Reisebericht: Radreise Baltikum – Lettland, Litauen und Estland

02.08. – 14.08.2011, 13 Tage Rundreise mit Fluganreise und geführten Radtouren: Vilnius – Trakai – Kaunas – Klaipeda – Kurische Nehrung – Ostsee – Riga – Pärnu – Insel Saaremaa – Tallinn (375 Radkilometer)


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Radreise über 340 Kilometer in Litauen, Lettland und Estland inkl. Kurischer nehrung und Insel Saaremaa, Besichtigung der Hauptstädte Riga, Vilnius und Tallinn sowie bedeutender Burg- und Schlossanlagen von Trakai und Rundale
Ein Reisebericht von
Dr. Jürgen Schmeißer

1. Tag: 02.08.2011 Riga

Nach kurzer Nacht trafen wir uns in Berlin-Tegel, wo uns die Markierung des Terminals D nur ein klein wenig verwirren konnte. Die wechselnde Wolkenbedeckung ließ während des Fluges Sichten auf Mecklenburg, die polnische Ostseeküste, die Halbinsel Hel und auf Südlettland zu, bevor wir im sonnigen Riga landeten. Hier wurden wir von unserer litauischen Reiseleiterin Vilmante („Vilma") und der lettischen Jana begrüßt. Vom Hotel bummelten wir dann gemeinsam an „Stalins Torte" vorbei zum Rigaer Markt, dem wohl größten Markt Europas unter fünf ehemaligen Zeppelinhallen. Unsere lettischen Stadtführerinnen Jana und Biruta führten uns am Nachmittag aus der Moskauer Vorstadt, wo sich unweit der Markthallen unser Hotel „Hanza" befand, durch Straßen und Gassen der Altstadt. Mancher wagte noch einen Blick in eine der vielen Kirchen oder vom Gebäude der Akademie der Wissenschaften.

2. Tag: 03.08.2011 Rundale – Vilnius

Die Albertstraße mit den prächtigen Jugendstilhäusern Eisensteins wollten wir uns nicht entgehen lassen. Dann brachte uns der Bus an der Burg Bauska vorbei nach Ruhenthal (Rundale) in Lettland. Bei einer Führung lernten wir das Barockschloss, welches oft als Versailles der Ostsee bezeichnet wird, kennen. Bei gutem Wetter gelangen sicher allen prächtige Fotos aus den Sichtachsen des im französischen Stil angelegten Parks auf das Schloss. Im Rosengarten suchten dann viele die Seltenheit einer blauen Rose. Weiter ging es per Bus über die Grenze nach Litauen und zum Berg der Kreuze bei Siauliai. Seit der Zarenzeit stellen Pilger hier Kreuze auf, später war es auch Ort des Widerstandes gegen die sowjetische Besetzung und nun allgemeiner Wallfahrtsort. Wir starteten hier unsere erste Radetappe, die uns auf knapp 20 Kilometern, zumeist auf Schotterstraßen, einen Eindruck vom ländlichen Leben in Litauen vermittelte. Der Tag war so intensiv, dass wir erst spät in Vilnius ankamen. Ein schöner Abendspaziergang führte uns durch die sommerliche Altstadt von Vilnius zum Restaurant „Lokys" und nach gutem Essen nach 23 Uhr durch die nächtliche Altstadt zurück zum Hotel.

3. Tag: 04.08.2011 Vilnius – Trakai – Kaunas

Biruta und Vineta führten uns durch die barocke Altstadt von Vilnius. Neben den üblichen touristischen Höhepunkten wandelten wir diesmal auch durch kleine Gassen zum ehemaligen jüdischen Viertel und an die Grenze der „Unabhängigen Republik". Anschließend fuhren wir mit dem Bus nach Trakai, der einzigen Wasserburg des Baltikums, dem ehemaligen Sitz litauischer Großfürsten. Die idyllisch von Seen umgebene Wasserburg besichtigten wir bei prächtigem Sonnenschein. Die ehemaligen Schlossherren, litauische Fürsten, holten Karäer ins Land als harte und treue Soldaten; diese brachten „Kibinai" mit, die wir uns am Seeufer schmecken ließen. Nun ging es mit dem Rad auf asphaltierten Straßen durch hügeliges Land mit blauen Seen. Viele konnten dem prächtigen Fluidum eines warmen Sees in der grünen Hügellandschaft nicht widerstehen und erfrischten sich mit einigen Schwimmzügen im See. Im hübschen Ort Semeliske mit seinen farbigen Holzhäusern überzeugten wir uns vom Eisangebot im Dorfladen und machten im Schatten der Dorfkirche eine kleine Vorstellungsrunde. Im Anblick der Schornsteine von Elektrinai stiegen wir nach 27 Radkilometern wieder in den Bus, der uns nach Kaunas brachte. Die Altstadt von Kaunas erlebten wir bei einem Abendbummel zum Rathausplatz und standen am Fluss Nemunas (Memel).

4. Tag: 05.08.2011 Kaunas – Vente – Klaipeda

Mit dem Bus ging es zunächst entlang der Memel durch eine liebliche Landschaft; rechter Hand erahnten wir alte Grenzfesten auf den Hügelketten. Nach fast vierstündiger Fahrt erreichten wir die Vogelwarte in Vente am Kurischen Haff. Auf der gegenüberliegenden Haffseite sehen wir die Dünen der Nehrung und Nida. Zunächst lauschten wir jedoch Schilderungen eines lebenserfahrenen Alten, Mitarbeiter der Vogelwarte seit wohl sechs Jahrzehnten. Nach dem Besuch der Vogelwarte waren wir im Haus am Leuchtturm zum Picknick zu Gast und ließen uns Plinsen, Speck, frisches Brot und einen Verdauer schmecken. Danach stiegen wir auf das Fahrrad und legten recht gemütlich die 27 Kilometer durch kleine Dörfer und Weiler bis nach Priekule parallel zur östlichen Haffküste zurück. Der Bus brachte uns nach Klaipeda, wo wir im Hafen unser Hotel, einen ausgebauten und modernisierten ehemaligen Reisspeicher, erreichten.
Eine Drehbrücken-Zeiteinheit trennte uns am Abend dann vom Zugang zur Altstadt, wo wir im Angesicht von Ännchen von Tharau das Lied von Ännchen anstimmten.

5. Tag: 06.08.2011 Kurische Nehrung

Mit dem Bus ging es zunächst bis auf die Hohe Düne bei Nida, nur drei Kilometer von der russischen Grenze entfernt: wir blickten auf Haff und Ostsee. Unsere Räder standen dann in Nida bereit, um unsere Radtour über 55 km zu beginnen. Zunächst ging es in den Ort Nida, wo wir uns die Herkunft der Schifferzeichen erklären ließen und unsere Tagesproviant aufstockten. Bevor wir auf gut ausgebauten Radwegen in den eigentlichen Nationalpark Kurische Nehrung einfuhren, erfuhren wir in der Bernsteingalerie mehr über Beschaffenheit und Bearbeitung des festgewordenen Harzes und besuchten den Friedhof des legendären Ortes. Im Sommerhaus von Thomas Mann erfuhren wir auch von der „Bruderliebe" zwischen Thomas und Heinrich und über die anteilige Verwendung des Nobelpreisgeldes. Bei Prela regnete uns es dann das zweite Mal kräftig ein. Um so erfreuter waren wir, als am Picknickplatz an der Ostseeküste bei Pervalka die Sonne heraus kam. Nach zwanzig Kilometern stiegen wir auf die Tote Düne und waren begeistert von dem Marsch durch die „Sahara" und dem Blick auf das Haff. Mit einem guten 16er Schnitt erreichten wir den Fährhafen und konnten direkt auf die Fähre aufrollen. Den für das Warten avisierten Orangensaft tranken wir dafür später beim Abendessen im Hotel.

6. Tag: 07.08.2011 Klaipeda – Palanga – Liepaja – Ventspils

Bei bestem Sonnenschein ging es von Kleipeda über einen herrlichen Radweg in Ostseenähe nach Palanga. Am Schloss wurden wir durch einen lettischen (!) Chor begrüßt, bevor wir das Bernsteinmuseum Litauens besichtigten. Nach einer schönen, langen Pause mit Baden am sonntäglichen Strand von Palanga und individuellem Mittagsessen ging es entlang der Ostseeküste weiter per Rad nach Sventoji. Dieser Ort gleicht einem Rummelplatz mit Fischbuden und im Hintergrund stehen noch zahlreiche Investitionsruinen. Mit dem Bus ging es dann nach Lettland und der Stadt Liepaja.
Jana zeigte uns Reste des alten Militärhafens mit hundertjähriger Geschichte und einige der sozialen Probleme in den Wohngebieten am Rande der Stadt.
Mehr Begeisterung versprühte Sie für manche Leistung des Bürgermeisters für unseren Zielort Ventspilis; bis wir am Rande erfuhren, dass er sich mit zahlreichen Korruptionsvorwürfen, auch wegen seiner Zarenmentalität auseinandersetzen muss.
Die Lehrstunde zu den Schwierigkeiten einer postsowjetischen Entwicklung fand ihren Abschluss am Abend im Hotel inmitten eines Wohngebietes aus der Breshnew-Ära.

7. Tag: 08.08.2011 über die Rigaer Bucht nach Saaremaa

Unser heutiges Etappenziel war die landschaftlich einmalige Insel Saaremaa, die größte der estnischen Inseln. Im Hafenbecken von Mesrags ahnten wir ruhiges Meer und aufkommenden Sonnenschein. Als wir mit dem Motorschiff dem schützenden Saum Estlands und des Kap Kolka verlassen hatten, frischte der Wind auf 10 m/s auf, die Wellen wuchsen an und überspülten immer wieder das Deck. Zum Glück hatten wir rechtzeitig das erste Picknick verzehrt, denn später war so keinem mehr nach üppigem Gelage. Bei etwas Seegang vollzogen wir an der lettisch-estnischen Seegrenze den Flaggenwechsel und eine kleine Äquatortaufe mit Rigaer Balsam und Wodka. (Man beachte bitte beim Einschenken die Richtung eines mittelstarken Seewindes!!) Nach mehr als acht Stunden Fahrtzeit erreichten wir die Insel im Hafen Roomassare. Lockere 15 Abendkilometer trennten uns noch vom Hotel in Mändjala. Nach der Seefahrt war das Interesse am Radfahren jedoch recht geteilt.

8. Tag: 09.08.2011 Saaremaas Südwesten

Linas durfte heute den Bus nicht bewegen, weshalb für uns eine Rundtour im Südwesten der Insel das Richtige war. Diese führte uns auf die Halbinsel Salme und an die Ariste-Bucht. Vor ca. 10 000 Jahren hinterließ die Eiszeit hier blankgeleckte Steine im Meer, die wir heute finden können; also als Findlinge üblicherweise bezeichnen. Das Finden ist aber mehr ein Sehen, da diese massenhaft sind und auch stattliche Größen annehmen. Die 1992 abziehende Sowjetarmee hinterließ auch Steine: Denkmäler, Reste von Sperren, alte Geschützstellungen, Befehlsstände und ein Schiff als Ziel für Übungsschießen. An einem kleinen Leuchtturm an der Ariste-Bucht traf sich die Mehrheit zum Picknick; eine Minderheit nutzte die Tour ohnehin zur Entwicklung handwerklicher Fertigkeiten bei fünf Reifenreparaturen. Dennoch erreichten alle recht früh das Hotel und hatten noch Zeit für eine Strand- oder Kaffeestunde.

9. Tag: 10.08.2011 Saaremaas Wahrzeichen

Bei dieser Tour lernten wir die Wahrzeichen der Insel Saaremaa kennen: den Kratersee Kaali, die Windmühlen von Angla, die Kirche von Karja, den Burgruinenrest von Maasi und die alte Bischofsburg in Kuressare. Mit dem Bus ging es zunächst bis zum Kratersee. Hier sah das Wetter so gut aus, dass wir uns für den Beginn unserer Radtour entschieden. Diese führte uns über den mittlerweile errichteten Museumskomplex der Mühlen zur ältesten Kirche der Insel. Nun zogen langsam Gewitterwolken auf, die uns in eiliger Fahrt an die Nordküste der Insel trieben. Noch trocken, fuhren wir dann doch lieber mit dem Bus durch den Regen zur alten Burgfeste Maasi.
Vom Wetter ein wenig angeknabbert, waren wir froh, dann auch die die Burg Kuressare trocken zu erreichen. Der ehemalige Bischofssitz bietet eine interessamte Innenarchitektur, riesige hölzerne Wappen und eine präzise Darstellung der Geschichte der Insel, insbesondere des 20. Jahrhunderts.
Auf der Heimfahrt genossen wir dann nochmals den Blick auf phantastische Wolkenformationen.

10. Tag: 11.08.2011 Saaremaa – Tallinn

Mit dem Bus ging es über den Damm, der Saaremaa mit Muhu verbindet, zum ethnografischen Museum in Koguva und weiter zum Fährhafen in Kuivatu. In 25 Minuten brachte uns die Fähre aufs Festland, so dass wir rechtzeitig am Nachmittag in Tallinn eintrafen. Karmen begleitete uns in einem Tempo, das selbst für Radfahrer sportlich ist, von der Oberstadt in die Unterstadt von Tallinn, die einst Reval hieß. Eine Stadtmauer begrenzt die Altstadt und teilte einst auch Ober- und Unterstadt. Häufiger Nieselregen und verlockende Souvenirangebote beeinträchtigten aber auch unsere Konzentration auf manche historische Erklärung. So erschlossen wir bis zum Abendessen im Grillhaus Daube, einem mittelalterlichen Wirtshaus, noch individuell die Gassen der Altstadt.

11. Tag: 12.08.2011 Tallinn – Sigulda

Von Tallinn ging es am Morgen per Bus durch das Landesinnere nach Pärnu, wo wir in Kurhausnähe am Strand bei nur 15 Grad keine Badegäste entdecken konnten. Unsere Radtour begann dann kurz vor Haademeste an der Ostsee. Nun führte uns die Radstrecke immer entlang der Ostseeküste über die vogelleere Station Kabli, wo wir uns am „Vogelhaus" trocken unterstellten, bis nach Ainazi. Wenigstens diese Grenzpassage vollzogen wir per Rad, nachdem wir alle anderen unserer Reise per Bus oder Schiff durchgeführt hatten. Wieder - und dies auf unserer Reise zum dritten Male - waren wir in Lettland angekommen. Hier sind Fahrradwege selten, die die Hauptstraßen zügiger befahren als in Estland. Deshalb entschieden wir uns bei leichtem Dauerregen an der Grenze in den trockenen Bus zu steigen; 33 km reichen auch. Das Landhotel „Ezeri" überraschte uns mit seinen hellen Farbtönen und viel Licht im Speiseraum; leider konnten wir den Außenpool bei Regen und Spätsommerkühle nicht nutzen.

12. Tag: 13.08.2011 Gauja Nationalpark – Riga

Wer hätte diese Landschaft im flachen Lettland erwartet? - Hügel, Täler mit Bachläufen, Ausblicke zu Burgen auf bewaldeten „Bergen", eine Bobbahn und gar Skilifte? Per Rad ging es durch die „lettische Schweiz" zunächst zur Bobbahn, dann zum Schloss und zur alten Burg von Sigulda. Nun in schneller Fahrt hinab zur Brücke über die Gauja, wo über uns gar eine Seilbahnkabine entlang schaukelte. An der Krimulda-Grotte empfing uns Flötenmusik und Jana erzählte uns die Sage von Krimulda als bitteren Gerichtsreport. Leichter als angenommen ging es dann, das Rad schiebend hinauf zur Burg und dem Museumskomplex Turaida mit Plastiken und einem Museumsdorf. Von hier begannen dann die letzten zehn Radkilometer, vorbei an einer Kirche, in der Jana einst in Vorbereitung ihres Kirchenmusikstudiums in Dresden arbeitete. Am Tages- und Endziel unserer Radtour stand schon der Bus. Nach einem guten Essen tranken wir einen Schluck Rigaer Balsam auf den letzten und die insgesamt absolvierten 340 Radkilometer. Letzte Busfahrt nach Riga: der Kreis schließt sich. Nach individuellem Bummeln trafen wir uns im Restaurant „Pie Kristapa Kunga"und bummelten später im abendlichen Riga an Jugendstilhäusern vorbei bis zum Hotel.

13. Tag: Heimflug

Starkregen weckte uns und begleitete uns auf der Anfahrt zum Flughafen. Beim Start der Dash 400 schien bereits die Sonne und die Wolkendecke lichtete sich. Aus der Flughöhe sahen wir zunächst die Rigaer Bucht bei Jürmala und bald flogen wir entlang unserer Radroute, Klaipeda, die Kuhrische Nehrung, das Haff, die Dünen, Nida und später auch den Hafen von Pillau (Baltijsk) sehend. So also beste Gelegenheit auf dem Flug die Höhepunkte dieser Reise Revue passieren zu lassen und Lust auf mehr Radfahren mit Eberhardt Travel oder das Baltikum bekommen.

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Hallo Herr Dr. Schmeißer, der Reisebericht hat uns sehr gut gefallen, und wir konnten die Etappen und vielen schönen und ganz besonderen Einrücke dieser konbinierten Bus-Radreise noch einmal wieder beleben. Auch die Bilder passsten gut und sind sehr gelungen. Wir werden uns gerne daran erinnern. Vielen Dank und schöne Grüße Dieter und Isolde Reimann

Isolde Reimann
11.09.2011