Reisebericht: Wanderreise Südtirol – die Bergwelt der Dolomiten

30.08. – 06.09.2013, 8 Tage Wanderreise mit mittelschweren Wanderungen und Standorthotel in Kolfuschg: Kolfuschger Höhenweg – Col Alt – Langkofel und Plattkofel – Piz Boe – Berggipfel Sassongher – Puezhütten–Wanderung im Naturpark Puez–Geisler (ca. 76,5 Wanderkilometer)


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Sechs Wanderungen zu Traumgipfeln der Dolomiten auf anspruchsvollen Wegen, mit einigen ausgesetzten Passagen und auf einem Klettersteig, den die italienischen und österreichischen Soldaten des 1. Weltkrieges in den Fels sprengten
Ein Reisebericht von
Dr. Jürgen Schmeißer

30.08.2013 Auf in die Dolomiten

Eberhardt-Reise-Zusatztermin. Etwas unsicher aber optimistisch hatten wir im Winter 2012 eine Dolomitenwanderreise entwickelt, die zentrale Berggruppen der Dolomiten zum Ziel hatte und durchaus anstrengende Wanderungen beinhaltete. Es wurde die erste Wanderreise, die als anstrengend, also mit drei Gipfeln, in der Ausschreibung markiert wurde. Schon im November 2012 war diese Reise für Mitte September 2013 ausgebucht. Wir entschlossen uns zur Planung eines Zusatztermins Anfang September.
Achtzehn Gäste - zwei Paare und vierzehn Alleinreisende -  traten erwartungsvoll die Reise an. Unsere Bustour führte uns durch Bayern, an Innsbruck vorbei über die Europabrücke, den Brenner hinein nach Südtirol. Am späten Nachmittag trafen wir in Kiens im Pustertal in unserem Hotel „Zur Post" ein. Gleich neben dem Hotel boten sich noch zahlreiche Möglichkeiten zum Besorgen der Proviant für die kommenden Wanderungen.
Abendessen dann im Hotel: deftig südtirolisch (also nicht unbedingt das, was sich Pastafans und Freunde der italienischen mediterranen Küche unter einer Italienreise vorstellen).

31.08.2013 Drei Zinnen

Wir haben uns entschieden, die leichteste Tour des Programms am ersten Tag zu machen. Nur leichtes Auf und Ab auf gut gerechnet vier Stunden reiner Gehzeit: Chance für alle, sich zu testen und über die kommenden Herausforderungen zu reflektieren.
Nach eineinhalb Stunden Busfahrt und Entrichtung einer Mautgebühr hatten wir die Auronzohütte in 2320 Meter Höhe über NN erreicht. Von hier ging es zunächst an der Ostseite der Zinnen zum Patternsattel, dem heute höchsten Punkt mit 2454 Metern üNN und dann auf der Nordwestseite bis zur Drei-Zinnen-Hütte. Mit diesem schmalen Weg ein kleiner Test der Trittfestigkeit. Mittagspause an der Drei-Zinnen-Hütte und Zeit über Sepp Innerkoffler zu sprechen, bis 1915 Hüttenwirt dieser Hütte, der als Standschütze im 1. Weltkrieg über die Nordseite des Patternkofels nach oben stieg und im Zweikampf nach unten stürzte. Vom Weg phantastische Sichten auf Toblinger Knoten, Dreischusterspitze, Gaisl, im Süden Monte Christallo und weitere Gipfel in einem der zentralsten Gebiete des nördlichen Dolomiten. Gemächlicher Weiterweg an der Nordwestseite der Zinnen, unterhalb der Wände mit exponierten Kletterwegen  über die Langenalm - mit Kaffeepause - zum Bus an der Auronzohütte. Auf der Rückfahrt dann noch Fotostopps am Misurina-See und am Soldatenfriedhof Nasswand . Die tschechischen, krainischen, ungarischen Namen der Toten luden ein zu einem kleinen Ausflug in die Geschichte des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates. An Toblach und Bruneck vorbei, erreichten wir zu guter Spätnachmittagszeit das Hotel: italienisches  Eis im Ort oder Sauna und Whirlpool im Hotel? Entspannung und Kraftsammeln für die morgige Tour!

01.09.2013 Pragser Tal

Eine Regenfront war für den Nachmittag angesagt. Damit wir dies nicht beim Abstieg über rolliges Dolomitgestein genießen mussten, entschieden wir uns zu einem zeitigen Start. Nach knapp einstündiger Busfahrt waren wir schon vor halb Neun auf dem Parkplatz Brückele im Pragsertal. Nun ging es bald steil hinauf; sechshundertfünfzig Höhenmeter allein bis zur Rossalm in 2138 m üNN. Nach zwei Stunden hatten alle Gäste dies geschafft und sich ein Glas Holunder verdient. Auf schmalen Weg ging es dann nochmals leicht aufwärts und manchmal schmal am Hang hinüber. An einigen Stellen gaben Ketten zusätzliche Sicherheit. Nach 850 bewältigten Höhenmetern erreichten wir einen unscheinbaren Pass zwischen den Gaiseln. Vor uns tat sich der Blick auf zu den Drei Zinnen. Den Patternsattel, gestern unser höchster Wanderpunkt, konnten wir gut erkennen. Bald ging es nun steinig-geröllig hinab. Ja, da war wohl doch der Aufstieg fast angenehmer. In der Almhütte unserer Mittagspause war der Platz gering, so dass die meisten eher auf der Weide die Zähmung eines Jungbullen versuchten, der uns Platz und Äpfel streitig machen wollte. Der Stierkampf endete in der Kompromissbereitschaft beider Seiten. Kurz fing es an zu tröpfeln, aber als alle regengeschützt kostümiert waren, kam die Sonne heraus. Die letzte Stunde des Abstiegs war dann eher unkompliziert , so dass wir nach sieben Stunden den Busparkplatz erreichten. Die Heimfahrt dann mit einem kleinen Busabstecher durch Bruneck und wieder in Richtung Kronplatz. Hier errichtet R. Messner gerade sein sechstes Mountain-Museum. Vielleicht auch mal eine Besuchsidee für eine kombinierte Wander- und Museenreise mit Eberhardt?

02.09.2013 Rosengarten

Einer der markantesten Felsstöcke der Dolomiten stand heute im Programm. Unterhalb des Gipfelaufbaus und über Klettersteige lässt er sich in einer Höhe von über zweitausend Metern umqueren. Das Programm schreibt hierfür eine der leichteren Möglichkeiten, aber immer noch als „anspruchsvoll" (!) aus. 15 km teilweise schmaler Hochgebirgspfad, schottrige Abschüssigkeit, Höhenmeter im Aufstieg und Abstieg, sowie ein fast klettersteigartiger, kettengesicherter Aufstieg hinter der Kölner Hütte (Rosengartenhütte) rechtfertigen diese Eberhardt-Bewertung auf jeden Fall.
Mit der Erfahrung von zwei Wandertagen teilten wir unter dem Fitnesskriterium  die Gruppe: die „Hasen" durchstiegen das Tschagerjoch, die „Igel" umrundeten die Südspitze des Massivs auf interssantem aber unkompliziertem Weg. Am Zwischenziel, der „Rotwandhütte an der Südostseite des Rosengartens, trafen wir uns. Ein recht kalter Wind erschwerte die Sesselliftaufwand und die ersten Wanderkilometer. Dieser Wind trug jedoch dazu bei, Wolken schnell zu vertreiben, so dass wir prächtige Aussicht zum Schlern im Norden, bis zu den eisigen Gipfeln an der italienisch - österreichischen Grenze rund um das Ötztal im Nordwesten; der Brenta im Westen, dem Latemar im Süden und der Marmolada im Osten hatten. Im Nordosten trohnte massiv der Sella-Stock mit dem Piz-Boe, unser höchstes Wanderziel dieser Reise.
Nach wieder differenziertem Abstieg trafen wir uns in der Ansiedlung Karersee, um während der Fahrt zum Hotel einen Fotostopp am gleichnamigen türkisblauen See einzulegen. Vorbei an den Wein- und Apfelgärten des Eisacktales fuhren wir zurück in das Pustertal und erreichten knapp vor dem geplanten Abendessen unser Hotel „Zur Post" in Kiens.

03.09.2013 Langkofel – Plattkofel – Umrundung

In Erwartung einer langen Wanderung um Langkofel und Plattkofel starteten wir 7:00 Uhr. Durch das Pustertal, das Eisacktal und das noch stille Grödnertal mit seinen Touristenorten St. Ullrich, ST. Christina und Wolkenstein erreichten wir das Sellajoch. Kein Busparkplatz hier vorhanden; aber irgendwie gelang es unserem Bergführer Siggi doch einen Platz zu ergattern - wir blieben der einzige Bus. Mit den bisherigen Wandererfahrungen entschieden sich die Gäste heute nur hälftig für die ausgeschriebene vollständige Umrundung der Gipfel. Nach sechseinhalb Stunden war die große Runde absolviert und alle sportlichen Gäste zufrieden und stolz auf das Erreichte. Mit der zweiten Gruppe ließen wir es gemütlicher angehen. Vis a vis des Gletschers der Marmolada tauschten wir zunächst weltweite Gletschererfahrungen aus. Dann ging es über den Weg des sächsischen Königs Friedrich August III. an der Südseite des Langkofels und später des Plattkofels entlang. Ein königlicher Weg! - nicht gerade gemütlich im leichten Auf und Ab, aber in zwei Stunden bis zur Plattkofelhütte gut begehbar. Kleine weiße Wölkchen vor blauem Himmel gaben die Szenerie einer traumhaften Gebirgslandschaft: am westlichen Umkehrpunkt des heutigen Weges dann noch ein beeindruckender Blick auf Schlern, Rosszähne, Seiser-Alm und weiter bis in die Zillertaler Alpen. Auf dem Rückweg dann für lange Zeit unser morgiges Wanderziel vor Augen: die Sella mit dem Piz Boe'. Auf der Rückfahrt über das Grödnertal  nochmals die ganze Galerie der Bergkette zwischen Grödner- und Villnöstal mit den Geißlerspitzen vor uns. Ein sonnen- und aussichtsreicher Spätsommertag ging zu Ende.

04.09.2013 Sella – der Balkon der Dolomiten

Strahlendblauer Himmel verführte zum morgendlichen Aufbruch. Über Alta Badia erreichten wir mit dem Bus Corvara. Mit den bisherigen Wandererfahrungen im Hintergrund teilten sich die Gipfelstürmer. Mit Bergführer Siggi stiegen die anstiegsbereiten Gäste in Corvara aus, um mit dem Lift und dann in steilem,  sechshundertfünfzig Höhenmeter-Marsch , teilweise über eine anstrengende Rinne, zum Gipfel vorzudringen. Die „gemütlichere" Tour brachte die Gäste zunächst mit Bus zum Pardoi-Pass und dann mit dem Lift in 2952 Meter Höhe. Dann entpuppte sich der Weg beim Aufstieg auf den Piz Boe aber durchaus als anspruchsvoll. Gut zweihundert Höhenmeter mussten über manche Stufe und Kettensicherung genommen werden. In zehn Minuten Abstand trafen beide Gruppen auf dem Gipfel in 3152 Meter Höhe ein. Traumhafte Sicht über die Dolomiten und im Norden bis zum höchsten Berg Österreichs dem Großglockner und zum gletscherbedeckten Großvenediger. Prächtig vor uns im Süden die Marmolada mit dem deutlich abschmelzenden Gletscher in der Nordseite und im Westen unsere Tour des vorherigen Tages, der König Friedrich August Weg und der Langkofel. Über die große steinige Sonnenterasse der Dolomiten ging es dann zur Seilbahnstation zurück. Zum Tagesausklang eine angenehme Busfahrt durch Hochabtei und Pustertal; bei Corvara noch einmal Hinaufblick zum langen Aufstiegsweg.
Nach dem Abendessen legten wir eine DVD auf, die uns einen Eindruck von der Pflege nationalen Brauchtums in Südtirol vermittelte. Der Abspann des Films wurde dann freudig aufgenommen , da manchem wohl schon die Augen zugefallen waren. Gute Nacht.

05.09.2013 Alpinisteig auf den Lagazuoi

Der gestrige Tag war sicher der Höhepunkt bezüglich der erreichten Höhenmeter - 3152. Bezüglich der alpinistischen Anforderungen war es der letzte Wandertag auf den Lagazoui. Nach fünf Wandertagen im alpinen Gelände war eine ausreichende Konditionierung vollzogen und jeder konnte seine Leistungsfähigkeit beim Überwinden von Höhenmetern und leichten exponierten Passagen einschätzen. Vorab zählten wir vorhandene Stirn- und Taschenlampen; die restlichen, sowie Klettersteighelme mieteten wir am Falzaregopass. Kurz nach neun Uhr stiegen wir zunächst über den Hang aufwärts zum Lagazoiu. Unser Wegziel war ein Alpinisteig, ein Weg, den im ersten Weltkrieg die italienischen Alpini-Soldaten  - und die kaiserlichen Soldaten der Österreicher machten es ebenso - in den Berg trieben. Über einige mit Drahtseil gesicherte Stellen erreichten wir den Stollen, der 1915 in den Berg getrieben wurde. Nun ging es vierzig Minuten im meist dunklen Kriegsstollen hinauf. Die Touristiker der Neuzeit haben Schwellen quer gelegt, so dass Stufen entstanden. Immer mal wieder ein Loch durch den Fels mit Blick in den Abgrund und auf die Berge der Dolomiten. „Löcher" die einst Geschütz- und MG-Stellungen waren; „Dolomitenfront" - Weltgeschichte vor nunmehr fast hundert Jahren. Kampf für Gott, Kaiser, Vaterland  - zehntausende Opfer forderte der Stellungskrieg in den Dolomiten; hunderte am Lagazoiu.
Freundlicheres Kapitel: Kleine Rast beim Austritt aus dem Stollen mit grandiosem Blick auf die Tofane. Dann noch einige Meter bis zur oberen Seilbahnstation. Der schmale, abschüssigie Weg hätte uns vielleicht vor fünf Tagen noch Probleme bereitet. Nun sind alle klettersteigerfahren und Bergführer sowie Eberhardt-Wanderreisebegleiter beruhigt.
Vom Gipfel des Kleinen Lagazoiu dann eine phantastische Rundumsicht, auch zu einigen Gipfeln der vergangenen Tage und zu den großen Gipfeln der Provinz Belluno, Pelmo und Civetta.
Abfahrt mit der Kabinenseilbahn, Busfahrt. Zum Tagesabschluss ein Besuch in der Destillerie für ätherische Öle aus Zirbel, Latschenkiefer und Gemeiner Fichte: Einreiben, Trinken, Baden ... Fitness für das Alltagsleben und weiterer Wanderreisen!

06.09.2013 Heimreise

Die Wanderwoche war geschwind vergangen. Es war zwar nicht die erste Wanderreise von Eberhardt Travel in die Dolomiten, aber die erste, die mit anspruchsvoll bewertet wurde: sechs knackige Wandertage lagen hinter uns, an einigen gingen wir in zwei Gruppen, um dem heterogenen Fitnessgrad der Gäste zu entsprechen. Aber dies wird bei dieser und anderen Wanderreisen nicht immer möglich sein; deshalb „drumm prüfe,  wer sich (vertraglich) bindet seine aktuelle Fitness".
Auf dieser Reise konnten so einige Gäste ihren ersten Dreitausender bezwingen, einen leichten Klettersteig nachvollziehen, waren erstmalig in einem Kriegsstollen der Dolomitenfront des Ersten Weltkrieges - und das alles bei Sonnenschein und bestem Fotowetter.
Drei Zinnen, Rosengarten, Langkofel, Sella, Pragsertal, Lagazoiu - ciao und Auf Wiedersehen!
Guten Tag Erzgebirge, Saaletal, Thüringer Wald und Elbsandsteingebirge - zum Training für die kommende Wanderreise mit Eberhardt Travel.

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