Reisebericht: Jahresausklang im romantischen Norddeutschland

28.12. – 01.01.2012, 5 Tage Bremen – Papenburg – Emden – Greetsiel – Leer


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Matjes, Tide, Siele_Leben mit dem Meer in Ostfriesland Wer gern Matjes isst und das Wasser liebt, fühlt sich richtig im Norden Deutschlands. Das Wasser kam glücklicherweise meist nicht von oben, so dass wir die maritime Atmosphäre überall richtig
Ein Reisebericht von
Dr. Grit Wendelberger

Reisebericht

Matjes, Tide, Siele_Leben mit dem Meer in Ostfriesland
Wer gern Matjes isst und das Wasser liebt, fühlt sich richtig im Norden Deutschlands. Das Wasser kam glücklicherweise meist nicht von oben, so dass wir die maritime Atmosphäre überall richtig geniessen konnten: in Bremen, Papenburg, Emden, Greetsiel, Leer und Cloppenburg.

Auftakt bildete die wohlhabende Hansestadt Bremen, wo nicht nur die Bremer Stadtmusikanten ihr Glück suchten: der reich ausgestattete Dom auf der höchsten Erhebung der Stadt, wieder prächtig aufgebaute stolze Bürgerhäuser kündeten vom Können der Hanseaten. Auch vom Freiheitssinn seiner Bürger zeugt der Roland auf dem Markt, in Richtung Kirche und Bischof, dem bürgerlichen Widersacher wachsam entgegen blickend. Die in Backstein schön wieder aufgebaute Böttcherstrasse mit dem Bremer Wahrzeichen der Henne, erste Siedler zur Stadtgründung ermutigtend, ziert diese ebenso wie zahlreiche Restaurants, Lokale und Museen, wie das über die Künstlerin Paula Modersohn-Becker. Sie lebte und schuf gemeinsam mit Künstlern, wie Modersohn und Vogeler in der Künstlerkolonie Worpswede. 
Im familiengeführten Papenburger Hotel "Hilling" stärkten wir uns für den kommenden Tag im 18 km langen Ort: Unsere Zeitreise begann per Bus und anschließend erlebte, wer wollte, wir im sogenannten "Zeitspeicher" die Lebensbedingungen der Menschen im Moor: "dem ersten sein Tod, dem zweiten die Not, dem dritten sein Brot" - so hieß es und das Modell einer einfachen Erdhütte zeigte das schwere Leben vor Ort, in dem jeder Siedler auch ein Stück seines Kanalabschnitts graben musste, so dass sich mit wachsender Siedlerzahl auch das bis heute so wichtige Entwässerungs- und Wassernetz erweiterte. Auf dem Kanal waren Museumsschiffe zu sehen, beispielsweise eine flache Spitzmutte und Treidler beim "Trekken" eines Bootes durch den Kanal. Die Häuser wurde im Laufe der Zeit  aus Backstein erbaut , Kapitäne hatten ihren Hauseingang immer zum Kanal.
Nachmittags besuchten wir die Hallen 5 und 6 der Meyerwerft und besichtigten mit Frau Ruth die derzeit im Bau befindlichen Disney Cruise Line und Aidamar, letztere sollte bereits im Januar ausgeliefert werden. Logistik und Größenverhältnisse waren beeindruckend, auch das Procedere der Kanal-Kreuzschiffahrtroute bis nach Emden durch die Papenburger Schleuse, auf der wir standen. Es soll angemerkt werden, dass wir Kräne aus Köthen und anderen Orten entdeckten, teilweise mit der Beschilderung "Deutsche Demokratische Republik", ein Qualitätsbeweis, der uns erfreute. Filme, Musterkabinen und zahlreiche Modelle gefertigter Kreuzschiffe, Fähren und Gastransporter rundeten das Bild.
Froh, dem stürmischen Aufwinden vor der Halle im Bus entronnen zu sein, genossen wir unsere Steckrübensuppe, die so manche Erinnerung weckte.

Sonnenschein empfing uns am folgenden Freitag in Nähe der Küste: Emden zeigte sich uns von seiner sonnigen und regnerischen Seite zugleich. Wir starteten an der Kunsthalle, wo eine beeindruckende Jubiläumsausstellung zu Ehren des Gründers Henri Nannen dargeboten wurde. Jedes seiner 83 Lebensjahre wurde mit einem Werkpaar geehrt, im Dialog von klassisch und zeitgenössisch, in unterschiedlichen Medien präsentiert.
Ich führte unsere Gruppe durch die Altstadt zum ostfriesischen Landesmuseum und Ratsdelft, vorbei am Ottohaus, einem Zentrum der Lachkultur und weiter zu den Pelzerhäusern aus der Renaissance mit heimeligem Café und Kunstausstellung, zum Bunkermuseum und der Johannes a Lasco Bibliothek in der Großen Kirche neben der schweizer kleinen Kirche, entstanden in den Nachkriegsjahren und anknüpfend an die calvinistische Tradition Emdens. Vorbei an dem kleinen offenen Friedhof inmitten der Stadt zogen wir weiter zur großen Straße, der Shopping Mall und zogen innerlich unseren Hut vor dem großen Aufbauwillen der Bevölkerung, die in den Kriegsjahren in zahlreich noch erhaltenen Bunkern ihr Leben fristen mussten und eine fast 80%ige Zerstörung ihrer Stadt hinnehmen mussten. Viele Gäste trafen wir im Museumscafé wieder, das mit seinem leckeren Angebot lockte.
Weiter ging es über das flache Krummhörner Land mit seinen Entwässerungsnetzen bis nach Greetsiel, eine Station der Störtebecker Straße. Übrigens: Die Emdener Bürger gewährten dem Freibeuter und seinen "Likedeelern" (Gleichteilern) auch Unterschlupf und zogen sich so den Zorn der Hanse zu, die daraufhin die mittelalterliche Stadt besetzten.
Benannt nach dem alten Sieltor (Greetsiel hat inzwischen ein neues Tor)  war der malerische Ort seit dem frühen 20. Jahrhundert ein Fischerort geworden, als Sielhafen mit Frachten von Torf, Getreide und heu hatte es seine Bedeutung inzwischen verloren. Dafür wurde es zum Tummelplatz von Touristen, die nur in der Nebensaison etwas weniger werden. Mit diesem Vorzug startete ich unseren Bummel durch den Ort vom Nationalparkhaus über die Mühlenstraße bis zur Kirche, dem alten Sieltor und dem Hafen mit seinen malerischen Bürgerhäuser, wie Poppinga' s Bäckerei und anderen Bürgerhäusern.
Krabbenkutter ankerten am Hafen, sie haben seit Ausbau der Leyhörnnase eine tidenunabhängige Zufahrt zur Nordsee - ein großer Vorzug. Im gemütlichen Mühlencafé stärkten wir uns bei ostfriesischem Tee und einem leckeren frischen Apfelkuchen, dann zeigte uns der Müller und sein Geselle den Mühlenbetrieb: wie wird Schrot und Feinmehl gemahlen? Wie sortiert? Wie der Mühlstein gewechselt? Wie werden die Mühlenflügel gesteuert und angehalten und viele weitere Fragen wurden gestellt und auch beantwortet. 
Inzwischen dunkel geworden, fuhren wir gen Papenburg und ich erzählte vom Ringen der Küstenbewohner mit dem Wasser um Land - in Respekt vor der immensen und zunehmenden Arbeit.
Am nächsten Morgen erwarteten uns Marianne und Claudia und zeigten uns die interessantesten Seiten der Stadt Leer: wir starteten vom Bahnhof aus in die Innenstadt, gegenüber lag die Insel Nesse  bis zum Alten Hafen mit der Waage und den Booten.
Weiter zogen wir über den sogenannten "Leer-Pfad" bis in das Rathaus und hoch auf den Turm - von dort hatten wir einen weiten Blick auf die Stadt, unter uns das heilige Viertel mit drei Kirchen und die Rathausstrasse mit dem wunderschönen Samson-Haus, einer familiengeführte Weinhandlung, die wir im Anschluss besuchten.
An der Brunnenstrasse mit dem Teemuseum der Firma Büntje verabschiedeten wir uns und freuten uns schon auf ein leckeres Fischessen, die Auswahl an Matjes (nach Emdener Rezeptur seit dem 16. Jahrhundert), Krabben, Schollen, Knurrhahn und anderen war wunderbar.
Nachmittags ging es zurück in das Hotel, wir wollten uns auf unsere Silvesterfeier einstimmen, unsere Sitzordnung war klar und alles in Saal und Küche vom Hotel gut vorbereitet.
Wir waren schon gespannt, Einlass war bereits 19 Uhr mit Welcome Drink, dann begann um 20 Uhr das reichliche leckere Essen mit einer Suppe und anschließender Führung, wie vom Küchenchef angekündigt, in einzelnen Tischgruppen zum Buffet.
Wir schlemmten und anschließend wurde aufgespielt und Musiker Frank führte durch das Programm: die Stimmung im Saal war prächtig und sofort wurde das Tanzbein geschwungen bis in die frühen Morgenstunden, nur unterbrochen vom Neujahrs-Sekt und - Feuerwerk. Froh und müde zugleich sanken wir in unsere Betten, denn am nächsten Tag wollten wir 10 Uhr in das Museumsdorf nach Cloppenburg aufbrechen, das gelang uns auch.
Herr Brokamp, von beeindruckender Statur, sprach zu uns langsam, doch aus seinem Innern, das mit allen Fasern an seiner Heimat hing. Das spürten wir und so verkörperte er für uns gewissermaßen den hiesigen Menschenschlag und deren entbehrungsreiche Vergangenheit, die auf über 20 ha über ca. 500 Jahre ausgebreitet in zahlreichen Gebäuden aus Niedersachsen vor uns lag.
Bockwindmühle, Hallenhäuser, Heuerlingehaus, Zehntscheune, Schule, Kirche, Gulfhof und andere typische Gebäude betrachteten wir von außen und innen mit Respekt und Interesse.
Eine ereignisreiche schöne Reise klang aus und ein neues Jahr 2012 beginnt: möge es uns Frieden, Gesundheit und Lebensfreude bescheren!
Alle Rechte bei Grit Wendelberger, Halle 2012

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