Reisebericht: Rundreise Peru – Erlebnis im Regenwald

14.03. – 27.03.2019, 14 Tage exklusive petit–Rundreise: Lima – Hacienda im Amazonas – Heiliges Tal der Inka – Machu Picchu – Cuzco – Titicaca–See


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Bericht von unserer vierzehntägigen Reise durch Perú, vom peruanischen Amazonasgebiet bis in den peruanischen Altiplano. Mit Tierbeobachtungen, Besuchen archäologischer Stätten und einer Anleitung einen Pisco Sour zu mixen.
Ein Reisebericht von
Andreas Böcker
Andreas Böcker

Donnerstag 14. März 2019 – Anreise, oder: Wenn eine Reise schon beginnt, bevor sie beginnt

Zu Beginn unserer Reise musste manch einer früh aufstehen, schließlich ging unser Flieger nach Amsterdam bereits um 4:00 Uhr, manch anderer ging gar nicht erst ins Bett. So unsere Thüringer Mitreisenden, die von zuhause abgeholt wurden und für die die Reise bereits am 13. März begann (aber auch ein gewisser Reiseleiter begab sich bereits am Vortag aus der beschaulichen Westfalenmetropole in die Bundeshauptstadt).
Schnell hatten wir zusammengefunden und fast noch schneller waren wir dann in Amsterdam, wo wir viel Zeit hatten, um auf unseren letzten Reisegast zu warten. Nur... sie kam nicht. KLM hatte sie kurzerhand auf Iberia umgebucht, so dass sie anstatt sich mit uns in Amsterdam zu treffen, über Madrid nach Lima geschickt wurde. Als wir das erfuhren, war sie längst in der spanischen Hauptstadt angekommen. So sollte unsere Gruppe also erst in Lima komplett sein.
Mit sieben Personen (einschließlich Reiseleiter) ein überschaubarer Haufen und so waren wir alle schnell beim Du. Franz, unser örtlicher Reiseleiter in Lima, nahm uns alle in Empfang und schon ging es los nach Miraflores. Franz ist waschechter Peruaner, der das Deutsche von seiner Großmutter erlernte. Nach Ankunft im Hotel noch ein gemeinsamer Spaziergang zum Bankautomaten und dann ab in die Falle.

Freitag, 15. März 2019 – Puerto Maldonado/Hacienda Concepción

Kaum angekommen, sitzen wir schon wieder im Flieger. Franz hat uns abgeholt und zurück zum Flughafen gebracht. Waren wir etwa gestern so schlimm, dass er uns so schon wieder nach Hause schicken will? Nein, unser Flieger geht nach Puerto Maldonado, von wo aus wir per Boot über den Río Madre de Dios, ein Amazonaszufluss, der bereits hier, viele hundert km vor seiner Mündung in den Amazonas, breiter ist als der Rhein bei Düsseldorf, zu unserer Unterkunft in der Hacienda Concepción gebracht werden. Diese liegt in einer früheren Kakaoplantage im Regenwald und ist unser Domizil für die nächsten drei Nächte. Inkaterra, der Betreiber, setzt hier auf Umwelterziehung und Nachhaltigkeit, so wird auch jeden Tag und in der Nacht für mehrere Stunden der Strom abgestellt. Im Eco Center beginnen alle unsere Exkursionen.

Pfeffer! Minz

Unsere erste Exkursion startet, kaum dass wir da sind. Nach einem ausführlichen Check-in mit Limonadenbegrüßung und spätem Mittagessen, treffen wir uns um 16:00 Uhr mit Mirko, der sich in den kommenden Tagen um uns kümmert, uns den Wald, seine Tiere und Pflanzen näher bringt.
Zunächst probieren wir Stiefel an. Nicht alle wollen Stiefel tragen, aber Mirko weist darauf hin, dass wir morgen einen schwierigen, schlammigen Weg gehen werden. Am Ende setzt er sich durch und spätestens morgen wissen alle, wie recht er hatte.
Wir bewegen uns erst einmal nur auf dem hacienda-eigenen Gelände, da gibt es bereits genug zu sehen. So ziemlich als erstes begegnet uns eine Horde roter Brüllaffen, da sind wir noch nicht einmal vom Hauptweg runter in einen der Trampelpfade abgebogen, die man nur begleitet gehen darf. Die Affen sind aber ganz friedlich und brüllen nicht. Das machen sie nur morgens, wenn man sich am liebsten die Decke über den Kopf ziehen will.
Der erste Baum, den wir kennenlernen, ist eine Palme mit Stacheln, vor der sollen wir uns in Acht nehmen, sie ist zwar ungefährlich, aber die Stacheln brechen ab und bleiben in der Haut stecken. Einer von uns macht dann später auch noch Bekanntschaft mit den Stacheln.
Wir befinden uns auf einer ehemaligen Kakaoplantage, die seit den 1960er Jahren verwildert ist. Die Kakaobäume, die sonst kurz gehalten werden, haben sich zu Urwaldriesen entwickelt, die Pflanzen des Urwaldes wachsen dazwischen. Wir lernen hier z.B. den laufenden Baum kennen. Der laufende Baum ist eine Palmenart, die sich im Jahr bis zu zwei Metern fortbewegen kann, immer auf der Suche nach der besten Position, um im Licht zu stehen. Dazu wirft der laufende Baum, dessen Stamm nicht den Erdboden erreicht, sondern der auf seinen Wurzel steht, wie auf Beinen, eine Wurzel ab und lässt auf der der anderen Seite eine neue wachsen.
Mirko schlägt uns auch eine Kakaobohne auf, die sich aber als wurmverseucht herausstellt. Eine zweite Kakaobohne ist besser. Wir lutschen die helle Masse von den Kernen, die ein wenig wie Mango oder Zitrone schmeckt. Mirko sagt uns ausdrücklich, dass wir die Kerne nicht zerbeißen sollen, denn bevor der Kakao seinen schokoladigen Geschmack bekommt, muss er einem Fermentationsprozess unterworfen werden.
Als nächstes halten wir an einem Baumtermitennest. Sollten wir mal im Wald verloren gehen, sollten wir uns von den proteinreichen Termiten ernähren, das würde unser Leben sichern. Termiten schmeckten wie Minze meint Mirko. Nur zwei von uns trauen sich, die kaum zwei Millimeter großen Tierchen zu probieren, wir beide finden, dass sie eher nach Pfeffer schmecken. „Heißt ja auch Pfefferminz", witzelt jemand. Ich probiere zur Sicherheit noch eine zweite Termite.
Der nächste Baum, den uns Mirko zeigt, lebt symbiotisch mit Feuerameisen. Er wächst innen hohl und bietet somit den Ameisen Laufwege und Lebensraum. Die Ameisen verteidigen ihn dafür vor Fressfeinden und Konkurrenten aus der Pflanzenwelt. Mirko sagt, diese Bäume seien immer sauber, weil die Ameisen nicht zuließen, dass andere Pflanzen sie als Rankhilfe gebräuchten. Der Ranger warnt auch vor den Ameisen, sie trügen ihren Namen nicht zufällig.
Wir sehen noch ein paar Kautschukbäume mit den Ablaufrinnen für die Kautschukernte, dann gehen wir zurück zur Lodge, uns erst einmal ausruhen.
Nach Sonnenuntergang treffen wir uns wieder, um auf dem Madre de Dios nach Tieren Ausschau zu halten. Viel Glück haben wir nicht, wir sehen lediglich ein Wasserschwein und ein Flughund fliegt kurz durch den Schein von Mirkos Taschenlampe. Als dann auch noch der Motor Probleme macht - der Madre de Dios führt viel Treibholz mit sich, davon ist etwas in den Motor geraten - müssen wir am Ufer festmachen und uns abholen lassen.
Zuhause angekommen, gibt es, etwas später als geplant, Abendessen, Birgit bekommt vom Hotel einen Geburtstagskuchen gestiftet. Den essen wir aber erst am nächsten Tag, denn das Dreigängemenü war reichhaltig.
Als wir in unsere Betten steigen, bemerken wir alle, dass diese etwas Klamm sind. Wen wundert das bei 80 - 100 % Luftfeuchtigkeit? Interessanterweise empfindet das aber niemand als besonders unangenehm. Es hat sogar einen angenehmen, weil leicht kühlenden Effekt.
Unsere palmwedelgedeckten Hütten haben nach hinten raus offene Wände und keine Fenster, nur Fliegengitter: wir schlafen im Wald und müssen dennoch auf keinen Luxus verzichten.
Silvia, die ihre Dusche nicht mit einem Frosch teilen will, erzählt, wie sie ihn mit dem Glas gefangen und vor die Tür gesetzt hat.

Samstag, 16. März 2019 – Laguna Sandoval

Wir sollen heute schon um 5:00 Uhr aufstehen. Naja, wir waren vorgestern noch in Deutschland, da ist es jetzt 11:00 Uhr. Also kein Problem. Erst für den Nachmittag klinken sich zwei aus, um dem Jetlag Genüge zu tun und ihrem zu kurz gekommenen Schlafbedürfnis den angemessenen Tribut zu zollen.
Mit dem Boot geht es flussabwärts zur Tambopata Reserva Nacional (nationales Schutzgebiet). Hier marschieren wir einen drei km langen Weg entlang, der mal durch den Schlamm geht, mal über hölzerne Stege. Hier offenbart sich, warum Wanderschuhe unzureichend sind und wir Gummistiefel benötigen. Trotzdem ist die ein oder andere Hose am Ende des Tages voller Lehm.
Als erstes Highlight sehen wir ein Kapuzineräffchen welches in den Baumkronen herumturnt. Ansonsten hören wir die Tiere eher, als dass wir sie sehen. Nur die Mücken kleben an uns, trotz ausdrücklicher Ausladung. Jedes Mal, wenn wir stehen bleiben, sei es, weil wir etwas sehen, sei es, weil wir im Matsch den besten Weg suchen, nutzen Sie ihre Gelegenheit.
Irgendwann kommen wir im am Sandoval-See an. Mirko schöpft ein Boot aus, während wir unsere Stiefel vom Schlamm befreien. Vom See ist zunächst nicht viel zu sehen, wir fahren mit einem Boot durch den Wald. Wir sehen die Augen eines schwarzen Kaimans und ein weiteres Kapuzineräffchen. Mehr oder weniger plötzlich öffnet sich der Wald und wir befahren den offenen See. Einige Vögel und Schmetterlinge zeigen sich, der Königsfischer, der grüne Ibis und der Hoatzin, letzterer ein Vogel, der keine Fressfeinde hat, weil er so stinkt (wir allerdings haben seinen Geruch nicht wahrnehmen müssen).
Wir machen Pause unter einem Baum, an dem sich eine Gruppe kleiner Fledermäuse festklammert. Immer dann, wenn sie beginnen zu wackeln, fällt etwas herab, mal flüssig, mal fest.Da drei Boote auf dem See unterwegs waren und es doch ziemlich laut war, hatten wir leider nicht das Glück der Vorgängergruppe und sahen leider keinen der Riesenseeotter. Von dieser vom Aussterben bedrohten Spezies - sie wurden früher wegen ihres Fells bejagt - gibt es nämlich einige am Lago Sandoval, ihretwegen ist er zur besonderen Schutzzone erklärt worden.
Auf der Rückfahrt zu Anleger sehen wir noch eine Schildkröte, dann geht es den Weg zurück den wir hergekommen sind. Wir sehen eine Termitenstraße und ein Eichhörnchen, einige auch vorbeifliegende Papageien.

Der Fledermauskindergarten

Am Nachmittag ist der Weg nicht so weit, auf der hauseigenen Lagune, bis zu einem Hochwasser 1970, dem schlimmsten Hochwasser, dass die Region je erlebt hat, noch ein Nebenarm des (Río) Madre de Dios, des Muttergottesflusses, ist seitdem von diesem abgetrennt. Wir sehen einige Vögel, u.a. den schönen Fliegenfänger und einige Hoatzins. Ein Schwarm Fledermäuse fliegt durch uns aufgeschreckt davon: Interessanterweise hintereinander her, wie eine Kindergartengruppe auf Ausflug. Mirko erklärt, dass sie immer zusammen bleiben. Bei Gefahr könnten sie sich so formieren, dass sie größer wirkten und so ihre Feinde abschrecken.

Nachtwanderung im Regenwald

Noch vor dem Abendessen treffen wir uns zur Nachtwanderung. 17:30 Uhr ist hier, nur 13° südlich des Äquators, Sonnenuntergang und gegen 18:00 Uhr ist es stockfinstere Nacht. Mirko erklärt uns, dass das Ziel der Nachtwanderung sei, uns die Unterschiede des Urwaldlebens am Tag und in der Nacht aufzuzeigen. Viele Tiere seien eben nachtaktiv, u.a. die meisten Spinnen. So sehen wir eine, die an unsere Kreuzspinne erinnert, die ihr Netz jede Nacht neu spinnt, sie benötigt nur etwa zwanzig Minuten dafür. Tagsüber ist sie nicht zu sehen. Wir sehen warzenhäutige Frösche, die eher Kröten und Kröten, die glatthäutig eher an Frösche erinnern. So z.B. einen Hornfrosch. Auch Mirko hat seine Kamera dabei. Er erzählt mir, dass er durch die Touristen neugierig aufs Fotographieren geworden sei, jetzt mache er Tierfotographien für die Website von Inkaterra oder verkaufe seine Fotos an Agenturen und verdiene sich so etwas dazu. Aus einem Erdloch lockt Mirko mit einem Ästchen eine Babytarantel und ist enttäuscht, die Mutter sei nicht zuhause. Es handele sich nämlich um die zweitgrößte Tarantel im Amazonasgebiet. Mirko hätte uns gerne noch eine Schlange präsentiert, aber da haben wir (kein) Glück. Schlangen finden wir keine. 

Sonntag, 17. März 2019 – Landwirtschaft im Regenwald

Unser heutiges Ziel ist eine Chacra, so heißen im peruanischen Regenwald die Pflanzungen. Die Chacra, die wir heute aufsuchen, widmet sich dem Anbau der Banane. Aber die Familie baut nicht nur für den Verkauf, sondern auch für den Eigenbedarf an. So finden wir die Sternfrucht, verschiedene Zitrusbäume, Ananas, Kakao etc., und eine Pflanze, welche die Peruaner als castaña (Kastanie) bezeichnen, wohingegen sie anderswo als Brazil Nut (Brasilnuss) bekannt ist. Uns Deutschen ist sie als Paranuss geläufig. Unterwegs begegnet uns noch eine rosafüßige Tarantel. Um sich zu verteidigen, werfe sie ihre Haare ab, die sehr jucken würden. Die Tarantelhaare in der Kleidung würde man auch durch Waschen nicht mehr los.
Zurück auf unserer Hacienda Concepción führt uns Mirko in den botanischen Garten, einer Sammlung der Medizinalpflanzen aus dem peruanischen Regenwald, plus einiger anderer mehr. Auf dem Weg dorthin versteckt sich ein Ameisenbär in einer Palme, wir bekommen ihn nicht mehr zu Gesicht.Vor dem übermäßigen Konsum von Lemon Gras warnt Mirko, vor allem die Männer: es mache den (kleinen) Freund traurig. Aber er weiß auch ein Gegenmittel. Eine Pflanze von der man die Blätter zu einem Sud kocht und diesen dann trinkt. Regenwald-Viagra. Er erklärt uns den Koka-Strauch und präsentiert uns als Allheilmittel den Drachenblutbaum. Aber auch dieser Joker des Regenwaldes habe, wie jede im Übermaß genommene Medizin, sein Tücken. Mirkos Cousin habe mal, anstatt eines Tropfens vom Drachenblutbaumblut eigenen ganzen Löffel genommen, die Folge war ein rasender Kopfschmerz, der sich angefühlt habe, wie loderndes Feuer.
Der Knoblauchbaum, dessen Rinde nach Knoblauch riecht, ist ein Super-Repellent. Nur leider wehrt er nicht nur Mücken, sondern auch andere Menschen ab. Ein weiterer Baum, so ist Mirko überzeugt, könne Krebs im Frühstadium bekämpfen.
Auch hier essen wir noch einmal Paranüsse und Mirko, dessen Eltern eine Paranussfarm betreiben, erklärt uns deren Produktion. Die Paranüsse wachsen wild im Wald und seine Eltern halten zunächst einmal nur die Wege zwischen den einzelnen Bäumen in Ordnung. Man will einen Paranussbaum auch gar nicht im Garten hinterm Haus stehen haben, denn die einzelne Nuss wächst nicht am Baum, sondern es sind schwere, harte Kugeln, die, wenn es soweit ist, ganz von allein vom Baum fallen. Deshalb sollte man nie ohne Helm in die Nähe eines Paranussbaumes gehen. Die Kugel lässt sich mit der Machete öffnen und darin befinden sich, je nach Größe, sieben bis fünfundzwanzig Paranüsse, durch eine weitere Schale geschützt. Die einzelne Paranuss spannt man dann in einen Schraubstock und kann sie so öffnen. Mit genau dieser Methode öffnet man auch die zum Export bestimmten Paranüsse, was die Preise, die man in Europa für die „Regenwaldkastanie“ bezahlen muss, verständlich macht. Plötzlich kommt sie uns nicht mehr teuer, sondern - ganz im Gegenteil - sogar recht preiswert vor. Die Exporteure behelfen sich allerdings damit, dass sie die ungeschälten Paranüsse zunächst in kochendes Wasser geben und sie dann in kalten Wasser abschrecken. Das mache sie leichter zu schälen. 

Bootsfahrt auf der Quebrada

Am Nachmittag fahren wir zur Chacra Gambitas. Das ist eine Versorgungseinheit vom Inkaterra selbst, hier wird Obst für die Küche der drei Regenwaldhotels, die Inkaterra in der Region betreibt, angebaut. Wir halten uns allerdings nicht lange auf und stoßen in den Wald vor, begegnen dabei u.a. einer interessanten Spinne, die sich aber leider in ihrem Netz nicht fotografieren lässt (manueller Fokus hätte es vielleicht getan). Auch die Spur des dreifingrigen Tapir finden wir. Wir kommen nun endlich an der Quebrada an, Mirko ist schon am Boot, da hüpft vor mir plötzlich ein Blatt weg. Wir haben schon den ein oder anderen Frosch im Regenwald gesehen, aber bisher hatte keiner so ein geschicktes Mimikry. Mirko rudert uns nun mit dem Boot durch die Quebrada, dabei handelt es sich mitnichten um einen tektonischen Bruch, im peruanischen Spanisch bedeutet das einfach Bach. Der Bach hat aufgrund dessen, dass es Regenzeit ist, derzeit Flussbreite und wird durch den Wasserstand des Madre de Dios zurückgestaut, die Fließgeschwindigkeit ist sehr gering. Im Winter, zur Trockenzeit, ist er niedriger und schmaler, seine Fließgeschwindigkeit höher. Zurück an der Chacra wechseln wir vom Ruderboot ins Motorboot und es geht zurück ins Hotel. Keiner von uns bleibt unten am Fluss, um die halbe Stunde bis zum Sonnenuntergang abzuwarten.Zum Glück, denn auf dem Weg zu meiner Cabaña höre ich einen Vogelruf, den Mirko mir gestern als Tucán identifiziert hatte. Er ist nah, direkt über mit. Und tatsächlich gelingt es mir, den Vögel zu finden und abzuschießen. Mit der Kamera natürlich. Um 18:00 treffen wir uns bereits wieder, um eine Colpa, eine Lehmlecke zu besuchen. Es ist mittlerweile stockfinster (wie bereits gesagt: So ist das eben nur 13° südlich des Äquators). Wir stolpern also wieder, mit Taschenlampen bewaffnet, durch den nächtlichen Wald. An der Lehmlecke hat Inkaterra eine Beobachtungshütte aufgebaut, aber wir haben kein Glück, wir hören zwar hin und wieder etwas, aber kein Tier zeigt sich an der Lehmlecke. Mirko zeigt uns einen kurzen Handyfilm von einer anderen Colpa, tiefer im Wald, mit Kamerafallen aufgenommen, diese zeigen einen regen Verkehr. Auf dem Rückweg haben wir mehr Glück. Wir begegnen einem Opossum, sehen mehrere Frösche und treffen auf einen Skorpion. Der Ranger zeigt, dass der Skorpion im Schein einer Schwarzlichtlampe neongelb leuchtet. Zurück im Hotel nehmen wir unser letztes Abendessen hier ein.

Montag, 18. März 2019 – Tío Caimán und Schmetterlingsfarm

Thomas, der vor dem Frühstück noch einmal die Boote in der hoteleigenen Lagune fotografieren will, entdeckt einen weißen Kaiman. Beide erschrecken voreinander und der Kaiman flieht ins Wasser. Nach dem Frühstück entdecken wir ihn im Halbschatten am Ufer liegend. Den Vormittag müssen wir noch einmal schwitzen, dann geht es in Richtung Flughafen. An einer Schmetterlingsfarm machen wir Halt, bevor wir uns nach Cuzco einchecken.
Es war toll im Regenwald, auf der Hacienda Concepción. Die Brüllaffen hätten ihr Abschiedsständchen allerdings gerne ein Stündchen später geben können.

Ins Heilige Tal

In Cuzco sind die Temperaturen erheblich milder. Das machen die 3.200 m Höhenunterschied. Puerto Maldonado liegt auf etwa 180 Metern NN, Cuzco auf 3.400 Metern NN. Urubamba im Valle Sagrado de los Incas (Heiliges Tal der Inkas) heißt unser Ziel. Zunächst geht es von der alten Inkahauptstadt Cuzco noch ein wenig bergan, bis etwa Poroy, dann biegen wir in Richtung des Valle Sagrado de los Incas (das Heilige Tal der Inkas) ab und fahren an Chinchero und Aylla Racchy, wo wir unterhalb einiger Speicherbauten inkaischer Provinienz einen Fotostopp machen, vorbei. Von hier aus (ca. 3.500 m NN) hat man einen tollen Blick auf das Valle Sagrado (etwa 2.870 m NN).Wir fahren kurz durch Urubamba - so heißt auch das Heilige Tal und der Fluß ändert hier auch seinen Namen von Vilcanota nach Urubamba - nach Yucay, wo wir in einem ehemaligen Kloster untergebracht sind. In der Sonesta Posada del Inca, der Rast des Inka. An dieser Stelle muss man vielleicht eine kleine Begriffserklärung anbringen. Wenn wir von Inkas reden (und das geht den Peruanern nicht anders) dann meinen wir meist das ganze Volk. Dabei ist der Inka oder Inca eigentlich der Herrschertitel. Die Frau des Inca war die Coya („Königin“) und die ersten Konquistadoren, die ohne Frauen ins Land gekommen waren, nahmen sich gerne, um ihre Herrschaft nicht nur durch Eroberung zu legitimieren, eine Ñusta („Prinzessin“) zur Frau.
Und warum heißt unser Hotel nun Rast des Inka? In erster Linie wohl deshalb, weil hier der Palast des letzten Inkarebellen stand. 

Dienstag, 19. März 2019 – Unterwegs im Heiligen Tal

Mit dem Bus überqueren wir wieder den Vilcanota, der hier Urubamba heißt und fahren hoch nach Chinchero, wo wir zunächst eine traditionelle Weberei besuchen. Die vier Damen tragen alle dieselbe Tracht, wobei sich die Art den Hut zu tragen unterscheidet. Ich frage Mijaíl, unsere peruanische Reiseleiterin mit denn russischen Männernamen, ob das unterscheide, ob sie verheiratet oder ledig seien, Mija leitet die Frage direkt weiter an eine hübsche Einheimische: „¿Eres soltera? - Bist du ledig?“ Diese blickt mich kurz an und schlägt die Augen nieder, sie sei verheiratet, aber ihre Kollegin sei ledig, das sähe man an dem Hut. Was sie wohl gedacht haben mag?
Sie zeigen uns, wie man Naturshampoo aus einer Wurzel herstellt und am Beispiel von Schafswolle, wie gut dieses funktioniert, zeigen das Spindeln per Hand, wie leicht ungesponnene Wolle reißt und wie man die Wolle färbt (verschiedene Orange- bis Lilatöne allein aus der Cochinillelaus, je nach weiterer Zutat) und schließlich webt. Anschließend fahren wir weiter in den Ort hinein, um die Kirche von Chinchero zu besuchen, die auf einem alten Inkatempel und Herrscherpalast steht. 

Heiliger Joseph

Zunächst begehen wir also die Ruinen von Chinchero, sehen das feine Inkamauerwerk der Terrassierung, einige Opferplattformen, die wohl Sonne, Mond oder einem verschneiten Gipfel galten. Auf dem Hauptplatz, verrät uns Mijaíl, würden die Bauern immer noch im Winter ihre Kartoffeln gefriertrocknen. Über Nacht würden Sie frieren und tagsüber wieder auftauen, dann würden sie leicht gepresst, damit die Feuchtigkeit austrete; das ganze über einige Wochen, danach seien die Kartoffeln unendlich lange haltbar, sicher 30 oder 40 Jahre. Als wir zur Kirche kommen, sitzen einige Einheimische vorm Eingang, ein Bediensteter erklärt uns, heute würde Hochzeit gefeiert, aber wir dürften noch reingehen. Wir gehen also rein und sind noch gar nicht lange drinnen, als 25 Hochzeitspaare, z.T. mit ihren Kindern, nebst Verwandten in die Kirche strömen. Wo kommen die plötzlich alle her? Der Platz der Kirche war doch bis auf acht bis zehn Alte im Eingang leer? Wir jedenfalls stehen jetzt definitiv im Weg, können die Kirche aber auch nicht verlassen. Mijaíl nimmt sich einen Wachmann zur Hilfe, der uns einen Weg nach draußen bahnt, dass wir die Feier nicht weiter stören. Aber 25 Hochzeitspaare und zum Teil mit Kindern? Ja. Dazu muss man zwei Dinge berücksichtigen: Nicht jede der Hochzeiten war eine eigentliche Hochzeit, manche waren auch „nur“ eine Erneuerung des Ehegelübtes. Auf der anderen Seite, Katholizismus hin oder her, ist es in dieser Region der Anden üblich, es mit Schiller zu halten: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet.“ Es gibt hier die Ehe auch Probe, man zieht zusammen, lebt wie ein Ehepaar und entscheidet nach drei Jahren - uneingedenk der mittlerweile gezeugten Kinder - ob das was Dauerhaftes bleiben sollte oder ob Mann sich besser etwas anderes sucht. Die Kröte an der Geschichte haben die Frauen - sollten sie in den drei Jahren Mutter geworden sein - zu schlucken: Als Mutter findet man i.d.R. keinen neuen Mann. 

Hacienda Sarapampa – drei Schwestern vernascht

Die Hacienda Sarapampa ist unser nächstes Ziel, sie liegt bei Pisaq, von der Stadt durch den Urubamba getrennt. Hier haben wir eine Einladung zu einem Mittagessen, dass sich rund um den Mais dreht. Denn Mais ist das Hauptprodukt der Hacienda. Und wenn man Sarapampa auseinander nimmt, so ist das nichts weiter als das Quechua-Wort für Maisebene (sara, ‚Mais‘, pampa, ‚Ebene‘).
Nach einer kurzen Begrüßung werden wir mit einem Dreigängemenü verwöhnt. Zunächst mit einer vegetarischen Ceviche.
Ceviche wird eigentlich mit rohem marinierten Fisch serviert, egal, ob Süß- oder Salzwasserfisch, mit Limette, Culantro (andiner Koriander, in der Blattform anders als Cilantro, echter Koriander, im Geschmack identisch) etc. Diese Ceviche besteht aber aus Artischoke und Tarwi, einer andinen Lupinenart, mariniert im Saft der Passionsfrucht, begleitet von Pilzen und - das ist das einzige Element, das in jeder normalen Ceviche auch zu finden ist - roten Zwiebeln.
Der Hauptgang wird für alle Alpaca. Alternativen wären Forelle oder Hühnchen gewesen, aber alle wollen Alpaca probieren. Dazu gibt es Gemüse, u.a. auch die in Dtld. unbekannte Ollucoknolle. Dazu einige Granatapfelkerne und Saúcosauce. In Spanien ist Saúco Holunder, aber ob das ebenso für Perú gilt?
Zum Nachtisch vernaschen wir die drei Schwestern. Im präkolumbinen Amerika war es üblich, Mais nicht als Monokultur zu pflanzen, sondern kombiniert mit Bohnen und Kürbissen. Mais, Bohnen und Kürbis, das sind die drei Schwestern. Das hatte den Vorteil, dass die Bohnen den Mais als Rankhilfe benutzen konnten. Gleichzeitig entzog der Mais dem Boden Stickstoff und die Bohnen reicherten ihrerseits wieder Stickstoff aus der Luft an, der in den Boden weitergeleitet wurde. Die Kürbisse, ihrerseits durch den Mais vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt, bedeckten mit ihren großen Blättern den Boden und schützten ihn so vor dem Prasseln des direkten Regens auf der einen und dem Austrocknen durch die äquatoriale Sonne auf der andere Seite. Im Nachtisch waren die dickste Schwester zum Kürbiseis verarbeitet, die umhüllteste Schwester zum Maiskeks und die rankeste Schwester zur Bohnensauce. Hört sich schräg an, ist aber lecker!
Nach dem Essen erfahren wir dann noch etwas über Meerschweinchenhaltung, Maisanbau und -düngung und dergleichen mehr. So soll z.B. ein Gemisch von Quinoaasche und zerriebenen Kolumbuspfeffer (Traube und Blätter) ein gutes Düngemittel für Mais sein und würde gemeinsam mit dem Samenkorn in den Erdboden eingebracht.In einem kleinen haciendaeigenen Museum sehen wir dann noch Votivgaben, wie hölzerne oder steinerne Maiskolben, welche man rituell niedergelegte, um von Pachamama z.B. Ernteglück zu erbitten.

Mittwoch, 20. März 2019 – Zugfahrt nach Machu Picchu

Der folgende Morgen führt uns mit reduziertem Gepäck nach Ollantaytambo. Der Ortsname Ollantaytambo ist nicht abschließend geklärt, man weiß soviel, dass der hintere Part -tambo (vom Quechua -tampu) so etwas wie Vorratslager heißt. Ollantay wird auf ein Aymara-Wort zurückgeführt, eine Sprache, die bereits von einer Vorinkakultur aus dem Heiligen Tal verdrängt wurde, und der wir am Titicacasee noch begegnen werden. Ollantay soll Aussichtsposten bedeuten. Der Hybrid bedeutete also gewissermaßen "Aussichtspostenlager". Natürlich, so wie für einen Deutsch- oder Spanischsprecher Ollantaytambo nur ein Ortsname ohne erkennbaren Bedeutungsinhalt ist, so bedeutete der vordere Teil den Quechua ungefähr so viel wie "Lager 'Ollantay'". Obwohl Ollantaytambo ebenfalls über eine beeindruckende Anlage inkaischer (und wohl auch bereits früherer) Herkunft verfügt, ist es für die meisten Passanten - so auch uns - in erster Linie eine Station auf dem Weg nach Machu Picchu. Denn nach Machu Picchu kommt man auf zwei Wegen: Mehrtägiger Fußmarsch mit vereinzelten Gipfelstürmereien über den Inka-Trail (auch dies ist immer mal wieder im Reiseprogramm von Eberhardt Travel enthalten) oder - die meisten Touristen erreichen die lange unentdeckt gebliebene Stadt so - per Zug.
Am Bahnhof nehmen uns Bedienstete unseres Hotels unser Übernachtungsgepäck ab - wir haben vorgesorgt und wirklich nur das Gepäck für eine Nacht dabei - und wir fahren direkt hoch nach Machu Picchu. Heute ist es zwar bewölkt, aber zum Glück nicht nebelig. Obwohl der Nebel auch einen Teil der Mystik dieses Ortes ausmacht. Er hat nur den Nachteil... dass man keine Panoramafotos machen kann.

Machu Picchu

Mijaíl führt uns zunächst an den "Kühlschränken" vorbei zum sogenannten "Wächterhäuschen. Von hier aus hat man einen tollen Überblick über die Kernanlage und Mijaíl kann uns das Gelände und auch ihre Planung, wie sie mit uns Machu Picchu erfassbar machen will, erklären. Für das Rasenmähen sind in Machu Picchu im Übrigen einige Regierungslamas zuständig. Lamas und Alpacas eben zwar normalerweise im Altiplano und ernähren sich vom Ichugras, welches hier unten im Nebelwald nicht wächst, aber sie scheinen sich - abgesehen von den nervigen Touristen - hier ganz wohl zu fühlen. Die Regierung spart sich den Rasenmäher, Touristen und Natur den unvermeidlichen Lärm und die Touristen haben ein Fotomotiv mehr. Ob die Lamas das auch als Win-Win-Situation begreifen, ist nicht bekannt.


Hasenmäuse

Unterstützt werden die Neuweltkamele von Hasenmäusen, den Bergviscachas, die hier in Machu Picchu zahlreich leben. Diese Tiere aus der Chinchillafamilie (aber nicht unsere handelsüblichen Zoohandlungschinchillas) sehen ein wenig so aus, als habe ein verrückter Wissenschaftler Gott gespielt und Kaninchen mit Eichhörnchen gekreuzt.
Zunächst gehen wir zum Sonnentempel, der, außer, dass er durch ein Fenster in Richtung Sonnenaufgang gekennzeichnet ist, eines der wenigen halbrunden Gebäude der Anlage darstellt, wie Mijaíl erklärt, ein typisches Charakteristikum für Sonnentempel der Inka.
Mijaíl zeigt uns auch einen Adelspalast mit einem Raum, der über etwas verfügt, was Archäologen als Toilette ansprechen. Jedenfalls verfügt das Gebäude über eine - auch heute noch funktionierende Wasserdrainage.
Anschließend geht es zum Heiligen Platz, wo sich der Haupttempel der Anlage (für Wirakocha) und der Tempel der drei Fenster befinden, zudem das sogenannte Haus des Priesters. Die drei Gebäude wurden nie fertig gestellt, dafür haben aber die Steinblöcke, aus denen sie errichtet wurden, ein gewaltiges Ausmaß.

Intihuatana

Wir steigen nun zum Intihuatana hoch. Alles, wo Inti drin steckt, hat etwas mit der Sonne zu tun. Intihuatana, gerne populär als "Sonnenuhr" bezeichnet, ist eigentlich der Ort, wo man die Sonne anbindet. Wie es heißt, hatten die Inka am kürzesten Tag des Jahres - dort der 21. Juni - Angst, dass die Sonne nicht mehr wiederkehren würde. Aus diesem Grund wollte man sie im übertragenen Sinne anbinden.
Von hier aus geht es zum heiligen Stein, der mit etwas Phantasie die Silhouette eines Meerschweinchens wiedergibt. Hinter dem Meerschweinchen befindet sich ein Weg zum Mondtempel, für den muss man aber extra angemeldet sein und nur eine reduzierte Menge von Menschen wird überhaupt dorthin hochgelassen. Der Weg soll nur für sehr Schwindelfreie etwas sein.
Im Anschluss sehen wir das Handwerkerviertel, dann gehen wir durch die "Kühlschränke", Lagerhäuser, die am Berghang gebaut sind und in denen es kühler als außen ist, Richtung Ausgang. Mijaíl bringt uns noch in unser Hotel unten am rauschenden Urubamba-Fluss der hier wirklich mit Macht durch das enge Tal drängt, er kocht geradezu, bevor sie mit dem Zug zurück nach Ollantaytambo fährt.

Donnerstag, 21. März 2019 - Zweiter Tag Machu Picchu und über Ollantaytambo nach Cuzco

Wir stehen früh auf, um den Sonnenaufgang in Machu Picchu zu erleben. Das heißt, die meisten von uns. Silvia beschließt, auszuschlafen und Aguas Calientes zu erkunden. Und wir? Wir stehen oben in Machu Picchu vorm Eingang und kommen nicht rein. Seit Januar, erklärt mir einer der Wächter, wird man nur noch nach dem Zeitunkt reingelassen, der auf der Karte abgedruckt ist und da sind die wirklich streng. Ich hatte es im Oktober noch anders erlebt, da spielte die auf der Karte angedruckte Uhrzeit noch keine Rolle. Im Grunde gut so, aber für uns in dieser Situation natürlich etwas ärgerlich. Aber dafür spielt heute das Wetter mit. Der Himmel ist tiefblau, die Arme und der Nacken des Reiseleiters am Ende des Tages knallrot.

Inti Punku

Zunächst bleibt unser kleiner Trupp noch zusammen, aber dann fasert es sich immer weiter aus. Unser Ziel ist Inti Punku, das Sonnentor. Sieht gar nicht so weit aus bis dorthin, aber man benötigt dann doch leicht vierzig Minuten. Ich bin nicht sicher, dass wir alle sechs dort waren, aber zumindest fünf von uns haben es bis dorthin geschafft. Ein Wächter der dort steht verrät mir, dass, wenn man durch Inti Punku dem Inka Trail noch weiter folgt, man an einen Aussichtpunkt kommt. Zu dritt folgen wir diesem Weg. Wir kommen an eine steile Treppe, wo sich in der Inka-Zeit so etwas wie ein Wachposten befand. Von dort aus sehen wir in einigen Kilometern Entfernung die Inka-Siedlung Winay Wayna, wo sich bei einem Wasserfall ein Wasserheiligtum befindet.

Inka-Brücke

Wir kehren zurück nach Machu Picchu, von den anderen sehen wir nichts mehr. Unser nächstes Ziel ist die Inkabrücke. Ein schmaler Weg führt entlang des Steilhanges des eigentlichen Machu Picchu-Berges dorthin. Machu Picchu liegt eigentlich auf einen Bergrücken zwischen den Gipfeln Machu Picchu und Wayna (oder Huayna) Picchu und auf den meisten Fotos, die man von Machu Picchu kennt, v.a. auf den emblematischen Fotos, liegt der namensgebende Berg im Rücken des Betrachters, wohingegen der Gipfel des Huayna Picchu - sofern nicht vernebelt oder wolkenverhangen - auf allen Fotos zu sehen ist. Wir sind jetzt also auf dem schmalen Steig am Rande des Steilhangs, der zur Inka-Brücke führt. Hin und wieder beobachten wir Vögel oder auch Schmetterlinge, besonders einer, der seine Fressfeinde verwirrt, indem er je nach Flügelschlag blau oder gelb aussieht, fasziniert uns. Aber er ist zu schnell oder weit weg, um ihn auf das Fotopapier zu bannen. Eine Einheimische raunt mir zu, das sei der Machu Picchu-Morpho. Bei der Internetrecherche später finde ich viele Schmetterlinge der Gattung Morpho, diesen speziellen aber nicht.
Wir erreichen schließlich die Inka-Brücke, doch der Weg geht hier nicht weiter, ein Tor versperrt die Trasse. Wir wären eh nicht weitergegangen, denn der Weg wird immer schmaler. Die Brücke ist so angelegt, dass einige Holzbretter auf Steinen liegen, sie ist sehr schmal. Für uns, die wir die letzten Meter des Weges bis zur Brücke uns an einer in den Berg getriebenen Kette festhalten, ist es nur schwer vorstellbar, wie vor 600 Jahren Untertanen der Inka mit Lasten, ggf. auch Lamas diesen Weg nutzten. Die Brücke ist jedenfalls so eingerichtet, dass, nimmt man die Bretter weg, der Weg nach Macu Picchu erst mal versperrt ist. Flieht man aus Macu Picchu vor einem Eroberer, kann man die Bretter ebenfalls entfernen und so Zeit gewinnen, bis die Verfolger neue Bohlen zugeschnitten haben.
Wir kehren wieder zurück nach Machu Picchu, beim Stadttor trennen wir uns. Es ist heiß, die anderen beiden freuen sich auf ein kühles Blondes in Aguas Calientes und streben dem Ausgang zu, sie wollen nicht den Bus nach unten nehmen, sondern laufen. Das mit dem kühlen Blonden ist zwar verführerisch, aber ich will noch auf eigene Faust ein wenig durch die Inkaanlage streifen und das tue ich auch.
Heute ist es voller mit Touristen als gestern, ein paar selfiesüchtige Jugendliche rennen einem Lama hinterher, welches sich den Jugendlichen zu entziehen versucht. Zu ihrem Glück sind die Lamas nervige Touristen gewohnt und spucken nicht so schnell. (Obwohl es manchmal heißt, nur Lamas spuckten und Alpacas nicht, so stimmt das nicht, beide spucken, insbesondere dann, wenn sie den Umgang mit Menschen nicht gewohnt sind.)
Als ich auch Richtung Ausgang strebe, frage ich einen Aufpasser, wie lange ich wohl zu Fuß bis nach Aguas Calientes bräuchte. Er mustert mich kurz und sagt: "Du? Anderthalb Stunden." Es ist 11:20 Uhr, um 13:00 sind wir an der Bahnstation verabredet. Ich denke mir "das passt" und laufe los. Unterwegs denke ich zwischenzeitlich "oh, oh, das wird nichts mit 13:00 Uhr", aber tatsächlich: Gegen 12:55 bin ich erschöpft aber pünktlich am Bahnhof, der Aufpasser hatte mich gut eingeschätzt. Insgesamt sind die harten Treppen von Machu Picchu nach Aguas Calientes ziemlich anstrengend, sie gehen stark in die Beine, daran haben wir - Elke und Bernd waren ja auch gelaufen - noch zwei Tage später Spaß.
Gemeinsam besteigen wir den Zug und fahren zurück nach Ollantaytambo, wo Mijaíl, der Busfahrer und leider auch ein mittleres Verkehrschaos auf uns warten. Man stelle sich eine schmale Straße mit hohem Parkdruck vor und viele PKWs und Busse, die den Parkplatz am Bahnhof erreichen wollen, dazwischen Baufahrzeuge, weil die sanitären Anlagen am Parkplatz gerade abgerissen (und hoffentlich neu gebaut) werden und niemand, der den Verkehr regelt. ... ... Genau!
Corinna und ich haben noch nicht genug von Steinen und wandern dem Bus voraus die Sraße hoch (etwa 700 m), um wenigstens von außen die Inkafestung Ollantaytambo zu fotografieren. Wir müssen sogar noch ein Minütchen auf den Bus warten.

"Wir wollen keinen Müll, auf dem unser Name steht"

Wir verlassen Ollantaytambo also und fahren in Richtung der Cervecería del Valle Sagrado, der Brauerei des Heiligen Tals. Die liegt zwar nur knapp zehn Minuten Fahrzeit entfernt, aber trotzdem machen wir noch einen Zwischenstopp, nämlich unterhalb der Sky Lodge, eines sehr exklusiven Hotels außerhalb von Ollantaytambo. Eigentlich liegt die Brauerei auch schon direkt hinter der nächsten Kurve.
Die Sky Lodge kann bis zu zwölf Gäste gleichzeitig versorgen, ist allerdings nur etwas für schwindelfreie Kletterbegeisterte, denn: Nur kletternd kann man sein in der Steilwand liegendes Hotelzimmer erreichen, nur kletternd gelangt man an sein Frühstück.

In der Brauerei führt uns Barmanager Daniel nach der Begrüßung zunächst in den Keller, wo wir als erstes deutsches Gerstenmalz sehen und probieren. Daniel erklärt uns den Mälzprozess und stellte uns dann vor ein Rätsel. Perú habe so viele verschiedene Klimazonen: Die Wüste, den Regen- und den Nebelwald, verschneite Gipfel und fruchtbare Täler (und alles, was klimatisch zwischen den Extremen läge). So gut wie alles könne man in Perú anbauen. Nur ein Produkt müssten sie wirklich importieren: den Hopfen. Wieso das so sei, fragt der aus Lima stammende junge Mann. Und wir? Wir antworten mit Schulterzucken, keiner hat eine tragende Idee. Der Limeño klärt uns auf: Es liegt nicht an der Wärme, es liegt nicht an der Feuchtigkeit, es liegt einzig und allein am Licht und zwar an seiner Dauer. Der Hopfen braucht etwa 16 Stunden Tageslicht und das kann ein Land so nah am Äquator nicht leisten. Also importiert man neben Gerstenmalz aus Deutschland auch Hopfenpallets aus den USA.
Daniel erklärt uns den ganzen Brauvorgang, wie die Gerste gemälzt wird, wie man den Mälzungsprozess beendet und wie man maischt. Wie die Hefe hinzugefügt wird und den Zucker in Alkohol verwandelt. Die Maische wird an die Bauern der Umgebung abgegeben, die damit ihre Rinder und ihre Meerschweinchen füttern - die besten Cuys aus der Gegend, so Daniel, seien die in einem benachbarten Restaurant, dessen Besitzer seine Meerschweinchen ausschließlich mit Maische fütterten - die abgesunkene Hefe wird aufgefangen und wiederverwertet.

Nachdem wir den ganzen Brauprozess durchgegangen sind, bedauert Daniel, dass wir leider kein Flaschenbier mitnehmen könnten. Ein richtiges Pfandsystem gibt es nicht und in Perú sei der Großteil der Bevölkerung immer noch nicht daran gewöhnt, ihren Müll nicht irgendwo hin zu schmeißen. Aber sie seien eine ökologisch produzierende Brauerei, sagt Daniel. "Wir wollen keinen Müll, auf dem unser Name steht."

Das Wasser bekommt die Brauerei, die erst seit sechs Jahren (seit 2013) besteht, aus einer Quelle in einem nahegelegenen Dorf. Die Bewohner dieses Dorfes bekommen das Bier zu einem Drittel des Preises, wie die übrigen Gäste, weil es ihre Quelle, ihr Wasser ist.
Neben der ökologischen probiert sich die Brauerei auch in sozialer Nachhaltigkeit, denn im Grunde ist die Brauerei das Ergebnis aus dem Umstand, dass ihre Gründer ihr Hobby ausleben, um Nonprofitprojekte zu unterstützen, etwa solche zur Gleichstellung peruanischer Mädchen oder zur Umwelterziehung. Der Gewinn, den die Bauerei abwirft, wird also in die Brauerei selbst oder in die Gesellschaft der direkten Umgebung reinvestiert.
Wir bekommen nun jeder fünf Bier in Probegläsern gereicht, verschiedene Lagertypen, ein Porter, jedes mit einem höheren Alkoholgehalt, und dürfen uns am Ende unser Lieblingsbier aussuchen. Da gibt man uns ganz britisch dann noch ein Half Pint [ha:f paint] obenauf.

Über eine ganze neue Straße - nicht einmal Google Maps kennt sie [2. April 2019] - fahren wir nach Cuzco. Dort steigen wir im strömenden Regen aus - sollte die Regenzeit nicht seit gestern (20. März) vorbei sein? Wenige Minuten später gehen wir zum gemeinsamen Essen, in der Straße Calle del Medio an der Plaza de Armas, ins gleichnamige Restaurant, Calle del Medio.

Freitag, 22. März - Der Nabel der Welt

Nach dem Frühstück holt Mijaíl uns zur Stadtführung ab. Erste Station ist die Plaza de San Francisco, die von der Franzikuskirche beherrscht wird. Wir erfahren, dass im inkaischen Qosko (Nabel [der Welt]) dies ein Teil des Hauptplatzes war, gemeinsam mit der Plaza de Armas (oder Plaza Mayor], einige Straßen weiter. Im Prinzip sind das heute drei Plätze (Plaza Mayor, Plaza El Regocijo, Plaza de San Francisco), dazwischen feste Bebauung, z.T. aus der Kolonialzeit. In einem Hofeingang sehen wir ca. 500 Jahre altre Fresken. Obwohl Cuzco uns mit Regen begrüßt hat, ist die Stadt doch eigentlich recht trocken.

Wir kommen vorbei an dem Haus des Chronisten Garcilaso de la Vega el Inca, der Sohn eines Konquistadoren und einer Ñusta, einer Inka-Prinzessin. Unser nächstes Ziel ist der Gold- oder Sonnenhof. Coricancha oder Inticancha. Inticancha war der originale Name, aber heute ist der Gebäudekomplex, der vom Dominikanerkloster Cuzcos überbaut ist, unter (Convento de Santo Domingo de) Coricancha bekannter. Der Coricancha-Komplex soll vor der Ankunft der Spanier stark vergoldet gewesen sein, mit lebensgroßen Repliken von Tieren und Pflanzen in massivem Gold. Dieses Gold soll für die Befreiung Atahualpas aus der Hand der Spanier aufgewendet worden sein, die Spanier ließen es in Barren umschmelzen, so dass neben dem Gold vor allem auch kunstgeschichtliche Werte verloren gingen. Aber der Coricancha-Komplex, der aus verschiedenen Tempeln besteht, einem Sonnentempel, einem für den Regenbogen, für die Milchstraße (wobei die Inka in den dunklen Flecken der Milchstraße Tiere wiedererkennen wollten), ein Wasserheiligtum und den Mond, ist immer noch, trotz seiner Überbauung durch den Dominikanerkonvent, beeindruckend, vor allem durch die Perfektion seiner Steine. Ein Stein etwa ist Teil eines Türrahmens und dreier Wände und perfekt eingepasst. Dabei ist alles unscheinbar und nichts schreit nach der Aufmerksamkeit der Besucher, man muss sich den Tempel regelrecht erschauen, die Perfektion entdecken. Es sind die kleinen Details, welche die Inkaarchitektur so faszinierend, welche auch den Coricancha-Komplex innerhalb der Inkaarchitektur so herausragend machen.
An mehreren kolonial überbauten Inkapalästen, die verschiedene Herrscher für sich errichtet hatten, gehen wir zum Zwölkantenstein. Der Zwölfkantenstein befindet sich in der Mauer des ehemaligen Erzbischofspalastes von Cuzco, des heutigen Museums für religiöse Kunst, zuvor Palast des Usurpators Inca Roca.
Schließlich gelangen wir zur aus drei Kirchen bestehenden Kathedrale von Cuzco. Thema sind die Spiegel, denn die Quechua des 16. und 17. Jhdts. waren fasziniert von den Glasspiegeln und die Missionare nutzten diese Faszination dafür, die Leute in die Kirche zu locken. Wir schauen uns auch ein Bild vom letzten Abendmahl an, bei dem die Apostel nach Auffassung von Mijaíl Chicha Morada (lila Maisbier) trinken und Mais und Meerschweinchen vor sich liegen haben. Teilweise finden sich in dem Bild auch Hinweise auf die Inka-Religion, wenn man sie denn erkennen kann. So befindet sich in einem Fenster hinter Jesus das Kreuz des Südens, welches mit dem Hauptgott der Inka, Wirakocha verbunden ist. Wollte hier ein christlicher Künstler die Anbindung der Quechua an den christlichen Glauben erleichtern, indem er den Schöpfergott der Inka mit dem Christengott gleichsetzte?
Nach dem Besuch der drei Kirchen der Kathedrale bringt uns Mijaíl zurück zu unserem Hotel, wir nutzen unsere Freizeit bis zum Abend auf unterschiedliche Weise.

Pisco in Cusco*
*Urheber dieser Überschrift sind Bernd und Elke

Eine Eigenheit des amerikanischen Spanisch, bei allen seinen dialektalen Unterschieden zwischen dem Río Grande und Feuerland, ist der sogenannte Seseo. Obwohl in amerikanischen oder deutschen Filmen auch Lateinamerikaner gerne lispelnd dargestellt werden, um den „spanischen Akzent“ zu markieren, lispeln die Lateinamerikaner also gerade nicht. Den ceceo gibt es nur in Spanien. Was bedeutet nun „seseo“ und was „ceceo“? „Seseo“ heißt, dass nicht nur -s- sondern auch -z- und -c- vor -e- und -i- wie -s- ausgesprochen wird, was in Lateinamerika korrekt ist, in Spanien dagegen eine regionale Eigenheit, Soziolekt und Regiolekt. „Ceceo“ bedeutet, dass außer -c- und -z- auch -s- wie -c- vor -e- und -i- ausgesprochen wird (entspricht in etwa englisch -th-), ein Phänomen, das in Teilen Spaniens vorkommt. Warum ich das berichte? Weil ich Cuzco normalerweise konservativ mit -z- schreibe, hier aber ausnahmsweise - wegen des Pisco - mit -s-, wie das in Perú üblicher ist.
18:00 Uhr treffen wir uns also, um gemeinsam zur República del Pisco zu gehen, einem Restaurant und Bar. Zwei bleiben zurück, sie wollen an diesem Tag nicht mehr raus. Der Rest testet sich zunächst durch vier Sorten Pisco, einem Weinbrand aus fermentiertem Traubenmost, und schließlich mixen wir unter Anleitung der Barfrau unseren eigenen Pisco Sour.

Vor uns haben wir einen Cocktail Shaker stehen, ein Glas, ein kegelförmiger Messbecher, das auf der einen Seite eine Unze auf der anderen Seite zwei Unzen umfasste sowie einen Strainer ("Abseiher"). Zudem haben wir vor uns stehen: Pisco, Zuckersirup, Limettensaft und Eiklar.

Zunächst sollen wir drei Unzen Pisco in den Cocktail Shaker geben. Wir kippen also in unseren kegelförmigen Messbecher erst in die größere, zwei Unzen umfassende Seite bis zum Rand Pisco und geben den in den Shaker, dann in die kleinere Seite. Anschließend geben wir je eine Unze Limettensaft und eine Unze Zuckersirup hinzu.
Ich erwarte jetzt, dass wir einen Rührbesen bekommen, um das Eiklar schaumig zu schlagen.
... Falsch gedacht! Unsere Lehrerin reicht uns einen Eiswürfelbehälter und Zangen, wir sollen jetzt, damit sich das Eiklar nicht mit dem Rest verbindet, erst einmal sieben oder acht Eiswürfel in den Shaker geben. Die meisten nehmen acht Eiswürfel, ich nur sieben, man will sich seinen Pisco ja nicht verwässern. Jetzt geben wir die Unze Eiklar auf die Eiswürfel und bekommen ein Caipirinhaglas. Das sollen wir kopfüber auf den Cocktailshaker drücken und einmal kräftig auf den Glasboden schlagen. Nachdem wir das getan haben, prüfen wir, ob es dicht sitzt und keine Flüssigkeit zu den Rändern rauskommt, wenn man den Shaker kippt. Die Gläser sitzen dicht. Jetzt ist unsere Muskelkraft und Audauer gefragt, es geht ans shaken. Eine Hand an den Shaker, die zweite Hand ans Glas und kräftig geschüttelt. Wir schütteln so lange, bis durch das Caipirinhaglas zu sehen ist, dass der Getränkemix im Glas weiß ist. Fast fertig. Jetzt müssen wir den Pisco Sour ins Trinkglas umgießen. Nur - ¡verdammt! - das Caipirinhaglas sitzt fest im Cocktail Shaker. Ich glaube, ich sehe ein leicht diabolisches Grinsen unmerklich die Lippen unserer Lehrerin umspielen. Oder macht das nur das schummrige Licht der Bar? Sie nimmt einen unserer Shaker und schlägt mit dem Handballen vor die Stelle, wo das Caipi-Glas im Shaker klemmt. Man hört so etwas wie einen Schmatzer. Etwas skeptisch machen wir es ihr nach und nach ein bis drei Schlägen hat tatsächlich jeder das Caipi-Glas gelockert und kann es rausnehmen. Jetzt sollen wir mit zwei Fingern den Strainer - als den Abseiher - auf dem Shaker fixieren und seihen den Pisco in das bereit gestellte Trinkglas ab, so trennen sich am Ende Flüssigkeit und Eischnee wieder voneiander, der Eischnee kommt zuletzt als Schaumkrone oben auf den Pisco, wie es sich für einen Sour gehört. Jetzt bekommt jeder noch ein oder zwei Spritzer Angosturabitter auf seinen Pisco und wir gehen zurück zu Tisch.
Da wir mit der República del Pisco vereinbart haben, dass wir nach der Pisco-Probe auch essen wollen und diese vor Beginn der Probe unsere Essensbestellungen aufgenommen haben, müssen wir nicht mehr lange auf unser Essen warten.

Samstag, 23. März 2019 - Von Cuzco nach Puno

Heute geht es von Cuzco nach Puno am Titicaca-See. Wobei, kaum dass wir aus Cuzco raus sind, halten wir auch schon wieder an. In Oropesa.

Die Brothauptstadt

Oropesa hat ihren Namen vermutlich von einer gleichnamigen spanischen Stadt (es gibt je zwei Städte in Spanien und Perú, die jeweils Oropesa heißen, woher die jeweils ihren Namen haben, lässt sich im Internet nicht seriös recherchieren, von den Thesen, die angeboten werden, ist eine weniger plausibel als die andere). Übersetzte man den Stadtnamen naiv aus dem Spanischen ins Deutsche ("oro pesa"), würde er bedeuten "Gold wiegt [schwer]", aber das wäre in etwa so sinnvoll, wie die Stadt Essen als "Mahlzeit" zu übersetzen oder Berlin als "Bärlein".
Oropesa selbst bezeichnet sich als "Capital Nacional del Pan", also als "Nationale Hauptstadt des Brotes".

Wir steuern also eine Bäckerei an, die Mijaíl kennt, die Panadería de San Francisco, um festzustellen, dass diese gar nicht mehr existiert. Zum Glück gibt es in der Hauptstadt des Brotes mehr als nur die eine Bäckerei und wir gehen weiter. In der nächsten Bäckerei schämt man sich, es sei nicht aufgeräumt, man gibt sich schüchtern will nicht, dass Leute aus einem fremden Land die Bäckerei so fotografieren. Im übernächsten Haus befindet sich bereits die nächste Bäckerei, hier bekommen wir Zutritt. Man merkt den Bäckern ihre Müdigkeit an, es ist gegen 10:00 Uhr morgens und sie sind bereits seit 2:00 in der Bäckerei. Lediglich die fünfjährige Tochter eines der Bäcker ist fit. Wir werden in die Backstube geschickt, begleitet von der Fünfjährigen. Die Arbeit ist aufgeteilt, die Frauen kümmern sich um das Kneten des Teigs und das Formen der Brote, die Männer um das Befeuern des Ofens und das Backen.
Mijaíl, die gelernte Journalistin ist, stellt den Bäckerinnen einige Fragen, welche diese beantworten. Wir erfahren, dass sie ihr Tagwerk jetzt vollbracht haben und mit der Arbeit (fast) fertig sind (ein bisschen Teig geht noch, mindestens eine Fuhre muss also noch in den Ofen). Allerdings müssen sie jetzt noch die Hausarbeit machen. Gerade die junge Frau - sie gibt ihr Alter mit 30 an, ob die ältere ihre Mutter oder Schwiegermutter ist, erfahren wir nicht - hat mehrere Kinder und muss sich kümmern. Sie gingen gegen 22:00 Uhr ins Bett. Und um 2:00 stehen sie morgen wieder in der Backstube. Sie seien daran gewöhnt, erwidern sie unser Erstaunen. Als Gegenleistung dafür, dass sie uns einen Einblick nicht nur in ihren Arbeitsalltag, sondern ein wenig auch in ihr Privatleben gegeben haben, erzählt Mijaíl ihnen ein wenig aus ihrem Leben, von ihren Töchtern etc. Damit sich die beiden Bäckersfrauen nicht so ausgefragt fühlen, erklärt sie mir.

Andahuaylillas

Nach der Besichtigung der Bäckerei geht es vorbei an Pikillacta (Piki - "Floh", Llacta - "Dorf") eine Ruinenstätte die präinka ist. Hier befindet sich das "Stadttor" von Cuzco. Kurze Zeit später biegen wir schon wieder von der Hauptstraße ab, unser Ziel ist die Kolonialkirche von Andahuaylillas, die bekannt für ihre Fresken ist. Man nennt sie auch die Sixtinische Kapelle der Anden.
Die Kirche ist auf einem ehemaligen Inkatempel errichtet, besonders interessant sind am Eingang die Gemälde, welche den dornigen Weg in den Himmel - eine Renaissanceburg - und den rosenbestreuten Weg in die Hölle zeigen. Auffällig ist auch die Dachkonstruktion sowie die Altäre, die im Andenbarock ausgeführt sind: Barock mit indigenen Elementen. Auch hier sehen wir wieder die Spiegel, mit welchen die Missionare die indigene Bevölkerung in die Kirche locken wollten. Heute wird Andahuaylillas von den Jesuiten betrieben, die den Tourismus gezielt nutzen, um Einnahmen für soziale Arbeit zu generieren, etwa für die Arbeit mit minderjährigen Müttern.

Wirakocha/Raqchi

Wir setzen unsere Fahrt in Richtung des Altiplano peruano weiter. Wir kommen vorbei an Urcos, wo es heißt, dass der letzte Inka hier seine Goldkette in den See warf, um sie nicht seinem Bruder zukommen zu lassen, der sich mit den Spaniern verbündet hatte. Heerscharen von Schatzjägern haben sie in dem besseren Teich nicht finden können und uns mangelt es gerade an Muße anzuhalten. Unser Ziel ist Raqchi, wo wir den letzten Inka-Tempel unserer Rundreise sehen werden, geweiht dem Schöpfergott Wirakocha. Seit fast 600 Jahren reckt sich die Mauer des Tempels, unten aus Stein, oben aus sonnengetrockneten Ziegeln nach oben, erst sei 20 Jahren trägt sie wieder ein Regendach, um die Lehmwand vor der Zerstörung zu schützen. Tierhaar, Knochen, Keramik und als Härter ein Kaktussekret sorgen für die dauerhafte Stabilität der Wand, welche den Tempel in der Hälfte teilt.
Adelspaläste, die an einer Ost-West-Achse symmetrisch aufgereit sind und runde Lagerhäuser schließen sich an. In in Raqchi soll sich die Inkaelite getroffen haben, wenn es darum ging, aus den führenden Familien einen neuen Inka zu bestimmen.
Nach einem Besuch des Marktes fahren wir weiter, ins Feliphon, um Mittag zu essen.

Abra la Raya

Unser nächstes Ziel ist auch gleichzeitig der höchste Punkt, den wir auf dieser Reise erreichen - wenn man mal von Höhenmetern im Flugzeug absieht. Es ist der La Raya-Pass, der auf 4.335 m NN liegt. In den Schmelzwassern der Gletscher der umliegenden Berge werden die Flüsse geboren, die entweder westwärts zum Pazifik fließen oder sich ostwärts mit vielen anderen Flüssen zum riesigen Netzwerk des Amazonas verbinden. Der Urubamba, den wir bei Machu Picchu als wilden kochenden Strom erlebt haben, beginnt hier als eiskaltes, ruhig dahinfließendes Rinnsal, das hier noch Vilcanota heißt.
Unsere Fahrt geht weiter nach Süden, in Richtung des Titicacasees entlang eiens Baches, der irgendwann in den Río Ayaviri fließt und schließlich als Río Ramis im Titicacasee endet.

Titicacasee

Wir halten noch einmal in Pucará, bevor wir durch das chaotische Juliaca ("Chuliacka") in Richtung des höchsten schiffbaren Sees der Welt fahren (3.801 m NN), in dessen 8288 Quadratkm der Bodensee fünfzehneinhalb mal hineinpassen würde. Am frühen Abend kommen wir in Puno an, César, unser Busfahrer, weiß noch eine Abkürzung und spart uns so sicher zehn Minuten.

Abendes treffen wir uns fast vollzählig gemeinsam im Restaurant und obwohl wir alle zufrieden mit unserem Essen sind, schwärmt Silvia so sehr von ihrem Alpaca-Carpaccio, dass wir doch sehr neugierig werden. Schließlich beschließt der Großteil, am kommenden Abend das Alpaca-Carpaccio zu probieren.

Sonntag 24. März 2019 - "Kamisaraki" - "Waliki"

Unsere heutige Tour wird von Nelly geführt. Nelly ist gewissermaßen die Verkörperung der Stadt Puno: Ihr Vater ein Quechua, ihre Mutter eine Aymara. Sie selbst hat in ihrer Jugend, als in der Stadt indigene noch mehr als heute diskriminiert wurden, nur Spanisch gelernt. Wer ist indigen in Perú? Das ist keine Frage der Herkunft, der Eltern oder der Hautfarbe. Man kann theoretisch zu 100 % indigen sein und es doch nicht sein, oder europäische oder afrikanische Gene in sich tragen und indigen sein. Ob man indigen ist, bestimmt in Perú die Muttersprache. Spricht man Quechua, Aymara oder eine der vielen kleinen Sprachen, die im peruanischen Amazonasgebiet gesprochen werden als Erstsprache, ist man indigen, spricht man sie nicht, dann eben nicht. Nelly selbst sieht sich als Quechua. Ihr Vater war Quechua, ihre Großeltern haben mit ihr manchmal Quechua geprochen. Aymara hat sie nicht gelernt, obwohl Puno doch die Stadt ist, die in der Nordhälfte von Quechua-Sprechern, in der Südhälfte von Aymara-Sprechern besiedelt ist. Die Quechua, sagt Nelly, seien sehr höflich, ein wenig romantisch oder kitschig, das sei schon in ihrer Sprache so angelegt. Die Ayamara meint sie - und ihre Mutter ist eine, ebenso wie ihr Ehemann - ihr Vater, selbst mit einer Aymara verheiratet, hatte sie gewarnt: Heriate nie einen Aymara! - seien eher hartgesotten. Auch dem läge der Aufbau der Sprache zugrunde.

Ein Thema, welches Nelly beschäftigt, ist der Machismo in ihrem Land. Sie selbst lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern bei ihrer Mutter. Das sei in Perú und insbesondere in den indianisch gesprägten Gegenden so, dass das jüngste Kind mit seinem Ehepartner bei den Eltern bliebe und diese bis zu deren Lebensende versorge, dafür erbe das jüngste Kind auch das Elternhaus (das Land würde dagegen geteilt). Nelly und ihr Mann haben dieselbe Arbeit, trotzdem ist es ganz selbstverständlich, dass sie nach der Arbeit noch den Haushalt schmeißt - wobei ihre Mutter ihr dabei hilft, ihr Mann dagegen hat nach der Arbeit Freizeit. Sie spürt den Machismo auch an anderer Stelle. Wie ihr Mann hat Nelly Turismo studiert, Tourismus. Beide sprachen ursprünglich nur Englisch, welches sie im Studium lernten. Obwohl Nelly die besseren Noten hatte und beim Studienabschluss auch besser Englisch sprach als ihr Mann, bekam sie als Frau keine Aufträge. Erst als sie 2015 für drei Monate nach Cuzco ging, um dort in einer Sprachschule Deutsch zu lernen, bekam sie die Chance, sich als Reiseleiterin zu profilieren. Es gab zu wenig männliche Reiseleiter, die deutsch sprechen.

Unser erstes Ziel ist die Plaza de Armas von Puno, die wir aber nicht erreichen, denn heute findet hier ein Aufmarsch statt. Wir treffen unsere Rikschas daher eine Straße weiter und fahren dann, je zwei Personen auf einer Rikscha in einem Convoy von vier Rikschas durch Puno. Zum Glück geht es fast nur bergab, so dass die armen Rikschafahrer die mögliche Anstrengung vermeiden. Am Hafen treffen wir César (ja, gut aufgepasst, genauso wie der Busfahrer vom Vortag, aber nicht derselbe, es ist nicht das schlechte Gedächtnis des Verfassers sondern eine echte Namensgleichheit), der Kapitän unseres Bootes ist. Auf seinem Boot werden wir über den höchsten schiffbaren See der Welt fahren. Bzw.: einen sehr kleinen Teil davon, denn über die Bucht von Puno kommen wir nicht hinaus. Aber allein die ist mit 589 km² schon größer als der ganze Bodensee (536 km²). Zunächst besuchen wir die Uros. Die Uros sind ein Volk, welches Ayamara spricht. Sie leben auf und mit dem See, auf schwimmenden Inseln, die sie aus den Wurzeln und Halmen des Totora-Schilfs binden. Sie sollen zu dieser Lebensweise gekommen sein, als sie, damals noch als Fischer am Ufer lebend, vor der Eroberung der Region durch die Quechua sprechenden Inkas erst in ihren Booten auf den See geflohen sind und dann begannen, sich dort im wahrsten Sinne des Wortes häuslich einzurichten.

Das erste was mir auffällt, ist eine kleinere Veränderung, seitdem ich im vergangenen Oktober bei den Uros war: jede Insel verfügt jetzt über eine schwimmende Toilette. Bisher pinkelten die Uros einfach hinter einer der Hütten in den See und für's große Geschäft setzten sie sich in ein Boot und begaben sich in die Binsen. Allerdings sind die neuen Toiletten wohl noch nicht gebrauchsfertig.
Auf jeder Insel leben ein bis drei Familien in mehreren Hütten, Pi*Daumen stehen dort drei Hütten pro Familie und jede Insel hat ihren Chef, den Presidente. Wir fahren zur Insel des Inselvorstehers Raúl und Raúl begrüßt uns, wie auch seine Frau und die anderen anwesenden Frauen mit "Kamisaraki" und reagieren auf unser Kamisaraki mit "Waliki". Raúl lädt uns ein uns hinzusetzen, er spricht nur Aymara mit uns. Auch auf Nellys spanische Ansprache reagiert er nur Aymara sprechend. Ich denke "okay, er versteht Spanisch, aber er spricht es offenbar nicht".
Raúl erklärt uns, wie die Inseln gestochen werden. Man benötigt dazu die schwimmende Wurzel der Totora-Binsen. Die muss also vom Grund gelöst werden. Je 10*10 m Tororawurzel werden geschnitten und dann mehrere solcher Quadrate zusammengebunden. Wichtig dabei ist, dass die Wurzeln leben, denn wenn sie sterben, schwimmen sie nicht mehr und sinken allmählich ab. Kein Problem, der Prozess geht so langsam, dass man nicht plötzlich nasse Füße hat sondern Zeit genug, um sich eine neue Insel zu bauen oder einfach das Stück abgestorbenes Schilfwurzel zu ersetzen. Als Laufffläche werden mehrere Schichten Totorabinsen auf der Insel ausgestreut, so dass man die Insel beziehen kann, wenn man etwa einen Meter Wurzelschicht und einen Meter drauf liegende Binsen hat. Die Binsen müssen immer wieder erneuert werden und so kommt die Insel von Raúl jetzt etwa auf drei Meter Mächtigkeit.
Die Binsen eignen sich aber nicht nur zum Boots-, Insel- und Hausbau, nein, sie werden auch als Kühlmittel oder gegen Kopfschmerzen genutzt (ein junger Trieb wird aufgeschnitten, ausgerollt und z.B. wie ein Lappen auf die Stirn gelegt) und man kann sie auch essen. Nelly warnt uns, unsere Mägen seien nicht daran gewöhnt, ich probiere trotzdem - und soviel ich weiß, ist die gesamte Gruppe unvernünftig genug, es mir nachzutun. Es hat sich aber niemand in der Nachfolge über Magen-Darm-Probleme beschwert.
Raúl erklärt uns die Lebensweise, die Jagd, wie man auf den Inseln kocht und was passiert, wenn eine junge Frau einem jungen Mann in seinem Boot mit ihren Zöpfen winkt. Dann dürfen wir uns die Insel an-, auch gerne in die Hütten hineinschauen. Ich stehe etwas dumm in der Gegend herum - es ist mir unangenehm, in fremde Hütten zu spähen - da kommt Raúl zu mir, der plötzlich sehr gut Spanisch sprechen kann. Ich frage ihn, da viele Inseln beieinander liegen und nur wenige abseits des Uro-Dorfes, ob der Tourismus der Grund sei, warum sie so nahe beieinander lebten. Er antwortet mir, dass der Tourismus der Grund sei, warum die Uros alle auf getrennten Inseln und nicht alle auf einer gemeinsamen großen Insel leben. Das sei schade, sage ich. Der Tourismus ist eben ein zweischneidiges Schwert: Er bringt den Uros Geld, aber er verändert ihr Leben nicht nur zum Guten. Aber vielleicht sichert er ihr kulturelles Überleben und die Ökologie des Titicacasees.
Ich weiß nicht, was ich von seiner Angabe zu halten habe, denn er selbst erzählt mir, dass er früher bei seinen Tanten gewohnt habe, die weiter draußen auf dem See wohnten, wo die Uros lebten, die keine Touristen empfangen wollten, er sei ins Dorf gezogen, um mit den Toruisten Geld zu verdienen, wie er unumwunden zugibt (ich finde das auch voll in Ordnung!). Also alle ursprünglich auf einer großen Insel oder doch verstreut?
Raúl beschönigt ein wenig: "Das ist, wie wir leben", sagt er mir, auf meine Frage, ob er in der Woche an Land arbeite (heute ist ja Sonntag), nein, er würde fischen und jagen gehen, wie alle Uro-Männer. Im Oktober hatte ich etwas anderes gehört. Da hieß es, dass nur so wenige Männer zu sehen seinen, weil sie in der Woche in Puno arbeiteten. Ich glaube, Raúl will uns die "ursprüngliche Idylle" vor die Augen zaubern, vielleicht ist es für ihn unhöflich, uns die Realität vor Augen zu führen.

Später unterhalte ich mich mit Corinna, die ist auch nicht zum ersten Mal hier, sie hat das Uro-Dorf noch ganz anders erlebt als ich, der ich gerade mal ein halbes Jahr zuvor das erste Mal hier war. Die Boote sind jetzt bunt lackiert, das gab es früher nicht, da war alles ursprünglicher, in den Farben der Binsen, erzählt sie. Wir stellen erneut fest, dass der Tourismus auch dort, wo wir die Ursprünglichkeit suchen, doch seinen Stempel hinterlässt: So ursprünglich die Uros leben, der Tourimus bestimmt das Leben der meisten von ihnen und indirekt wahrscheinlich auch derjenigen, die abseits der Gemeinschaft siedeln, um mit dem Tourismus nicht in Berührung zu kommen.

Anschließend wird uns eine kleine Bootsfahrt auf dem See im Schilfboot angeboten. Leider sind die Schilfboote auch nicht mehr was sie mal waren, ihre Hülle ist nach wie vor aus Schilf, aber weil sich Schilf mit Wasser vollsaugt und träge wird, haben die Uros die Plastikflaschen für sich entdeckt, die sie als Schwimmkörper in ihre Boote einbauen. Der Bau eines solchen Bootes dauert etwa zwei Monate, seine Haltbarkeit liegt bei einem Jahr.

Auf dem Boot singt uns Raúls Sohn "Alle meine Entchen" vor, in einem Mix aus Deutsch und dem, was er für den korrekten Text hält. Da er nur Spanisch spricht, frage ich ihn, ob er auch etwas auf Aymara singen könne, er singt ein Lied, das wir kurz zuvor gehört haben. Und als ich ihn frage, ob er das ins Spanische (Español) übersetzen könne, sagt er mir, er wisse nicht was das ist. Ich variiere meine Frage, ob er das ins Kastilische (Castellano) übersetzen könne, was er zwar bejaht, aber nicht umsetzt.
Die Frage Castellano oder Español ist daher interessant, weil sich die Lateinamerikaner nicht auf einen gemeinsamen Sprachgebrauch einigen können, obwohl die Sprache in allen Vefassungen als Español bezeichnet wird. Nur assoziieren die Lateinamerikaner einen der Sprachnamen immer mit den (verhassten [dies bitte nicht zu erst nehmen, der Groll richtet sich gegen die historischen Spanier]) Spaniern. In Argentinien sagt man mir, die Sprache heiße castellano, español sei die Sprache, die man in Spanien spreche. In Venezuela sagt man mir, die Sprache heiße español, castellano sprechen man in Castilla (Kastilien) in Spanien. In Perú hatte ich dasselbe gehört, castellano sei die Sprache von Kastilien (ergo Spanien), español die Sprache aller, der Spanier, wie der Lateinamerikaner. Jetzt erfahre ich in demselben Land von einem Sechsjährigen, dass der seine Erstsprache nur unter Castellano kennt, was doch angeblich die Sprache Spanier sei.

Luquina

Irgendwann müssen wir uns von Raúl und seinen "Untertanen" verabschieden und besteigen wieder unser Boot, das uns zur Halbinsel Luquina bringt. Hier bekommen wir nach einem kurzen Spaziergang unser Mittagessen.
Nach dem Mittagessen, das uns in tönernen Gesichtskochtöpfen serviert wird, setzen wir uns in die Sonne oder erkunden die nähere Umgebung unseres Rastplatzes. Ich beobachte dabei mehrere Spechte - überhaupt sehe ich dieser Tage in Perú viele Spechte, mehr als in Deutschland in mehreren Jahren - von denen Nelly später erzählt, dass sie hier unbeliebt seien. Nicht nur, dass sie Bruthöhlen in Trockenlehmmauern bauen, nein, sie gelten als Todesboten.

Wir begeben uns wieder zum Boot, nach kurzer Aufregung um eine verlorene Brille, die sich schnell wiederfindet, legen wir ab und fahren zurück in Richtung Puno. César lässt uns am hoteleigenen Steg aussteigen.

Montag, 25. März 2019 - Nach Lima

Puno am Titicacasee ist zwar die Hauptstadt des Departments, aber das wirtschaftliche Zentrum ist Juliaca. Puno ist von Bergen und dem See umgeben, Juliaca liegt auf dem Altiplano, wo der Begriff Hochebene wirklich im wahrsten Sinne des Wortes trifft. Juliaca ist der Verkehrsknotenpunkt des Departments. Hier wird gekauft, hier wird verkauft, hier wird geschmuggelt und hier wird Produktpiraterie (angeblich auf höchstem Niveau) betrieben. Hier müssen wir also hin.
Nein, wir haben natürlich nichts zu verkaufen und wollen auch nichts kaufen, aber der Flughafen liegt hier und den müssen wir benutzen. Vorher aber führt uns der Weg noch nach Sillustaní.

Zunächst halten wir bei einer Bauernfamilie bei Hatuncolla (Groß-Colla, der Hauptstadt der Colla-Kultur, der Kultur, welche die Grabtürme von Sillustaní errichtete und die hier bis zur Eroberung durch die Inka ihren Hauptort hatte). Wir bekommen Käse zu essen, sehen eine Schlangenapotheke gegen Rückenschmerzen, essen frisch gegarte Kartoffeln und Nelly isst eine Kartoffel, die man roh wie einen Apfel essen kann. Celestino führt uns die traditionellen Ackertätigkeiten vor und natürlich sehen wir seine Lamas und Alpacas sowie sein Guanaco. Eines seiner Alpacas ist ein Suri, Suris sind Alpacas mit "Dreadlocks".
Nach kurzem Aufenthalt müssen wir weiter, um die Grabtürme zu besichtigen. Es handelt sich dabei um den Friedhof der Adeligen der Colla-Kultur. Aufgrund der Perfektion mancher der Grabtürme hat man manche der Türme früher auf die Inka-Zeit datiert, inzwischen weiß man aber, dass auch die perfekt gebauten Grabtürme bereits prä-inka sind. Dementsprechend glauben manche, dass die perfekt polierten Mauern, wie wir sie von den Inka kennen, auf einer Technik basieren, welche die Colla entwickelt haben und welche die Inka ihnen abschauten.
Die Mumien wurden von oben in die Türme eingelassen (an einem ist noch die Rampe erhalten), kleine "Eingänge", die jeweils auf den Sonnenaufgang gerichtet sind, dienten der Versorgung der Mumien mit Trank- und Speisebeigaben (worüber sich sicher die Mäuse gefreut haben).
Nach etwa einstündigem Aufenthalt hier fahren wir zum Flughafen, Nelly checkt uns noch ein und schließlich fliegen wir nach Lima zur letzten Station unserer Reise. Franz, dem wir ja zu Beginn unserer Reise schon begegnet waren, holt uns wieder am Flughafen ab, und es beginnen unsere letzten 24 Stunden auf peruanischem Boden.

Dienstag, 26. März 2019 - Lima

Unser letzter Tag ist angebrochen, zumindest in Perú. Nach dem Frühstück holt uns Franz zu einer Stadtrundfahrt ab. Zunächst ging es durch Miraflores, das Stadtviertel der Reichen und Schönen, welches ursprünglich mal als Ausflugsort für Sommerfrischler gegründet worden war. Damals lag Miraflores noch sieben Kilometer außerhalb von Lima. Etwas weniger reich und etwas weniger schön: San Isidro, nicht mehr direkt am Meer gelegen, aber zwischen Miraflores und Lima. Hier fanden sich viele Häuse im exotischen Stil, wobei das exotisch aus peruanischer Sicht zu bewerten ist: Also nicht spanischer Kolonialstil bzw. Neokolonialstil, sondern beispielsweise im britischen Tudor Style, also Fachwerk. Heute sind hier auch einige Banken und Botschaften untergebracht.

Das Lama der Freiheit?

An der Huaca Puqllana vorbei, einer riesigen und dennoch unscheinbaren Stufen"pyramide" kamen wir zur Plaza de José de San Martín. Der Argentinier und Befreier Argentiniens und Chiles hatte auch die Unabhängigkeit Perús ausgerufen, welches allerdings erst durch Simón Bolivar tatsächlich befreit wurde. Unter der Reiterstatue steht die Verkörperung der Nation, die auf ihrem Helm ein Lama trägt. Es wird kolportiert, dass anstelle eine Lamas (span. Llama) dort eigentlich eine Flamme (span. Llama) angebracht werden sollte, eben die Flamme der Freiheit, der spanische Bildhauer habe sich vertan. Blogger wiederum verwerfen dies als Legende und weisen auf das Staatswappen Perus hin, welches im Feld rechts oben (Wappen werden immer aus der Sicht des (unterstellten) Trägers beschrieben, rechts oben ist als aus Betrachtersicht links oben) ein Lama zeigt. Das Tier sei einfach das peruanische Wappentier und es sei keine Verwechslung von Lama (Llama) und Flamme (Llama).
Wir fahren indes weiter und steigen beim Franziskanerkloster aus: Hier findet eine kleine Demo statt. Es sind die Pensionisten der Militärpolizei, die für eine Rentenerhöhung streiken.
Der Platz vor dem Franziskanerkonvent ist außergewöhnlich voll mit Tauben. "Hier werden sie nicht vertrieben", weiß Franz, "ganz in der Tradition des Hl. Franz von Assisi, der auch den Tieren predigte."
Wir laufen weiter, schauen uns Balkone an, mit und ohne celosías. Das spanische Wort celosía kommt von celoso, 'eifersüchtig' und ist verwandt mit der Jalousie. Vgl. frz. jaloux, davon engl. jealous.
Bei den celosías handelt es sich um ein spanisches Erbe aus der Maurenzeit. Die Balkone sind geschlossene Kästen, nicht offen, wie wir sie kennen. Bei den celosías handelt es sich um Holzgitter, welche den Blick von der Straße auf den Balkon und das dahinterliegende Zimmer verhindern, aber dem- oder derjenigen, der oder die auf dem Balkon steht, erlauben, das Geschehen auf der Straße zu verfolgen. In al-Andalus waren sie ursprünglich in den oberen Etagen der Innenhöfe der Paläste angebracht, wo die andalusischen adeligen Damen auf diese Weise teil am Geschehen im Hof nehmen konnten, ohne ihrerseits gesehen zu werden. Hier in Perú befinden sie sich an der Außenseite der Häuser.
Vorbei am Desamparados-Bahnhof (so benannt nach einem früher hier stehenden Jesuitenkonvent Nuestra Señora de los Desamparados - Unsere Frau der Schutzlosen), heute Herberge des Hauses der peruanischen Literatur, und an der ältesten existierenden Bar Limas gehen wir zur Plaza de Armas, dem 'Waffenplatz', dem Ort, wo sich früher, im Falle eines Angriffs, die wehrfähige Bevölkerung mit all den Utensilien traf, die sich als Waffe eigneten. Hier befinden sich das Rathaus von Lima, der peruanischen Präsidentenpalast, die Kathedrale und der Bischofssitz - der ebenfalls mit Balkonen mit celosías versehen ist.
Ich spreche mit einem peruanischen Polizisten, wie lange er eigentlich so vor dem Präsidentenpalast Wache schiebe: Heute von 6:00 - 13:00 Uhr und dann noch mal von 19:00 - 2:00 Uhr. Ich bin beeindruckt.
Franz wartet auf uns an der Ecke zwischen Rathaus und Präsidentenpalast, denn unser jetziges Ziel ist die Casa de Aliaga, in die man nur mit vorheriger Anmeldung kommt. Familie Aliaga wohnt hier, seitdem Francisco de Pizarro, der Chef der Conquista Perús, seinem Freund Jerónimo de Aliaga hier, ganze nahe seiner eigenen Residenz, die heute vom Präsidentenpalast überbaut ist, 1535 ein Haus bzw. eine Parzelle zugewiesen hat, heute in der 17. Generation. Und obwohl die Familie hier noch wohnt, ist das Haus zu gewissen Zeiten und nach vorheriger Anmeldung für den Besucherverkehr geöffnet. In seiner grundsätzlichen Architektur ist das Haus, das - wie auch die Kathedrale - auf einer alten Pyramide steht, noch dasselbe, wie im 16. Jhdt., auch wenn man das auf den ersten Blick natürlich nicht sieht. Hervorstechend ist vor allem das Mobiliar und die Wandverkleidungen aus dem 19. oder 20. Jahrhundert.
Anschließend besuchen wir noch den Franziskanerkonvent, wo wir die drei Nationalheiligen Perús kennenlernen, v.a. Martín de Porras, der im Kloster als Dienstbote lebte. Als unehelicher Sohn eines Kreolen und einer Sklavin konnte er kein Mönch werden. Er soll den Altar schwebend geputzt haben und in seiner Zelle sollen ein Hund, eine Katze und eine Maus gemeinsam gelebt haben, so stark soll sein friedensstiftender Charakter gewesen sein. Wir lernen auch Rosa de Lima, eigentlich Isabel Flores, kennen. Sie soll sich, um ihre Schönheit zu zerstören und ein gottgeweihtes Leben zu führen, ausgehungert und geritzt haben. Im 16. Jhdt. ein Zeichen von Heiligkeit und noch heutige Psychologen machen sich in Perú unbeliebt, wenn sie ihr eine Borderline-Störung attestieren.
Der dritte im Bunde war Juan Macías, der während eines Erdbebens in einer Kapelle aushielt, angeblich weil die Jungfrau Maria ihm versichert habe, dass ihm nichts geschehe.
In der Rosa Naútica ("Windrose") nahmen wir unser Abschiedsessen, bevor wir am späten Nachmittag die Fahrt zum Flughafen und damit die Rückkehr nach Hause antraten.

Mittwoch, 20. März 2019 – Zugfahrt nach Machu Picchu


Der folgende Morgen führt uns mit reduziertem Gepäck nach Ollantaytambo. Der Ortsname Ollantaytambo ist nicht abschließend geklärt, man weiß soviel, dass der hintere Part -tambo (vom Quechua -tampu) so etwas wie Vorratslager heißt. Ollantay wird auf ein Aymara-Wort zurückgeführt, eine Sprache, die bereits von einer Vorinkakultur aus dem Heiligen Tal verdrängt wurde, und der wir am Titicacasee noch begegnen werden. Ollantay soll Aussichtsposten bedeuten. Der Hybrid bedeutete also gewissermaßen "Aussichtspostenlager". Natürlich, so wie für einen Deutsch- oder Spanischsprecher Ollantaytambo nur ein Ortsname ohne erkennbaren Bedeutungsinhalt ist, so bedeutete der vordere Teil den Quechua ungefähr so viel wie "Lager 'Ollantay'". Obwohl Ollantaytambo ebenfalls über eine beeindruckende Anlage inkaischer (und wohl auch bereits früherer) Herkunft verfügt, ist es für die meisten Passanten - so auch uns - in erster Linie eine Station auf dem Weg nach Machu Picchu. Denn nach Machu Picchu kommt man auf zwei Wegen: Mehrtägiger Fußmarsch mit vereinzelten Gipfelstürmereien über den Inka-Trail (auch dies ist immer mal wieder im Reiseprogramm von Eberhardt Travel enthalten) oder - die meisten Touristen erreichen die lange unentdeckte Stadt so - per Zug.
Am Bahnhof nehmen uns Bedienstete unseres Hotels unser Übernachtungsgepäck ab - wir haben vorgesorgt und wirklich nur das Gepäck für eine Nacht dabei - und wir fahren direkt hoch nach Machu Picchu. Heute ist es zwar bewölkt, aber zum Glück nicht nebelig. Obwohl der Nebel auch einen Teil der Mystik dieses Ortes ausmacht. Er hat nur den Nachteil... dass man keine Panoramafotos machen kann.

Machu Picchu


Mijaíl führt uns zunächst an den "Kühlschränken" vorbei zum sogenannten "Wächterhäuschen. Von hier aus hat man einen tollen Überblick über die Kernanlage und Mijaíl kann uns das Gelände und auch ihre Planung, wie sie mit uns Machu Picchu erfassbar machen will, erklären. Für das Rasenmähen sind in Machu Picchu im Übrigen einige Regierungslamas zuständig. Lamas und Alpacas eben zwar normalerweise im Altiplano und ernähren sich vom Ichugras, welches hier unten im Nebelwald nicht wächst, aber sie scheinen sich - abgesehen von den nervigen Touristen - hier ganz wohl zu fühlen. Die Regierung spart sich den Rasenmäher, Touristen und Natur den unvermeidlichen Lärm und die Touristen haben ein Fotomotiv mehr. Ob die Lamas das auch als Win-Win-Situation begreifen, ist nicht bekannt.


Hasenmäuse

Unterstützt werden die Neuweltkamele von Hasenmäusen, den Bergviscachas, die hier in Machu Picchu zahlreich leben. Diese Tiere aus der Chinchillafamilie (aber nicht unsere handelsüblichen Zoohandlungschinchillas) sehen ein wenig so aus, als habe ein verrückter Wissenschaftler Gott gespielt und Kaninchen mit Eichhörnchen gekreuzt.
Zunächst gehen wir zum Sonnentempel, der, außer, dass er durch ein Fenster in Richtung Sonnenaufgang gekennzeichnet ist, eines der wenigen halbrunden Gebäude der Anlage darstellt, wie Mijaíl erklärt, ein typisches Charakteristikum für Sonnentempel der Inka.
Mijaíl zeigt uns auch einen Adelspalast mit einem Raum, der über etwas verfügt, was Archäologen als Toilette ansprechen. Jedenfalls verfügt das Gebäude über eine - auch heute noch funktionierende Wasserdrainage.
Anschließend geht es zum Heiligen Platz, wo sich der Haupttempel der Anlage (für Wirakocha) und der Tempel der drei Fenster befinden, zudem das sogenannte Haus des Priesters. Die drei Gebäude wurden nie fertig gestellt, dafür haben aber die Steinblöcke, aus denen sie errichtet wurden, ein gewaltiges Ausmaß.
Intihuatana

Wir steigen nun zum Intihuatana hoch. Alles, wo Inti drin steckt, hat etwas mit der Sonne zu tun. Intihuatana, gerne populär als "Sonnenuhr" bezeichnet, ist eigentlich der Ort, wo man die Sonne anbindet. Wie es heißt, hatten die Inka am kürzesten Tag des Jahres - dort der 21. Juni - Angst, dass die Sonne nicht mehr wiederkehren würde. Aus diesem Grund wollte man sie im übertragenen Sinne anbinden.
Von hier aus geht es zum heiligen Stein, der mit etwas Phantasie die Silhouette eines Meerschweinchens wiedergibt. Hinter dem Meerschweinchen befindet sich ein Weg zum Mondtempel, für den muss man aber extra angemeldet sein und nur eine reduzierte Menge von Menschen wird überhaupt dorthin hochgelassen. Der Weg soll nur für sehr Schwindelfreie etwas sein.
Im Anschluss sehen wir das Handwerkerviertel, dann gehen wir durch die "Kühlschränke", Lagerhäuser, die am Berghang gebaut sind und in denen es kühler als außen ist, Richtung Ausgang. Mijaíl bringt uns noch in unser Hotel unten am rauschenden Urubamba-Fluss der hier wirklich mit Macht durch das enge Tal drängt, er kocht geradezu, bevor sie mit dem Zug zurück nach Ollantaytambo fährt.
Donnerstag, 21. März 2019 - Zweiter Tag Machu Picchu und über Ollantaytambo nach Cuzco

Wir stehen früh auf, um den Sonnenaufgang in Machu Picchu zu erleben. Das heißt, die meisten von uns. Silvia beschließt, auszuschlafen und Aguas Calientes zu erkunden. Und wir?  Wir stehen oben in Machu Picchu vorm Eingang und kommen nicht rein. Seit Januar, erklärt mir einer der Wächter, wird man nur noch nach dem Zeitunkt reingelassen, der auf der Karte abgedruckt ist und da sind die wirklich streng. Ich hatte es im Oktober noch anders erlebt, da spielte die auf der Karte angedruckte Uhrzeit noch keine Rolle. Im Grunde gut so, aber für uns in dieser Situation natürlich etwas ärgerlich. Aber dafür spielt heute  das Wetter mit. Der Himmel ist tiefblau, die Arme und der Nacken des Reiseleiters am Ende des Tages knallrot.
Inti Punku

Zunächst bleibt unser kleiner Trupp noch zusammen, aber dann fasert es sich immer weiter aus. Unser Ziel ist Inti Punku, das Sonnentor. Sieht gar nicht so weit aus bis dorthin, aber man benötigt dann doch leicht vierzig Minuten. Ich bin nicht sicher, dass wir alle sechs dort waren, aber zumindest fünf von uns haben es bis dorthin geschafft. Ein Wächter der dort steht verrät mir, dass, wenn man durch Inti Punku dem Inka Trail noch weiter folgt, man an einen Aussichtpunkt kommt. Zu dritt folgen wir diesem Weg. Wir kommen an eine steile Treppe, wo sich in der Inka-Zeit so etwas wie ein Wachposten befand. Von dort aus sehen wir in einigen Kilometern Entfernung die Inka-Siedlung Winay Wayna, wo sich bei einem Wasserfall ein Wasserheiligtum befindet.
Inka-Brücke

Wir kehren zurück nach Machu Picchu, von den anderen sehen wir nichts mehr. Unser nächstes Ziel ist die Inkabrücke. Ein schmaler Weg führt entlang des Steilhanges des eigentlichen Machu Picchu-Berges dorthin. Machu Picchu liegt eigentlich auf einen Bergrücken zwischen den Gipfeln Machu Picchu und Wayna (oder Huayna) Picchu und auf den meisten Fotos, die man von Machu Picchu kennt, v.a. auf den emblematischen Fotos, liegt der namensgebende Berg im Rücken des Betrachters, wohingegen der Gipfel des Huayna Picchu - sofern nicht vernebelt oder wolkenverhangen - auf allen Fotos zu sehen ist. Wir sind jetzt also auf dem schmalen Steig am Rande des Steilhangs, der zur Inka-Brücke führt. Hin und wieder beobachten wir Vögel oder auch Schmetterlinge, besonders einer, der seine Fressfeinde verwirrt, indem er je nach Flügelschlag blau oder gelb aussieht, fasziniert uns. Aber er ist zu schnell oder weit weg, um ihn auf das Fotopapier zu bannen. Eine Einheimische raunt mir zu, das sei der Machu Picchu-Morpho. Bei der Inernetrecherche später finde ich viele Schmetterlinge der Gattung Morpho, diesen speziellen aber nicht.
Wir erreichen schließlich die Inka-Brücke, doch der Weg geht hier nicht weiter, ein Tor versperrt die Trasse. Wir wären eh nicht weitergegangen, denn der Weg wird immer schmaler. Die Brücke ist so angelegt, dass einige Holzbretter auf Steinen liegen, sie ist sehr schmal. Für uns, die wir die letzten Meter des Weges bis zur Brücke uns an einer in den Berg getriebenen Kette festhalten, ist es nur schwer vorstellbar, wie vor 600 Jahren Untertanen der Inka mit Lasten, ggf. auch Lamas diesen Weg nutzten. Die Brücke ist jedenfalls so eingerichtet, dass, nimmt man die Bretter weg, der Weg nach Macu Picchu erst mal versperrt ist. Flieht man aus Macu Picchu vor einem Eroberer, kann man die Bretter ebenfalls entfernen und so Zeit gewinnen, bis die Verfolger neue Bohlen zugeschnitten haben.
Wir kehren wieder zurück nach Machu Picchu, beim Stadttor trennen wir uns. Es ist heiß, die anderen beiden freuen sich auf ein kühles Blondes in Aguas Calientes und streben dem Ausgang zu, sie wollen nicht den Bus nach unten nehmen, sondern laufen. Das mit dem kühlen Blonden ist zwar verführerisch, aber ich will noch auf eigene Faust ein wenig durch die Inkaanlage streifen und das tue ich auch.
Heute ist es voller mit Touristen als gestern, ein paar selfiesüchtige Jugendliche rennen einem Lama hinterher, welches sich den Jugendlichen zu entziehen versucht. Zu ihrem Glück sind die Lamas nervige Touristen gewohnt und spucken nicht so schnell. (Obwohl es manchmal heißt, nur Lamas spuckten und Alpacas nicht, so stimmt das nicht, beide spucken, insbesondere dann, wenn sie den Umgang mit Menschen nicht gewohnt sind.)
Als ich auch Richtung Ausgang strebe, frage ich einen Aufpasser, wie lange ich wohl zu Fuß bis nach Aguas Calientes bräuchte. Er mustert mich kurz und sagt: "Du? Anderthalb Stunden." Es ist 11:20 Uhr, um 13:00 sind wir an der Bahnstation verabredet. Ich denke mir "das passt" und laufe los. Unterwegs denke ich zwischenzeitlich "oh, oh, das wird nichts mit 13:00 Uhr", aber tatsächlich: Gegen 12:55 bin ich erschöpft aber pünktlich am Bahnhof, der Aufpasser hatte mich gut eingeschätzt. Insgesamt sind die harten Treppen von Machu Picchu nach Aguas Calientes ziemlich anstrengend, sie gehen stark in die Beine, daran haben wir - Elke und Bernd waren ja auch gelaufen - noch zwei Tage später Spaß.
Gemeinsam besteigen wir den Zug und fahren zurück nach Ollantaytambo, wo Mijaíl, der Busfahrer und leider auch ein mittleres Verkehrschaos auf uns warten. Man stelle sich eine schmale Straße mit hohem Parkdruck vor und viele PKWs und Busse, die den Parkplatz am Bahnhof erreichen wollen, dazwischen Baufahrzeuge, wiel die sanitären Anlagen am Parkplatz gerade abgerissen (und hoffentlich neu gebaut) werden und niemand, der den Verkehr regelt. ... ... Genau!
Corinna und ich haben noch nicht genug von Steinen und wandern dem Bus voraus die Sraße hoch (etwa 700 m), um wenigstens von außen die Inkafestung Ollantaytambo zu fotografieren. Wir müssen sogar noch ein Minütchen auf den Bus warten.
"Wir wollen keinen Müll, auf dem unser Name steht"

Wir verlassen Ollantaytambo also und fahren in Richtung der Cervecería del Valle Sagrado, der Brauerei des Heiligen Tals. Die liegt zwar nur knapp zehn Minuten Fahrzeit entfernt, aber trotzdem machen wir noch einen Zwischenstopp, nämlich unterhalb der Sky Lodge, eines sehr exklusiven Hotels außerhalb von Ollantaytambo. Eigentlich liegt die Brauerei auch schon direkt hinter der nächsten Kurve.
Die Sky Lodge kann bis zu zwölf Gäste gleichzeitig versorgen, ist allerdings nur etwas für schwindelfreie Kletterbegeisterte, denn: Nur kletternd kann man sein in der Steilwand liegendes Hotelzimmer erreichen, nur kletternd gelangt man an sein Frühstück. 
In der Brauerei führt uns Barmanager Daniel nach der Begrüßung zunächst in den Keller, wo wir als erstes deutsches Gerstenmalz sehen und probieren. Daniel erklärt uns den Mälzprozess und stellte uns dann vor ein Rätsel. Perú habe so viele verschiedene Klimazonen: Die Wüste, den Regen- und den Nebelwald, verschneite Gipfel und fruchtbare Täler (und alles, was klimatisch zwischen den Extremen läge). So gut wie alles könne man in Perú anbauen. Nur ein Produkt müssten sie wirklich importieren: den Hopfen. Wieso das so sei, fragt der aus Lima stammende junge Mann. Und wir? Wir antworten mit Schulterzucken, keiner hat eine tragende Idee. Der Limeño klärt uns auf: Es liegt nicht an der Wärme, es liegt nicht an der Feuchtigkeit, es liegt einzig und allein am Licht und zwar an seiner Dauer. Der Hopfen braucht etwa 16 Stunden Tageslicht und das kann ein Land so nah am Äquator nicht leisten. Also importiert man neben Gerstenmalz aus Deutschland auch Hopfenpallets aus den USA.
Daniel erklärt uns den ganzen Brauvorgang, wie die Gerste gemälzt wird, wie man den Mälzungsprozess beendet und wie man maischt. Wie die Hefe hinzugefügt wird und den Zucker in Alkohol verwandelt. Die Maische wird an die Bauern der Umgebung abgegeben, die damit ihre Rinder und ihre Meerschweinchen füttern - die besten Cuys aus der Gegend, so Daniel, seien die in einem benachbarten Restaurant, dessen Besitzer seine Meerschweinchen ausschließlich mit Maische fütterten - die abgesunkene Hefe wird aufgefangen und wiederverwertet.
Nachdem wir den ganzen Brauprozess durchgegangen sind, bedauert Daniel, dass wir leider kein Flaschenbier mitnehmen könnten. Ein richtiges Pfandsystem gibt es nicht und in Perú sei der Großteil der Bevölkerung immer noch nicht daran gewöhnt, ihren Müll nicht irgendwo hin zu schmeißen. Aber sie seien eine ökologisch produzierende Brauerei, sagt Daniel. "Wir wollen keinen Müll, auf dem unser Name steht."
Das Wasser bekommt die Brauerei, die erst seit sechs Jahren (seit 2013) besteht, aus einer Quelle in einem nahegelegenen Dorf. Die Bewohner dieses Dorfes bekommen das Bier zu einem Drittel des Preises, wie die übrigen Gäste, weil es ihre Quelle, ihr Wasser ist.
Neben der ökologischen probiert sich die Brauerei auch in sozialer Nachhaltigkeit, denn im Grunde ist die Brauerei das Ergebnis aus dem Umstand, dass ihre Gründer ihr Hobby ausleben, um Nonprofitprojekte zu unterstützen, etwa solche zur Gleichstellung peruanischer Mädchen oder zur Umwelterziehung. Der Gewinn, den die Bauerei abwirft, wird also in die Brauerei selbst oder in die Gesellschaft der direkten Umgebung reinvestiert. Wir bekommen nun jeder fünf Bier in Probegläsern gereicht, verschiedene Lagertypen, ein Porter, jedes mit einem höheren Alkoholgehalt, und dürfen uns am Ende unser Lieblingsbier aussuchen. da gibt man uns ganz britisch dann noch ein Half Pint [ha:f paint] obenauf.
Über eine ganze neue Straße - nicht einmal Google Maps kennt sie [2. April 2019] - fahren wir nach Cuzco. Dort steigen wir im strömenden Regen aus - sollte die Regenzeit nicht seit gestern (20. März) vorbei sein? Wenige Minuten später gehen wir zum gemeinsamen Essen, in der Straße Calle del Medio an der Plaza de Armas, ins gleichnamige Restaurant, Calle del Medio.
Freitag, 22. März - Der Nabel der Welt

Nach dem Frühstückholt Mijaíl uns zur Stadtführung ab. Erste Station ist die Plaza de San Francisco, die von der Franzikuskirche beherrscht wird. Wir erfahren, dass im inkaischen Qosko (Nabel [der Welt]) dies ein Teil des Hauptplatzes war, gemeinsam mit der Plaza de Armas (oder Plaza Mayor], einige Straßen weiter. Im Prinzip sind das heute drei Plätze (Plaza Mayor, Plaza El Regocijo, Plaza de San Francisco), dazwischen feste Bebauung, z.T. aus der Kolonialzeit. In einem Hofeingang sehen wir ca. 500 Jahre altre Fresken. Obwohl Cuzco uns mit Regen begrüßt hat, ist die Stadt doch eigentlich recht trocken.
Wir kommen vorbei an dem Haus des Chronisten Garcilaso de la Vega el Inca, der Sohn eines Konquistadoren und einer Ñusta, einer Inka-Prinzessin. Unser nächstes Ziel ist der Gold- oder Sonnenhof. Coricancha oder Inticancha. Inticancha war der originale Name, aber heute ist der Gebäudekomplex, der vom Dominikanerkloster Cuzcos überbaut ist, unter (Convento de Santo Domingo de) Coricancha bekannter. Der Coricancha-Komplex soll vor der Ankunft der Spanier stark vergoldet gewesen sein, mit lebensgroßen Repliken von Tieren und Pflanzen in massivem Gold. Dieses Gold soll für die Befreiung Atahualpas aus der Hand der Spanier aufgewendet worden sein, die Spanier ließen es in Barren umschmelzen, so dass neben dem Gold vor allem auch kunstgeschichtliche Werte verloren gingen. Aber der Coricancha-Komplex, der aus verschiedenen Tempeln besteht, einem Sonnentempel, einem für den Regenbogen, für die Milchstraße (wobei die Inka in den dunklen Flecken der Milchstraße Tier wiedererkennen wollten), ein Wasserheiligtum und den Mond, ist immer noch, trotz seiner Überbauung durch den Dominikanerkonvent, beeindruckend, vor allem durch die Perfektion seiner Steine. Ein Stein etwa ist Teil eines Türrahmens und dreier Wände und perfekt eingepasst. Dabei ist alles unscheinbar und nichts schreit nach der Aufmerksamkeit der Besucher, man muss sich den Tempel regelrecht erschauen, die Perfektion entdecken. Es sind die kleinen Details, welche die Inkaarchitektur so faszinierend, welche auch den Coricancha-Komplex innerhalb der Inkaarchitektur so herausragend machen.
An mehreren kolonial überbauten Inkapalästen, die verschiedene Herrscher für sich errichtet hatten, gehen wir zum Zwölkantenstein. Der Zwölfkantenstein befindet sich in der Mauer des ehemaligen Erzbischofspalastes von Cuzco, des heutigen Museums für religiöse Kunst, zuvor Palast des Usurpators Inca Roca.
Schließlich gelangen wir zur aus drei Kirchen bestehenden Kathedrale von Cuzco. Thema sind die Spiegel, denn die Quechua des 16. und 17. Jhdts. waren fasziniert von den Glasspiegeln und die Missionare nutzten diese Faszination dafür, die Leute in die Kirche zu locken. Wir schauen uns auch ein Bild vom letzten Abendmahl an, bei dem die Apostel nach Auffassung von Mijaíl Chicha Morada (lila Maisbier) trinken und Mais und Meerschweinchen vor sich liegen haben. Teilweise finden sich in dem Bild auch Hinweise auf die Inka-Religion, wenn man sie denn erkennen kann. So befindet sich in einem Fenster hinter Jesus das Kreuz des Südens, welches mit dem Hauptgott der Inka, Wirakocha verbunden ist. Wollte hier ein christlicher Künstler die Anbindung der Quechua an den christlichen Glauben erleichtern, indem er den Schöpfergott der Inka mit dem Christengott gleichsetzte?
Nach dem Besuch der drei Kirchen der Kathedrale bringt uns Mijaíl zurück zu unserem Hotel, wir nutzen unsere Freizeit bis zum Abend auf unterschiedliche Weise.
Pisco in Cusco*
*Urheber dieser Überschrift sind Bernd und Elke
Eine Eigenheit des amerikanischen Spanisch, bei allen seinen dialektalen Unterschieden zwischen dem Río Grande und Feuerland, ist der sogenannte Seseo. Obwohl in amerikanischen oder deutschen Filmen auch Lateinamerikaner gerne lispelnd dargestellt werden, um den „spanischen Akzent“ zu markieren, lispeln die Lateinamerikaner also gerade nicht. Den ceceo gibt es nur in Spanien. Was bedeutet nun „seseo“ und was „ceceo“? „Seseo“ heißt, dass nicht nur -s- sondern auch -z- und -c- vor -e- und -i- wie -s- ausgesprochen wird, was in Lateinamerika korrekt ist, in Spanien dagegen eine regionale Eigenheit, Soziolekt und Regiolekt. „Ceceo“ bedeutet, dass außer -c- und -z- auch -s- wie -c- vor -e- und -i- ausgesprochen wird (entspricht in etwas englisch -th-), ein Phänomen, das in Teilen Spaniens vorkommt. Warum ich das berichte? Weil ich Cuzco normalerweise konservativ mit -z- schreibe, hier aber ausnahmsweise - wegen des Pisco - mit -s-, wie das in Perú üblicher ist. 
18:00 Uhr treffen wir uns also, um gemeinsam zur República del Pisco zu gehen, einem Restaurant und Bar. Zwei bleiben zurück, sie wollen an diesem Tag nicht mehr raus. Der Rest testet sich zunächst durch vier Sorten Pisco, einem Weinbrand aus fermentiertem Traubenmost, und schließlich mixen wir unter Anleitung der Barfrau unseren eigenen Pisco Sour. Vor uns haben wir einen Cocktail Shaker stehen, ein Glas, ein kegelförmiger Messbecher, das auf der einen Seite eine Unze auf der anderen Seite zwei Unzen umfasste sowie einen Strainer ("Abseiher"). Zudem haben wir vor uns stehen: Pisco, Zuckersirup, Limettensaft und Eiklar.
Zunächst sollen wir drei Unzen Pisco in den Cocktail Shaker geben. Wir kippen also in unseren kegelförmigen Messbecher erst in die größere, zwei Unzen umfassende Seite bis zum Rand Pisco und geben den in den Shaker, dann in die kleinere Seite. Anschließend geben wir je eine Unze Limettensaft und eine Unze Zuckersirup hinzu. Ich erwarte jetzt, dass wir einen Rührbesen bekommen, um das Eiklar schaumig zu schlagen. ... Falsch gedacht! Unsere Lehrerin reicht uns einen Eiswürfelbehälter und Zangen, wir sollen jetzt, damit sich das Eiklar nicht mit dem Rest verbindet, erst einmal sieben oder acht Eiswürfel in den Shaker geben. Die meisten nehmen acht Eiswürfel, ich nur sieben, man will sich seinen Pisco ja nicht verwässern. Jetzt geben wir die Unze Eiklar auf die Eiswürfel und bekommen ein Caipirinhaglas. Das sollen wir kopfüber auf den Cocktailshaker drücken und einmal kräftig auf den Glasboden schlagen. Nachdem wir das getan haben, prüfen wir, ob es dicht sitzt und keine Flüssigkeit zu den Rändern rauskommt, wenn man den Shaker kippt. Die Gläser sitzen dicht. Jetzt ist unsere Muskelkraft und Audauer gefragt, es geht ans shaken. Eine Hand an den Shaker, die zweite Hand ans Glas und kräftig geschüttelt. Wir schütteln so lange, bis durch das Caipirnhaglas zu sehen ist, dass der Getränkemix im Glas weiß ist. Fast fertig. Jetzt müssen wir den Pisco Sour ins Trinkglas umgießen. Nur - ¡verdammt! - das Caipirinhaglas sitzt fest im Cocktail Shaker. Ich glaube, ich sehe ein leicht diabolisches Grinsen unmerklich die Lippen unserer Lehrerin umspielen. Oder macht das nur das schummrige Licht der Bar? Sie nimmt einen unserer Shaker und schlägt mit dem Handballen vor die Stelle, wo das Caipi-Glas im Shaker klemmt. Man hört so etwas wie einen Schmatzer. Etwas skeptisch machen wir es ihr nach und nach ein bis drei Schlägen hat tatsächlich jeder das Caipi-Glas gelockert und kann es rausnehmen. Jetzt sollen wir mit zwei Fingern den Strainer - als den Abseiher - auf dem Shaker fixieren und seihen den Pisco in das bereit gestellte Trinkglas ab, so trennen sich am Ende Flüssigkeit und Eischnee wieder voneiander, der Eischnee kommt zuletzt als Schaumkrone oben auf den Pisco, wie es sich für einen Sour gehört. Jetzt bekommt jeder noch ein oder zwei Spritzer Angosturabitter auf seinen Pisco und wir gehen zurück zu Tisch. Da wir mit der República del Pisco vereinbart haben, dass wir nach der Pisco-Probe auch essen wollen und diese vor Beginn der Probe unsere Essensbestellungen aufgenommen haben, müssen wir nicht mehr lange auf unser Essen warten.
Samstag, 23. März 2019 - Von Cuzco nach Puno

Heute geht es von Cuzco nach Puno am Titicaca-See. Wobei, kaum dass wir aus Cuzco raus sind, halten wir auch schon wieder an. In Oropesa.
Die Brothauptstadt

Orpesa hat ihren Namen vermutlich von einer gleichnamigen spanischen Stadt (es gibt je zwei Städte in Spanien und Perú, die jeweils Oropesa heißen, woher die jeweils ihren Namen haben, lässt sich im Internet nicht seriös recherchieren, die Thesen, die angeboten werden, ist eine weniger plausibel als die andere). Übersetzte man den Stadtnamen naiv aus dem Spanischen ins Deutsche ("oro pesa"), würde er bedeuten "Gold wiegt [schwer]", aber das wäre in etwa so sinnvoll, wie die Stadt Essen als "Mahlzeit" zu übersetzen oder Berlin als "Bärlein".
Oropesa selbst bezeichnet sich als "Capital Nacional del Pan", also als "Nationale Hauptstadt des Brotes".
Wir steuern also eine Bäckerei an, die Mijaíl kennt, die Panadería de San Francisco, um festzustellen, dass diese gar nicht mehr existiert. Zum Glück gibt es in der Hauptstadt des Brotes mehr als nur die eine Bäckerei und wir gehen weiter. In der nächsten Bäckerei schämt man sich, es sei nicht aufgeräumt, man gibt sich schüchtern will nicht, dass Leute aus einem fremden Land die Bäckerei so fotografieren. Im übernächsten Haus befindet sich bereits die nächste Bäckerei, hier bekommen wir Zutritt. Man merkt den Bäckern ihre Müdigkeit an, es ist gegen 10:00 Uhr morgens und sie sind bereits seit 2:00 in der Bäckerei. Lediglich die fünfjährige Tochter eines der Bäcker ist fit. Wir werden in die Backstube geschickt, begleitet von der Fünfjährigen. Die Arbeit ist aufgeteilt, die Frauen kümmern sich um das Kneten des Teigs und das Formen der Brote, die Männer um das Befeuern des Ofens und das Backen.
Mijaíl, die gelernte Journalistin ist, stellt den Bäckerinnen einige Fragen, welche diese beantworten. Wir erfahren, dass sie ihr Tagwerk jetzt vollbracht haben und mit der Arbeit (fast) fertig sind (ein bisschen Teig geht noch, mindestens eine Fuhre muss also noch in den Ofen). Allerdings müssen sie jetzt noch die Hausarbeit machen. Gerade die junge Frau - sie gibt ihr Alter mit 30 an, ob die ältere ihre Mutter oder Schwiegermutter ist, erfahren wir nicht - hat mehrere Kinder und muss sich kümmern. Sie gingen gegen 22:00 Uhr ins Bett. Und um 2:00 stehen sie morgen wieder in der Backstube. Sie seien daran gewöhnt, erwidern sie unser Erstaunen. Als Gegenleistung dafür, dass sie uns einen Einblick nicht nur in ihren Arbeitsalltag, sondern ein wenig auch in ihr Privatleben gegeben haben, erzählt Mijaíl ihnen ein wenig aus ihrem Leben, von ihren Töchtern etc. Damit sich die beiden Bäckersfrauen nicht so ausgefragt fühlen, erklärt sie mir.
Andahuaylillas

Nach der Besichtigung der Bäckerei geht es vorbei an Pikillacta (Piki - "Floh", Llacta - "Dorf") eine Ruinenstätte die Präinka ist. Hier befindet sich das "Stadttor" von Cuzco. Kurze Zeit später biegen wir schon wieder von der Hauptstraße ab, unser Ziel ist die Kolonialkirche von Andahuaylillas, die bekannt für ihre Fresken ist. Man nennt sie auch die Sixtinische Kapelle der Anden.
Die Kirche ist auf einem ehemaligen Inkatempel errichtet, besonders interessant sind am Eingang die Gemälde, welche den dornigen Weg in den Himmel - eine Renaissanceburg - und den rosenbestreuten Weg in die Hölle zeigen. Auffällig ist auch die Dachkonstruktion sowie die Altäre, die im Andenbarock ausgeführt sind: Barock mit indigenen Elementen. Auch hier sehen wir wieder die Spiegel, mit welcher die Missionare die indigene Bevölkerung in die Kirche locken wollten. Heute wird Andahuaylillas von den Jesuiten betrieben, die den Tourismus gezielt nutzen, um Einnahmen für soziale Arbeit zu generieren, etwa für die Arbeit mit minderjährigen Müttern.
Wirakocha/Raqchi

Wir setzen unsere Fahrt in Richtung des Altiplano peruano weiter. Wir kommen vorbei an Urcos, wo es heißt, dass der letzte Inka hier seine Goldkette in den See warf, um sie nicht seinem Bruder zukommen zu lassen, der sich mit den Spaniern verbündet hatte. Heerscharen von Schatzjägern haben sie in dem besseren Teich nicht finden können und uns mangelt es gerade an Muße anzuhalten. Unser Ziel ist Raqchi, wo wir den letzten Inka-Tempel unserer Rundreise sehen werden, geweiht dem Schöpfergott Wirakocha. Seit fast 600 Jahren reckt sich die Mauer des Tempels, unten aus Stein, oben aus sonnengetrockneten Ziegeln nach oben, erst sei 20 Jahren trägt sie wieder ein Regendach, um die Lehmwand vor der Zerstörung zu schützen. Tierhaar, Knochen, Keramik und als Härter ein Kaktussekret sorgen für die dauerhafte Stabilität der Wand, welche den Tempel in der Hälfte teilt. 
Adelspaläste, die an einer Ost-West-Achse symmetrisch aufgereit sind runde Lagerhäuser schließen sich an. In in Raqchi soll sich die Inkaelite getroffen haben, wenn es darum ging, aus den führenden Familien einen neuen Inka zu bestimmen.  
Nach einem Besuch des Marktes fahren wir weiter, ins Feliphon, um Mittag zu essen. 
Abra la Raya

Unser nächstes Ziel ist auch gleichzeitig der höchste Punkt, den wir auf dieser Reise erreichen - wenn man mal von Höhenmetern im Flugzeug absieht. Es ist der La Raya-Pass, der auf 4.335 m NN liegt. In den Schmelzwassern der Gletscher der umliegenden Berge werden die Flüsse geboren, die entweder westwärts zum Pazifik fließen oder sich ostwärts mit vielen anderen Flüssen zum riesigen Netzwerk des Amazonas verbinden. Der Urubamba, den wir bei Machu Picchu als wilden kochenden Strom erlebt haben, beginnt hier als eiskaltes, ruhig dahinfließendes Rinnsal, das hier noch Vilcanota heißt. 
Unsere Fahrt geht weiter nach Süden, in Richtung des Titicacasees entlang eiens Baches, der irgendwann in den Río Ayaviri fließt und schließlich als Río Ramis im Titicacasee endet.
  Titicacasee

Wir halten noch einmal in Pucará, bevor wir durch das chaotische Juliaca ("Chuliacka") in Richtung des höchsten schiffbaren Sees der Welt fahren (3.801 m NN), in dessen 8288 Quadratkm der Bodensee fünfzehneinhalb mal hineinpassen würde. Am frühen Abend kommen wir in Puno an, César, unser Busfahrer, weiß noch eine Abkürzung und spart uns so sicher zehn Minuten.
  Abendes treffen wir uns fast vollzählig gemeinsam im Restaurant und obwohl wir alle zufrieden mit unserem Essen sind, schwärmt Silvia so sehr von ihrem Alpaca-Carpaccio, dass wir doch sehr neugierig werden. Schließlich beschließt der Großteil, am kommenden Abend das Alpaca-Carpaccio zu probieren.
    Sonntag 24. März 2019 - "Kamisaraki" - "Waliki"

Unsere heutige Tour wird von Nelly geführt. Nelly ist gewissermaßen die Verkörperung der Stadt Puno: Ihr Vater ein Quechua, ihre Mutter eine Aymara. Sie selbst hat in ihrer Jugend, als in der Stadt indigene noch mehr als heute diskriminiert wurden, nur Spanisch gelernt. Wer ist indigen in Perú? Das ist keine Frage der Herkunft, der Eltern oder der Hautfarbe. Man kann theoretisch zu 100 % indigen sein und es doch nicht sein, oder europäische oder afrikanische Gene in sich tragen und indigen sein. Ob man indigen ist, bestimmt in Perú die Muttersprache. Spricht man Quechua, Aymara oder eine der vielen kleinen Sprachen, die im peruanischen Amazonasgebiet gesprochen werden als Erstsprache, ist man indigen, spricht man sie nicht, dann eben nicht. Nelly selbst sieht sich als Quechua. Ihr Vater war Quechua, ihre Großeltern haben mit ihr manchmal Quechua geprochen. Aymara hat sie nicht gelernt, obwohl Puno doch die Stadt ist, die in der Nordhälfte von Quechua-Sprechern, in der Südhälfte von Aymara-Sprechern besiedelt ist. Die Quechua, sagt Nelly, seien sehr höflich, ein wenig romantisch oder kitschig, das sei schon in ihrer Sprache so angelegt. Die Ayamara meint sie - und ihre Mutter ist eine, ebenso wie ihr Ehemann - ihr Vater, selbst mit einer Aymara verheiratet, hatte sie gewarnt: Heriate nie einen Aymara! - seien eher hartgesotten. Auch dem läge der Aufbau der Sprache zugrunde.
Ein Thema, welches Nelly beschäftigt, ist der Machismo in ihrem Land. Sie selbst lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern bei ihrer Mutter. Das sei in Perú und insbesondere in den indianisch gesprägten Gegenden so, dass das jüngste Kind mit seinem Ehepartner bei den Eltern bliebe und diese bis zu deren Lebensende versorge, dafür erbe das jüngste Kind auch das Elternhaus (das Land würde dagegen geteilt). Nelly und ihr Mann haben dieselbe Arbeit, trotzdem ist es ganz selbstverständlich, dass sie nach der Arbeit noch den Haushalt schmeißt - wobei ihre Mutter ihr dabei hilft, ihr Mann dagegen hat nach der Arbeit Freizeit.    Sie spürt den Machismo auch an anderer Stelle. Wie ihr Mann hat Nelly Turismo studiert, Tourismus. Beide sprachen ursprünglich nur Englisch, welches sie im Studium lernten. Obwohl Nelly die besseren Noten hatte und beim Studienabschluss auch besser Englisch sprach als ihr Mann, bekam sie als Frau keine Aufträge. Erst als sie 2015 für drei Monate nach Cuzco ging, um dort in einer Sprachschule Deutsch zu lernen, bekam sie die Chance, sich als Reiseleiterin zu profilieren. Es gab zu wenig männliche Reiseleiter, die deutsch sprechen.
Unser erstes Ziel ist die Plaza de Armas von Puno, die wir aber nicht erreichen, denn heute findet hier ein Aufmarsch statt. Wir treffen unsere Rikschas daher eine Straße weiter und fahren dann, je zwei Personen auf einer Rikscha in einem Convoy von vier Rikschas durch Puno. Zum Glück geht es fast nur bergab, so dass die armen Rikschafahrer die mögliche Anstrengung vermeiden. Am Hafen treffen wir César (ja, gut aufgepasst, genauso wie der Busfahrer vom Vortag, aber nicht derselbe, es ist nicht das schlechte Gedächtnis des Verfassers sondern eine echte Namensgleichheit), der Kapitän unseres Bootes ist. Auf seinem Boot werden wir über den höchsten schiffbaren See der Welt fahren. Bzw.: einen sehr kleinen Teil davon, denn über die Bucht von Puno kommen wir nicht hinaus. Aber allein die ist mit 589 km² schon größer als der ganze Bodensee (536 km²).   Zunächst besuchen wir die Uros. Die Uros sind ein Volk, welches Ayamara spricht. Sie leben auf und mit dem See, auf schwimmenden Inseln, die sie aus den Wurzeln und Halmen eds Totora-Schilfs binden. Sie sollen zu dieser Lebensweise gekommen sein, als sie, damals noch als Fischer am Ufer lebend, vor der Eroberung der Region durch die Quechua sprechenden Inkas erst in ihren Booten auf den See geflohen sind und dann begannen sich dort im wahrsten Sinne des Wortes häuslich einzurichten.
Das erste was mir auffällt, ist eine kleinere Veränderung, seitdem ich im vergangenen Oktober bei den Uros war: jede Insel verfügt jetzt über eine schwimmende Toilette. Bisher pinkelten die Uros einfach hinter einer der Hütten in den See und für's große Geschäft setzten sie sich in ein Boot und begaben sich in die Binsen. Allerdings sind die neuen Toiletten wohl noch nicht gebrauchsfertig.
Auf jeder Insel leben ein bis drei Familien in mehreren Hütten, Pi*Daumen stehen dort drei Hütten pro Familie und jede Insel hat ihren Chef, den Presidente. Wir fahren zur Insel des Inselvorstehers Raúl und Raúl begrüßt uns, wie auch seine Frau und die anderen anwesenden Frauen mit "Kamisaraki" und reagieren auf unser Kamisaraki mit "Waliki". Raúl lädt uns ein uns hinzusetzen, er spricht nur Aymara mit uns. Auch auf Nellys spanische Ansprache reagiert er nur Aymara sprechend. Ich denke "okay, er versteht Spanisch, aber er spricht es offenbar nicht".
Raúl erklärt uns, wie die Inseln gestochen werden. Man benötigt dazu die schwimmende Wurzel der Totora-Binsen. Die muss also vom Grund gelöst werden. Je 10*10 m Tororawurzel werden geschnitten und dann mehrere solcher Quadrate zusammengebunden. Wichtig dabei ist, dass die Wurzeln leben, denn wenn sie sterben, schwimmen sie nicht mehr und sinken allmählich ab. Kein Problem, der Prozess geht so langsam, dass man nicht plötzlich nasse Füße hat sondern Zeit genug, um sich eine neue Insel zu bauen oder einfach das Stück abgestorbenes Schilfwurzel zu ersetzen. Als Laufffläche werden mehrere Schichten Totorabinsen auf der Insel ausgestreut, so dass man die Insel beziehen kann, wenn man etwa einen Meter Wurzelschicht und einen Meter drauf liegende Binsen hat. Die Binsen müssen immer wieder erneuert werden und so kommt die Insel von Raúl jetzt etwa auf drei Meter Mächtigkeit.
Die Binsen eignen sich aber nicht nur zum Boots-, Insel- und Hausbau, nein sie werdenauch genutzt als Kühlmittel, gegen Kopfschmerzen (ein junger Trieb wird aufgeschnitten, ausgerollt und z.B. wie ein Lappen auf die Stirn gelegt) und man kann sie auch essen. Nelly warnt uns, unsere Mägen seien nicht daran gewöhnt, ich probiere trotzdem - und soviel ich weiß, ist die gesamte Gruppe unvernünftig genug, es mir nachzutun. Es hat sich aber niemand in der Nachfolge über Magen-Darm-Probleme beschwert.
Raúl erklärt uns die Lebensweise, die Jagd, wie man auf den Inseln kocht und was passiert, wenn eine junge Frau einem jungen Mann in seinem Boot mit ihren Zöpfen winkt. Dann dürfen wir uns die Insel an-, auch gerne in die Hütten hineinschauen. Ich stehe etwas dumm in der Gegend herum - es ist mir unangenehm, in fremde Hütten zu spähe - da kommt Raúl zu mir, der plötzlich sehr gut Spanisch sprechen kann. Ich frage ihn, da viele Inseln beieinander liegen und nur wenige abseits des Uro-Dorfes, ob der Tourismus der Grund sei, warum sie so nahe beieinander lebten. Er antwortet mir, dass der Tourismus der Grund sei, warum die Uros alle auf getrennten Inseln und nicht alle auf einer gemeinsamen großen Insel leben. Das sei schade, sage ich. Der Tourismus ist eben ein zweischneidiges Schwert: Er bringt den Uros Geld, aber er verändert ihr Leben nicht nur zum Guten. Aber vielleicht sichert er ihr kulturelles Überleben und die Ökologie des Titicacasees.
Ich weiß nicht, was ich von seiner Angabe zu halten habe, denn er selbst erzählt mir, dass er früher bei seinen Tanten gewohnt habe, die weiter draußen auf dem See wohnten, wo die Uros lebten, die keine Touristen empfangen wollten, er sei ins Dorf gezogen, um mit den Toruisten Geld zu verdienen, wie er unumwunden zugibt (ich finde das auch voll in Ordnung!). Also alle ursprünglich auf ener großen Insel oder doch verstreut?
Raúl beschönigt ein wenig: "Das ist, wie wir leben", sagt er mir, auf meine Frage, ob er in der Woche an Land arbeite (heute ist ja Sonntag), nein, er würde fischen und jagen gehen, wie alle Uro-Männer. Im Oktober hatte ich etwas anderes gehört. Da hieß es, dass nur so wenge Männer zu sehen seinen, weil sie in der Woche in Puno arbeiteten. Ich glaube, Raúl will uns die "ursprüngliche Idylle" vor die Augen zaubern, vielleicht ist es für ihn unhöflich, uns die Realität vor Augen zu führen
Später unterhalte ich mich mit Corinna, die ist auch nicht zum ersten Mal hier, sie hat das Uro-Dorf noch ganz anders erlebt als ich, der ich gerade mal ein halbes Jahr zuvor das erste Mal hier war. Die Boote sind jetzt bunt lackiert, das gab es früher nicht, da war alles ursprünglicher, in den Farben der Binsen, erzählt sie. Wir stellen erneut fest, dass der Tourismus auch dort, wo wir die Ursprünglichkeit suchen, doch seinen Stempel hinterlässt: So ursprünglich die Uros leben, der Tourimus bestimmt das Leben der meisten von ihnen und indirekt wahrscheinlich auch derjenigen, die abseits der Gemeinschaft siedeln, um mit dem Tourismus nicht in Berührung zu kommen.
Anschließend wird uns eine kleine Bootsfahrt auf dem See im Schilfboot angeboten. Leider sind die Schilfboote auch nicht mehr was sie mal waren, ihre Hülle ist nach wie vor aus Schilf, aber weil sich Schilf mit Wasser vollsaugt und träge wird, haben die Uros die Plastikflaschen für sich entdeckt, die sie als Schwimmkörper in ihre Boote einbauen. Der Bau eines solchen Bootes dauert etwa zwei Monate, seine Haltbarkeit liegt bei einem Jahr.
Auf dem Boot singt uns Raúls Sohn "Alle meine Entchen" vor, in einem Mix aus Deutsch und dem, was er für den korrekten Text hält. Da er nur Spanisch spricht, frage ich ihn, ob er auch etwas auf Aymara singen könne, er singt ein Lied, das wir kurz zuvor gehört haben. Und als ich ihn frage, ob er das ins Spanische (Español) übersetzen könne, sagt er mir, er wisse nicht was das ist. Ich variiere meine Frage, ob er das ins Kastilische (Castellano) übersetzen könne, was er zwar bejaht, aber nicht umsetzt.
Die Frage Castellano oder Español ist daher interessant, weil sich die Lateinamerikaner nicht auf einen gemeinsamen Sprachgebrauch einigen können, obwohl die Sprache in allen Vefassungen als Español bezeichnet wird. Nur assoziieren die Lateinamerikaner einen der Sprachnamen immer mit den (verhassten [dies bitte nicht zu erst nehmen, der Groll richtet sich gegen die historischen Spanier]) Spaniern. In Argentinien sagt man mir, die Sprache heiße castellano, español sei die Sprache, die man in Spanien spreche. In Venezuela sagt man mir, die Sprache heiße español, castellano sprechen man in Castilla (Kastilien) in Spanien. In Perú hatte ich dasselbe gehört, castellano sei die Sprache von Kastilien (ergo Spanien), español die Sprache aller, der Spanier, wie der Lateinamerikaner. Jetzt erfahre ich in demselben Land von einem Sechsjährigen, dass der seine Erstsprache nur unter Castellano kennt, was doch angeblich die Sprache Spanier sei.
Luquina

Irgendwann müssen wir uns von Raúl und seinen "Untertanen" verabschieden und besteigen wieder unser Boot, das uns zur Halbinsel Luqina bringt. Hier bekommen wir nach einem kurzen Spaziergang unser Mittagessen.
Nach dem Mittagessen, das uns in tönernen Gesichtskochtöpfen serviert wird, setzen wir uns in die Sonne oder erkunden die nähere Umgebung unseres Rastplatzes. Ich beobachte dabei mehrere Spechte - überhaupt sehe ich dieser Tage in Perú viele Spechte, mehr als in Deutschland in mehreren Jahren - von denen Nelly später erzählt, dass sie hier unbeliebt seien. Nicht nur, dass sie Bruthöhlen in Trockenlehmmauern bauen, nein, sie gelten als Todesboten. 





Wir begeben uns wieder zum Boot, nach kurzer Aufregung um eine verlorene Brille, die sich schnell wiederfindet, legen wir ab und fahren zurück in Richtung Puno. César lässt uns am hoteleigenen Steg aussteigen.
Montag, 25. März 2019 - Nach Lima 

Puno am Titicacasee ist zwar die Hauptstadt des Departments, aber das wirtschaftliche Zentrum ist Juliaca. Puno ist von Bergen und dem See umgeben, Juliaca liegt auf dem Altiplano, wo der Begriff Hochebene wirklich im wahrsten Sinne des Wortes trifft. Juliaca ist der Verkehrsknotenpunkt des Departments. Hier wird gekauft, hier wird verkauft, hier wird geschmuggelt und hier wird Produktpiraterie (angeblich auf höchstem Niveau) betrieben. Hier müssen wir also hin.
Nein, wir haben natürlich nichts zu verkaufen und wollen auch nichts kaufen, aber der Flughafen liegt hier und den müssen wir benutzen. Vorher aber führt uns der Weg noch nach Sillustaní.
Zunächst halten wir bei einer Bauernfamilie bei Hatuncolla (Groß-Colla, der Hauptstadt der Colla-Kultur, der Kultur, welche die Grabtürme von Sillustaní errichtete und die hier bis zur Eroberung durch die Inka ihren Hauptort hatte). Wir bekommen Käse zu essen, sehen eine Schlangenapotheke gegen Rückenschmerzen, essen frisch gegarte Kartoffeln und Nelly ist eine Kartoffel, die man roh wie einen Apfel essen kann. Celestino führt uns die traditionellen Ackertätigkeiten vor und natürlich sehen wir seine Lamas und Alpacas sowie sein Guanaco. Eines seiner Alpacas ist ein Suri, Suris sind Alpacas mit "Dreadlocks".
Nach kurzem Aufenthalt müssen wir weiter, um die Grabtürme zu besichtigen. Es handelt sich dabei um den Friedhof der Adeligen der Colla-Kultur. Aufgrund der Perfektion mancher der Grabtürme hat man manche der Türme früher auf die Inka-Zeit datiert, inzwischen weiß man aber, dass auch die perfekt gebauten Grabtürme bereits prä-inka sind. Dementsprechend glauben manche, dass die perfekt polierten Mauern, wie wir sie von den Inka kennen, auf einer Technik basieren, welche die Colla entwickelt haben und welche die Inka ihnen abschauten.
Die Mumien wurden von oben in die Türme eingelassen (an einem ist noch die Rampe erhalten), kleine "Eingänge", die jeweils auf den Sonnenaufgang gerichtet sind, dienten der Versorgung der Mumien mit Trank- und Speisebeigaben (worüber sich sicher die Mäuse gefreut haben).
Nach etwa einstündigem Aufenthalt hier fahren wir zum Flughafen, Nelly checkt uns noch ein und schließlich fliegen wir nach Lima zur letzten Station unserer Reise. Franz, dem wir ja zu Beginn unserer Reise schon begegnet waren, holt uns wieder am Flughafen ab, und es beginnen unsere letzten 24 Stunden auf peruanischem Boden.
Dienstag, 26. März 2019 - Lima

Unser letzter Tag ist angebrochen, zumindest in Perú. Nach dem Frühstück holt uns Franz zu einer Stadtrundfahrt ab. Zunächst ging es durch Miraflores, das Stadtviertel der Reichen und Schönen, welches ursprünglich mal als Ausflugsort für Sommerfrischler gegründet worden war. Damals lag Miraflores noch sieben Kilometer außerhalb von Lima. Etwas weniger reich und etwas weniger schön: San Isidro, nicht mehr direkt am Meer gelegen, aber zwischen Miraflores und Lima. Hier fanden sich viele Häuse im exotischen Stil, wobei das exotisch aus peruanischer Sicht zu bewerten ist: Also nicht spanischer Kolonialstil bzw. Neokolonialstil, sondern beispielsweise im britischen Tudor Style, also Fachwerk. Heute sind hier auch einige Banken und Botschaften untergebracht.
Das Lama der Freiheit?

An der Huaca Puqllana vorbei, einer riesigen und dennoch unscheinbaren Stufen"pyramide" kamen wir zur Plaza de José de San Martín. Der Argentinier und Befreier Argentiniens und Chiles hatte auch die Unabhängigkeit Perús ausgerufen, welches allerdings erst durch Simón Bolivar tatsächlich befreit wurde. Unter der Reiterstatue steht die Verkörperung der Nation, die auf ihrem Helm ein Lama trägt. Es wird kolportiert, dass anstelle eine Lamas (span. Llama) dort eigentlich eine Flamme (span. Llama) angebracht werden sollte, eben die Flamme der Freiheit, der spanische Bildhauer habe sich vertan. Blogger wiederum verwerfen dies als Legende und weisen auf das Staatswappen Perus hin, welches im Feld rechts oben (Wappen werden immer aus der Sicht des (unterstellten) Trägers beschrieben, rechts oben ist als aus Betrachtersicht links oben) ein Lama zeigt. Das Tier sei einfach das peruanische Wappentier und es sei keine Verwechslung von Lama (Llama) und Flamme (Llama).
Wir fahren indes weiter und steigen beim Franziskanerkloster aus: Hier findet eine kleine Demo statt. Es sind die Pensionisten der Militärpolizei, die für eine Rentenerhöhung streiken.
Der Platz vor dem Franziskanerkonvent ist außergewöhnlich voll mit Tauben. "Hier werden sie nicht vertrieben", weiß Franz, "ganz in der Tradition des Hl. Franz von Assisi, der auch den Tieren predigte."
Wir laufen weiter, schauen uns Balkone an, mit und ohne celosías. Das spanische Wort celosía kommt von celoso, 'eifersüchtig' und ist verwandt mit der Jalousie. Vgl. frz. jaloux, davon engl. jealous.
Bei den celosías handelt es sich um ein spanisches Erbe aus der Maurenzeit. Die Balkone sind geschlossene Kästen, nicht offen, wie wir sie kennen. Bei den celosías handelt es sich um Holzgitter, welche den Blick von der Straße auf den Balkon und das dahinterliegende Zimmer verhindern, aber dem- oder derjenigen, der oder die auf dem Balkon steht, erlauben, das Geschehen auf der Straße zu verfolgen. In al-Andalus waren sie ursprünglich in den oberen Etagen der Innenhöfe der Paläste angebracht, wo die andalusischen adeligen Damen auf diese Weise teil am Geschehen im Hof nehmen konnten, ohne ihrerseits gesehen zu werden. Hier in Perú befinden sie sich an der Außenseite der Häuser.
Vorbei am Desamparados-Bahnhof (so benannt nach einem früher hier stehenden Jesuitenkonvent Nuestra Señora de los Desamparados - Unsere Frau der Schutzlosen), heute Herberge des Hauses der peruanischen Literatur, und an der ältesten existierenden Bar Limas gehen wir zur Plaza de Armas, dem 'Waffenplatz', dem Ort, wo sich früher, im Falle eines Angriffs, die wehrfähige Bevölkerung mit all den Utensilien traf, die sich als Waffe eigneten. Hier befinden sich das Rathaus von Lima, der peruanischen Präsidentenpalast, die Kathedrale und der Bischofssitz - der ebenfalls mit Balkonen mit celosías versehen ist.
Ich spreche mit einem peruanischen Polizisten, wie lange er eigentlich so vor dem Präsidentenpalast Wache schiebe: Heute von 6:00 - 13:00 Uhr und dann noch mal von 19:00 - 2:00 Uhr. Ich bin beeindruckt.
Franz wartet auf uns an der Ecke zwischen Rathaus und Präsidentenpalast, denn unser jetziges Ziel ist die Casa de Aliaga, in die man nur mit vorheriger Anmeldung kommt. Familie Aliaga wohnt hier, seitdem Francisco de Pizarro, der Chef der Conquista Perús, seinem Freund Jerónimo de Aliaga hier, ganze nahe seiner eigenen Residenz, die heute vom Präsidentenpalast überbaut ist, 1535 ein Haus bzw. eine Parzelle zugewiesen hat, heute in der 17. Generation. Und obwohl die Familie hier noch wohnt, ist das Haus zu gewissen Zeiten und nach vorheriger Anmeldung für den Besucherverkehr geöffnet. In seiner grundsätzlichen Architektur ist das Haus, das - wie auch die Katehdrale - auf einer alten Pyramide steht, noch dasselbe, wie im 16. Jhdt., auch wenn man das auf den ersten Blick natürlich nicht sieht. Hervorstechend ist vor allem das Mobiliar und die Wandverkleidungen aus dem 19. oder 20. Jahrhundert.
Anschließend besuchen wir noch den Franziskanerkonvent, wo wir die drei Nationalheiligen Perús kennenlernen, v.a. Martín de Porras, der im Kloster als Dienstbote lebte. Als unehelicher Sohn eines Kreolen und einer Sklavin konnte er kein Mönch werden. Er soll den Altar schwebend geputzt haben und in seiner Zelle sollen ein Hund, eine Katze und eine Maus gemeinsam gelebt haben, so stark soll sein friedensstiftender Charakter gewesen sein. Wir lernen auch Rosa de Lima, eigentlich Isabel Flores, kennen. Sie soll sich, um ihre Schönheit zu zerstören und ein gottgeweihtes Leben zu führen, ausgehungert und geritzt haben. Im 16. Jhdt. ein Zeichen von Heiligkeit und noch heutige Psychologen machen sich in Perú unbeliebt, wenn sie ihr eine Borderline-Störung diagnostizieren.
Der dritte im Bunde war Juan Macías, der während eines Erdbebens in einer Kapelle aushielt, angeblich weil die Jungfrau Maria ihm versichert habe, dass ihm nichts geschehe.
In der Rosa Naútica ("Windrose") nahmen wir unser Abschiedsessen, bevor wir am späten Nachmittag die Fahrt zum Flughafen und damit die Rückkehr nach Hause antraten.

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Guten Tag,

mit großem Interesse habe ich Ihren Reisebericht gelesen - toll! Ich habe nur nicht ganz verstanden, wie Sie am zweiten Tag zu den Ruinen Machu Picchus gelassen wurden (da Sie ja kein Ticket hatten und geschrieben haben, dass man die zugeteilte Tages- und Uhrzeit beachten muss).
Gab es viele Mosquitos in Puerto Maldonado? Und hatten Sie eine Typhus-Impfung machen lassen?
Ich werde im April nach Peru reisen und habe bin dankbar für Ihre Tipps.

Viele Grüße
Patricia Link

Patricia Link
08.01.2020

Hallo Frau Link,

es freut mich, dass Ihnen mein Reisebericht gefallen hat, es ist schön, wenn man erfährt, dass so ein Reisebericht hilfreich ist (und dabei hinreichend interessant geschrieben, dass auch andere als die Reiseteilnehmer sich dafür interessieren).

1.) Eintritt in Machu Picchu: Wir hatten Eintrittskarten für _zwei_ Tage in Machu Picchu, einen Tag mit der örtlichen Reiseleiterin, wo wir die geführte Tour hatten und anschließend gemeinsam unser Hotel aufsuchten, den zweiten Tag, wo wir die Möglichkeit hatten, uns frei zu bewegen. Das "Problem" am zweiten Tag war, dass wir früher als vorgesehen dort waren (weil wir den Sonnenaufgang in Machu Picchu erleben wollten) und die Museums-Security mittlerweile, was die Zeitvorgaben auf den Tickets anging, strenger und organisierter agierte, als noch wenige Monate zuvor.

2.) Mosquitos: Ja, es gab viele Mosquitos. Zum Teil sehr aggressiv! Unser Hotel (Inkaterra) hat ein biologisches Repelente, welches man ca. alle 20 Minuten wieder auftragen sollte, gegeben. die Zimmerfenster waren mit Mosquitonetzen versehen, ebenso die Betten. An einem Tag waren die Mosquitos aggressiver als an anderen. Vor Ort heißt es, man sollte das biologische Repellent des Hotels nehmen, das helfe besser als die synthetischen und sei weniger aggressiv gegenüber Haut und Umwelt. Abgesehen davon wird es vom Hotel ohne Mengenbeschränkung nachgefüllt, man produziert also keinen Plastik- oder Metallmüll.

3. Bzgl. der Impfungen sprechen Sie bitte mit Ihrer Hausärztin bzw. Ihrem Hausarzt. Informieren Sie ihn bzw. sie vielleicht vorher, wenn Sie den Termin machen, dass es um eine Reise nach Perú geht und in welche Gegenden Sie kommen, dass sie bzw. er sich vorher informieren kann. _Normalerweise_ ist es nicht nötig, sich gegen Typhus zu impfen. Schaden tut's natürlich auch nicht. Schauen Sie auch mal auf der Seite des Auswärtigen Amtes: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/perusicherheit/211938#content_4
Dort wird die Impfung gegen HepA empfohlen und "bei Langzeitaufenthalt oder besonderer Exposition" auch weitere wie HepB oder Typhus.
Ich habe Perú als sauberes Land erlebt, zumindest was Hotel- und Restauranttoiletten anbelangt (Vermüllung ist ein anderes Thema und da sind nicht die Peruaner allein dran Schuld.). Was Sie überall in Perú erleben werden, ist, dass man benutztes Toilettenpapier nicht ins Klo fallen lässt, sondern in den bereitgestellten Abfalleimer, der wird aber regelmäßig geleert.

Ich wünsche Ihnen eine schöne und erlebnisreiche Reise nach Perú, bleiben Sie gesund!

Andreas Böcker

Andreas Böcker 08.01.2020