Reisebericht: Rundreise durch Litauen, Lettland und Estland

18.06. – 28.06.2022, 11 Tage Baltikum–Rundreise mit Flug: Vilnius – Trakai – Kaunas – Klaipeda – Kurische Nehrung – Ostsee – Riga – Gauja–Nationalpark – Tartu – Peipussee – Tallinn – Lahemaa–Nationalpark


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Eine erlebnisreiche Reise in die Mitte Europas - unterwegs von Vilnius bis Tallinn
Ein Reisebericht von
Annett Müller
Annett Müller

Flug nach Vilnius – Litauen

Nach fast 3 Jahren bereiste die erste Eberhardt-Gruppe endlich wieder das Baltikum. Am Abend flog die Gruppe von Frankfurt in die litauische Hauptstadt Vilnius. Noch schnell die Uhren 1 h vorgestellt und schon war der Sonntag angebrochen. Am Flughafen erwartete uns Lilija, unsere örtliche Reiseleiterin und Johan, unser Busfahrer. Durch die nächtlichen Straßen fuhren wir zu unserem Hotel, direkt im Zentrum von Vilnius. Es folgte eine kurze Nacht.

Unterwegs in Vilnius & Trakai

Am Sonntagmorgen trafen wir uns zum Frühstück. Nach fast 2 Jahren ohne Gäste war das Hotelpersonal mit so vielen Gästen am Morgen sichtlich überrascht, wie auch der Kaffeeautomat. Dennoch bekamen alle noch ihren Kaffee (den der ist lebenswichtig;-) und wir konnten unsere Entdeckungen in Vilnius beginnen. Lilija begeisterte uns sofort mit ihrem unerschöpflichen Wissen: Seit 1323 ist Vilnius Hauptstadt des Großfürstentums Litauen. Der Legende nach wurde die Stadt aus einem Traum des Großfürsten Gediminas geboren, als er nach einer Jagd in den Wäldern nächtigte. Gediminas sah im Traum einen eisernen Wolf, der unbezwingbar war - also der richtige Platz, um hier eine Burg zu erbauen. Vilnius entwickelte sich zu einem blühenden Handelsplatz und war heiß begehrt. So wurde die Stadt vom Deutschen Orden belagert, von Napoleon besetzt und Ende des 19. Jahrhunderts dann russisch. Heute ist Vilnius die größte Stadt Litauens. Mehr als die Häfte sind Litauer und der restliche Teil setzt sich aus Polen, Russen und Weißrussen zusammen. Hier am Zusammenfluss von Vilnia und Neris gibt es über 40 Kirchen. Auch Synagogen und Moscheen prägten einst das Stadtbild, einer sehr liberalen Stadt. Vor dem 2. Weltkrieg waren 1/3 der Bewohner Juden. Vilnius bezeichnete man als Jerusalem des Ostens. Wie Rom wurde auch Vilnius auf 7 Hügeln erbaut. Zunächst fuhren wir mit dem Bus zu einem Aussichtspunkt und genossen einen wunderbaren Panoramablick auf die grüne Stadt. Anschließend fuhren wir zum Tor der Morgenröte (das noch erhaltene Tor der ehemaligen Stadtbefestigung), um von dort unseren Rundgang zu Fuß durch die Altstadt fortzusetzen. Die barocke Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wir besuchten die russisch-orthodoxe Heiliggeistkirche und spazierten durch die Gassen zum Rathausplatz und vorbei an alten Bürgerhäusern zur Universität, die zu den ältesten in Europa gehört. Auch warfen wir einen Blick auf den Präsidentenpalast. Im 18. Jhd. war das Gebäude Bischofspalast, später diente es als Domizil der russischen Zaren, auch Napoleon weilte hier. Die Sowjets nutzten es als Konzertsaal und seit 1997 ist der Palast wieder Residenz des litauischen Staatsoberhauptes, das seit 5 Jahren eine Frau ist. Unser Rundgang endete am Kathedralenplatz. Hier prunkt der 2009 völlig neu gebaute Großfürstenpalast auf dem Gebiet der ehemaligen unteren Burg und davor das Denkmal des Stadtgründers Gediminas auf seinem Pferd. Die weiße Kathedrale St. Stanislaus dominiert auf diesen Platz. Vor langer Zeit stand hier ein Tempel zu Ehren des Donnergottes, 1251 wurde dann die erste Kirche errichtet wurde, die später wiederum für heidnische Kulthandlungen genutzt wurde. Erst nach der Christianisierung entstand die römisch-katholische Kathedrale, die während der Sowjetzeit geschlossen wurde und erst 1988 an die Gemeinde von Vilnius zurück ging. Neben der Kathedrale steht extern und etwas schief der Glockenturm. Bei Sonnenschein genossen wir anschließend unsere individuelle Mittagspause, um uns etwas auszuruhen. Danach spazierten wir, vorbei am Kirchenkomplex mit der St. Annen- und Bernhardiner zum ältesten Stadtviertel von Vilnius: Uzupis wurde schon im 16. Jhd. erwähnt und ist heute eine wahre Künstlerrepublik, sogar mit eigener Verfassung. Durch den wunderschönen, schattigen Bernhardiner Garten spazierten wir zum Bus. Dass Vilnius die größte Hauptstadt der 3 baltischen Länder ist, merkten wir an unseren Füßen. Do waren wir froh, am Nachmittag einen Ausflug mit dem Bus zu unternehmen. Dieser führte uns ins 30 km entfernte Trakai, inmitten einer malerischen Seenlandschaft gelegen. Wir entspannten auf einer kleinen Schifffahrt auf dem Galve-See, wo wir auch die traditionellen Kibinais verkosteten.
Von 1316 bis 1323 war Trakai Hauptstadt des Landes. Auch hier hatte Gediminas seine Finger im Spiel, als er 1321 die Stadt erbauen ließ, damals wichtiges militärisches und politisches Zentrum des Großfürstentums. Auf einer Halbinsel des Galve-Sees entstand die mittelalterliche, backsteinerne Burganlage, die nach Bränden und Zerstörungen erst nach dem 2. Weltkrieg wieder als Wasserburg aufgebaut wurde. Über Holzstiegen und enge Gänge durchstreiften wir die Gemäuer der Burganlage (manchmal bildeten wir dabei eine Ameisenstraße) und erfuhren viel Wissenswertes zur Geschichte. In Trakai gibt es noch eine Besonderheit: Seit dem 14. Jhd. leben hier die Karäer, ein turksprachiges Volk jüdischen Glaubens aus der Krimregion, die damals die Großfürsten als Wachgarde ins Land holten. Heute lebt noch ein ganz geringer Teil dieser Volksgruppe in Trakai. Eins ihrer Gebetshäuser, die Kenesas sahen wir in der Stadt, ebenso die hölzernen Wohnhäuser, deren Giebel mit 3 Fenstern zur Straße gewandt sind. Wir genossen diesen sonnigen, warmen Sonntagnachmittag am See, bevor wir nach Vilnius zurück fuhren. Am Abend waren wir im Restaurant Lokys (Zum Bären) zu Gast.


Kaunas & Memel

Auch an diesem Morgen hatte der Kaffeeautomat wieder seine Startschwierigkeiten;-). Nach dem Frühstück ging unsere Reise weiter. Zunächst besuchten wir noch die Peter- und Paul-Kirche. Von außen eingerüstet und eher schlicht, überraschte uns der barocke Kirchenraum mit faszinierenden, weißen Stuckverzierungen und Reliefs. Der einflussreiche litauische Adlige Pac ließ diese Kirche erbauen und sich unter der Schwelle begraben. Auf der Grabplatte steht: Hier ruht ein Sünder - Was das wohl zu bedeuten hat? Das nächste Etappenziel war Kaunas, die zweitgrößte Stadt Litauens und mit fast 90 % Litauern, die litauischste Stadt. Ca. 100 km von Vilnius entfernt liegt die Stadt am Zusammenfluß von Memel und Neris. 1408 erhielt Kaunas Magdeburger Stadtrecht, aber erst nach der Niederlage der Kreuzritter erblühte die Stadt. Durch die günstige Lage und den Handel mit Russland und Polen siedelten sich viele Handwerker und Händler an, so dass die Hanse bis Mitte des 16. Jhd. hier einen Kontor unterhielt. Kaunas entwickelte sich in eine aufstrebende Handelsstadt. Kriege gegen Schweden und Russland, Pestepidemie und Napoleons Drang nach Moskau brachten den Niedergang der Stadt. Als Polen 1920 Kaunas besetzte, erlebte die Stadt einen kulturellen Aufschwung. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt wurde ein düsteres Kapitel eingeläutet, das 1941 mit der deutschen Besetzung fortgesetzt wurde. In der Sowjetzeit geriet Kaunas in Vergessenheit und wurde vernachlässigt. Beim Rundgang spazierten wir, vorbei an der alten Burg, zur im 15. Jhd. erbauten, gotischen St. Georgs-Kirche mit angeschlossenem Kloster. Während der Sowjetzeit wurde die Kirche geschlossen und als Lagerhalle genutzt. Bis auf die Altäre wurde alles abmontiert, erhalten waren nur die ehemals schönen Wandmalereien. Die Kirche befand sich damals in einem jämmerlichen, traurigen Zustand. Dank der zahlreicher Spenden wurde die Kirche nun Stück für Stück renoviert. Unsere Runde führte uns weiter zum Rathausplatz. Hier steht das Rathaus, welches eher einem Kirchenbau ähnelt, wegen seiner weißen Farbe liebevoll der weiße Schwan genannt wird. Der Rathausplatz wird gesäumt von schönen Gildehäusern und der Fassade der Jesuitenkirche- und kloster, das mit 4 Stockwerken höher gebaut wurde als es das damalige Baugesetz erlaubte. Da aber die Jesuiten anerkannte, gebildete Lehrer waren, wurde es ihnen gestattet, das Gebäude mit mehr als 2 Stockwerken am Rathausplatz zu errichten. Wir bummelten zur backsteinernen Vytautas-Kirche am Ufer der Memel. Schräg gegenüber der Kirche erblickten wir das alte Perkunas-Haus, welches im 15. Jhd. von einem deutschen Kaufmann erbaut wurde. Die Innenbesichtigung der Peter-und-Paul-Kirche, Litauens größtes gotisches Bauwerk gehörte auch zum Besichtigungsprogramm. Auf dem Boulevard der Neustadt pausierten wir, bevor wir nach Klaipeda weiterfuhren. Am Nachmittag erreichten wir Klaipeda (Memel). Klaipeda hat als einzigste Stadt Litauens einen Seehafen. 1254 erhielt Klaipeda Stadtrecht. Lange wehrten sich die heidnischen Volksstämme gegen die Fremdherrschaft. 1422 übernahm der deutsche Ritterorden die Macht und über 500 Jahre lang gehörte das Gebiet zum nördlichen Ostpreussen. 1920 wurde Memel vom Deutschen Reich getrennt (Vertrag von Versailles) und vom Völkerbund verwaltet. Kurze Zeit später erhielt die Region den Status einer Autonomie, die Oberhoheit verblieb aber in Litauen. Dennoch waren die Einwohner auf Kontra mit Litauen. 1944 verkündete Hitler in Memel den Anschluss ans Deutsche Reich und wurde hoch gefeiert. Bis kurz vor Ende des 2. Weltkrieges war Memel weitgehend verschont geblieben, wurde aber in den letzten Kriegsmonaten weitestgehend zerstört. 1948 wurde Memel in Klaipeda umbenannt. Während der Sowjets war Klaipeda Sperrgebiet, da Rüstungszentrum und militär-strategischer Stützpunkt. Noch bevor wir im neuen 4-Sterne-Hotel Victoria eincheckten, unternahmen wir einen Stadtrundgang. Lilija führte uns durch die Gassen der Stadt und entdeckten kleine, versteckte Details an den Fassaden und in den Ecken. Am Ännchen von Tharau Brunnen vor dem alten Theater stimmte unser Eberhardt-Chor das bekannte Lied an.


Ausflug auf die Kurische Nehrung

Was war denn heute los? Es regnete! Das sollte aber nur eine kurze Momentaufnahme während unserer Reise sein. Mit einem perfekten Frühstücksbuffet begann unser Tag. Der heutige Ganztagesausflug führte uns heute auf die Kurische Nehrung (Neringa). Darauf freuten sich alle, obwohl sich die Sonne noch dezent im Hintergrund hielt und es regnete. Die Nehrung trennt das Haff (Süßwasser), bis auf die schmale Meerenge bei Klaipeda, von der Ostsee. Somit ist das Haff das größte Binnengewässer Litauens. Die Kurische Nehrung, auch litauische Sahara genannt ist 98 km lang, davon 52 km litauisch, der andere Teil gehört zu Russland. Seit 2002 gehört sie zum Weltnaturerbe der UNESCO. Unweit von Nida (Nidden) befindet sich mit 3,8 km die breiteste Stelle, während die schmalste Stelle bei Lesnoi (russischer Teil) gerade mal 380 m beträgt. Neben der wissenschaftlichen Begründung erzählt auch eine Legende der Riesin Neringa von der Entstehung der Nehrung. Die meisten Ansiedlungen der Nehrung befinden sich auf der geschützten Haffseite. Nach kurzer Fährfahrt unternahmen wir eine kleine Rundfahrt. Vorbei an Juodkrante (Schwarzort), einem der ältesten Orte der Nehrung und kleinen Fischerhäusern fuhren wir nach Nida (Nidden). Zuerst besichtigten wir das Sommerhaus des Literaturnobelpreisträgeres Thomas Mann, den alten Friedhof mit alten Gräbern der Kuren und eine Bernsteingalerie. Entlang der Promenade spazierten wir ins Zentrum, zum Hafen. Hier verbrachten wir unsere Mittagspause. Im einstigen Fischerdörfchen, heute beliebter Ferienort sind viele Holzhäuschen mit den typisch blauen Verzierungen und Holzschnitzereien zu sehen. In einigen bunt blühenden Vorgärten standen die für Region typischen Kurenkähne. Kleine Restaurants und Cafes luden zum Verweilen zur Mittagszeit ein. Mittlerweile schien auch wieder die Sonne. Danach ging es zur hohen Düne. Auf einem gut befestigten Weg erklommen wir die 52 m hohe Düne, auf deren Gipfel sich eine Sonnenuhr befindet. Von oben eröffnete sich uns ein fantastischer Blick über die sandige und mit Kiefern bewaldete Nehrung bis auf die russische Seite, den rot-weißen Leuchtturm von Nida und auf das Haff. Natürlich durfte bei unserem Ausflug auch ein Besuch des Ostseestrandes, wofür ja die Kurische Nehrung bekannt ist, nicht fehlen. Als Abschluss des Tages genossen wir den herrlichen weißen Sandstrand und das Rauschen der Ostsee.
Zum Abendessen bummelten wir durch Klaipeda zum gemütlichen Restaurant Friedricho Pasazas. Den Abend ließen viele Gäste an der HotelBar oder in einer der vielen Bars in der Umgebung ausklingen.


Pilgerfahrt zum Berg der Kreuze – Schloss Rundale – Riga in Lettland

Heute verabschiedeten wir uns von Klaipeda und starteten zur Weiterfahrt nach Lettland. Unterwegs besuchten wir den Berg der Kreuze bei Siauliai (Schaulen) nahe der Grenze zu Lettland. Der Berg der Kreuze (eigentlich sind es nur kleine Hügel) ist der bedeutendste Wallfahrtsort Litauens. Hier reiht sich ein gigantisches Meer von Kreuzen aus Holz, Metall und Plastik aneinander. Der Platz reicht schon lang nicht mehr aus. Dieser Berg steht auch für Unabhängigkeitsstreben der Litauer. In Gedenken an die Opfer des Aufstandes gegen den Zaren im 19. Jhd. wurden die ersten Kreuze aufgestellt. In der Sowjetzeit wurde der Berg niedergewalzt, dennoch standen am nächsten Tag die ersten Kreuze wieder da. Jeden Tag werden es mehr Kreuze, über 6.500 sollen es sein. Wir glauben das mal, nachgezählt haben wir das nicht. Unsere Mittagspause verbrachten wir in einem idyllischen Gasthof. Am Nachmittag waren wir auf den Spuren von Rastrelli unterwegs und besuchten das Barockschloss Rundale (Ruhental). Dort wartete bereits unsere "Schlossherrin", die uns energisch und kraftvoll durch die Schlossanlage führte;-). 1735 wurde auf Wunsch von Zarin Iwanowna der Grundstein für den Bau des Schlosses gelegt. Das 1767 fertiggestellte Schloss mit dem wunderschön angelegten Park und dem Rosengarten sollte als Sommerresidenz für Herzog Ernst Johan Biron dienen. Als Architekt wurde Rastrelli bestimmt, nach dessen Plänen auch das Winterpalais in Sankt Petersburg entstand. Dieser Palast wird auch als lettisches Versailles bezeichnet, ist aber kleiner als das französische Original. Wir erfuhren, dass das Schloss im 1. Weltkrieg fast völlig zerstört, mehrfach geplündert und als Kornspeicher und Schule genutzt wurde. Später wurde es restauriert, die Arbeiten halten bis heute an. Am späten Nachmittag erreichten wir Riga und bezogen unsere Zimmer im modernen Hotel Radisson Blu Latvia im Zentrum der lettischen Hauptstadt. Nach dem leckeren Abenbuffet unternahmen einige Gäste mit Reisebegleitung Annett einen ersten abendlichen Bummel durch die Rigaer Altstadt.


Riga – eine Perle im Baltikum

Am Vormittag begaben wir uns auf eine ausführliche Erkundungstour durch Riga, deren Altstadt ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Riga schreibt eine interessante Geschichte: Bereits Anfang des 12. Jhd. landeten deutsche Schiffe an der Daugava-Mündung und es siedelten sich deutsche Kaufleute an und gründeten eine Handelssiedlung. Albert, später Bischof von Riga, baute mit den Kreuzrittern (unterstanden dem Papst) eine Burg und rief den Schwertbrüderorden (unterstand nur dem Bischof) ins Leben. Mitte des 13. Jhd. unterwarfen sich die Schwertbrüder dem deutschen Orden und nannten sich nun Livländischer Orden. Mehr dazu erfuhren wir später beim Besuch der Burg Turaida. Riga war nicht nur Hauptstadt von Livland und Sitz der Erzbischöfe, sondern entwickelte sich zu einer bedeutenden Hansestadt.Der Untergang des Ordensstaates begann mit dem Livländischen Krieg, der mit der Aufteilung an Polen, Schweden und Dänemark endete. Keine 50 Jahre später eroberten die Schweden das Gebiet von Polen und es begann die gute schwedische Zeit, die aber nicht lang andauerte. Im großen Nordischen Krieg unterlagen die Schweden und Riga fiel an das Zarenreich. Die russische Herrschaft bestand fast 200 Jahre, obwohl deutsch lange offizielle Amtssprache blieb (erst 1891 russisch), denn um 1900 waren mehr als 50 % der Einwohner Deutsch-Balten. Soweit zur älteren Geschichte, die jüngere ist uns noch bekannt. Heute ist Riga das Zentrum Lettlands und schmückt sich zu Recht mit Beinamen wie Perle der Ostsee oder Paris des Ostens. Zuerst wollten wir den faszinierenden Jugendstil begegnen. Zu Fuß erkundeten wir Elizabetes Iela und ihre Seitenstraßen. Hier befindet sich die höchste Konzentration von Jugendstil-Gebäuden, die zum größten Teil wunderbar saniert sind. Viele stammen vom Architekten Michail Eisenstein (Vater des sowjetischen Regisseurs Sergej Eisenstein). Wir erfuhren viel über die Entwicklung des Jugendstils in Riga im 19. und 20. Jhd. und konnten uns an den wunderschönen Fassaden gar nicht satt sehen. Jetzt verstanden wir, warum Riga neben Paris und Wien zu den schönsten Jugendstilmetropolen gehört. Anschließend fuhren wir mit dem Bus zu den Rigaer Markthallen, wo wir uns ins bunte Treiben im Bauch von Riga stürzten und der ein oder andere einen Blumenkranz kaufte - ein wichtiges Beiwerk für die anstehende Johannisnacht. Danach erkundeten wir die facettenreiche Altstadt. Am Livenplatz bestaunten wir die alten Gilde- und mittelalterlichen Wohnhäuser sowie das Katzenhaus. In der Mitte des Rathausplatzes steht die Statue von Roland und blickt auf das Rigaer Rathaus. Gegenüber bestaunten wir die prunkvolle Fassade des Schwarzhäupterhauses. bei der nahen Petri-Kirche entdeckten wir die Bremer Stadtmusikanten. Auf dem belebten Domplatz prankt der Dom St. Marien, der größte Kirchenbau des Baltikums. 211 wurde der erste Grundstein gesetzt. Nicht verwunderlich, dass am Dom viele Stile (von Romantik bis hin zum Barock) zu finden sind. Fast alle Gäste nutzten die Möglichkeit, dass täglich um 12 Uhr stattfindende Orgelkonzert im Dom zu besuchen. Nach dieser besinnlichen Auszeit setzten wir den Stadtrundgang fort, denn es gab noch einiges zu entdecken. Wir spazierten die alte Stadtmauer entlang. Unter dem Schwedentor, dem einzigen, noch erhaltenen Stadttor verweilten wir bei einem musikalischen Ständchen. Wir blickten auf das mittelalterliche Gebäudeensemble der 3 Brüder. Anschließend schlängelten wir uns durch die schmalste Gasse, die den Namen Lärmstraße trägt, zur Jacobikirche. Am Nachmittag genossen alle Gäste freie Zeit. Das Abendessen wurde uns im Restaurant Melnais Kiploks (Schwarzer Knoblauch) in der Altstadt serviert. Einige Gäste feierten mit den Litauern die Johannisnacht in einem Park auf der anderen Seite der Daugava. Traditionell mit einer Prozession wurde das Johannisfeuer entzündet und danach ausgelassen gesungen und getanzt.


Gauja Nationalpark, die lettische Schweiz

Das erste Ziel war der Gauja Nationalpark, ca. 50 km von Riga entfernt. Sigulda (Segewold) ist ein beliebter Erholungsort und Wanderparadies, durch seine Rennschlittenbahn (auf Stelzen) auch bekannt als Wintersportort. Diese konnten wir von außen besichtigen. Wir spazierten durch den Schlosspark und die alte Burganlage von Sigulda, wo das Johannisfeuer noch zündelte. Durch die dicht bewaldete, hüglige Region schlängelt sich der Fluss Gauja. Eine kurzer Spaziergang führte die Gruppe zur Gutmannhöhle. In der 10 m hohen Sandsteinhöhle entspringt eine wundersame Quelle. Anschließend überraschte Eberhardt-Reisebegleitung Annett mit einem baltischen Picknick und Verkostung lokaler Getränke. Unweit befindet sich die Burg Turaida. Auf dem Spaziergang durch den Komplex besichtigten wir den Skulpturenpark, die kleine Kirche (eine der ältesten Holzkirchen Lettlands), das Grab der Rose von Turaida und die alte, rekonstruierte Bischofsburg Turaida aus dem Jahre 1214. Einige Gäste erklommen den 30 m hohen Burgfried (Turm) und wurden mit einem fantastischen Blick über den Nationalpark belohnt. Auf unseren Weg nach Estland sahen wir viele besetzte Storchennester, die teilweise auch schon Nachwuchs versorgten. Nach einer Mittagspause in der Hexen-Raststätte rollten wir nach Estland. Unser Ziel war die alte Universitätsstadt Tartu. Für 2 Tage residierten wir im traditionsreichen Boutique Hotel Antonius gegenüber der alten Universität.


Tartu, Zwiebelweg und Peipussee

Nach dem Frühstück starteten einen kleinen Rundgang durch die Studenten-Stadt mit einer Gästeführerin. Anschließend ging es bei strahlendem Sonnenschein mit unserer Reiseleiterin Lilija in die Region des Peipussees. Nach ca. einer Stunde Fahrt erreichten wir das Land der Altgläubigen - ein Volk, welches im Volksmund auch Zwiebel-Russen genannt wird und deshalb auch Zwiebelwege. Die am See gelegenen Dörfer bestehen überwiegend aus einfachen, altertümlichen Holzhütten mit Obst- und Gemüsegärten, natürlich Zwiebelfeldern und man bleibt unter sich und meidet Fremde. In Varnja besuchten wir das Museum der Altgläubigen - wo uns eine einheimische Frau in die Sitten und Gebräuche des Volkes der Altgläubigen einführte. Früher haben die Männer mit Fischerei, als Maurer oder Tischler ihr Geld verdient und waren oft für mehrere Monate getrennt von Ihren Familien. Nach einer kleinen Stärkung mit Tee, Kuchen und Gebäck fuhren wir nach Alatskivi weiter. Dort befindet sich das gleichnamige, weiße neugotische Schloss oder Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert. Bei der Führung erfuhren wir interessante Details aus dem Leben des Gutsherren Arved Georg von Nolcken, dessen Familie und deren Angestellten. Das Familiensymbol - die Nelke - findet man im ganzen Haus. Beeindruckend waren die Wachsfiguren der ehemaligen Hausbewohner in den Kellergewölben, wie lebendig. Nun wollten wir aber endlich an die Ufer des Peipussees. Der See, zwischen Estland und Russland gelegen, ist ca. 7x so groß wie der Bodensee. Die Ufer sind meist dicht bewachsen oder mit Privathäusern bebaut, sodass der Zugang schwierig ist. Im beschaulichen Örtchen Kallaste konnten wir dann einen unverbauten Blick auf den geschichtsträchtigen See werfen. Bekannt ist der Peipussee durch die Schlacht von 1242, als Fürst Alexander Newski den Livländischen Orden auf dem vereisten See stoppte und damit eine weitere Ausweitung des deutschen Reiches verhinderte. Zurück in Tartu hatten wir bis zum Abendessen freie Zeit.


Lahemaa Nationalpark – Tallinn

Auf dem Weg nach Tallinn besuchten wir noch den Lahemaa Nationalpark. Der waldreiche Nationalpark mit Sümpfen, Mooren und vielen Wanderwegen befindet sich östlich von Tallinn an der Küste. Im Nationalpark-Zentrum schauten wir einen sehr informativen Film über diese Region. Anschließend besichtigten wir den angrenzenden Gutshof Palmse, welcher über Jahrhunderte der deutsch-baltischen Adelsfamilie von der Pahlen gehörte. Heute wird es als Museum und Hotel genutzt. Wir besichtigten das Herrenhaus, wo in den stilvoll eingerichteten Räumen altes Mobiliar, Fotos und Gemälde aus längst vergangenen Zeiten und eine nostalgische Stereoanlage zu sehen und zu hören sind. Im Ankleidezimmer konnte, wer wollte, der damalige Kleiderstil am eigenen Leibe ausprobiert werden. Ein individueller Spaziergang durch das gepflegte Anwesen mit seiner großzügigen Parkanlage, Teich mit Badehaus und Orangerie rundete den Besuch ab. Bei einem Fotostopp konten wir noch das Gutsanwesen Sagadi anschauen. Im kleinen Fischerdörfchen Altja unternahmen wir einen Spaziergang zur Küste an. Vorbei an wunderschönen Holzkaten mit blumigen Vorgärten liefen wir bis zur wildromantischen Küste. Wir sahen die alten Bootsschuppen und viele große und kleine Steine - Estland ist wirklich steinreich! Am Nachmittag erreichten wir die estnische Metropole Tallinn am finnischen Meerbusen. Nach dem Abendessen im Hotel bummelten einige Gäste mit Annett durch die Gassen der Altstadt.


Mittelalterliches Flair in Tallinn

Bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen begaben wir uns auf eine Erkundungsfahrt durch Tallinn, deren mittelalterliche Altstadt auch auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbe steht. Zur Geschichte: Im 11. Jhd. entstand auf dem heutigen Domberg eine Bauernburg und wurde später als Dänenstadt bekannt. Anfang des 13. Jhd. trat der deutsche Schwertritterorden an die Macht und holte deutsche Handwerker und Kaufleute in die Stadt. Durch den Salzhandel entwickelte sich Tallinn zu einer bedeutenden Hansestadt, wobei die Kaufleute immer mehr Einfluss erlangten. So wurde die Stadt geteilt. Die Oberstadt war den Adeligen und Geistlichen vorbehalten (Domgilde), während die Unterstadt (auch eigenes Münzrecht), wo die Kaufleute wohnten, von einem gewählten Magistrat verwaltet wurde. Mit dem Bus fuhren wir zunächst in die Vororte Tallinns. An der bekannten Sängerwiese machten wir einen Fotostopp. Die legendären Sängerfeste haben eine lange Tradition und sind auch durch die jüngste Geschichte mit der Singenden Revolution bekannt. Auf der muschelförmigen Bühne können ca. 30.0000 Sänger Platz nehmen, deren Gesang fast 500.000 Besucher erleben können. Nicht nur die Größe, sondern auch der weite Blick auf die Tallinner Bucht und über die Stadt faszinierte uns. Nach einer technischen Pause am Passagierhafen fuhren wir mit dem Bus zur Oberstadt.
Auf dem Domberg begann unser Rundgang durch Tallinn. Neben dem Domschloss, heute estnisches Parlament ragt der Lange Herrmann hervor. Gegenüber befindet sich die russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathdrale. Vorbei an der St. Mariengilde und der Domschule (von 1920 bis 1940 deutsches Gymnasium) gelangten wir zum Mariendom, der Hauptkirche der estnischen Lutheraner. Von den Aussichtsterrassen des Domberges genossen wir die wunderbare Ausblicke. Danach spazierten wir auf dem Langen Bein in die Unterstadt hinab. Wir bummelten durch die engen Gassen und Straßen der mittelalterlichen Unterstadt und entdeckten das ein oder andere Kleinod. Die Lange Straße (Pikk) verbindet auch heute noch den Rathausplatz mit dem Hafen. In der Unterstadt sahen wir die Fassade der Großen Gilde, wo sich damals die reichsten Kaufleute der Stadt versammelten. Einige Meter daneben steht ein weiteres sehr schönes Jugendstilhaus. An der Ecke, fast unscheinbar steht die Heiliggeistkirche, in deren Glockenturm die älteste Glocke Estlands läutet. Auf dessen Dach spannt der einstige Hausherr mit Hilfe seines Monokels in die gegenüberliegenden Fenster. Schräg gegenüber liegt das Haus der St. Kanuti-Gilde, an dessen Fassade der heilige Knut (Schutzpatron der Gilde) und Luther zu sehen sind. An der Ecke, fast unscheinbar steht die Heiliggeistkirche, in deren Glockenturm die älteste Glocke Estlands läutet. Daneben führt der schmale Weckengang (früher waren hier viele Backstuben ansässig) zum Rathausplatz. Gleich links ist die alte Ratsapotheke zu sehen, die zu den ältesten in Europa zählt. Mitten auf dem Platz erhebt sich das gotische Rathaus. Auf dem schlanken Turm sitzt der Alte Thomas (Wetterfahne) und aus der Fassade schauen bedrohlich aussehende Drachenköpfe (Speier) heraus. Auf dem Rathausplatz endete unser Rundgang. Alle Gäste freuten sich, den sonnigen Nachmittag für individuelle Erkundungen zu nutzen. In den zahlreichen Cafes und Restaurants machten viele erst einmal eine wohlverdiente Pause, um die unzähligen, neu gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten, denn so viel Mittelalter und historisches Pflaster strengt an. In Tallinn lohnt sich immer wieder ein Blick in die Hinterhöfe und Seitengassen, wo sich versteckt, kleine gemütliche Cafes und architektonische Kleinode befinden. Das letzte Abendessen wurde uns im Restaurant Maikrahv (Maigraf) am Altstädter Marktplatz serviert.
Einige Gäste genossen den sommerlichen Abend noch ein Absacker in geselliger, lustiger Runde in einem Biergarten am Markplatz (ich sag nur: meine lieben Damen und Herren....):-)


Auf Wiedersehen – Rückflug mit kleinen Hindernissen und Verlängerung

Heute konnten wir ausschlafen und den Tag entspannt beginnen. Bis zum Abflug am späten Nachmittag hatten wir noch genügend Zeit. Einige Gäste bummelten noch einmal durch die Altstadt, andere entspannten im Schwimmbad des Hotels und andere unternahmen einen Ausflug mit der TRAM in den Stadtteil Kadriorg (Katharinental). Am Mittag trafen wir uns alle am Hotel wieder. Da bis zum Abflug trotzdem noch reichlich Zeit war, hatte Eberhardt hatte ein kleines Zusatzprogramm als Bonus für die Gäste organisiert. Wir fuhren in den Stadtteil Rocca al Mare. Klingt nach Italien? Richtig, der Name heißt übersetzt Fels am Meer. Hier befindet sich das Estnische Freilichtmuseum. Auf einem kurzweiligen Spaziergang lernten wir das bäuerlicghe Dorfleben und ländliche Brauchtum aus verschiedenen Epochen näher kennen. Anschließend fuhren wir zum Flughafen Tallinn und verabschiedeten uns von unseren liebgewonnenen Lilija und Johan, die uns auf der Reise durch das wunderschöne Baltikum begleitet und chauffiert haben. Vielen Dank den beiden. Dank OCI durch Annett gelangten wir schnell zu den Abfluggates. Der moderne Flughafen bietet den Wartenden viel Zerstreuung: Shops, Bar, Restaurants und genügend Sitzmöglichkeiten, alles ist vorhanden. Während wir auf das Boarding warteten, meldete sich Annetts Lufthansa Ap mit leisem Bing, bing: Zubringerflug von Frankfurt nach Dresden annulliert. Es war der letzte Flug nach Dresden an diesem Tag. Das Risiko, dass kurzfristig und gehäuft Flüge gecancelt werden oder es zu Verspätungen kommt, ist derzeit immer gegeben und wenn man fliegt, muss man immer damit rechnen. Deshalb Ruhe und Durchblick bewahren und erst mal bis Frankfurt fliegen. So landeten wir am Abend in Frankfurt. Zwischenzeitlich war die Dresdner Gruppe mit 20 Personen auf den ersten Flug nach Dresden am nächsten Tag umgebucht wurden. An den Information- Schaltern der Lufthansa lange Schlangen und lange Gesichter der gestrandeten Passagiere.


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