Reisebericht: Rundreise Schottland für Zugliebhaber

19.05. – 28.05.2023, 10 Tage Zugreise Schottland mit Busanreise – Edinburgh – Glamis Castle – Caledonian Railway – Highlands – Keith & Dufftown–Railway – Malt Whisky Trail in der Speyside – Strathspey Railway – Cairngorm Mountain Railway – Urquhart Castle – Jacobite Steam Tr


  Bildergalerie   Druckversion (PDF)   Kommentare   zur Reise
 
Vor über 220 Jahren baute der Brite Richard Trevithick die erste Dampflokomotive der Welt. Vor 200 Jahren gab es im Vereinigten Königreich bereits bedeutende Eisenbahngesellschaften, vor 190 Jahren fuhr in Schottland bereits die erste Eisenbahnfähre und schon bald wurden dort die spektakulärsten Bahnbrücken der Welt gebaut.

Es gibt wohl kaum eine passendere Art des Reisens um diesen landschaftlich schönsten und wohl auch kulturell wirklich einzigartigen Teil Großbritanniens kennenzulernen, als mit den vielen historischen Bahnen, die durch Schottlands schönste Gegenden fahren…
Ein Reisebericht von
G. Adamietz

1 FÄHRE

Es ist 2:30h – allerdings am Morgen! Unser Busfahrer Maik steht als Erster am Flughafen Dresden, dem Startpunkt unserer Reise. Ich bin der Reiseleiter und die ersten Teilnehmer unserer Reisegruppe sind rasch eingetroffen. Pünktlich geht es los, Richtung Westen. Unterwegs sammeln wir noch einige weitere Reisegäste ein, unsere Gruppe bleibt jedoch sehr klein und exklusiv! In Edinburgh werden noch zwei weitere dazu stoßen, dann werden wir 16 Reisende in unserer Gruppe haben.

Auf der kurzen Fahrt durch die Niederlande gibt es schon Interessantes über unser Transitland zu erzählen, und am frühen Nachmittag erreichen wir pünktlich den Hafen von IJmuiden bei Amsterdam.

Die erste große organisatorische Aufgabe der Reise ergibt sich spontan: Ein Reisender hat versehentlich einen falschen Reisepass eingepackt. Sein eigener Personalausweis reicht leider nicht aus, der Brexit hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Wir beschließen, dass der Pechvogel mit der Bahn aus Amsterdam zurück nach Deutschland fährt, um seinen Pass abzuholen. Ein Taxi ist mit toller Hilfe der Reederei DFDS schnell bestellt, er erreicht den letzten ICE des Tages noch pünktlich und auf der Fähre werde ich Zeit haben einen Flug für ihn nach Edinburgh zu finden.

Unsere Gruppe an Bord schrumpft nun auf 13, kein schlechtes Omen allerdings, unsere Reise beginnt bei traumhaftem Wetter. Nachdem alle ihre Kabinen bezogen haben, treffen wir uns auch ohne Verabredung in der Sky Bar am obersten Deck. Später dann mit Verabredung zum Abendessen beim eindrucksvollen Bordbuffet. Der Tag endet mit einem wunderschönen Sonnenuntergang auf offener See. Zufrieden und voll Vorfreude können wir uns vom langen Anreisetag in gemütlichen Kabinen erholen.


2 ENGLAND

Das Frühstück an Bord vereint ganz Europa. Käse aus Holland, Müesli, Kaffee, Croissants und vieles mehr werden aufgefahren. Die ersten britischen Marmeladen, Pilze, Speck und Bohnen am Buffet stimmen uns aber schon auf die Reise nach Schottland ein.

Vorerst landen wir allerdings in England, es wird ernst. Nach einem nicht allzu langen Anstehen, werden unsere Reisepässe, streng aber freundlich kontrolliert. Maik hat unseren Bus als einen der ersten von Bord fahren dürfen und schnell ist unsere kleine Gruppe mit ihrem Handgepäck versammelt. Die großen Koffer blieben während der Überfahrt ja bequemerweise im Bus.

Zum ersten Mal auf einer Reise in Großbritannien spiele ich nun im Bus „God Save the King“ zur Begrüßung. Nach über 70 Jahren Queen Elizabeth ein ganz großes kleines Detail. Schnell gibt es sehr viele britische Dinge zu entdecken, rote Briefkästen mit königlichen Monogrammen zum Beispiel. Dass unser Bus nun auf der linken Straßenseite fährt, fällt kaum auf. Souverän steuert Maik den Fünf-Sterne-Bus durch Newcastle, durch spiegelverkehrte Kreisverkehre und durch einen Tunnel, hier unterqueren wir den Fluss Tyne.

Die Bedeutung der Stadt in der Zeit der Industrialisierung durch seine Lage zwischen Kohleminen und dem Meer ist das perfekte Thema als Einstieg zum Ziel unserer ersten Besichtigung, dem Beamish Museum. Hier hatte Frank Atkinson in den 1960er-Jahren begonnen, durch umfangreiches Sammeln von Alltagsgegenständen den Grundstein für ein faszinierendes Freilichtmuseum zu legen, dass er später über Jahrzehnte leitete. Hier kann man wahre Zeitreisen erleben! In verschiedenen Gebäudegruppen z. B. in die 1940er, 1950er und besonders auch ins perfekt inszenierte Jahr 1913. Fahrten mit Bussen und Straßenbahnen (auch Doppeldecker!) verbinden alles auf einem Rundkurs. Viele Museumsmitarbeiter arbeiten ehrenamtlich und alle tragen perfekte historische Kostüme. Wir werden alle in den Bann des Nordenglands der letzten Jahrhunderte gezogen und der Abschied bei schönstem Wetter fällt schwer – doch unser Ziel heißt Schottland!

An der Grenze, an einem Ort namens Carter Bar halten wir für einen ersten eindrucksvollen Blick auf dieses faszinierende Land, dass für viele noch eine große unbekannte Sehnsucht ist. Ungefähr eine Woche später werden wieder hier stehen und zurückblicken, dann auf eine faszinierende Welt, die wir kennenlernen durften und die für den Rest unseres Lebens einen Platz tief in unserem Herzen haben wird.

Das Wetter ist schön, erst als wir in Edinburgh ankommen beginnt es zu nieseln. Unser Hotel liegt direkt neben dem Zoo der Stadt, eigentlich gar nicht so weit vom Zentrum der Stadt, aber nach dem Abendessen sind doch alle eher müde und fallen in die Betten des etwas in die Jahre gekommenen Holiday Inn Edinburgh. Der Tourismus in Großbritannien und besonders in Schottland hat sich noch nicht wirklich von Brexit und Corona erholt. Überall fehlen Arbeitskräfte und die Hotels in Edinburgh sind alle sehr gut gebucht, es ist auch noch Wochenende. Auch wenn unser Hotel nicht das neuste ist, müsste ein einzelner Reisender hier 420 Pfund für die Übernachtung bezahlen, knapp 500 Euro und das ohne Frühstück!

Gruppenreisen haben sehr viele Vorteile, ein ganz wichtiger davon ist die Kaufkraft einer großen Firma wie Eberhardt TRAVEL, die sehr begehrte Hotelzimmer zu wesentlich besseren Konditionen einkaufen kann, und diese Vorteile dann an ihre Gäste weitergibt. Für alle, die am Abend zu müde waren, um noch in die Innenstadt aufzubrechen, war das auch ein wesentlicher Trost, um das regnerische Edinburgh zu vertagen.


3 BRÜCKEN

Was ist der Unterschied zwischen einem englischen und einem schottischen Frühstück? Eigentlich nur der Name, wäre da nicht ein kleines Detail. In Schottland wird auch noch Haggis aufgetischt. Immer gibt es Eier, Bacon, Bohnen, diverse Würste, Kartoffelpuffer, Tomaten, Champignons etc., dazu diverse süße Brotaufstriche, vor allem Marmelade und sehr viel Butter. Hafer in diversen Varianten und vieles mehr, dass in Deutschland eher mit anderen Tageszeiten in Verbindung gebracht wird.

Auf diese Weise gestärkt verlassen unser Vintage-Hotel Holiday Inn am Zoo von Edinburgh und brechen auf. Wir lassen nun den Alltag und alles Städtische zurück, nun geht es in eine andere Welt, die Highlands!

Auf dem Weg dorthin erreichen wir nach nur einer halben Stunde den gewaltigen Firth of Forth, bekannt vor allem durch die gewaltige Forth Bridge, eine Eisenbahnbrücke aus dem Jahre 1890. Vor diesem Anblick lässt sich auch erahnen, welche Bedeutung die Eisenbahn in England bereits vor über 130 Jahren hatte!

Die Forth-Brücke war die erste große Stahlbrücke der Welt – und lange die überhaupt größte der Welt. Zwei neuere Straßenbrücken daneben können sie jedenfalls immer noch nicht in den Schatten stellen.

Ihre Konstrukteure haben unweit das nächste spektakuläre Eisenbahnbauwerk errichtet, dass wir zu sehen bekommen: Die Tay Bridge, über den Firth of Tay, was soviel wie Fjord heißt. Hier sieht man über 140 Jahre nach dem tragischen Einsturz der Vorgängerbrücke immer noch die Reste der alten Stützpfeiler. Theodor Fontane schrieb unmittelbar danach mit „Die Brück‘ am Tay“ eine Ballade über dieses Unglück, was heute noch bewegend ist.

Wir passieren nun Dundee, von hier starteten Weltrekordflüge mit Flugbooten, vor allem aber auch Robert Scott mit der RRS Discovery zu seinen Antarktisexpeditionen. Das vor der Zerstörung gerettete Schiff steht nun wieder hier, in dem Ort in dem es einst gebaut wurde.

Weiter geht es nach Norden. Hier erwartet uns Glamis Castle, das Schloss des Earl of Strathmore. Das „i“ in Glamis wird nicht ausgesprochen, apropos Sprache, ich mache noch Witze, dass es heute nur gälische Führungen gibt. Tatsächlich sind die deutschsprachigen Guides ausgefallen und unsere Führerin heißt Gaile! Allerdings spricht sie natürlich englisch und es macht mir großen Spaß ihre spannende Führung ins Deutsche zu übersetzen.

Wir hören natürlich auch einiges über Shakespeares Macbeth, ihm werden wir später noch einmal in Cawdor begegnen. Vor allem gibt es aber auch spannende und skurrile Einblicke in das Leben in einem schottischen Schloss. Nach der Besichtigung ist noch Zeit für einen Spaziergang im Park oder eine Stärkung im wirklich sehr guten Schlosscafé bevor Maik uns weiter nach Norden fährt, nun geht es in die Highlands!

Dort erreichen wir auch bald den Cairngorms-Nationalpark, auf gälisch hat er übrigens den unaussprechlichen Namen: „Üghdarras Pàirc Nàiseanta a' Mhonaidh Ruaidh“. Vor allem aber ist es hier einfach schön. Einsam ist es auch, Hochnebel und dramatische Wolkenstimmungen lassen erahnen, dass das Leben hier auch sehr hart gewesen sein muss.

Unsere Straße ist die „Old Military Road“, heute ist sie friedlich und besinnlich. Maik überfährt souverän die letzte noch übriggebliebene ältere Bogenbrücke, und bringt uns in das Skigebiet Lecht 2090. Das klingt und ist imposant. Die Zahl steht für die Höhe über dem Meer – allerdings in Fuß! Durch die Lage im Norden ist der Winter hier aber tatsächlich vergleichbar mit dem in den Alpen auf zweitausend Metern.

Auf der anderen Seite des Passes nähern wir uns der Speyside. Das Wetter wird wieder freundlicher und sonniger. In diesem schönen Tal am Fluss Dee passieren wir auch Balmoral Castle mit seinem Park. Kein Wunder, dass Königin Elisabeth hier immer am liebsten ihre Zeit verbrachte.

Schon bald erreichen auch wir unser Heim, wenn auch nur für die nächsten drei Tage und Nächte: Das Grant’s Arms Hotel in Grantown-on-Spey. Dieses Haus hat eine lange Tradition als erstes Haus am Platz, Fotos von berühmten und royalen Gästen an den Wänden dokumentieren das. Es gibt aber auch etwas ganz besonderes im Haus, eine Forschungsstation des Nationalparks! Hier gibt es unzählige Bilder, besonders über die Tierwelt der Gegend, eine überwiegend englische Bibliothek und auch spannende Tierfilme zu sehen.

Vor allem aber: Im eleganten Speisesaal wird uns ein köstliches Abendessen serviert, in gemütlichen typisch britischen Zimmern können wir tief und fest schlafen und träumen bald schon von Schottland und anderen schönen Dingen.


4 WHISKY LINE

Der heutige Tag beginnt mit einem köstlichen schottischen Frühstück, danach fahren wir zu einem kleinen Städtchen namens Keith. Hier soll unsere Fahrt mit der auch als Whisky Line bekannten Keith & Dufftown Railway nach Dufftown beginnen. Soll, denn der Bahnhof ist verwaist. Was ist passiert? Unser historischer Triebwagenzug hat einen technischen Defekt! Die Bahn wird von einem kleinen Verein betrieben und alle verfügbaren Leute bemühen sich gerade den Zug zu reparieren.

Schnell lässt sich das Tagesprogramm umstellen, wir beginnen nun mit der Besichtigung von Schloss Cawdor, die eigentlich für den Nachmittag geplant war. Dort werden wir in einem der drei prächtigen Gärten mit einer Whisky-Verkostung begrüßt, inzwischen ist es ja schon 12:00 Uhr, in Schottland ist ohnehin immer Whisky-Zeit.

Die Besichtigung des Schlosses mit Audioguides ist sehr interessant, auch die Eigentümerin des Schlosses kommt dabei zu Wort. Ihr Satz: „Ich dachte ich besitze ein Schloss, aber das Schloss besitzt mich.“ bleibt dabei in besonderer Erinnerung.

Auch hier gibt es einen Schlossladen, mit viel Whisky und auch mit kuriosen Geschenken, sowie ein Schlosscafé mit Köstlichkeiten aus der Region. Nach Freizeit und Mittagspause m
gibt es eine gute Nachricht: Unser Triebwagen konnte repariert werden! Erfreut geht es nun also zum zweiten Mal nach Keith, diesmal sehen wir bei unserer Ankunft schon den Zug bereitstehen.

Auf unserer Reise erleben wir Bahnen aus allen Epochen, in England gab es sogar Lokomotiven aus den 1870ern zu sehen, unter Dampf! Heute sind wir in einer Zeit, die viele von uns persönlich kennengelernt haben, eine gewisse selbst erlebte Nostalgie macht das Erlebnis hier besonders. Unser Dieseltriebwagenzug stammt aus den Jahren 1958/59. Auf 1435 mm Spurweite fuhren einst diese B.R. Derby Class 108 DMU in ganz Großbritannien.

Aktuell ist die Bahnlinie hier nur 18 Kilometer lang, einst war sie mit dem restlichen Schienennetz Schottlands verbunden, ein Zustand, der irgendwann wiederhergestellt werden soll. Aktuell ist die Verlängerung einiger Strecken in der Gegend auf einem guten Weg.

Unsere Fahrt wird nun tatsächlich zu einem ganz besonderen Erlebnis. Der ganze Zug gehört uns, bei offenem Führerstand wird uns alles gezeigt und erklärt, während die Bahn gemütlich vor sich hin dieselt. Der Hund des Lokführers ist auch an Bord und sorgt dafür, dass alles seine Richtigkeit hat.

In Dufftown wird uns noch der ganze Bahnhof, inklusive des kleinen Museums gezeigt. Es ist eindrucksvoll, was Enthusiasmus und Leidenschaft erreichen können – und wie ansteckend diese Begeisterung ist.

In einigen Jahren können wir von hier auch weiter nach Grantown mit der Bahn fahren. Heute aber steigen wir wieder in unseren blauen Bus aus der Gegenwart und Maik bringt uns am Fluss Spey entlang zurück in unser Hotel in dem wir uns inzwischen schon zuhause fühlen. Hier erwarten uns wieder ein feines Abendessen, eine gemütliche Bar mit interessanten Gesprächen und schließlich eine wunderbare ruhige Nacht.

Bitte auf den YouTube-Link klicken..!


5 CAIRN GORM

Heute erwartet uns ungewöhnliches: Die Cairngorm Mountain Railway, eine Bergbahn, eine Standseilbahn genaugenommen. Erst 2001 eröffnet, war diese Bahn fünf Jahre geschlossen bevor sie erst 2023 wieder vollkommen erneuert und verbessert wiedereröffnet wurde.

Die Technik kommt manchen bekannt vor, die Standseilbahn wurde vom der österreichischen Firma Doppelmayr geliefert, in der ungewöhnlichen Spurweite 2000 mm. In neun Minuten fahren von der Talstation von 635 m zur 1097 m hohen Bergstation. Dort werden wir freundlich mit Kaffee und Kuchen empfangen und genießen den Ausblick in die Ferne.

Aufgrund ungewöhnlich strenger Umweltschutzvorschriften ist es jedoch nicht erlaubt die Bergstation zu verlassen, nur einige Schritte auf einer Terrasse sind möglich, an einer anderen wird sogar noch gebaut und sie ist teilweise gesperrt. Nach ca. 45 Minuten am Berg geht es nun mit derselben Kabine wieder den Berg hinunter. Im Winter ist die Fahrt übrigens mehr als doppelt so schnell, dann dauert sie nur vier Minuten damit die Skifahrer schnell auf die Piste kommen.

Wir reisen weiter, zuerst in der Gegenwart, wenn auch mit viel Tradition. Wir besuchen den Schäfer Neil, der uns seine Schafe und vor allem auch seine Border Collies zeigt. „Working Dogs“ heißt das auf Englisch, die Hirtenhunde sind perfekt ausgebildet und die Vorführung ihrer Fähigkeiten ist mehr als eindrucksvoll. Auf Kommandos und Pfiffe reagieren sie als ob Menschen per Funk mit Neil verbunden wären.

Die Lieblinge der Gruppe sind aber schließlich die kleinen Lämmer, einige werden mit der Flasche gefüttert, da jedes Mamaschaf nur ein Lamm aufziehen kann. Der Grund ist eindrucksvoll, nur hier leben die Schafe auch im Winter im Freien! Das ist grundsätzlich sehr artgerecht, allerdings auch von Vorteil für die besondere Wollqualität. Apropos Wolle: Abschließend zeigt uns Schäfer Neil auch noch, wie geschoren wird, wer will darf sogar selbst Hand anlegen und merkt, wie sich unbehandelte Wolle anfühlt: fettig, das ist der natürliche Schutz der Schafe.

Mit diesem neuen Wissen und Erlebten fahren wir weiter, nun geht es zurück in der schottischen Landwirtschafts- und Alltagsgeschichte, in das Highland Folk Museum in Newtonmore, hier gibt es Exponate aus den letzten Jahrhunderten. Ganze Häuser und Werkstätten ebenso wie Alltagsgegenstände machen das Leben im ländlichen Schottland früherer Zeit wieder erlebbar.

Ein ganzes Dorf aus dem Jahre 1700 wurde hier wiedererrichtet, es ist bewegend zu sehen, wie Menschen vor kaum mehr als dreihundert Jahren noch in Hütten lebten, die auch aus der Steinzeit stammen könnten, während man anderswo in Palästen und komfortablen Stadthäusern wohnte.

70 Jahre später begann schon die industrielle Revolution, der Hauptteil des Museums dokumentiert das sehr interessant, auch wenn hier keine Fahrzeuge in Bewegung gezeigt werden wie im englischen Beamish Museum. Es beginnt leicht zu nieseln, wir haben Glück, wir leben im 21. Jahrhundert! Unser Bus steht bereit und bringt uns in unser Stammhotel zurück. Hier wartet wieder ein gutes Abendessen und unsere Stammbar auf uns. Noch eine Nacht hier und dann werden wir ein neues Zuhause in Schottland beziehen.


6 STRATHSPEY

Heute wird uns Dampf gemacht! Wir verabschieden uns von Grantown-on-Spey und fahren mit unserem Bus nach Aviemore. Hier erwartet uns die Strathspey Railway, mit ihrem spektakulären Dampfzug. Die Lokomotive, eine „Black Five“ oder LMS 4-6-0 Class 5MT stammt aus dem Jahr 1934, die Museumsbahngesellschaft hat sie wunderbar instandgesetzt und fauchend und dampfend fährt sie unseren Zug nach Boat of Garten, was für ein Ortsname für deutsche Ohren! Für alle könnte die Strecke, übrigens auch in Normalspur, durchaus noch länger sein. Die Bahngesellschaft arbeitet auch hier an einer Verlängerung nach Grantown.

Wie gestern in Newtonmore sind wir heute auch wieder mitten im Speytal, hier gibt es auch eine normale Strecke der Gesellschaft ScotRail, immer wieder sehen wir deren blaue Züge durchs Tal sausen.

Wir wechseln heute aber noch einmal komplett das Verkehrsmittel, zuerst fahren wir gerne wieder mit Maik im Bus mit, es geht am Ort Carrbridge mit seiner alten Brücke vorbei nach Norden, Richtung Inverness, am Fluss Ness. Der ist vor allem wegen des nahen und weltberühmten Loch Ness ein Begriff. Im Bus geht es direkt an diesen mysteriösen See.

Ein Ausflugsboot der Jacobite Cruises erwartet uns bei allerschönstem Sonnenschein. Eine Bootsfahrt mit wundervollen Ausblicken bringt uns bei der Ruine des Urquhart Castle an Land. Hier haben wir Zeit für eine ausführliche Besichtigung und auch für einen spannenden Film über die wilden Kämpfe der schottischen Clans in früheren Jahrhunderten.

Hier gibt es am See wie an vielen Stellen grüne Wiesen bis ans Wasser, aber nirgendwo sieht man Badende? Nun, das Wasser hat eine Farbe wie Kaffee oder Cola, obwohl es biologisch sehr sauber ist, aber der Torfboden in der Region macht es nahezu undurchsichtig, es ist kalt, sehr kalt, kaum je wärmer als 4° Celsius. Ach ja, und das noch, im See lebt ein Monster!
Natürlich halten wir Ausschau danach, vom Boot aus schon und später noch als wir am See entlang im Bus weiterfahren. Aber keiner sieht es – jedoch, da kann man eigentlich sicher sein, das Ungeheuer von Loch Ness hat uns gesehen!

Loch Ness ist für uns auch der erste in einer Reihe von drei langen, schmalen Seen, der wir folgen. Seit 1822 sind diese Seen durch den kaledonischen Kanal schiffbar verbunden. Sein Erbauer war der geniale Ingenieur Thomas Telford. Bei den River Moriston Falls passieren wir eine seiner Brücken, hier wird für uns übrigens in einem Pavillon am unteren Wasserfall musiziert!

Im nahen Fort Augustus sehen wir nun das Wichtigste am Kanal aus nächster Nähe: Hier gibt es gleich fünf Schleusen in Reihe, eine sogenannte Schleusentreppe. Weiter geht es im Bus am nächsten langen See entlang, dem Loch Oich. Der letzte der drei langen Seen, an denen wir vorbeifahren hat den schönsten Namen von allen: Loch Lochy.

Bald schon sind wir in Fort William, dieser kleine Ort liegt unter dem Ben Nevis, dem mit 1345 Metern höchsten Berg Großbritanniens. Unser Hotel sieht von außen recht schlicht aus, vor allem im Vergleich zu Grantown. Wir sind hier allerdings im hohen Norden und tatsächlich erinnert alles ein bisschen an Alaska oder ähnliche Regionen. Innen gibt es aber wieder gemütliche Zimmer und sogar ein sehr großes Hallenbad mit Whirlpool etc. Wir haben wieder ein Zuhause gefunden, auch hier bleiben wir mehr als eine Nacht.

Bitte auf den YouTube-Link klicken..!


7 THE JACOBITE

Der Tag beginnt mit einem weiteren schottischen Frühstück, allerdings gibt es hier im Norden interessanterweise am Morgen keinen Käse. Aber deswegen sind wir nicht hier, wirklich nicht.

Wir sind da, um wundervolle Landschaften und fantastische Eisenbahnen zu erleben, und heute erwartet uns ein ganz besonderer Höhepunkt unter vielen. Zuerst geht es mit dem Bus noch einmal zum kaledonischen Kanal, diesmal sehen wir die Schleusentreppe am anderen Ende des Kanals, sie hat den klangvollen Namen Neptune‘s Staircase, sehr passend, denn hier ist der Kanal direkt mit dem Loch Linnhe, einer langen Meeresbucht, verbunden. Über acht gewaltige Treppenstufen überwindet der Kanal hier eine Höhe von 20 Metern. Ein Schiff benötigt heute ca. 90 Minuten, um die Anlage zu durchqueren, die ursprünglich von Hand betrieben wurde.

Welche Leistung die Konstruktion darstellt, versteht man vielleicht, wenn man die Schiffe betrachtet, die zur Zeit der Eröffnung im Jahr 1811 zur See fuhren. Vor über 200 Jahren waren das noch kanonenbestückte Fregatten für den Handel mit dem Baltikum und die ersten frühen Dampfschiffe. Wir sehen einigen Schleusern bei der Arbeit zu als wir hinter den Bäumen schon einen Dampfzug hören. Bald werden wir diesen Zug von Nahe sehen und von innen erleben können.

Wir nähern uns heute schrittweise dem Jacobite Steam Train, endgültig legendär und weltberühmt geworden durch die Verfilmung der Harry Potter-Romane von J. K. Rowling. Der erste Schritt ist nun die Fahrt zum Loch Shiel. Hier erinnert das Glenfinnan Monument an die Geschichte von Bonnie Prince Charlie, eigentlich Charles Edward Stuart und an seine schottischen Kämpfer sowie Unterstützer, die Jakobiten, daher auch der Name der Eisenbahn.

Der See alleine ist schon eine Attraktion für sich, nun geht es aber zu einem nahen Aussichtspunkt oder für die, die gerne ganz vorne mit dabei sein wollen, gibt es einen Aufstieg zum legendären Glenfinnan-Viadukt. Der Ingenieur Robert McAlpine baute es vor ca. 125 Jahren als eine der ersten Betonbrücken der Welt, er wurde nicht umsonst Beton-Bob genannt. In einem weiten Bogen spannt sich seine 380 Meter lange Brücke über das Tal, hunderte Neugierige erwarten gespannt den Jacobite Express, der mit geringer Verspätung stampfend und dampfend auftaucht. Elegant zieht er seine Runde und sein Auftritt verzaubert tatsächlich, mit oder ohne Harry Potter.

Die Begeisterung schlägt Funken, tatsächlich auch der Zug, ein kleiner Waldbrand wird hier aber offensichtlich ganz souverän und mit Routine zur Kenntnis genommen. Dann müssen wir morgen vielleicht mit Diesel fahren meint man hier auf Anfrage. An drei kleineren Waldbränden vorbei begleiten wir die Strecke des Zuges Richtung Mallaig. Am Meer können wir die Inseln Rum und Skye sehen, schließlich erreichen wir den Hafenort an dem der Jacobite schon auf uns wartet. Vor der großen Fahrt gibt es freie Zeit für den kleinen Ort, köstliche Fish and Chips bieten sich an, oder ein erfrischendes Getränk im schönsten Sonnenschein.

Dann ist es soweit, unsere magische Fahrt beginnt. Maik fährt im Bus voraus nach Fort William, während für uns die längste und sicher faszinierendste Bahnfahrt auf dieser Reise startet. Die Tatsache, dass wir die Strecke schon von der Herfahrt gut kennen, trägt zum besonderen Erlebnis bei. Der Höhepunkt in Metern ist dabei schließlich die Fahrt über das Glenfinnan Viadukt mit Blick auf die Berge, auf Loch Shiel und auf unseren eigenen Zug.

Die Lokomotive 45212, auch wieder eine „Black Five“, zieht den Zug dabei die ganze Zeit rückwärts, fast zwei Stunden lang dauert das auf der ca. 70 km langen Strecke. Wer die Fenster etwas öffnet kann aus der Luft kleine unverbrannte Kohlekrümel einfangen, als ganz besonderes Souvenir. Für uns ist alles an dieser Fahrt ein ganz großes Erlebnis. Die Kombination aus Klang, Geruch und Schwingung, aus Reise und Zeitreise ist faszinierend und nebenbei auch ganz wunderbar entspannend.

An Neptune’s Staircase vorbei erreichen wir glücklich und begeistert den Bahnhof von Fort William. Maik erwartet uns und fährt uns zurück ins Hotel. Hier gibt es später in der Bar einiges zu erzählen. Neben Eisenbahnfans sitzen hier auch viele Bergsteiger, es gibt Livemusik mit Gitarre. Bei einigen Liedern, die nach Country klingen kommt hier gelegentlich ein Gefühl wie in Alaska oder Kanada auf. Unser letzter Abend im Norden dauert für einige etwas länger, ein wundervoller Tag bleibt allen in Erinnerung.

Bitte auf den YouTube-Link klicken..!


8 INVERARAY

Heute geht es wieder in den Süden, zuerst wieder in die einsame Welt der Highland-Täler. Hier bei Glen Coe und Glen Etive soll der vielleicht bekannteste Brite, den es gar nicht gibt, geboren worden sein: Bond, James Bond. Wir sind gerührt und in Maiks Bus sicher nicht geschüttelt als wir hier durch die Heimat von 007 gefahren werden. Der Film Skyfall erzählt diese Geschichte mit bewegender Musik von Adele.

Ein Glen ist übrigens ein schmales Bergtal, ein weites würde Strath heißen (wie in Strathspey), wir folgen also dem Fluss Coe, er durchfließt das kleine Loch Achtriochtan, hier gibt es auch einen kleinen Wasserfall und vieles mehr zu sehen.

Später am Loch Tulla gibt es einen wunderbaren Panoramablick und in Tyndrum kehren wir im legendären Green Welly Stop ein. Gummistiefel heißen auf Englisch Wellies, oder Wellingtons, nach dem Duke of Wellington, der einst die britische Stiefelmode prägte, bevor im zweiten Weltkrieg aus Ledermangel Gummistiefel erfunden wurden. Wellies passen jedenfalls in diese Gegend, so wie Stiefel an Füße passen sollten.

Zwei wunderschöne Schlösser warten heute noch auf uns. Am Loch Awe halten wir für einen kleinen Spaziergang mit Panoramablick auf Kilchurn Castle, es ist eine malerische Ruine seit es 1760 vom Blitz getroffen wurde. Sehr viel besser in Schuss ist Inveraray Castle: Es wurde im 18. Jahrhundert als Ersatz für ein veraltetes Schloss aus dessen Steinen errichtet und ist seitdem durchgehend von den Eigentümern bewohnt. Es fällt durch seine ungewöhnliche Farbe auf, der Grund dafür ist der für den Bau verwendete lokale Grünschiefer. Ein beliebter Drehort ist es auch, in einem idyllischen Park, direkt am Loch Fyne gelegen.

Auf unserer Fahrt nach Süden sehen wir in der Nähe von Falkirk die Kelpies, riesige Pferdeskulpturen, die erst vor zehn Jahren errichtet wurden. Schon 2002 wurde hier noch einmal Transportgeschichte geschrieben und neu erfunden. Wir besuchen wieder einen Schifffahrtskanal, genaugenommen zwei, die hier trotz eines Höhenunterschiedes von 24 m verbunden wurden. Ein gewaltiges Kranrad nutzt das archimedische Prinzip und kann mit einer halben Umdrehung 500 Tonnen bewegen. Dabei werden nur 1,5 kWh Energie verbraucht – wenn das Thomas Telford wüsste!

Für unsere letzte schottische Übernachtung erwartet uns bei Peebles in den Borders noch ein besonderer Ort, das Barony Castle Hotel. Ein Schloss, das im zweiten Weltkrieg zu einer polnischen Militärakademie und später von einem Polen, der es aus dieser Zeit kannte zum Hotel gemacht wurde. Hier im Schloss schlafen wir wieder bestens und träumen unserem nächsten und letzten Tag auf der Insel entgegen.


9 TWEED

Hier ist nicht der Stoff gemeint, den man mit dem gleichnamigen Fluss assoziiert, denn der Name der Textilien kommt vom Twill, der aber tatsächlich hier in der Gegend produziert wurde. Viel früher aber wurde hier vor allem fleißig gebetet. Mehrere bedeutende Abteien lagen hier in unmittelbarer Nähe. Auf dem Weg dorthin halten wir an mehreren spektakulären Brücken. Das Leaderfoot Viadukt war einst eine Eisenbahnbrücke, heute überqueren es nur noch Fußgänger. im neuen Indiana Jones-Film Die Drygrange Old Bridge aus dem Jahr 1780 liegt daneben, eine dritte neue Straßenbrücke überqueren wir in unserem Bus.

So erreichen wir die Dryburgh Abbey, bzw. deren romantische Ruine, schon 1544 wurde sie zerstört, die Überreste sind bis heute erhalten. Einige bedeutende Vertreter der englischen Romantik und Geschichte sind hier begraben, der berühmteste ist Sir Walter Scott, der Dichter. Um alles herum wurde ein angenehm zurückhaltender englischer Garten angelegt in dem wir bei allerschönstem Wetter spazieren dürfen.

Nun besuchen wir noch Jedburgh, auch hier gibt es die Ruine einer Abtei. Auch sie wurde ein Opfer der schottischen Reformation im Jahr 1560. Noch vollständiger erhalten als Dryburgh kann man hier die einstige Bedeutung besonders gut erahnen.

Nicht weit von hier stehen wir dann wie schon zum zweiten Mal auf dem 418 m hohen Pass Carter Bar an der Grenze zu England. Nun ist alles anders als zuvor. Damals war Schottland für uns fremd, nun ist es in nur einer Woche ein vertrauter Teil unseres Lebens geworden. Diesen Anlass feiern wir angemessen. Mit bestem schottischen Whisky in der Hand hören wir Alan zu, der für uns musiziert und uns mit seinem Dudelsack angemessen verabschiedet. Wir sollen bald wiederkommen – sehr gerne! Danke Alan, danke Schottland.

An mittlerweile englischen Schafen vorbei bringt uns Maik sicher die letzten Meilen mit links nach Newcastle, wo wir trotz etwas Gewusel am Hafen zügig und souverän einchecken. Bald schon treffen wir uns alle an Bord. Heute ist es ein anderes Schiff der gleichen Reederei, es gibt noch neues zu entdecken, ein Abendbuffet, mehrere Bars und schließlich schlafen wir wieder tief und fest wie auf unserer ersten Überfahrt.

Bitte auf den YouTube-Link klicken..!


10 EUROPA

So würden es die Engländer dramatisch nennen, wir erreichen Europa. Die Zeitverschiebung fällt kaum auf, Jetlag hat keiner und um an Land zu gehen reicht diesmal der Personalausweis. Wir sind schon fast daheim! Etwas Holland noch, Gelderland und dann hat uns die Heimat wieder. Unser Bus beginnt sich zu leeren, die Abschiede sind herzlich. Noch eine Pause mit Würstchen aus der Bordküche und wir erreichen schließlich Dresden mit den ersten, die nun die letzten sind, noch vor Sonnenuntergang. Ein langer Tag endet, eine wundervolle kurzweilige Reise voll neuer Erlebnisse und Eindrücke bleibt in Erinnerung.


Schlusswort

Schottland ist jetzt unser neues Lieblingsland und auch England konnte sich für uns von seiner besten Seite zeigen. Auch wir haben ein bisschen von uns in diese Länder getragen und wir können guten Gewissens sagen, dass unser Besuch, unser Interesse und unsere Offenheit auch bei unseren Gastgebern willkommen waren. So muss es sein, und so war es.

Es war wunderbar dieses Erlebnis mit so netten und interessanten Menschen zu teilen und es ist ein schönes Gefühl, dass diese Reise noch weitergeht – in Erinnerungen und Erzählungen.

Wir wissen ja: Reiseerlebnisse kann man teilen ohne, dass sie weniger werden, im Gegenteil! Die Freude über das Erlebte bleibt für immer – und sie geht auch immer einher mit etwas ganz besonderem, der Vorfreude auf die nächste Reise!

Kommentare zum Reisebericht