Reisebericht: Italien – Gartenkunst in der Toskana & rund um Rom

22.04. – 01.05.2016, 10 Tage Rundreise Heller Garden – Spoerrigarten – Siena – Bomarzogarten – Tarot–Garten – Giardini di Ninfa – Papstresidenz Castel Gandolfo – Frascati – Tivoli – Villa D'Este – Villa Lante – Studienreise in kleiner Reisegruppe mit maximal 20 Reisegästen


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10 Tage Heller Garten - Spoerri- und Bomarzogarten Giardino di Ninfa - Castel Gandolfo - Villa d’Este - Villa Lante
Unsere Zeitreise durch die Welt der kunstvollen Gärten beginnt im 21. Jahrhundert mit dem Swarovski-Garten, führt uns zurück in die Zeit Kaiser Hadrians im 2. Jahrhundert n.Chr., durch die Zeit des vergehenden Mittelalters und der beginnenden Zeit der Wiedergeburt der antiken Gärten mit ihren Wasserkünsten, Terrassen und Beetornamenten - die dann vom barocken Garten neben Skurrilem übernommen wurden und nach langem Dornröschenschlaf im 20. Jahrhundert erst in den 70er und 80er Jahren neues Interesse der Künstler wie André Heller und Niki de Saint Phalle weckten.
Ein Reisebericht von
Dr. Grit Wendelberger

1. Tag: Künstlerpark des Riesen in Wattens – Sterzing


Nach der Fahrt entlang der klassischen Brennerroute machten wir einen Zwischenstopp in Wattens im „Garten des Riesen" durch 16 Swarovski-Wunderkammern.
Auf 7,5 Hektar begegneten uns dann neben Spielturm und römischer Ausgrabung das Hand-Labyrinth von André Heller, die schwebende Kristallwolke über schwarzem Spiegelwasser und 13 weitere Kunstwerke internatonal bekannter Artisten und Designer des 20. und 21. Jahrhunderts von Magnus Enzensberger bis Sylvie Fleury.
Das international agierende Unternehmen Swarovski erschuf hier ein besonderes Miteinander von Gebautem und Gewachsenem, von Transparenz und Opazität.

2. Tag: André Heller Garten


Sicher gehört der Garten André Heller nicht mehr, er hat ein neues Objekt seiner Gartenlust in Marokko mit dem dort realisierten „Anima"-Garten gefunden und seine Wurzel aus Europa nach Afrika verpflanzt. Was er mit seinem Weltgarten in Gardone hinterliess, ist bezaubernd genug, um uns in seiner einmaligen Mischung aus Kunst und Natur zu erfreuen.
Etwa 28 Skulpturen und Installationen lassen sich zwischen Bäumen, Felsen, Wasserläufen, Sträuchern und Blumen entdecken. Harmonisch eingefügt in die Hänge am Gardasee begrüßen uns Pflanzen aus allen Ländern, wie Kampferbaum, Korkeiche, Urweltmammutbaum, Kanarischer Drachenbaum, Neuseeländer Flachs und persischer Eisenholzbaum.
Einige aus der Gruppe betrachteten nach unserem Rundgang vom Cafe aus die Szenerie bei handgemachtem Eis oder einem leckeren Espresso.

3. Tag: Spoerrigarten bei Siena


Hic Terminus Haeret - so der Name der Stiftung Daniel Spoerris, die seit 1997 besteht.
Hier zählt nach dem Impuls des Stifters nur der Augenblick beim Entdecken der über 100 Kunstwerke und Installationen auf dem weitläufigen Areal von über 15 Hektar am Fuße des alten Vulkans Monte Amiata. Der Objekt-Künstler hat den Park seiner Lebensgeschichte und seinen Freunden gewidmet - darunter bekannte und weniger bekannte Künstler.
Als wir ankamen, waren bereits die Tore des privaten Gartens weit für uns geöffnet.
Die Weitläufigkeit der Gartenanlage gibt den Werken und der Entdeckerfreude viel Raum. Verfeinert wird dies durch die leckere ländliche Küche des Verwalters Roberto und Marinella Rossi, die wir sehr genossen haben.
Spoerris Werk-Themen sind das Verhältnis von Weiblichem und Männlichem, von Lust und Schrecken, doch auch der Tod, Mythen und Legenden sowie Selbstbespiegelungen spielen eine Rolle. Gern wechselt der Künstler in seinen Werken (über die Hälfte im Garten) die Perspektive, Größe und kombiniert Gegenstände auf ungewöhnliche Weise. Er irritiert so unsere Sehgewohnheiten auf diesem Landgut, das einst einer alten Sieneser Familie gehörte. Auf der mageren steinigen Erde wachsen auf ehemaligen Wein- und Oliventerrassen hier jetzt einheimische Kultur- und Wild-Pflanzen-Welten wie Echter Ölbaum „Olivastra Seggianese", Himalaja Zeder, Pflaumeiche, Etruskisches Heiligenkraut, Lavendel, Judasbaum, Pinie, Pfriemenginster, Zistrose, Kakipflaume, Lorbeer, Ess-Kastanie, Echter Wein, Wacholder, Zypresse, Gingko, Echter Feigenbaum, Chilenische Schmucktanne. Schade nur, dass es nach dem leckeren Essen anfing stärker zu regnen, wir hätten sonst dieses Paradies gern noch länger genossen.

4. Tag: Ausflug nach Siena – Weinverkostung


Unser Rundgang durch das mittelalterliche Siena führte uns Susanne kenntnis- und geschichtenreich durch enge Gassen, hügelige Anlagen auf prächtige Plätze mit elegantem Flair zu den Finanz-, Macht- und Glaubensbastionen der gotischen Stadt.
Für Stadtgärtchen blieb nur wenig Platz, auch bot der eng umgrenzte und von der Außenwelt abgeschirmte mittelalterliche Garten neben Rasenbänken traditionell Beete und Spaliere, bei denen die Rose eine besondere Rolle spielte. Gärten mit Nutzpflanzen, Gärten für kontemplative Versenkung oder als Paradiesgärtlein zur Verehrung der irdischen und himmlischen Liebe waren typisch für diese Zeit und sind meist nur in Klöstern oder Wandmalereien erhalten, wie bei Lorenzettis freskierter „Guter Regierung" im Rathaus zu Siena. Etliche von uns waren im Rathaus, im Dom oder bummelten durch die lebhaften Gassen.

5. Tag: Bomarzogarten – Tarotgarten


Bei dem „Sacro bosco" von Bomarzo bei Viterbo handelt es sich um einen einzigartigen verwunschenen Garten voller Rätsel aus der Zeit des Manierismus (Spätrenaissance). Hier gelang es Vicino Orsini, einem gebildeten feinsinnigem Landadeligen, ein Reich des Skurrilen zu erschaffen, der auch Dali und Niki de Saint Phalle inspirierte. Zu Beginn entstand die Theateranlage und die Brunnen (Pegasus- und Schiffsbrunnen), später das obere Plateau mit Monumentalvasen und Tempietto für seine verstorbene Frau Giulia Farnese.
Am Lebensende ließ Orsini die Ungeheurer seines phantastischen Gartens in bunten Farben bemalen. Sein schiefes Haus widmete er einem befreundetem Kardinal, bei dessen Betreten und Verlassen man sich als ver-rückt empfindet: wir haben es ausprobiert.
Berühmt ist auch der Höllenschlund, der sich beim Eintreten als harmloses Esszimmer entpuppt. Vor der Treppe dort machten wir unser Gruppenfoto.
Dieser unvergleichliche Park mit seinen Ungeheuern, Göttern und dem Skurril-Literarischen sollte ein Ort der Sinnes-Täuschung und des Staunens sein durch verzerrte Perspektiven und labyrinthisch gestaltete Natur als Gegengewicht zur ratio-nalistischen Weltsicht seiner Zeit.
Von Orsinis Höllenschlund zu Nikis Wasserschlund reisten wir nur eine kurze Weile, sahen es schon von Weitem funkeln und glitzern in der Sonne und betraten durch Mario Bottas Mauer erwartungsvoll das Reich der 22 teilweise begeh- und bewohnbaren Monumentalfiguren des Tarot-Kartenspiels: „Sollte unser Leben ein Kartenspiel sein, so werden wir geboren, ohne die Regeln zu kennen", meinte Niki.
Von 1979 bis 1996 ist sie und ihr Lebensgefährte Jean und ihr Team mit dem Bau des Tarotgartens in der südlichen Toskana beschäftigt. Jeder von uns war hier auf eigenen Pfaden unterwegs, um „seine" Figuren zu entdecken, ob die Stärke, den Narren oder die Sonne.
Von Garavicchio ging es weiter in Richtung Frascati zu unserem Hotel.

6. Tag: Ninfagarten


Ist der Nymphengarten bei Cisterna di Latina einer der romantischsten Gärten des Landes?
Er liegt 60 km südlich von Rom am Fuß karger Berge und barg einst ein Wassernymphen-Heiligtum. Verdankte also den Nymphen Ort und Fluss, der hier entspringt, seinen Namen.
Im Mittelalter stand hier eine Stadt, die bis auf die Ruinen zerstört wurde.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts besannen sich die Besitzer Caetani ihres Erbes der verlassenen Stadt und begannen im Schutze der Berge, hier einen romantischen Landschaftsgarten aus einheimischen und exotischen Gewächsen anzulegen, die in dem milden Klima aufs Prächtigste gediehen. Kaum zu glauben, dass die Bepflanzungen in zum Teil beeindruckender Größe kaum älter als einige Jahrzehnte (frühestens 20er Jahre) sind. Dem Landschaftsgarten mit seiner präzisen Ordnung einer kontrollierten Unordnung schließt sich ein ca. 100 Hektar großes Naturschutzgebiet an, indem die Trockenlegung der Sümpfe wieder rückgängig gemacht wurde und das wichtige Zwischenstation für Zugvögel bietet.
Wir umfuhren - noch berauscht vom Orangenblütenduft des giardino secreto den Hügel mit Sermoneta und dem Castello Caetani und dann ging es in atemberaubende Höhe bis zur Bergkuppe. Dort spazierten wir dann in den kleinen verträumten Ort. Selten haben wir ein so gutes Eis und leckeres einheimisches Gebäck genossen. Nur in den Nebengassen waren die vielen italienischen Schulkinder nicht zu hören, die Klassenfahrten machten.

7. Tag: Villa d'Este – Hadriansvilla


Heute erlebten wir in Tivoli einen der best erhaltenen Gärten des Kaiserreiches als Inspirationsquelle für einen der repräsentativsten Renaissancegärten nur wenige Kilometer von einander in Tivoli entfernt: Villa Hadrian und Villa d'Este.
Das antike Tibur war beliebt als römischer Landsitz wegen seine Wasserfülle und Reinheit der Luft. So ließ Hadrian auf einem Areal von etwa 200 Hektar einen kaiserlichen eklektizistischen Sommerpalast mit Repräsentanzbauten, Theatern, Bibliotheken, Bädern, Gartenhöfen, Tempeln und Kasernen errichten.
Die Villa spiegelte noch immer den Machtbereich und Bildungshorizont des Kaisers eindrucksvoll wieder: unzählige Schmuckelemente wurden aus Griechenland und den östlichen Provinzen herbei geschafft und zeigten Hadrians Begeisterung für alles Griechische und Ägyptische. Die nachfolgenden Antoniden bewohnten die Residenz noch, doch unter Konstantin und dem Umzug in die neue gleichnamige Hauptstadt setzten in der Hadriansvilla Verfall und Plünderung ein, besonders systematisch in der Renaissance unter dem Gouverneur von Tivoli, Kardinal d'Este: ca. 300 Skulpturen konnten in Rom und weltweit identifiziert werden. Zugleich beeinflusste die Villa die Gestaltung italienischer Renaissancegarten, besonders der Villa d'Este in Tivoli. Hier befanden wir uns also am gestalterischen Ursprung unserer Zeitreise durch die Gartenkunst Italiens.
Es brauchte unsere Phantasie, die Mischung aus Majestät und Lyrik nachzuempfinden, welche die Anlage einst gehabt haben muss. Vieles ist nicht mehr klar zuzuordnen, doch der Rest ist imposant und großartig genug!
Zu den prächtigsten Werken der Gartenkunst mit Wasservielfalt zählt zweifelsfrei die Villa d'Este, die wir anschließend besuchten, beauftragt vom Sohn der Lucrezia Borgia, Kardinal Ippolito II. Um ihm einen repräsentativen Sitz im zu bescheidenen ehemaligen Benediktinerkonvent zu errichten, wurden Räume umgebaut, Erdmassen bewegt, Aquädukte gebaut und Flusswasser umgeleitet.
Der Park entwickelt sich entlang einer zentralen Achse am Hang und war bereits unter Zeitgenossen viel bestaunt, so vom Fabel-Schriftsteller Montaigne.
Viele antike Figuren fanden Aufstellung in der Gartenanlage und folgten einem gelehrten Programm zur Würdigung des Kardinals und seiner Familie. Im 18. Jahrhundert geriet er in Vergessenheit und wurde im 19. Jahrhundert wieder entdeckt und restauriert.
Franz Liszt war hier auch zu Gast und komponierte seine Les jeux d'eaux á la Villa de'Este".
Gestärkt von einem leckeren Mittagessen im Städtchen versammelten wir uns zunächst in den Palasträumen des Kardinals d'Este in der Hoffnung auf ein Ende des Regens, der glücklicherweise bereits nachließ und schließlich ganz aufhörte, als wir den Garten betraten.
Zunächst bewunderten wir die unter Zuccari freskierten Palasträume, danach öffnete sich unserem Blick der Garten mit seinen Rampen, Wegen, Wasserspielen, Fischteichen und Figuren.
Faszinierend der Orgelbrunnen in seiner Verbindung von Musik und Wasser zu erleben - ein Musikautomat, der sich auf antike Hydraulik gründete und dessen Hülle von Bernini verkleidet war.

8. Tag: Castel Gandolfo – Villa Aldobrandini


Seit 2014 ist auch im Sommersitz des Papstes in Castel Gandolfo der Garten für Besucher während eines geführten Rundgangs zugänglich - ermöglicht von Papst Franziskus. So schlenderten wir bei schönstem Wetter auf den Wegen der Päpste und ihrer zahlreichen Gärtner über das ehemalige Sommerareal des Kaisers Domitian entlang des Theaters und antiker Spolien, entlang der Ruinen des Kryptoportikus und schöner Bepflanzungen auf mehreren Terrassen vom Marienheiligtum zum Belvedere, zum Magnoliengarten, zur Viale delle Rose und delle Erbe, zu den „Quattro Labirinti" und zum Arboretum.
Nahe dem Papstsitz nehmen wir uns Zeit, den schönen Blick von den Albanerbergen auf den stillen Kratersee zu genießen - einige von uns vom Papstpalast aus, bevor wir nach Frascati aufbrechen.
Bereits Reisende des 17. Jahrhunderts beeindruckte die manieristische Anlage der Villa Aldobrandini mit ihrem berühmten Wassertheater von Giacomo delle Porta und Carlo Maderno.
Die zentrale Wasserachse - im zweiten Weltkrieg beschädigt - dominiert die Anlage zwischen zentraler Villa und Park. Sie mündet in ein großes Halbrund mit fünf Nischen, in deren Zentrum Atlas die Himmelskugel trägt.
Hier wurde früher das von oben strömende Wasser empfangen und umgeleitet. Flügelbauten rahmen das anmutige Ganze wie unterhalb die beiden Casinos und oberhalb die „Säulen des Herkules".
Kardinal Aldobrandinis frühbarocke Opulenz geleitete uns zu unserem letzten Gartenstopp in der Villa Lante, die für jenen das Vorbild gab.

9. Tag: Terrassen der Villa Lante – Rückreise nach Venetien


Im 15. Jahrhundert kam es in den Hügeln um Florenz zu einem Paradigmenwechsel in der Gartenentwicklung: Der abgeschlossene, nach innen gewandte Garten des Mittelalters kehrte sich nach außen, um in die Welt hinaus zu blicken. Haus und Garten verbanden sich zu einer Einheit.
Mit dem erwachten Sinn für antike Ideale erwachte auch der Sinn für die Natur und die Rolle des Menschen in ihr. Der Garten wurde Ort geselliger Vergnügungen und philosophischer Gespräche.
Als besonders schön ist dafür der Renaissancegarten in Bagnaia bekannt. Er hat sein Aussehen über 400 Jahre erhalten, wie uns eine gemalte Vedute im Casino des Kardinals Gambara zeigte. Er beauftragte Giacomo Barozzi da Vignola, der kurz zuvor die 15 km entfernte glanzvolle Villa Farnese in Caprarola für Allessandro Farnes gebaut hatte.
Wir bewunderten den Villenkomplex beider Casinos am Hauptparterre mit zentralem Brunnen inmitten der Bassins und ornamentaler Beete und wanderten dann entlang der Wasserachse von einem Brunnen zum nächsten, vom Lichterbrunnen bis zum Sintflutbrunnen auf der obersten Terrasse, bei der Besucher ursprünglich ihren Rundgang begannen.
Wieder begegneten wir einem gelehrten Gartenprogramm voller Anspielungen, unter Kardinal Montalto vollendet und seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der Familie Lante.
Wir nahmen eine Harmonie von Natur und Kultur eines der besterhaltenen Renaissancegarten Italiens in unseren Erinnerungen mit, bevor wir durch die feiertägliche Altstadt schlenderten.

10. Tag: Heimreise nach Dresden


Über einen Zwischenstopp im gemütlichen mit Stilmöbeln eingerichtetem Landhotel Corte Castelletto vor Verona genossen wir unser hervorrragendes gemeinsames Abschiedsessen, bevor es am nächsten Morgen wieder über den Brenner heimwärts ging, wo uns schönes Wetter erwartete.
Es war ein angenehmes Reisen trotz anfänglicher Schauer mit einer interessierten Gruppe, gern einmal wieder.
Ihre Grit Wendelberger, Studienreiseleiterin

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Dieser Reisebericht ist aussagefähig und stilistisch sehr gut; einen besseren haben wir hier noch nicht gelesen. Er gibt hervorragend das Erlebte wieder und ist gleichzeitig eine gute Quelle zum Nachschlagen.

Martschin
11.05.2016