Der berühmte Khanspalast aus dem 18. Jahrhundert - Die Region um Sheki war zu dieser Zeit ein autonomes Fürstentum - inmitten eines Rosengartens ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Die Wände der Innenräume dieser Sommerresidenz sind verziert mit herrlichen Fresken von Blumen, Vögeln und Jagdszenen, und die leuchtenden bunten Farben der Fenster verzaubern uns. Es handelt sich um sogenannte Shebeke-Mosaik-Fenster aus Glas und Holz ganz ohne Nägel und Schrauben. Ein Meister dieser Handwerkskunst führt uns später anschaulich in diese traditionelle Technologie ein. Schon in alten Zeiten wurde dafür Muranoglas auf der Seidenstraße hierher gebracht und gegen Seide und Gewürze eingetauscht.
Unser weiterer Spaziergang durch die Altstadt führt uns vorbei an verfallenen russischen Kasernengebäuden der Zarenzeit hinunter zu einer alten zweistöckig arkadenförmig gebauten Karawanserei, wo ehemals die Händler übernachteten: Prachtvolle Mini-Festungen mit Vorhof zum Anbinden der Lasttiere.


Weiter über das ehemalige deutsche Helenendorf nach Ganja

Bei zunächst strömendem Regen lassen wir Sheki und unser schönes Hotel hinter uns Richtung Südwesten. Unterwegs überqueren wir die Kura, den mit 1364 Kilometer längsten Fluss im Kaukasus.
Unser für den heutigen Tag gewiss spannendstes Ziel ist Göygöl, die ehemalige deutsche Siedlung "Helenendorf", der ersten und größten kaukasiendeutschen Kolonie in Aserbeidschan. Sie wurde 1819 von Siedlern aus der Gegend des schwäbischen Reutlingen gegründet, wobei die etwa 140 Familien zunächst Milchwirtschaft, später Weinbau betrieben. 1941 jedoch wurden sie von Stalin nach Kasachstan und Sibirien umgesiedelt. Im mit Bäumen gesäumten Zentrum stehen noch immer eine evangelische Pfarrkirche, eine Schule und Dutzende deutscher Häuser. Jenes des letzten deutschen Bewohners Viktor Klein in der Helenenstraße, das zu einem Museum umgebaut wird, dürfen wir betreten und das interessante Inventar bis hin zu von ihm selbst konstruierten Sportgeräten bestaunen. Der alte Friedhof außerhalb mit den teilweise umgestürzten alten Grabsteinen und dem herrlichen Blick auf den Kleinen Kaukasus ist ein durchaus spektakulärer Ort.
Dann geht es weiter Richtung Ganja, einstmals blühender Handeslplatz an der Seidenstraße nach Tiflis und heute mit über 300000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Aserbeidschans - bekannt auch als Lager Kirovabad für deutsche Kriegsgefangene. An der breiten Zufahrtsstraße in die Stadt mit ihren repräsentativen Backsteintoren machen wir längeren Halt am weitläufigen Mausoleum des berühmten mitelalterlichen persischen Dichters Nizami Ganjevi. In der Stadt dann selbst bestaunen wir das mit Tausenden von Flaschen dekorierte "Flaschenhaus" und besuchen eine ältere russisch-orthodoxe Kirche. Wie schon in Baku erwartet uns entlang der Flaniermeile das schön renovierte Zentrum mit dem Rathaus und am eindrucksvollen zentralen Platz die Schah-Abbas-Moschee mit Hamam sowie die wunderschöne Philharmonie, neben der sich gleich unser Vego Hotel befindet.
Einige nutzen die Zeit bis zum Abendessen zu Spaziergängen oder gehen in die nahegelegene moderne Shopping Mall. Und zu unserer Überraschung werden wir zum einzigen Mal in Aserbeidschan von dem einen oder anderen Bettler angesprochen.


Zurück nach Baku durch die Transkaukasische Ebene

Wir verlassen Ganja, die nicht allzu weit entfernte imposante Imamzadeh-Moschee mit dem prächtigen türkisfarben leuchtenden Mausoleum ist unser erstes Ziel. Danach steht uns eine lange Fahrt von etwa 350 Kilometer zurück nach Baku bevor - doch diesmal mit gutem Straßenbelag:
Fruchtbare Landschaften wechseln sich ab mit kargen Steppen, vereinzelt sehen wir Salzausblühungen auf den Böden, auch viel Verlassenes und Müll. Und Kurioses dann bei einer langen Aneinanderreihung von modernen "Mebel"-Geschäften, vor deren Schaufensterfront eine große Schafherde mit Schäfer und Pferdekarren gemächlich vorbeizieht. Hin und wieder steht auch eine Kuh auf der Straße, die unser Fahrer routiniert mit relativ hohem Tempo umfährt.
In der typisch sowjetisch anmutenden Stadt Mingachevir, 1948 gegründet, genießen wir unseren mittäglichen Stopp direkt an der Kura mit Blick auf ein Wasserkraftwerk, dem in den fünfziger Jahren größten in der ganzen Sowjetunion. Dahinter verbirgt sich ein 70 Kilometer langer Stausee mit einer Fläche von 600 Quadratkilometern.
Unsere weitere lange und etwas eintönige Reise durch die Transkaukasische Ebene wird dann aufgelockert durch den Besuch einer riesigen Granatapfel-Plantage in der Region Göytchay, wo wir alles über diese Frucht erfahren und auch geschmacklich bewerten dürfen.
Nach weiteren 3 Stunden Fahrt erreichen wir am Abend Baku und unser schon bekanntes Aksent Hotel.


Ein letzter entspannter Tag in Baku

Heute lassen wir den Tag etwas ruhiger angehen. Bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen bringt uns unser Bus ins Zentrum Bakus, wo wir durch noch nicht sonderlich belebte breite Fußgängenzonen mit vielen Geschäften schlendern - vorbei am "Berliner? Bär an der Deutschen Botschaft. Durch eine mondäne Unterführung gelangen wir zum Baku Bulvar, einer zum Flanieren einladenden Strandpromenade mit kleinen Parks und Blick auf zahlreiche futuristische Gebäude des "Dubai am Kaspischen Meer".
Der spektakuläre Neubau des Teppichmuseums sieht von außen tatsächlich aus wie ein zusammengerollter Läufer. Bevor das Erdöl Aserbeidschan zu Reichtum verhalf, waren Teppiche die größte Einnahmequelle des Landes. Bei unserer Führung im Inneren gibt es nicht nur wunderschöne Teppiche zu bewundern sondern auch einen Webstuhl, Keramik, Schmuck und Gewänder.
Der Nachmittag ist der freien individuellen Gestaltung vorbehalten.
Nach dem guten Abendessen fahren wir noch einmal zur Uferpromenade und verabschieden uns von Baku, dieser faszinierenden Mischung aus reicher Tradition und westlicher Lebensart. Noch einmal halten wir inne bei dem Blick auf die in schillernden Farben beleuchteten Flame Towers.


Der Tag des Rückflugs

Nach dem Frühstück werden wir um 8.30 Uhr zum Flughafen gebracht, wo wir nach problemlosem Check-In gleich mehrere Pass- und Sicherheitskontrollen durchlaufen müssen. Pünktlich um 11.45 Uhr startet unsere Maschine nach Istanbul. Dort trennt sich unsere kleine Gruppe für die Weiterflüge nach Hamburg, Berlin und Frankfurt.


Schlusswort

Eine sehr schöne jederzeit interessante Reise in ein spezielles Land voller Gegensätze - mit einer durchaus auch kontrastreichen Gruppe.
Mein ganz besonderer Dank gilt unserer hervorragenden Reiseleiterin Masuma!

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