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Rundreise Baltikum – Städte und Natur entlang der Ostsee

Reisebericht: 05.06. – 17.06.2025

Ins Baltikum kurz vor der Sonnenwende, das verspricht lange Tage und kurze Nächte, offenen Himmel und weite Landschaften. Die „Sonnenenergie“ wird uns durch die drei Länder tragen, denn wir haben viel zu sehen. Alle baltischen Hauptstädte - Vilnius, Riga und Tallinn – schauen wir uns an und der Besuch einiger Nationalparks steht auf dem Programm. Natur- und Kulturerlebnisse entlang der Ostseeküste.

Vivian Kreft

Ein Reisebericht von
Vivian Kreft


Flug nach Vilnius in Litauen

Um 2.30 Uhr klingelt für die meisten von uns der Wecker. Denn wir fliegen von Dresden und Berlin nach Frankfurt, treffen dort auf weitere Gäste, um gemeinsam nach Vilnius zu reisen.

Die Fahrt mit dem Taxi durch eine dunkle, stille Stadt, die am Flughafen endet, wo wir nun viele sind, die früh aufbrechen zu ihren Zielen. Es läuft reibungslos, an der Sicherheitskontrolle gibt man sich sehr entspannt, unterbricht kurz den morgendlichen Ratsch mit den Kollegen, um die Reisenden noch einmal „durchzufühlen“.

In Frankfurt ist man schon sehr viel munterer. Wie auf Ameisenstraßen laufen die Passagiere zu ihren Gates oder zum Ausgang. Treppe runter, Laufband rauf, nun mit dem Aufzug wieder hoch und noch ein kleiner Fußmarsch, dann sind wir am Ziel. Ein Polizist – dein freundlicher Helfer – hat verraten, wie man das Gate im Netz findet, auch wenn es noch nicht genannt ist. Pfiffig, man gibt die Flugnummer ein und es erscheint der Abflugort.

Die Flüge mit Lufthansa sind pünktlich, sehr angenehm und im Anflug auf Vilnius sehen wir, wie grün das Land ist. Der stellenweise dichte Baumbestand wirkt ganz flauschig.
Der Wind schüttelt das Flugzeug beim Landen und auch am Nachmittag bekommen wir den Wind um die Ohren, dann jedoch mit Regen.
Daiva, unsere Reiseführerin und Rimas, unser Busfahrer, erwarten uns mit einem großen gepflegten Bus, der fast neu aussieht, so dass wir diese Reise hoch oben sitzend, sehr schön werden genießen können.

Vor einigen Tagen waren die Straßen stellenweise gesperrt, hören wir, da Nato-Sekretär Rutte am Vilnius-Gipfel teilgenommen hat mit den osteuropäischen B9- und den nordischen Staaten. Aktuelle Politik und wechselvolle Geschichte der drei Länder sind nun unsere täglichen Begleiter.

10 Mio. Balten, davon 2,8 Mio. Litauer. Leben bei uns 240 Menschen auf einem Quadratkilometer, sind es hier 52. 306 km Autobahn an die Ostsee, 120 km Autobahn nach Riga, so wird das Land durchmessen. Die Eisenbahn folgt noch der russischen Spurbreite
Die Straßen von Vilnius erinnern ein wenig an Straßenzüge der k.-und-k.-Monarchie. Häuser vom Ende des 19. Jahrhunderts mit hübschen Fassaden, schmiedeeiserenen Balkonen, Karyatiden am Eingang, verblichene Paläste.

Wir kommen an der Oper vorbei und hören, dass die weltbekannte Sopranistin Asmik Grigorian aus Litauen stammt. Kleines Land, große Leute.
Unser Hotel Neringa ist so stylish wie ein Boutique-Hotel, mit viel Geschmack und Komfort. 1960 eröffnet, wurde es eine Stilikone, das Restaurant mit Wandmalereien beliebter Treffpunkt der heimischen Bohème. Es wurde drei Jahre vom Keller bis zum Dach renoviert und ist ein wunderbarer Ausgangspunkt für unsere Besichtigung.

Nun regnet es jedoch erstmal kräftig und wer schon draußen ist, hat einen guten Grund, in eines der vielen behaglich wirkenden Cafés zu gehen.
Nach dem frühen Aufstehen ist es überhaupt Zeit für eine Stärkung.
Der Regen lässt tatsächlich nach, die Sonne drückt sich durch die Wolken und so geht es mit der Standseilbahn hoch zum Burgberg zum Gedimimasturm. Von hier aus hat man einen tollen Rundumblick auf die Stadt – jenseits des Flusses Neris die moderne Stadt, zu Füssen des Burgbergs die Altstadt.

Zwei deutsche Soldaten kreuzen meinen Weg, die ich anspreche. Sie sind hier mit 500 weiteren stationiert – die Vorhut. Die Präsenz der Nato will man hier auf 5.000 ausweiten. Die zwei jungen Männer fühlen sie wohl und geachtet. In Deutschland werden sie angepöbelt und angespuckt, erzählen sie mir und lassen mich sprachlos zurück.

Zum Abendessen treffen wir uns im Hotelrestaurant, das sogar im Baedecker genannt ist. Das Restaurant stammt von 1959 und steht unter Denkmalschutz. Das Interieur ist unverändert, die Sitzbezüge hat man nacharbeiten lassen. Ein sehr stimmungsvoller Raum, den ein Wandfries mit Sagendarstellungen umzieht. Früher saßen hier die Bohemians, heute tauschen wir uns über das heute Gesehene aus.

Stadtführung in Vilnius – Wasserburg Trakai – Klaipeda

Nach dem Frühstück starten wir zu unserer Stadtführung. Der Bus nimmt uns und die Koffer auf und so fahren wir zur Kirche St. Peter und Paul.
Vilna heißt Wasserwoge und zeigt, dass das Wasser die Stadt geprägt hat, die damals von den Flüssen Neris und Vilnia regelrecht umarmt und beschützt worden ist.

Auf dem Weg dorthin erzählt uns Daiva von der von den Sowjets niedergeschlagenen Revolution und vom Einmarsch der Sowjets 1992, die der ARD-Korrespondent Gerd Ruge, damals Korrespondent in Moskau, gefilmt hat und zur Ausstrahlung brachte. So erfuhr der Westen aus erster Hand, was geschah.

An einem Hochhaus hängt ein Banner mit den Worten „Putin The Hague is waiting for you“. Hier hat man nur eine politische Haltung, die von großer Solidarität getragen wird.

Es geht vorbei am Burgberg, der eine natürliche Erhebung, ein Ergebnis der letzten Eiszeit – eine Endmoräne.
Die Stadt ist unglaublich grün, das Flussufer zu beiden Seiten bepflanzt und mit mehreren Baumreihen verschönert. Sportplätze liegen dort mitten im Grünen und laden jeden zum Mitmachen ein.
Viele Denkmäler erinnern an Persönlichkeiten oder sind Gedenkorte.

Vilnius hat rund 120 Kirchen, von denen 80% zweckentfremdet sind. Es gibt keine Kirchensteuer, die die Gotteshäuser tragen würden und so ist man auf Spenden und Almosen angewiesen.

St. Peter und Paul ist aus der Hand italienischer Architekten und Stuckateuren – ein barocker Traum in Weiß mit rund 2.000 Figuren an den Wänden und in den Gewölben. Unglaublich edel und zugleich verschwenderisch.
Weiter geht es zur Kathedrale, in der die Kasimirkapelle besonders ausgestaltet ist.

In Litauen hat man Restitutionsansprüche nur innerhalb von zehn Jahren geltend machen können - denn der sowjetische Einmarsch bedeutete Enteignung - was schneller als in Deutschland die Möglichkeit an die Hand gab, „übrig gebliebene“ Grundstücke zu veräußern und zu gestalten. So konnte man im Stadtbild schnell Lücken schließen und Gebäude sanieren.

Nach der Bautätigkeit der litauischen Großfürsten und der Baufreude im 17. und 18. Jh. in der langen Zeit der russischen Zarenherrschaft gehört Vilnius heute zu den schönsten Barockstädten Europas. Mit 346 km² hat die Stadt eines der größten alten Stadtzentren im osteuropäischen Raum und ihre historische Altstadt gehört zum Weltkulturerbe der Unesco. 20.000 Menschen wohnen in der Altstadt und halten diese lebendig. In Riga sind es hingegen nur 2.000.

Geprägt wurde die Altstadt auch durch den hohen Anteil an jüdischer Bevölkerung, die bis zum Anfang des 20. Jh. 30% ausmachten. Vilnius war ein wichtiges Zentrum jüdischer Kultur und Aufklärung, was der Stadt den Beinamen „Jerusalem des Nordens“ eintrug. Litvaki heißen die Juden aus Vilnius. Zum Gedenken an Leonard Cohen, einen kanadischen Sänger jüdischer Herkunft mit litauischen Wurzeln, wurde eine Skulptur im Altstadtviertel errichtet, an der wir vorbeikommen.

Wir lassen Vilnius hinter und fahren nach Trakai, der Stadt auf dem Wasser. Inmitten des Galve-Sees befindet sich die gotische Inselburg aus dem 15. Jahrhundert, die einzige vollständig erhaltene Wasserburg des Baltikums, die Herrschersitz des litauischen Großfürstentums war. Heute liegt die Backsteinburg verträumt auf einer Insel im See.

Danach probieren wir die Teigtaschen Kibanai, Nationalgericht der Karäer. Die Karäer sind eine alte jüdische Sekte aus der Gegend des heutigen Irak, die nur die Tora (den ersten Teil des Alten Testaments) als heiliges Buch anerkennen und jede weitere religiöse Quelle wie Talmud oder rabbinische Tradition ablehnen. 1397 brachte Großfürst Vytautas die Karäer als Palastwache von der Krim mit nach Trakai. Damals beherrschte Litauen große Teile Osteuropas bis zum Schwarzen Meer. Auf die Krim sind die Karäer wahrscheinlich aus dem Irak oder Konstantinopel gekommen. Und da sie als zuverlässig und loyal galten, waren sie ideale Sicherheitskräfte. Trakai ist dadurch das karäische kulturelle Zentrum Osteuropas geworden.

Wir machen nun Strecke und fahren die Autobahn nach Klaipeda, rund 300 km. Links und rechts der zweispurigen Piste nur Wiesen – richtige satte grüne Wiesen, bei dem sich jedes Weidevieh im Paradies wähnen würde. 30 % Wald, 10% Naturwiesen, das gönnt sich Litauen – oder schenkt es sich vielmehr. Die grünen Matten laufen weich, über Senken und Hügel, bis zum Waldrand oder bis sie in der Ferne verschwinden. Ein ungewohntes, schönes Bild, das zeigt, welche Sehgewohnheiten wir von deutschen Autobahnen haben, jahrelang antrainiert.

Am Nachmittag ist es Zeit, die Geburtstagstafel für einen der großen deutschen Schriftsteller zu decken: Thomas Mann, am 6. Juni 1875 geboren, wäre heute 150 Jahre alt geworden. Morgen besuchen wir sein Sommerhaus auf der Kurischen Nehrung. Was für ein passender Anlass.
Neun Formen des Diminutivs gibt es im Litauischen. Wie armselig wirken da unsere zwei Formen „Kindchen“ oder „Kindlein“.

Ausflug auf die Kurische Nehrung

Die Nacht über hat es geregnet, gegen 4 Uhr wird es hell. Die Sonne zieht auf und verschönert uns den Ausflugstag. Denn was wäre Regen auf der Kurischen Nehrung.

Unser Bus fährt auf die Fähre, die uns in wenigen Minuten vom Festland auf die Insel bringt. Auf der einen Seite die blaue Ostsee, auf der anderen das grünlich schimmernde Haff, wurde die Nehrung wegen ihrer Einzigartigkeit zum Nationalpark erklärt und im Jahr 2000 in die Liste des Unesco-Weltnaturerbes aufgenommen.

Die Halbinsel ist von Kalinigrad aus auf dem Landweg zu erreichen, nicht jedoch von Litauen aus. Daher ist es für jene, die von Klaipeda kommen, eine Insel.
Die Verbindung mit der Postkutsche führte damals über Königsberg, die Kurische Nehrung nach Riga. Denn der feste Sandstrand ließ das Gefährt schneller vorwärtskommen als über Wege auf dem Festland und sparte einen Tag.

Es gibt eine Straße. Hier und dort blitzt das Haff zwischen den Bäumen auf. Ein Schlenker ab der Hauptroute macht uns mit einem „Naturphänomen“ vertraut. Die mit 6.500 Vögeln eine der größten Kormorankolonien Europas bauen ihre Nester in Bäumen, doch ihr Kot ist so phosphathaltig, dass die Träger ihrer Nester innerhalb von zwei Jahren absterben. So suchen sich die Vögel neue Bäume für ihre Nester und hinterlassen tote Bäume.

Auf der Halbinsel gibt es noch eine Wanderdüne, auf deren Rücken die Grenze zwischen Russland und Litauen verläuft. Im Nordischen Krieg (1674–1679) und in der russischen Zeit wurden zu viele Bäume gefällt. Das natürliche Gleichgewicht kam aus der Bahn: Der Dünenschutz war genommen, so dass der Wind die Sandberge vor sich hertrieb und somit 14 Dörfer versandeten und unter den Dünen verschwanden.
Knapp 1.500 Menschen leben auf der Insel und es gibt sogar ein Gymnasium, sodass die Kinder dafür nicht mehr aufs Festland pendeln müssen wie noch vor fünf Jahren.

Ein Autoschild weist geradeaus den Weg nach Kalinigrad, ein Souvenir an frühere Zeiten, denn die Straße ist nun Sackgasse.
Die menschliche Zivilisation endet in Nida (Nidden), dem größten Ort, dahinter gibt es nur Dünen und Wald. Wir steigen auf die Hohe Düne, 60 m hoch, eine Landmarke mit der hohen Sonnenuhr, die von weitem wie ein Obelisk aussieht. Von hier könnte man den Sonnenaufgang über dem Haff, und den Sonnenuntergang über der Ostsee beobachten. Wir freuen uns, dass die Sonne jetzt jedoch hoch am Himmel steht.

Das Dünenbild, das sich unserem Blick bieten, ist ein Bühnenbild mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund, einem ruhigen Aufbau einer Landschaft, die das Auge erfreut. Über einen sehr soliden Holzsteg, der die Landschaft schont, laufen wir in den Ort, vorbei an einer Fischräucherei. Auf die Tür des Räucherofens ist geschrieben, dass um 13 Uhr die Köstlichkeiten aus dem Rauch genommen werden. Das sind doch Perspektiven und frohgemut treten wir unsere Bootsfahrt an. Das Schiff gehört uns ganz alleine, Platz ist vorne und hinten, blaue Kissen und Decken liegen bereit, so dass es eine vergnügliche Stunde wird, die wir gerne noch ausgedehnt hätten.

Wir fahren über die Hohe Düne hinaus entlang der Dünenlandschaft, die nur noch von Möwen betreten wird, die sich dort sehr wohlzufühlen scheinen. In großen Scharen sitzen sie am goldenen Hang, schwingen sich mit großem Lärm in die Luft, drehen eine Runde, um dann wieder an ähnlicher Stelle Platz zu nehmen. Weitere Tiere sitzen auf dem Kamm und schauen dem Treiben zu. Die rote Boje ein Stück weit voraus markiert die Seegrenze zwischen Russland und Litauen.

Zurück am Hafen tragen uns die Füße zur Fischräucherei. Was es da nicht alles gibt: Zander, Brasse, Stint, Zander, Aal, sogar Calamari hingen im Rauch. Danach traben wir der Seepromenade entlang, die mit vielen Kurenwimpeln geschmückt ist. Diese wurden 1844 eingeführt, um anhand des Erkennungsmusters die Kurenkäne unterscheiden zu können. Diese breiten Schiffe waren das wichtigste Transportmittel und hatten viel Platz.

„Meeresleuchten“, ein Spielfilm mit Ulrich Tukur wurde 2021 hier im Ort gedreht, verrät uns Daiva. Sie blickt rüber, erkennt ihn und er legt den Finger auf den Mund, ihn gegenüber ihren anderen Gästen nicht zu verraten, erzählt sie.

Das Thomas-Mann-Haus liegt erhöht über dem Haff und fügt sich in die Landschaft ein. Der Architekt Herbert Reissmann hat in Klaipeda im Bauhausstil gebaut und entwarf für die Bedürfnisse des Schriftstellers ein schlichtes Haus.
Reissmann wurde in Kamenz, Sachsen, geboren und studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Dresden. In Memel, dem heutigen Klaipeda, fand er 1923 eine Anstellung. 1956 wurde er zum Professor mit Lehrauftrag für ländliches Bauen an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar ernannt.

Im Sommer 1930 wurde das Sommerhaus bezogen, bezahlt von den Tantiemen, die mit dem Literaturnobelpreis verbunden sind, den Thomas Mann 1929 verliehen bekommen hat - für „Die Buddenbrooks“, die 1906 veröffentlicht worden sind. Hätte er den Preis früher bekommen, wäre das Haus vielleicht nie gebaut worden.

Von der Originaleinrichtung ist nichts erhalten. Die Familie hatte Freude daran bis 1932 – drei Sommer lang – dann emigrierten sie in die USA. Heute ist es ein Museum und Kulturstandort und eine Pilgerstätte für Thomas-Mann-Fans.

Vom Haff fahren wir auf die andere Seite, in Spuckweite, zur Ostsee. Hier rauschen die Wellen, hier ist die Luft würzig. Was für ein Unterschied.
Auf dem Rückweg machen wir Halt in Juodkrante (Schwarzort), dem ältesten Ort auf der Kurischen Nehrung. Hier führt ein versteckter Pfad zum Hexenberg, ein idyllischer Rundweg, gesäumt von 80 hölzernen Figuren aus der litauischen Märchen- und Sagenwelt. Zwei Dünen geht es dafür hoch und runter.

Was für ein voller, schöner Tag. Müde und beseelt lassen wir uns im Bus wieder mit der Fähre übersetzen. Frischmachen, ein paar Minuten die Beine hochlegen, dann geht es auf zum Abendessen in Klaipeda.

Klaipeda – Bernsteinfischer – Berg der Kreuze – Riga

Mit dem Bus und zu Fuß geht es zur Stadtführung durch Klaipeda. Der Hafen ist bedeutend, schön geschützt durch die Nehrung von der Ostsee. Die nach dem Fluss Memel benannte Stadt weckte Begehrlichkeiten, kann man doch über die Wasserstraße bis nach Weißrussland kommen. So wurde eine Burg an der Mündung gebaut. 1252 war das Geburtsjahr der Stadt. Doch durch Sandverwehungen wurde die Nehrung zwei Kilometer länger, so dass die Burg nicht mehr die Verbindung zwischen Haff und Ostsee sicherte und funktionslos wurden. Die Fußgängerfähre macht an der Nehrung fest, wo sie damals zu Ende war.

Der alte Hafen rückt näher an die Stadt durch die Sanierung alter und die Errichtung neuer Gebäude. Ein rostiges Schiff ist Requisite für den „Fliegenden Holländer“, der hier im Sommer Open Air aufgeführt wird. Richard Wagner war als 23-jähriger zweiter Kapellmeister einer Opernkompagnie, die hier 1836 gastierte. Am 1. August feiert der Ort im Hafengelände sein Stadtfest.

In der Stadtmitte klafft ein großes Loch in der Erde. Hier sollte ein Parkhaus für das gegenüberliegende Opernhaus gebaut werden, doch beim Ausheben stieß man erst auf Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg, und als diese entschärft waren, fanden sich Fundamente der ursprünglichen Bebauung. Wenn wir schon so viel verloren haben, sollen wir das, was wir wiedergefunden haben, einem Parkhaus opfern? So die Frage der Bewohner, deren Stadt zu 65% zerstört worden ist. Eine Antwort scheint noch auszustehen. Das Bauloch harrt seiner Bestimmung.
Es steht noch einiges an Altbausubstanz, was wachgeküsst werden müsste. Die Stadt hat Perspektiven und es ist viel in Bewegung.

Den historischen Theaterplatz ziert ein Brunnen mit Ännchen von Tharau. Ännchen von Tharau ist der Titel eines volkstümlichen Liedes von Simon Dach, den die Berliner in der Regel mit der Partymeile Simon-Dach-Straße verbinden. Nun wissen wir mehr.

Es geht weiter zum kleinen Fischerort Karkle, wo uns Igoris, der Bernsteinfischer in Empfang nimmt. Im Naturkundezentrum erklärt er sehr anschaulich, was Bernstein auszeichnet und woran man ihn erkennt. Dann gehen wir zur nahegelegenen Ostsee, um die Theorie in Praxis umzusetzen. Igoris trägt eine Gummilatzhose, schnürt sich einen Gummigürtel um die Hüfte und um die Handgelenke, um sich vor dem Meerwasser zu schützen. Mit einem Netz stapft er in die Brandung und fängt die durch die Wellen aufgeworfenen Steine auf, schüttet sie an den Strand. In dem wirren Haufen suchen wir Bernstein anhand der Informationen, die wir vor kurzem vom Bernsteinfischer erhalten haben. Und tatsächlich, ein paar kleine Steine finden sich. 50 Mio. Jahre Erdgeschichte in diesen kleinen Leichtgewichten.

Ein Mittagessen haben wir uns danach verdient, das wir in einer Raststätte am Weg einnehmen. Bortsch- oder Sauerkrautsuppe? Beides schmeckt hervorragend und zugleich bekommen wir ein wenig Lokalkolorit mit.

Die Rapsfelder sind schon am Verblühen, doch wie weite gelbe Teppiche breiten sie sich über die Landschaft aus, in einer Größe, die wir in Deutschland nicht kennen. Das Bild wechselt und Getreidefelder kommen in den Blick, die im Norden und Nordosten Litauens liegen.

Der Berg der Kreuze ist unser nächstes Ziel, ein wichtiger Wallfahrtsort. Das erste Kreuz stellte ein Vater auf, in tiefer Dankbarkeit für die überwundene Krankheit seiner Tochter. Aus diesem Ort der Frömmigkeit erwuchs ein Symbol des litauischen Nationalbewusstseins. Zum Gedenken an zahlreiche Unterdrückungen, die das litauische Volk erlebt hatte, begann man, hier auf dem Hügel bei Siauliai Kreuze aufzustellen. 1939 ebneten die Sowjets das Gelände ein, doch kurz darauf standen neue Kreuze an diesem Ort. So sammelten sich über die Jahrzehnte über 240.000 Kreuze an – große und kleine. Papst Johannes Paul II. regte den Bau eines Klosters an, das hinter der Gedenkstätte liegt.

Am Parkplatz kann man an den Souvenirständen Kreuze kaufen, in unterschiedlichen Größen. Dann laufen wir entlang einer schönen Blumenwiese zum Ort. Da es bei dieser Gedenkstätte keine ordnende Hand gibt und einiges zur Seite gekippt ist oder mitgenommen aussieht, ist es anrührend. Denn jedes Kreuz steht für einen Menschen, mit seinen Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten, denen er mit dem Setzen des Kreuzes Ausdruck verleiht. Rundherum nur Wiese, von einem Bach durchzogen, Vogelgezwitscher liegt in der Luft, ein Storch schwebt darüber hinweg.

Wir fahren durch das Herzogtum Kurland, eine der vier historischen Landschaften von Lettland. Spannend, die Geschichtsabfolge von unserer Reiseleiterin Daiva zu hören. Nun hat die Serie „Kurland“ der Berliner Königlichen Porzellan Manufaktur einen ganz neuen Bezugspunkt.

Wir überfahren die Grenze zwischen Litauen und Lettland. Bis 2010 gab es hier noch eine Passkontrolle, doch dann trat Lettland dem Schengenraum bei und das Zollhäuschen wurde abgerissen. Hier wächst nun Gras.

Angenehm sind die Kreisverkehre. Der Verkehr fließt viel besser als mit Ampeln und man braucht dafür auch keinen Strom zu verlegen.
1,7 Mio. Einwohner, 31 Menschen auf einem km², 64.000 km² hat das Land, das noch dünner besiedelt ist als Litauen. 500 km Ostseeküste.
Am Abend sind wir in Riga, der Hauptstadt von Lettland.

Das Essen wird zügig serviert, so dass wir noch genügend Zeit für einen Stadtbummel haben.

Stadführung in Riga – Ausflug nach Jurmala und in den Kemeri Nationalpark

Das Frühstücksangebot ist reichlich. Es gibt sogar „Hering unterm Pelz“, ein Salat mit Roter Beete, gekochten Kartoffeln, alles gerieben und über die Heringsstücke gebettet. Sehr lecker und eine gute Grundlage für den heutigen Tag.

Zunächst fahren wir in das Viertel mit dem schönen Jugendstilhäusern. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der Aufhebung der Leibeigenschaft wuchs Riga mit 500.000 Einwohnern zur fünftgrößten Stadt des Russischen Reiches. Die Hansestadt wurde wohlhabender und so vergrößerte man die Fläche über die Festungsanlagen hinaus – wie in Wien, Frankfurt am Main und anderen Städten – und baute neue Wohnviertel. Die eigenen Architekten kamen zum Zug und machten die Häuser zu ihren Visitenkarten. An die 800 Jugendstilgebäude hat Riga mit üppigen Fassadenverzierungen. Stilelemente aus der Antike und dem alten Ägypten, kräftige Männer tragen Balkone auf ihren Schultern, zartgliedrige Frauen recken sich dem Himmel entgegen, Sphinxen und Löwen, Elefantenköpfe und Fledermäuse, eine große Dekorationsfreude überzieht die Hausfassaden.

Die historische Altstadt wurde mit großem Aufwand restauriert und steht seit 1997 auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes. Es gibt immer noch verblichene Schönheiten, die auf die Restaurierung warten. Beeindruckend ist der Marktplatz, der nach dem Zweiten Weltkrieg freigeräumt war. Doch zum Stadtjubiläum 1999 entschied man sich, das „Schwarzhäupterhaus“ der ledigen Kaufleute und das benachbarte Schwabenhaus wieder aufzubauen. Beide sind Sehenswürdigkeiten ersten Ranges. Von besonderer Schönheit sind auch die mächtigen Backsteinkirchen, von denen wir uns den Dom anschauen. Das von einem deutschen Orgelbauer 1884 eingerichtete Musikinstrument war damals die größte Orgel der Welt und wird jeden Mittag um 12 Uhr gespielt.

Da sind wir schon auf Ausflug an den Ostseestrand, nach Jurmala. Der Ort ist Lettlands größter und beliebtester Badeort mit 26 Kilometer Sandstrand. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden hier die ersten Sommervillen aus Holz gebaut, mit Veranda, Erker, großen Fenster, Holzverzierungen, die wie aus Spitze geschnitten scheinen. Einige sind wunderschön restauriert, andere hatten bessere Zeiten. Wir laufen bei windigem Wetter den Strand entlang und wärmen uns in einem der vielen netten Cafés auf.

Das zweite Naturerlebnis führt uns in den Kemeri-Nationalpark, wo wir eine kleine Moorwanderung unternehmen. Der Wald ist durch den Regen in ein unglaubliches Grün getaucht, jedes Blatt, jeder Zweig streckt sich uns voller Saft entgegen. An den Heidelbeersträuchern werden sich bald die blauen Beeren abheben und der Waldboden riecht schon jetzt nach Pilzen.

Ein sehr schöner Bohlenpfad führt uns über das Moor, in dem sich verschiedene Moose, Flechten und Blumen wohlfühlen, auch der Sonnentau. Schwarze Krähenbeere, Wollgras, Sumpfporst, Moosbeere, Daiva zeigt uns alles mit großer Sachkenntnis und eigener Freude.

So viel frische Luft macht hungrig und sind werden wir zum Abendessen im Restaurant „Melinias Kiploks – Schwarzer Knoblauch“ erwartet.

Riga – Sigulda – Gauja Nationalpark

Wir sagen Riga heute „Lebewohl“ und sehen auf dem Weg nach Sigulda noch sehr viel von der Stadt. Viele hübsche Fassaden mit Figurenschmuck, Erkern und Balkonen, das renovierte Straßenbahndepot und die früheren Elektrizitätswerke in gelben Klinker. Auch Holzhäuser trotzen der Vergänglichkeit und hübschen das Straßenbild auf. Freilich sind die Fassaden ergraut, doch die Bausubstanz ist da und lässt den kommenden Generationen die Möglichkeit, frische Farbe aufzulegen.

Heinz Erhardt, Unterhaltungskünstler, Kabarettist, Schauspieler und Dichter ist in Riga geboren, hat hier beim Radio gearbeitet und Daiva ist ein großer Fan von ihm. Sie sagt Gedichte von ihm auf und erzählt, wie er die Einladungen zu potentiellen Schwiegereltern erlebt hat. Ein unglaublicher Mann der Sprache, der Wendungen, der Einfälle und Daiva bringt uns das in ihrer fröhlichen Art gut nahe.

Sigulda liegt im Gauja Nationalpark, dem größten und ältesten Nationalpark Lettlands, auch Lettische Schweiz genannt. Hier gibt es eine Bobbahn, zwei Hänge zum Skifahren, und Lifte bringen die Gäste auf 80 m Höhe. Wenn man am Ufer des gleichnamigen Flusses Gauja steht und die Gondelbahn von einer Uferhöhe zur gegenüberliegenden schweben sieht, versteht man die Umschreibung „Lettische Schweiz“ sehr gut.
Spätestens seit der Zugehörigkeit der Region zum russischen Zarenreich gilt der Ort als beliebte Sommerfrische. Und mit dem Gleisanschluss kamen der Aufschwung und Häuser im Schweizer Stil, die den Urlaubscharakter noch unterstrichen. 15.000 Einwohner hat Sigulda heute und einige von ihnen nehmen den Weg von einer Stunde in Kauf und pendeln nach Riga.

Bereits im Mittelalter, als die Kreuzritter ihre Vorherrschaft in den Osten ausdehnten, entstanden mehrere Befestigungsanlagen. In Sigulda stehen noch die Reste der alten Burg Segewold, an der das Kreuz der Tempelritter zu sehen ist. In Sichtweite, auf der anderen Seite des malerischen Tals der Gauja, liegt Turaida (Treyden). Das dortige Museumsdorf führt zur markanten Burganlage aus dem 13. Jh., wo eine gut gemachte Ausstellung über die ereignisreiche Geschichte dieser Region informiert. 100 Stufen führen auf den 30 m hohen Verteidigungsturm, der mit einem Rundumblick über das Urstromtal der Gauja belohnt.

Auf weiten Wiesen voller Gänseblümchen symbolisieren große Steinskulpturen einzelne Begriffe, die mit den baltischen Volksliedern in Verbindung gebracht werden. „Der Denker“, „die Adlerschwinge“, „Mutter und Tochter“ – ein ungewöhnlicher Skulpturenpark, dessen Ausstellungshalle diese schöne Parkanlage ist, gebettet auf Rasenflausch.

Unser Hotel ist in Sigulda und nebenan liegt das Bistro und Café „Schwarze Katze“ (Kaku Maja). Hier gibt es hübsche Plätze in der Sonne mit Blick in die weitläufige Gartenstadt. Und vielleicht haben wir ja auch noch Lust, nachher mit dem Sessellift oder der Seilbahn zu fahren.

Sigulda – Soomaa Nationalpark – Pärnu

Es geht weiter nach Norden, nach Estland. Die Grenze sieht unscheinbar aus, wir passieren sie auf einer Landstraße. Würden wir nicht willkommen geheißen werden, hätten wir vom Grenzübertritt nichts mitbekommen.
Störche nisten entlang unseres Weges. Aus dem einen oder anderen Nest sieht man die Köpfe der Jungtiere.

An einer Tankstelle machen wir kurz Halt. An einer Wand wir angeboten, was man so braucht: Grablichter, Zahnpasta und Deo, Kondome bis hin zum Birkenreisig für die Sauna. Ein kurzer Abriss des Lebens auf vier Regalbrettern und einigen Haken.

Unser Ziel ist der Soomaa Nationalpark. Alges Marzo ist hier Ranger, schon seit über 30 Jahren, und kennt den Park wie seine Westentasche. Zunächst gehen wir über einen Bohlenweg zu den Biberburgen. Sie sind nachtaktiv und lassen sich nicht blicken. Doch angenagte Stämme und Baumstämme im Wasser sind eindeutige Zeugnisse dieser Nager. 1,8 km Bohlenweg, z.T. mit Geländer – wir laufen bequem darüber hin. Rechts und links Wildnis. „Natur Natur sein lassen“ ist das Credo der deutschen Nationalparks und so sieht es auch hier aus. Daiva müssen wir davor bewahren, vor lauter Lust nach Pilzen ins Gebüsch zu springen. Sie scheint alle Sorten zu kennen, spricht über die richtige Zubereitung. Hier stellt man sein Körbchen in den Wald und Schwupps, springen die Pilze hinein. Auf Schritt und Tritt Finderglück!

Dann geht es weiter zum Moorpfad. Da sind wir ja schon fast Experten, waren wir doch vor zwei Tagen schon im Moor. Hier sind die Pflanzen mit Schildern versehen, was das Erkennen erleichtert. Zudem gibt es tatsächlich einen Moorpool, in dem man baden darf. Eine Leiter erleichtert den Einstieg. Das ist sicher sehr gesund.

Immer wieder hören wir von Elchen und sehen am Straßenrand Schilder, die auf die Querung der Tiere hinweisen wie bei uns auf die Rehe. Von 25.000 Elchen gibt es jedoch heute nur noch 7.000, die sich gut zu verstecken wissen. Vielleicht trifft man einen mal beim Pilze(ein)sammeln.
Die estländische „Sommerhauptstadt" Pärnu (Pernau) ist mit Moorbädern bekannt geworden. Heute kommen die Finnen gerne zu einem verlängerten Wochenende rüber. Es ist einfach günstiger als bei ihnen. Wir bleiben auch eine Nacht hier – ohne Moorbad.

Fährüberfahrt zur Insel Muhu – Insel Saaremaa

Wir setzen über und nehmen den Bus mit. Auf unserer Strecke zum Fährterminal in Virtsu wird die Bundesstraße unvermittelt vierspurig, doch die Autos bleiben weiterhin auf ihren zwei Spuren. Wir fahren hier über die frühere Notlandebahn der Sowjets.
Die Fähre geht vom Festland zur Insel Muhu. Früher gab es zweimal im Jahr die Zeit, in der das Eis zu dünn war für die Kutschen und zu dick für Schiffe, so dass die Einwohner in der Zeit ohne Nachrichten blieben.

Heute pendeln viele Einwohner aufs Festland, bekommen also jeden Tag die aktuellen Nachrichten. 2.000 Menschen leben auf der kleinen Insel und damit es keine Landflucht bzw. Inselflucht gibt, nutzen sie die Fähre kostenlos.
Muhu heißt auf estländisch „Diele“, was passend ist, denn diese kleinere Insel ist der größeren Saaremaa vorgelagert und über eine Brücke sind beide miteinander verbunden.

Schilder weisen auf den Wildwechsel mit Elchen hin. Würden wir doch mal einen zu Gesicht bekommen!
Auf Muhu liegt die Katharinenkirche auf unserem Weg. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und auf ihrem Kirchhof versinken einige steinerne Grabkreuze aus der Wikingerzeit im Boden. Leider ist die Kirche geschlossen, sonst hätten wir uns auch noch die alten Wandmalereien ansehen können.

Weiter geht es zum Freilichtmuseum von Koguva. Das Museum entstand aus dem Bauernhof des ersten vom Schwertbrüderorden Livlands für „frei“ erklärten Bauern, sprich die Leibeigenschaft wurde aufgehoben. Die Häuser sind geöffnet und entsprechen ihres Nutzens eingerichtet – Scheune, Hühnerstall, Sauna, Küche. Drumherum wohnen Menschen auf gepflegten Grundstücken, so dass das Areal nicht ganz museal ist.
Der Bus bringt uns über den Damm, der die Insel Muhu am Väike Väin (Kleiner Sund) mit der größeren Insel Saaremaa (dt. Oesel) verbindet. Sie ist die größte Insel Estlands und die viergrößte der Ostsee und gehört mit Muhu und den anderen Eilanden des sogenannten Moonsund-Archipels zu einem der größten Biosphärenreservate der Unesco in Osteuropa.

Saaremaa hat 11 Einwohner pro km² und ist 2.000 km² groß. Man muss hier keinen treffen oder sehen, wenn man nicht will. Man kann sich hier prima aus dem Weg gehen.

Hier machen wir die Bekanntschaft mit dem Dolomit – dem Marmor Estlands. Unzählige Häuser sind mit ihm gebaut worden. Ein Stein, dessen Farbigkeit von Crèmeweiss bis hin zu einem Milchkaffeebraun wechselt. In Tallinn sind Wohnhäuser wie Funktionsgebäude damit errichtet worden. Der Privatmann nutzt den Stein für die Gartenmauer.

Auf dem Weg zum Hotel besuchen wir noch den Meteoritenkrater. „Wo sich die Sonne in den Schlaf legt“, sagt Daiva, ein schönes Bild.
Der Kaali-Meteoritenkrater ist der Hauptkrater eines vor etwa 4000 Jahren erfolgten Einschlags. Es wird angenommen, dass ein Eisenmeteorit in die Erdatmosphäre eintrat, durch die auftretende Reibung stetig Masse verlor und schließlich auseinanderbrach. Das größte Teilstück schlug auf und hinterließ den besagten Krater. Heute ist er mit Wasser gefüllt mit einem Durchmesser von rund 50 Metern. Weitere, kleinere Bruchstücke verursachten die acht Nebenkrater

Kure heißt Kranich und so leitet sich der Name der einzigen Stadt auf Saaremaas ab – Kuressaare - Kranichinsel. Unser Hotel liegt direkt an der an der Seepromenade mit Blick auf den Bischofspalast.

Besichtigung von Kuressaare und Inselrundfahrt

Nach dem Frühstück besichtigen wir Kuressaare, eine Stadt mit 15.000 Einwohnern, in der es gemächlich zugeht. Viele Häuser wie die Waage, das Kaufhaus, das alte Feuerwehrhaus sind Restaurants und lassen ahnen, wie lebhaft es in der Hochsaison hier zugeht. Unser Rundgang führt auch in das Rathaus, in den ersten Stock mit einer alten Deckenmalerei. Im Ort bracht im 18. Jahrhundert ein Feuer aus, das Schicksal einiger Orte, die wir besucht haben, weshalb nicht mehr viele Holzhäuser stehen.

Die Hauptsehenswürdigkeit des Städtchens ist die Bischofsburg, ein Erbe des Deutschen Ordens. Die um 1380 von den Ordensrittern errichtete Arensburg mit ihrem heute noch als Landmarke dienenden Bergfried „Langer Herrmann“ ist eine der am besten erhaltenen Burgen des Mittelalters im Baltikum. Und sie ist höchst eindrucksvoll, denn die Burg ist nicht zerstört worden, die dicken Mauern hielten. Wie früher der Bischof von Ösel-Wiek residierte, lässt sich an den Räumen ablesen, die wir durchschreiten. Zudem gibt es eine Ausstellung über die Wikinger, die auf der Insel lebten und eine sehr umfassende Ausstellung über die Insel – von der Entstehung bis in die Gegenwart. Zur Belohnung wartet das Café im Turm mit einem tollen Rundblick.

Dann geht es mit dem Bus zum alten Leuchtturm am Kap Sörve. Hier ragt ein schmaler Sandstreifen ins Meer hinein. Es scheint das Ende der Welt zu sein, dahinter gibt es nur noch das Meer. Der Leuchtturm hat 257 Stufen und von oben hat man den Vogelblick auf die Umgebung.
Weiter geht es quer über die Insel zum Windmühlenpark in Angla, wo mehrere historische Getreidemühlen besichtigt werden können, von denen es früher über 800 auf Saaremaa gab. Man brachte seine Körner vorbei und zog mit dem Gemahlenen wieder ab. Der Rhabarberkuchen aus Rührteig ist mit Zimt abgeschmeckt und schmeckt.

Die letzte Station ist im Norden der Insel die Steilküste bei Panga. Sie ist Teil des großen Baltischen Steilufers, das sich von Schwedens Öland bis zu Russlands Ladoga See erstreckt. An der höchsten Stelle, über 20 m hoch, liegt eine archaische Kultstätte, wo dem Meer Opfergaben dargeboten wurden.

Genug gesehen für heute, es geht zurück nach Kuressaare. Zum Abendessen gehen wir in ein Mühlenrestaurant, der passende Abschluss des heutigen Tages.

Haapsalu – Tallinn

Am Vormittag verlassen wir die Insel Saaremaa – zurück über den Damm auf die Insel Muhu und anschließend mit der Fähre aufs estnische Festland.

Wir besuchen Haapsalu (dt. Hapsal), das uns sehr gefällt. 1825 ist hier das erste Sanatorium eingerichtet worden. Moorbäder gehörten damals zu den Heilerfolgen. 340 km sind es von St. Petersburg nach Tallinn und weitere 130 km nach Haapsalu. So entschied man sich zur Einrichtung einer Bahnstrecke und baute einen prächtigen Bahnhof mit einem Bahnsteig von 200 m Länge. Der Perron wirkt wie ein Ballsaal in seiner Länge und Breite. Hier hat man die erholungsbedürftigen Gäste in Empfang genommen und die erholten verabschiedet, meist mit Gefolge.
Als wir hier sind, findet gerade ein Seifenkistenrennen statt. Was ist das für ein Spaß! Verschiedene Gefährte und Mannschaften treten gegeneinander an. Meistens sitzen die Mädchen in der Kiste und die Jungs schieben kräftig.

Das Zarenbad bekam Badepavillon, Kurhaus, Logierhäuser, die auch heute noch das Bild des malerischen Kurortes prägen. Bei unserem Rundgang durchqueren wir die Bischofsburg, die sehr viel größer ist als jene, die wir in Kuressaare gesehen haben. Doch gerade diese hier ist das Vorgängermodell. Der Bischof zog nach Saaremaa um. Die Domkirche, die erstmals 1279 erwähnt wird, ist durch die Legende der „Weißen Dame" bekannt. Eine Liebesgeschichte, die unglücklich endet, mussten doch auch die Ritter der Bischofsburg enthaltsam leben. Doch ist der Mensch für das Leben und die Liebe gemacht und als das Verhältnis aufflog, wurde die Angebetete eingemauert und ist als Weiße Dame weiterhin in Erinnerung.

Wir steuern unser letztes Ziel an: Tallinn, die Hauptstadt Estlands. Das Hotel ist mittendrin gelegen, hat behagliche und geräumige Zimmer. Im Restaurant ist für uns ein großer Tisch gedeckt, an dem wir uns gerne niederlassen.

Entdeckungen in Tallinn

Tallinn gehörte einst zu den bedeutendsten Hansestädten der Ostsee. Hier wurde schon gleich solide gebaut, nicht mit Holz, sondern mit Stein, so dass die Altstadt zu den besterhaltenen mit Bausubstanz aus dem Mittelalter zählt und damit Unesco-Weltkulturerbe ist.

Zunächst machen wir eine kurze Runde in der Stadt, vorbei an Museum für Vertreibung, ähnlich sicher unserem Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin. Leere Koffer erinnern an die Flucht. Es ist ein großes Thema im Baltikum. Flucht und noch schlimmer durch Deportation haben Menschen ihre Heimat verloren, häufig auch ihr Leben.
Die Nationalbibliothek wirkt wie eine Festung, an einem Kreiselverkehr gebaut, wirkt sie mächtig. Eine Burg, in der das Kulturgut in Schrift lagert. Aus Dolomit gebaut, Ende der 1980-er Jahre.

Tallinn hat 440.000 Einwohner und gemessen an den 1,3 Mio. des Landes wohnen ein Drittel in der Hauptstadt. Sie ist die kleinste der drei baltischen Hauptstädte, Vilnius die größte.

Wir fahren wir mit dem Bus Richtung Katharinental, wo Zar Peter I. für seine Frau ein Sommerschlösschen errichten ließ. Die Zaren hatten eine Schwäche für italienische Architekten und hat auch dieses einen südländischen Baumeister. Das zieht auch andere an und so wohnt man drumherum gehoben, in stattlichen Holzhäusern.

Auf der Sängertribüne, die wir passieren, treten zu den Sängerfesten 24.000 Menschen auf, die alle zugleich ein Lied singen. Im Baltikum hat das Singen eine lange Tradition. Über das Singen fühlte man sich miteinander verbunden und pflegte das Eigene, das die Besatzungsmacht einem nicht nehmen konnte. So finden die Feste in jedem baltischen Staat in regelmäßigen Abständen statt und zeugen auch heute noch von großer Verbundenheit untereinander. Der Überfall auf die Ukraine ist Anlass, gegen eine mögliche Invasion erneut zusammenzustehen.

Das Kloster der Hl. Brigitta ist unsere Wendemarke. Von der Anlage steht nur noch die mächtige Giebelwand, die man von einem der Aussichtspunkte in der Oberstadt noch einmal deutlich sehen kann. Wir drehen eine Runde durch den Passagierhafen. Wohnhäuser entstehen hier, die Stadt rückt damit wieder näher zum Wasser. Alte Baracken wurden abgerissen, Lagerflächen aufgehoben, so dass Platz entsteht für Wohnungen.

Zurück in der Stadt, geht es auf den Domberg und zu Fuß weiter. Hier in der Oberstadt liegt an der höchsten Stelle das Residenzschloss von Tallinn, im 18. Jh. von der russischen Zarin Katharina der Großen umgebaute, worin heute das estnische Parlament tagt. Der „Lange Hermann“, ein etwa 50 m hoher Bergfried, erinnert daran, dass hier im Mittelalter die Revaler Burg stand.

Gegenüber die Alexander-Newski-Kathedrale. Da hier das Fotografieren verboten ist, können wir uns ganz auf das konzentrieren, was wir mit eigenen Augen sehen und das ist eine Menge: In einer Ecke wird die Beichte abgenommen, davor singen Frauen – alle mit Kopftüchern – sehr schön. Weiter links putzt eine alte Frau – auch mit Kopftuch – eifrig Spiegel, Stühle, was ihr, dem Reinigungsspray und dem Lappen unter die Finger kommt. Alles in einem warmen Licht, das gedämpft durch die Fenster fällt und von dem Kerzenlicht stammt.

Weiter zum Tallinner Dom, eine Gründung aus dem frühen 13. Jh. Gerade ist Messe, so dass wir uns den Raum später anschauen werden. Vorbei an sehr sehenswerten breiten Hausfassaden geht es zur Patkulsche Aussichtsplattform. Von hier aus haben wir die perfekte Aussicht über die Stadt und den Hafen. Und richtig, da ist auch die Klosterfassade von Hl. Brigitte, die ganz schön hoch sich über die Bäume reckt. Anschließend laufen wir durch die Fußgängerpforte in der alten Stadtmauer in die Unterstadt. Wir passieren die Nikolaikirche, heute ein Museum mit einem Totentanz, den einzigen, den es in Nordeuropa noch gibt. Vor dem 600 Jahre alten gotischen Rathaus mit der Figur des „Alten Thomas“ auf der Turmspitze liegt der Marktplatz, umgeben von Häusern, die allesamt restauriert sind. Ein Schmuckstück, die Wohnstube der Stadt.

Nach dieser Einführung und Sensibilisierung für gotische Türrahmen, barocke Türen und Jugendstilfassaden gehen wir auf eigene Entdeckungstour. Zum Glück ist es auch heute wieder bis 23 Uhr hell, so dass genügend Zeit bleibt, die Straßen und Gassen zu durchstreifen und sich hier und dort – so viele gemütliche Cafés und Höfchen gibt es – zu stärken.

Ausflug in den Lahemaa–Nationalpark

Letzter Tag, der besonders schön wird, das sei schon gleich verraten.
Über die Autobahn fahren wir raus, vorbei an einem Haus, das auf seinem Dach ein Riesenrad trägt. Ein großer Steinbruch von Dolomit zeigt, dass der Stein an der Oberfläche liegt und leicht abgebaut werden kann.

Nach Petersburg sind es 309 km. Wie schön wäre es, wenn man wie in Europa auch, über die Grenze fahren könnte, um sich all das Schöne anzusehen, was jedes Land zu bieten hat.

Der Lahemaa Nationalpark wurde 1971 als erstes Naturschutzgebiet der damaligen Sowjetunion gegründet. Vor 10.000 Jahren, mit der letzten Eiszeit entstand das Hochmoor Viru raba, das der Bezeichnung nach, nach oben – hoch – wächst, einen Millimeter im Jahr. Moore sind für die CO2-Bindung sehr wichtig und werden mit EU-Geldern unterstützt – auch in Deutschland. Ein Viertel des weltweiten Torfangebots kommt aus dem Baltikum. Hierfür gibt es besondere Abbaugebiete.

Der 3,5 Kilometer lange Naturpfad auf Holzstegen führt uns durch das Gebiet und von einem Turm haben wir einen sehr guten Überblick über die Moorteiche und das Gelände. Mari führt uns, sie ist ein erfahrener Naturguide, spricht hervorragend Deutsch. Sie veranlasst uns, an jungen Fichtenspitzen zu knappern, die gut schmecken.

„Was machen Sie, wenn Sie Bären sehen?“ klingt in den Ohren jedoch anders als sie es meint. Wir denken an Beeren, haben wir doch die ganze Zeit davon gesprochen, von Moosbeere, Blaubeere u.a. Jedenfalls wissen wir nun, wie wir uns verhalten, sollten wir in die glückliche Lage kommen, einmal einem Bären zu begegnen. Wir werden ihn nicht fotografieren, sondern uns so groß machen wie möglich und ein sanftes Lied singend, rückwärts gehend, den Heimweg antreten. Mir fällt als erstes "Guten Abend, gute Nacht" ein, das vergisst man auch in Stresssituationen nicht.

Auf dem Weg zum Mittagessen machen wir noch einen Schwenk nach Kusmä, bekannt durch seine vielen Findlinge, mittelgroß und sehr groß, und seine Seefahrerschule. Viele Kapitäne auf Kreuzfahrtschiffen sind Esten.

In der urigen Bauernschänke im Fischerdorf Altja wird traditionelle Hausmannskost aufgetischt, sehr lecker: Kartoffelbrei, Graupen mit Speck, Pilzsauce und Rote-Beete-Salat. Danach spazieren wir zum Meer, denn hier liegen mehrere Holzschuppen malerisch nebeneinander. Hier hat man in der Hochsaison die Fische – Strömlinge – weiterverarbeitet.

Im Nationalpark gibt es auch viele Gutshöfe von ehemaligen adligen Deutsch-Balten. Auf dem Weg nach Palmse fahren wir wunderschöne Strecken durch den Wald, wo die Bäume auf die Straße zu wachsen scheinen. Und wenn Rotkäppchen hinter den Bäumen hervortreten würde, würde uns das nicht verwundern.
Wir besichtigen das spätbarocke Herrenhaus. Für das weitläufige Anwesen und Park mit Teichen, Orangerie und Schnapsbrennerei haben wir noch ein wenig Zeit. Dann geht es zurück nach Tallinn.

Zum Abendessen sind wir in den „Peppersack“ geladen und sitzen in dem alten Handelshaus oben auf dem Speicher. Der Blick durch die Luke geht auf die Gassen der Altstadt.

Rückflug von Tallinn nach Deutschland

Es bleibt uns noch einiges an Zeit, bis wir zum Flughafen fahren. Noch in die hoteleigene Sauna gehen oder lieber noch ein bisschen durch die Stadt schlendern oder einkaufen? Es gibt mit Wacholder geräucherten Käse, Elchsalami oder Bär in der Konserve.
Mit Fotos, vielen neuen Eindrücken und Erinnerungen verabschieden wir uns sehr herzlich von Daiva und dem Baltikum und treten die Reise nach Hause an.


Liebe Gäste,

es waren leichte und heitere Tage mit Euch.

Ich danke Euch für Eure Begeisterungsfähigkeit und Euer Interesse an all dem, was diese schöne Reise uns geboten hat.
Drei Länder in 13 Tagen ist ein stolzes Pensum und dank unserer versiertenn und stets gutgelaunten Reiseleiterin Daiva haben wir unglaublich viel Neues erfahren und gesehen.

Unsere Busfahrer Rimus und Vitis haben uns sicher und entspannt von einem Ort zum anderen gebracht und über zwei Landesgrenzen hinweg.

Ich wünsche Euch alles Gute, Gesundheit und schöne Reiseerinnerungen und freue mich, wenn es ein Wiedersehen geben sollte auf einer anderen Reise,
Eure Vivian


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