Reisebericht: Das Geheimnis der Kanalinseln

15.09. – 22.09.2012, 8 Tage Busreise zu den britischen Inseln


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Der Archipel im Golf von St. Malo birgt viele Überraschungen: Neugierige Jersey-Kühe, üppige, vom Golfstrom verwöhnte Vegetation, plötzlich auftauchende Mondlandschaften, wo gerade noch Wellen an den kilometerlangen Strand schlugen und eine eigenwillige französisch-englische Mischung in allen Lebensbereichen!
Ein Reisebericht von
Birgit Janosch

Samstag, 15. September 2012

Nach mehreren Zwischenstopps, unter anderem in Chemnitz, Jena und Weimar erreichen wir via Frankfurt, Wiesbaden, Kaiserslautern die französische Grenze - die natürlich schon lange keine Grenze im Sinne einer Grenzkontrolle ist: Die ehemaligen Zollgebäude stehen leer und warten auf den Abriss. Durch die Region Lothringen kommen wir an geschichtsträchtigen Orten vorbei: Verdun mit seinen Zeugnissen der Schlachten im ersten Weltkrieg, Valmy bekannt durch die sogenannte Kanonade von 1792.
Die Region Champagne schließt sich an, wir durchfahren sanft hügelige Landschaft und im Raum Reims sehen wir auch einige Weinberge: Hier ist der berühmte Schaumwein beheimatet und nur Sekt aus Trauben dieser Region darf sich laut einer Verordnung des Versailler Vertrages von 1919 "Champagner" nennen. Am Abend erreichen wir Reims, die Hauptstadt der "Région Champagne" und mit der Kathedrale Notre-Dame über Jahrhunderte Krönungsort fast aller Könige Frankreichs. Nach dem Abendessen im Hotel findet sich noch eine stattliche Anzahl von "Nachtschwärmern", die sich neugierig auf den Weg zum Vorplatz des Hauptportals, des sogenannten Westwerks, der Kathedrale macht. Auffallend viele Menschen sind mit uns unterwegs! Wir haben großes Glück, denn wir kommen um kurz nach neun Uhr genau richtig zu einer beeindruckenden Lasershow, welche die Fassade dieses Meisterwerks der Gotik in unterschiedliche Farben taucht und Szenen der Geschichte des Gotteshauses, untermalt von Musik, in beeindruckenden Bildern zaubert.

Sonntag, 16. September 2012

Bereits um halb acht Uhr setzen wir die Fahrt fort. Wir fahren südlich an Paris vorbei, weiter in westlicher Richtung über Le Mans und Rennes und ab dort Richtung Norden, bis wir den Fährhafen von St. Malo erreichen. Nachdem das Gepäck aufgegeben ist, verabschieden wir uns von unserem Busfahrer Frank und machen einen Spaziergang zum südlichen Bereich der Stadtbefestigung. Ein phantastischer Blick über den Hafen und auf die herrschaftlichen Häuser der wohlhabenden Reeder in der sogenannten „Ville Close", der Stadt innerhalb der Mauern, bietet sich uns. Wir gehen ein Stück weit auch entlang der westlichen Befestigungsanlage, bis zur Bastion de la Hollande zum Standbild von Jaques Cartier, der 1534 Kanada entdeckte. Ihren Wohlstand verdankte die Stadt schon früh der Seefahrt, aber vor allem den beiden Jahrhunderten (17. und 18.) wo sie sich als Hochburg der Freibeuter etablierte und im Namen der Krone die Weltmeere unsicher und reiche Beute machen konnte. Am späten Nachmittag legt die Fähre zu unserem eigentlichen Ziel ab und wir erreichen rechtzeitig zum Abendessen das Hotel Ommaroo, wo wir die nächsten fünf Nächte in diesem sehr britischen Hotel im viktorianischen Stil in herrlicher Lage direkt am Meer verbringen dürfen.

Montag, 17. September 2012

Am nächsten Morgen begrüßt uns die örtliche Reiseleiterin Anne in perfektem Deutsch. Gemeinsam mit ihr, einer „echten Jerseyanerin" und „Jo the Ghost" als Fahrer des lokalen Busses verlassen wir das Hotel Richtung Osten und passieren „La Maison Victor Hugo". Man ist natürlich stolz darauf , dass der berühmte Schriftsteller den Ort als Zufluchtsort gewählt hat, wenn gleich sein Aufenthalt auf Jersey nur wenige Jahre dauerte, viel länger gewährte ihm Guernsey Zuflucht. Wir befinden uns nun in der Gemeinde St. Clement, eine von insgesamt zwölf auf der Insel. Jede hat ihren eigenen Bürgermeister und Gemeindeverwaltung. Nach dem Witches Rock, dem Hexen-Felsen (es ist gerade nichts los, denn die Damen auf dem Besen kommen nur freitags ...) sehen wir viele weitere Felsspitzen aus dem Meer ragen: man muss die Gegend gut kennen, um sicher zu navigieren! Mittlerweile fallen erste Sonnenstrahlen auf die Mauern aus Jersey Pink Granit - der blaugraue Granitstein mit pinkfarbenen Einschlüssen wird an einem Steinbruch an der Nordküste gewonnen, welchen wir gegen Ende des Tages zu sehen bekommen. Im Hafen von Gorey thront die Burg Mont Orgueil (Berg des Stolzes) mächtig auf einem Felsen: Erst vor einigen Jahren wurde die sorgfältige Restaurierung an dieser im gesamten Vereinigten Königreich besterhaltenen Burg abgeschlossen. Der Blick geht weit über die Bucht bis nach Frankreich und manchmal sieht man hier Delfine, etwa einhundert sollen in der Bucht „wohnen". Der Seetang-Rand markiert den höchsten Stand der letzten Flut. Bauern sammeln ihn auf, um damit ihre Felder zu düngen. Der Hafen Caterines Bay entstand als Militärhafen, als Gerüchte in Umlauf kamen, dass Jersey wieder von Frankreich angegriffen werden könnte - zum Glück kam es nie dazu ! Der Hafen wurde Freizeithafen und in der Bucht wird unter anderem Steinbuttzucht betrieben.

Dienstag, 18. September 2012

Auch heute beginnt der Tag etwas trüb, aber mit Ankunft auf der 600-Seelen-Insel Sark hat sich das Wetter gebessert. Etwas wackelig auf den Beinen betreten wir feudalen Inselgrund, denn ein Großteil der Gruppe muss erst noch die unfreiwillige „Achterbahnfahrt" auf der Fähre verkraften ... Mit Traktoren geht es auf der autofreien Insel auf das knapp 100 Meter über dem Meeresspiegel liegende , knapp 6 Quadratkilometer große Hochplateau bis zur "Main Road" - der sehr beschaulichen Hauptgeschäftsstraße des Hauptortes. Seit dem 16.Jahrhundert wird die Insel in Erbfolge von einem Seigneur regiert; das Land ist in 40 Pachtgrundstücke aufgeteilt. Wir machen einen Spaziergang zu einem ehemaligen Amtssitz eines solchen Seigneurs: Ein Herrenhaus aus dem frühen 18.Jahrhundert mit parkartigem Grundstück erwartet uns und wir bestaunen von Buchsbaum gesäumte Beete, einen Irrgarten, ein Taubenhaus, sowie einen Katzen- und Hundefriedhof. Am Nachmittag macht ein Teil der Gruppe eine Wanderung entlang der Küste der Dixcart Bay zur Halbinsel Little Sark, die im Südwesten von Sark durch einen schmalen, 90 Meter hohen Grat, „La Coupée" genannt, mit der Hauptinsel verbunden ist. Der andere Teil der Gruppe unternimmt eine Kutschfahrt dorthin und gemeinsam genießen wir den herrlichen Blick hinüber nach Little Sark und bis nach Guernsey, wo man einerseits das helle Häusermeer von St. Peter Port, andererseits die davorliegende sehr kleine Insel Herm ausmachen kann. Tief unten sehen wir die wunderschöne La Grande Grève-Bucht, die man über eine lange Treppe erreicht. Der Rückweg führt uns durch Weinberge, kleine Wälder und vorbei an Wiesen und Feldern. Ab und zu begegnet uns ein Traktor, denn deren Benutzung ist für bestimmte Zwecke genehmigt. Etwa 60 Stück rattern lautstark über die Insel und bringen uns am späten Nachmittag wieder zum Hafen, wo unsere Fähre anlegt und uns ohne Turbulenzen zurück nach Jersey bringt!

Mittwoch, 19.September

Blauer Himmel, Sonnenschein und unser heutiger Reiseleiter Ernst begrüßen uns zur heutigen Gartentour auf der Insel. Zwischen einem liegengeblieben PKW und Gartenmauer bleibt nur eine schmale Passage, einige Hortensien müssen ihre Blüten lassen, aber Ernst manövriert uns durch das Nadelöhr. Obwohl die Straßen teilweise kaum Platz bieten, damit sich zwei Autos begegnen können, gibt es keine Einbahnstraßen. Gegenseitige Rücksichtnahme ermöglicht einen erstaunlich stressfreien Verkehrsfluss. Wenn sich zwei Busse begegnen muss eben einer rückwärtsfahren, bis eine Ausweichmöglichkeit gefunden ist. Ernst beweist nicht nur in diesem Punkt, dass er nach 34 Inseljahren Jersey wie seine Westentasche kennt! Wir hören die Geschichte von Lillie Langtry -nach ihr ist die Jersey-Lilly benannt- und anderen Persönlichkeiten von Jersey. In Five Oaks sehen wir zwei Kapellen aus dem 12. Jahrhundert und hören interessante Geschichten zu ihrer Erbauung. Unter den Kapellen befindet sich ein etwa 6000 Jahre altes Ganggrab aus der Jungsteinzeit. Es gibt aber noch ältere Schädelfunde, die eine Besiedelung in noch früherer Zeit belegen, denn bis zur letzten Eiszeit waren die Kanalinseln mit dem Festland verbunden. An mehreren Wohnhäusern macht uns Ernst auf den Hochzeitsstein in Form zweier ineinander verschlungener Herzen über den Eingängen aufmerksam - scherzhaft ergänzt er, heute gäbe es allerdings mehr Scheidungen, als solche steinernen Willenserklärungen zu ewiger Verbundenheit! Auch viele Torpfosten der ummauerten Grundstücke sind aufwändig gestaltet: aus Stein gemeißelte Pyramidenkegel, Kugeln, Eicheln oder Zapfen sehen nicht nur schön aus, sondern halten auch böse Geister fern! Wir besuchen die beeindruckende Eric Young Orchid Fondation und bestaunen seltene Orchideenarten im Gewächshaus. Die Stiftung des erfolgreichen Geschäftsmannes wurde für ihre Zuchtarbeit schon oft mit ersten Preisen für seltene Blüten bei internationalen Orchideenwettbewerben belohnt. Nun wird uns eine besondere ehre zuteil: die Besichtigung des Garten von Lady Guthrie bei der Rozel Bay. Über Jahrzehnte hat die aus Schottland stammende Adlige ihren parkartigen Garten erweitert, ein Gärtner hat all die Jahrzehnte die Pflege geleistet. Nun ist sie vor wenigen Wochen im Alter von 94 Jahren verstorben und hinterlässt ein wunderschönes Wohnhaus mit vielen Antiquitäten und den an zwei sich gegenüberliegenden Hängen angelegten Garten. Anschließend lüftet Ernst im Château la Chaire (Schloss der Kanzel) ein Geheimnis ... und wir dürfen eine schöne Pause bei Cream-Tea mit Scones und Strawberry-Jam unter den großen Schirmen auf der sonnigen Terrasse machen. Anschließend wartet ein weiterer Garten auf uns: Die Hausherrin des Anwesens der Familie Binney führt uns persönlich durch ihren Park mit unzähligen verschiedenen Bäumen und Sträuchern, welche sie seit den siebziger Jahren hegt und pflegt, auch hier unterstützt ein festangestellter Gärtner. Besonders gut gefällt uns der Gemüsegarten mit dem schönen Gewächshaus im viktorianischen Stil und den von Buchsbaumhecken begrenzten Kräuterbeeten. Den restlichen Nachmittag verbringen viele Gäste in St. Helier und einige wenige genießen ein erfrischendes Bad im großen Meerwasserschwimmbecken, welches direkt vor unserem Hotel liegt.

Donnerstag, 20. September 2012

Guernsey-Ausflug mit Heidi: Wir werden vom funkelnagelneuen Bus „Inseltouren auf Deutsch" abgeholt und checken am Elizabeth Port für unseren Tagesausflug auf einer großen Fähre ein. Nach einer einstündigen, ruhigen Fahrt erreichen wir die zweite der beiden größeren Kanalinseln. Am Hafen St. Peter Port bilden hohe schmale Häuser eine freundliche Front- ursprünglich von wohlhaben Reedern und Kaufleuten als Wohn- und Handelshäuser erbaut dienen sie heute vor allem als Büro- und Geschäftssitz. Die schönsten und größtem beherbergen die 40 Banken von Guernsey. Wie auch auf Jersey gibt es mehrere Verteidigungstürme und Festungen an den Küsten, um drohenden Angriffen (zuletzt seitens Frankeichs) gewachsen zu sein. Mit einem örtlichen Bus geht die Fahrt durch kleine Gemeinden (insgesamt 11), vorbei an Häusern aus grau-schwarzem Granit, durch enge Straßen - alles ähnlich , wie auf Jersey, nur noch etwas kleiner und schmaler. Es gibt also viele Gemeinsamkeiten und doch legen beide Inselstaaten großen Wert auf den kleinen Unterschied: Die Häuser sind in der Regel etwas kleiner und sehen sehr englisch aus, die Briefkästen sind blau - auf Jersey findet man die gleiche Form, jedoch in roter Farbe! An einem sehr schönen Manor-House fährt der Bus langsamer, Heidi erklärt die Bezeichnung Widows Walk, was man sinngemäß mit "Witwenbalkon" übersetzen kann: Hier hielten die Ehefrauen Ausschau nach ihren Männern, die zur See gefahren waren und manche warteten dort vergebens auf die Rückkehr der Seeleute, die keinen ungefährlichen Job hatten - nicht nur wegen der manchmal stürmischen See, sondern auch weil viele als Freibeuter der Meere, sozusagen als unter dem Schutz der Krone legalisierte Piraten, unterwegs waren (und es sehr oft zu beträchtlichem Vermögen brachten!). An vielen Schornsteinen gibt es die sogenannten Hexenstufen, welche allerdings einen rein baukonstruktiven Grund haben: Sie dienten als Befestigung für die etwa vierzig Zentimeter hohe Reetdeckung. Bis zum 18. Jahrhundert waren viele Dächer mit Reet gedeckt, was aus Brandschutzgründen verboten wurde. Sehr vereinzelt findet man auf den Inseln wieder die sehr schönen, traditionellen Reetdächer auf Privathäusern - der Beitrag für die Brandschutzversicherung steigt dann allerdings erheblich! Sehr auffällig sind die zahlreichen verfallenden Gewächshäuser: Viele Bauern haben in den letzten Jahrzehnten die Kultivierung verschiedener Pflanzen versucht, jedoch den Tomaten-, Wein und zuletzt Kiwianbau wieder aufgegeben müssen, da die Konkurrenz aus Spanien preiswerter produzieren kann. Nun wartet man auf einen Gesetzesbeschluss, der regeln soll, ob es sich bei den Grundstücken um Acker- oder um Bauland handelt. Die Felder sind zum Schutz gegen den ab Herbst kräftig blasenden Inselwind von Hecken oder sonstigen Einfriedungen begrenzten Straßen.

Freitag, 21. September 2012

Jersey-Pound, Guernsey-Pound: Jede Insel hat ihre eigene Währung und sie gilt nur hier auf den Kanalinseln! Allerdings kann man auch mit Englischen Pfund bezahlen. Auf der Fähre haben wir letztmals Gelegenheit zum Tausch dieser speziellen Währung, die man nur auf den Inseln als Zahlungsmittel einsetzen kann. Nach einer ruhigen Fahrt erreichen wir gegen Mittag St. Malo, wo uns Frank bereits mit dem komfortablen Dressler-Bus erwartet. Die Fahrt geht nun durch die Normandie, vorbei am Mont-Saint-Michel, der sich leider hinter Dauerregen versteckt hält, über Caen und Rouen nach Paris. Im Westen der Weltmetropole durchfahren wir La Défense, die größte Bürostadt Europas, deren Planung Mitte der fünfziger Jahre begann. Ganz in der Nähe des Arc de Triomphe essen wir in einer typisch französischen Brasserie zu Abend. Im Anschluss geht es nur auf einem schönen „Umweg" zum Hotel für die Zwischenübernachtung: Eine kleine Stadtrundfahrt wird noch spontan als Abschluss der vielfältigen Reiseeindrücke ins Programm genommen. Frank fährt eine Ehrenrunde auf der Place d'Étoile, sodass alle den wunderschön beleuchteten Arc de Triomphe mit seinem üppigen Figurenschmuck bestaunen können. Anschließend geht die Fahrt durch eine der berühmtesten und schönsten Prachtstraßen der Welt: Die bereits Ende des 17.Jahrhunderts angelegte Avenue des Champs-Elysées. Dann geht es ein Stück der Seine entlang zu einem Fotostopp am Trocadero mit phantastischem Blick auf den wunderschön beleuchteten Eiffelturm. Mit diesen Impressionen von Paris machen wir uns auf den Weg zu unserem Hotel in Montreuil im Osten von Paris. Von dort geht es am nächsten Tag zurück nach Deutschland.

Ich hoffe, alle Gäste haben die vielfältigen Erlebnisse und Eindrücke dieser Reise in schöner Erinnerung!
Ihre Birgit Janosch

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