Reisebericht: Große Rundreise durch Polen

31.08. – 11.09.2017, 12 Tage Thorn – Marienburg – Danzig – Elbing – Masuren – Warschau – Krakau – Breslau


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Fast zwei spätsommerliche Wochen in unserem schönen und vielgestaltigen Nachbarland sind ein bleibendes Erlebnis.
Ein Reisebericht von
Andreas Höhn

Donnerstag, der 31. August 2017– Anreise nach Thorn

Bei regnerischem Wetter verließen wir in aller Frühe Sachsen und fuhren ohne Verzug von Chemnitz über Dresden auf den Berliner Ring und bei Frankfurt/ Oder über die Grenze nach Polen. Aus schwülem Regen wurde hochsommerliches Sommerwetter. Der Reiseleiter erzählte allerhand über seine alte brandenburgische Heimat und seine Geburtsstadt Frankfurt/ Oder und das sich anschließende Lebuser Land und den hier im Mittelalter agierenden Templerorden. Weiter ging es nach Großpolen zur alten Handelsstadt Posen und vorbei an Polens ältester Haupt- und Bischofsstadt Gnesen mit der imposanten Doppelturmfront des gotischen Domes. Dahinter ein Blick auf Strzelno mit seinen beiden bedeutenden romanischen Kirchenbauten. Während der Fahrt erzählte der Reiseleiter wichtige Fakten über den Deutschen Orden und seine Landnahme im Pruzzenland, sowie über Stadt- und Burgengründungen und die Durchsetzung des Kulmer Rechts.
Um drei Uhr nachmittags bei schönstem Sonnenschein dann Ankunft beim Hotel in Thorn, das in gepflegten Parkanlagen unweit der Altstadt liegt. Wir konnten sofort die Zimmer beziehen und nachdem sich alle erfrischt hatten, zeigte uns Herr Christoph die Altstadt. Sein konzeptionelles Gerüst waren zehn Fragen zur Thorner Geschichte, von denen neun richtig beantwortet werden konnten. Die Führung begann mit einer Verkostung der berühmten Thorner Lebkuchen, die Katharinchen genannt werden. Dann ging es vorbei an einem Springbrunnen, der nachts zu Musik illuminiert wird, zur wahrhaft imposanten Mauer der vom Deutschen Orden gegründeten Stadt samt schiefem Wehrturm und dazu gehöriger Lovestory. Dazu die Stehprobe an der schiefsten Stelle, die niemand bestehen konnte. Vorbei an den gotischen Geburtshäusern des Astronomen Nikolaus Kopernikus besuchten wir die gotische Johanniskirche mit ihrem schönen Sterngewölbe. Hier wurde Kopernikus getauft und neben dem Taufbecken ist noch viel von der alten Ausstattung erhalten. Nicht weit war es bis zum Markt mit dem gotischen Rathaus aus dem 14. Jahrhundert. Neben einem Denkmal für den größten Astronomen der Stadt vom Berliner Bildhauer Friedrich Tieck gibt es einen hübschen Brunnen mit wasserspeienden Fröschen und einem Geige spielenden Jungen. Die Sage dazu ähnelt der des Rattenfängers von Hameln, geht aber deutlich freundlicher aus. Hier verabschiedete sich Christoph, nicht ohne noch Werbung für seine Ferienwohnungen und für den Winzer an der Nahe zu machen, bei dem er jeden Winter die Reben beschneidet. Nachdem alle noch ein wenig Freizeit hatten, traf man sich im Hotel zum Abendbuffet und anschließend schlenderten viele noch in den warmen Sommerabend zum musikalischen Springbrunnen, an dem reges Treiben herrschte und weiter in die studentisch belebte Altstadt. Nach Mitternacht holte uns dann die Regenfront ein, denn schließlich war mittlerweile mit dem September der meteorologische Herbst angebrochen.

Freitag, der erste September– Marienburg und Danzig

Von Thorn an der Südspitze des ehemaligen Deutschordenslandesfuhren wir weiter nach Norden vorbei an Burgen und Stadtgründungen des Ordens, zu denen der Reiseleiter seine Ausführungen machte. Wir passierten so, immer auf nagelneuer Autobahn parallel zur Weichsel fahrend Kulm, das neben Thorn als schönste mittelalterliche Stadt Polens gilt, dann die Festungsstadt Graudenz, deren mächtige Speicher wie ein Wall an der Weichsel stehen, dann Marienwerder mit der Domburg und dem größten Dansker, einer Riesentoilette über dem Fluß, zuletzt noch Gnewe mit der Ordensburg und Pelplin mit seiner weitestgehend original erhaltenen Zisterzienserkirche. Allein diese Historisch bedeutsame Strecke wäre mehr als eine Tagestour wert, aber uns zog es zur Marienburg, dem größten profanen Backsteinensemble überhaupt, in dem seit 1309 der Hochmeister des Deutschen Ordens residierte. Nachdem es morgens und auf der Fahrt teilweise recht kräftig geregnet hatte, verzogen sich in Marienburg die Wolken und der Himmel riss auf, so dass unsere Führung trocken vonstatten gehen konnte. Hier hatten wir mit der Deutschlehrerin Frau Anna eine sehr kompetente Führerin, die uns zunächst durch die Vorburg in den Innenhof und dann durch Rempter, Hochmeisterpalast, Schatzkammer und Küchentrakt in die erst letzten Winter komplett eingewölbte Kirche führte, in der neben diversen Wandmalereien und gotischen Figuren gleich zwei noch spätromanische Portale mit überreichem Figurenschmuck erhalten sind. Bei den klugen und törichten Jungfrauen denkt man unwillkürlich an Bamberg oder Naumburg. Selbst ein aussagekräftiges Stück Fußboden darf man betreten, allerdings mit Plexiglas zwischen Kacheln und Schuhen. Seit kurzem zu bewundern ist ein spätgotischer Altar mit einer Marienkrönung und einem Stifterwappen aus der Markgrafschaft Meißen, schließlich war der zeitgenössische Hochmeister ein Wettiner.
Die Marienburg ist einmalig in ihrer Ausdehnung am Fluß Nogat, der unweit in die Weichsel mündet. Und noch immer stoßen Archäologen auf weitere Grundmauern von Vorburgen und Wirtschaftshöfen. Jedes Jahr kommen neue Bauten oder Teile davon hinzu. Im Keller dann die schönsten gotischen Altäre und Skulpturen, sehr gut präsentiert und ausgeleuchtet. Nach der Führung konnte man sich noch weitere Details ansehen oder rittermäßig rustikal im Zelt speisen, bevor es zur Königin der Hanse nach Danzig ging.
Auch in Danzig bekamen wir umgehend die Zimmer und anschließend bot der Reiseleiter einen kleinen Spaziergang an. Unser Hotel lag ja direkt in der Altstadt zwischen Bartholomäus- und Katharinenkirche, hinter der wiederum die Brigittinnenkirche liegt, allesamt hochgotische Backsteinbauten. Gegenüber liegt die Große Mühle, im Mittelalter einer der frühen Industriebetriebe des Ordens. Dahinter das in holländischem Reaissancestil erbaute altstädtische Rathaus mit dem Denkmal des Astronomen Jan Hevelius, der auch Bürgermeister war. Von hier zur Markthalle und der dahinter liegenden Nikolaikirche und schon verließen wir die Altstadt und wechselten zur nach Kulmer Recht gegründeten Rechtstadt, sahen das Zeughaus und liefen auf dem Königsweg durch das Grüne Tor zur Mottlau, an der einst der Hafen mit seinen Kaufmannshäusern und backsteinernen Stadttoren war. Hier spazierten wir bis zum berühmten riesigen Krantor, das 1442-44 gebaut wurde, um Schiffsmasten aufrichten zu können. Ab hier hatten alle einen guten Überblick über die Struktur der Altstadt und konnten gut ihren jeweiligen Interessen nachgehen, bevor es im Hotel ein leckeres Abendbuffet gab.

Sonnabend, den zweiten September– Oliva und Danzig

Pünktlich um neun holte uns eine Danziger Frau Anna im Hotel zur Stadtführung ab und los ging es mit unserem Bus zum Zisterzienserkloster Oliva. Wir passierten dabei die ehemalige Leninwerft mit dem Denkmal des Arbeiteraufstandes der Gewerkschaft Solidarität. Hier erzählte uns Frau Anna, dass die gegenwärtige polnische Regierung gerade die Geschichtsbücher ändern und die Rolle von Lech Walesa tilgen lässt. Nach neuer Lesart haben allein die Zwillingsbrüder Kaczynski den Aufstand organisiert und die politische Wende in Polen herbei geführt. Leider fehlen Fotos, aber mit moderner Technik wird man schon geeignete finden. Danach fuhren wir am Bernsteinstadion vorbei, das für die Fußball-WM 2012 gebaut worden war und anschließend kam mit dem Stadtteil Langfuhr die Lebenswelt des Günter Grass in unseren Blick. In Saspe ist aus einem kleinen Fischerdorf ein riesiges Neubaugebiet geworden und in Oliva schien die Zeit stehen geblieben zu sein. 1186 hatten die Zisterzienser mit der Anlage ihres Klosters begonnen. Acht Dörfer hatte der pommersche Herrscher ihnen geschenkt, um zivilisatorisches Know how ins Land zu holen und um eine standesgemäße Grablege für sein Geschlecht zu stiften. Beide Pläne gingen auf. Die Mönche bauten am Olivabach Teiche und Mühlen, in denen sie auch Hämmer betrieben. Nach der Reformation, die in Danzig schon 1518 griff, wurde ihre Kirche von den Katholiken als Hauptkirche genutzt, ab 1925 war sie Sitz des neu gegründeten Bistums Danzig. Die alte Ausstattung wurde fast komplett zu Beginn des 17. Jahrhunderts von den Schweden geraubt oder vernichtet, die ziemlich einheitliche Barockausstattung entstand nach dem Frieden von Oliva ab 1688. Nur der an den Petersdom angelehnte Hochaltar von 1606 hat diese Raubzüge überdauert. Prunkstück der Kathedrale ist die Orgel, die eigentlich aus drei Instrumenten besteht, die von einem Tisch aus gespielt werden können. Sie 1763-88 von Johann Wulf aus Wormditt gebaut und besitzt 7876 Pfeifen Üppige Schnitzereien und diverse mechanische Teile lassen das Spiel auch optisch abwechslungsreich erscheinen. Wir konnten einem kleinen Konzert mit Stücken von Bach, Saint Saens und Tschaikowski, sowie technisch prägnanten Phantasien beiwohnen.
Danach ging es zurück nach Danzig, wo wir an den Speicherinseln ausstiegen und die Mottlau entlang und durch mehrere Gassen zur Marienkirche gingen, die die größte Backsteinkirche überhaupt ist. Ihre einst reiche Ausstattung ging zwar nach der Reformation und nach dem Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen verloren, ist aber immer noch eindrucksvoll mit gotischem Hauptaltar und Kreuzigungsgruppe, diversen Nebenaltären und der astronomischen Uhr. Durch die lange Straße liefen wir dann zum Ensemble aus goldenem und Königstor, sowie dem Stockturm und bekamen noch eine kleine Vorführung zum Bernsteinschliff, bevor wir Anna verabschiedeten. Die meisten Gäste unternahmen eine Bootsfahrt zur Westerplatte, wo fast genau vor 78 Jahren mir den Schüssen der Schleswig Holstein der Zweite Weltkrieg begann.

Sonntag, der dritte September– Oberländischer Kanal

Um neun Uhr verließen wir Danzig in Richtung Osten und vorbei am frischen Haff ging es auf einer gigantischen Großbaustelle entlang bis Elbing, wo wir auf die Schnellstraße nach Warschau abbogen, um bald bei Buchwalde an den Oberländischen Kanal zu gelangen. Nachdem wir uns ein wenig die Beine vertreten konnten, gab es zur Begrüßung einen Kräuterwodka und wir bestiegen das Ausflugsboot Cyranka, zu deutsch Entlein, mit dem wir über die vier spektakulären und berühmten Schienenwege Richtung Elbing zurück fuhren.
Nach langen Diskussionen bei Parlament und Krone konnten sich die Großgrundbesitzer erst bei König Friedrich Wilhelm IV. mit dem Projekt eines Kanals zum Transport ihrer Produkte, vor allem Holz und Getreide, durchsetzen. Von 1844-60 wurde unter Leitung des Königsberger Wasserbaumeisters Georg Steenke von Elbing bis Osterode der Kanal gebaut, was einer Strecke von 87 Kilometern entspricht. Auf dem relativ kurzen nicht einmal zehn Kilometer langem Abschnitt zwischen Buchwalde und Kussfeld müssen insgesamt fast einhundert Höhenmeter überwunden werden, was mit Schleusen zeitraubend und unwirtschaftlich gewesen wäre. Deshalb baute man auf fünf geneigten Ebenen Schienen, auf denen ein Rollwagen die Schiffe aus dem Wasser über die Ebene ziehen kann. Als Gegengewicht fungiert ein in Gegenrichtung fahrendes Schiff oder wenn dies nicht vorhanden, Gewichte. Täglich befuhren zwischen zehn und 57 Schiffe den Kanal, aber seit dem Bau einer Eisenbahnstrecke 1893 sank die Auslastung stetig, weshalb man immer mehr auf eine touristische Nutzung umschwenkte. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schiffsverkehr eingestellt und 1948 nach einigen Reparaturen wieder aufgenommen. 1992 übernahm die Stadt Osterode den Verkehr, seitdem befahren jährlich vom ersten Mai bis Ende September mehr als dreißigtausend Gäste das einmalige Industriedenkmal.
Unsere Fahrt gestaltete sich recht kurzweilig, weil immer wieder interessante Informationen über den Kanal und die passierten Orte geliefert wurden. Dann gab es zum Mittagessen riesige Krakauer Würste mit Gurke und anschließend konnte man noch Kuchen essen. Natürlich fehlten auch nicht typisch polnische hochgeistige Getränke, mit denen das Personal herumkam.
Anschließend fuhren wir nach Sensburg in unser direkt am See gelegenes Hotel, wo wir gleich die Zimmer beziehen und bald zum Abendessen gehen konnten.

Montag, den vierten September– Rundfahrt durch die Masuren

Unsere örtliche Führerin Janina holte uns vom Hotel ab und wirfuhren sofort nach Rastenburg. Die vom Deutschen Orden gegründete Stadt wird von der monumentalen Kirche dominiert, die wie eine Burg mit zwei mächtigen quaderförmigen Türmen auf dem höchsten Punkt gebaut wurde. Am Fuß dieser Gottesburg liegt die gut erhaltene Ordensburg, die heute ein Museum birgt. Wir durchquerten den Ort, sahen auch das Rathaus mit dem Stadtwappen, einem Bär unter drei Fichten, und fuhren durch dichte Waldgebiete zur Wolfsschanze, dem ehemaligen Hauptquartier der nationalsozialistischen Heeresleitung unter Führung von Hitler. Auf dem Weg lag das Örtchen Karlshof, wo sich eine der bedeutendsten psychiatrischen Heilanstalten Ostpreußens befand. Als die Organisation Todt unweit von dort den Bau der Wolfsschanze beschlossen hatte, bedeutete dies das Aus für die Insassen und der gesamte Gebäudekomplex wurde requiriert. Ein Stück weiter liegt mitten im Wald das von der Wehrmach beim Abzug gesprengte Areal der Wehrmachtsführung. Dem Stabsoffizier Stauffenberg misslang am 20. Juli 1944 hier ein Attentat auf Hitler, woraufhin viele Beteiligte verhaftet und nach einem Schauprozess hingerichtet wurden. Zu den Verschwörern zählten auch Angehörige alter ostpreußischer Familien, wie den Dönhoffs. Herr Jaroslaw, der sich seit Jahrzehnten mit der Region beschäftigt, über die er auch mehrere Bücher veröffentlicht hat, erwartete uns auf dem Parkplatz und erläuterte Geschichte und Topografie des Geländes. Anschließend konnte man bei ihm seine auch deutsch publizierten Bücher erwerben.
Die nächste Station konnte kontrastreicher nicht sein. Hochbarock baute der Jesuitenorden im Rahmen der Gegenreformation das Kloster Heilige Linde. Einem zum Tode Verurteilten soll die Madonna erschienen sein, die ihm ein Stück Holz gab, aus dem der eine wunderschöne Madonna schnitzte, die seitdem verehrt wurde und immer mehr Pilger anzog. Neben den illusionistischen Fresken auf Wänden und an der Decke ist die prachtvolle Barockorgel ein Hauptanziehungspunkt. Das unlängst von der Firma Sauer aus Frankfurt an der Oder restaurierte Instrument besitzt fast viertausend Pfeifen und 42 Register. In einem kleinen Konzert konnte man ähnliche mechanische Spielereien bewundern, wie in Oliva. Gleich gegenüber der Kirche hatte Janina für uns einen Mittagsimbiss mit polnischen Gerichten organisiert und anschließend ging es nach Nikolaiken, dem wohl bekanntesten touristischen Ort der Masuren. Nach einem Stadtbummel unternahmen wir eine Bootsfahrt auf dem Spierdingsee, mit 113 Quadratkilometern Oberfläche dem größten in Polen. Die breiteste Stelle ist 22 Kilometer breit, dafür die tiefste Stelle ist nur 23 Meter tief, was der Form des eiszeitlichen Geschiebes geschuldet ist. Trotz des nicht ganz so schönen Wetters begegneten uns viele Segler und an den Ufern konnte man viele Wasservögel beobachten. Nach der Bootsfahrt ging es zur Fondation Eulalia, wo wir auf einem im Wald gelegenen Anwesen ein von musikalischen Einlagen umrahmtes Essen bekamen.

Dienstag, den fünften September– Warschau

250 Kilometer waren bis Warschau zu fahren, wo wir gleich in unserem fünf Sterne aufweisenden Hotel zwischen sächsischem Park und Altstadt einchecken konnten. Unsere Führerin Malgorzata wartete bereits und mit ihr gingen wir die alte Krönungsstraße entlang zur Altstadt. Gleich beim Hotel steht die klassizistische Kirche der Lutheraner, die mit ihrer hohen Kuppel an französischen Vorbildern lehnt. Dann sahen wir zunächst die Kirche der Schwestern der Heimsuchung Mariä, die als die schönste von Warschau gilt. Wunderbarerweise blieb sie im Krieg unzerstört. In der Nähe dann die Kreuzkirche mit dem Herz von Frederyk Chopin und schon ist man am Rand der Altstadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg komplett neu aufgebaut werden musste. Vor dem Schloss steht wieder die Sigismundsäule aus dem Jahr 1633, das erste singuläre Denkmal Polens zu Ehren König Sigmund III. Wasa. Im Schloss kann man wieder die 23 Veduten von Canaletto bewundern. Die Kathedrale ist eine schlichte Backsteinhalle, während die daneben stehende Jesuitenkirche barocke Pracht verkörpert. Über den altstädtischen Markt mit seinen doppelt abgetreppten Dächern, die das rückwärtig angesetzte Treppenhaus beleuchten, ging es durch neu aufgebaute Wehrmauern und Barbakane in die Neustadt. Hier ist gerade das Geburtshaus der Maria Sklodowska, besser bekannt als Madame Curie, restauriert worden. Der Dichter E.T.A. Hoffmann war zu Beginn des 19. Jahrhunderts preußischer Beamter in Warschau und lebte im Haus „Zum Samson". Auf dem neustädtischen Markt verabschiedete sich unsere Führerin und individuell verbrachte man die Stunden bis zum gemeinsamen Abendessen im Hotel.

Mittwoch, den sechsten September– Wilanow

Malgorzata holte uns zeitig ab und per Bus ging es rund um die Altstadt vorbei am Kulturpalast durch das diplomatische Viertel. Abschließend stiegen wir am Lazienskipark aus und besichtigten das Sommerschloß des letzten polnischen Königs Stanislaw August II. Poniatowski, das inmitten idyllisch angelegter Teiche aus einem ehemaligen Badehaus entstand. Für den Neffen und designierten König Josef Poniatowski wurde bis 1784 im noch spätbarockem Stil das Mysliwiecki- Schlösschen errichtet. Leider fiel dieser hoffnungsvolle Fürst in der Völkerschlacht. Weiter fuhren wir ein Stückchen nach außerhalb zum Schloß Wilanow, der Sommerresidenz König Jan III. Sobieski, des Helden von Wien, der dort 1683 vernichtend ein Türkenheer schlug. Inmitten eines barocken Gartenreichs steht das von Italienern gebaute Schloß, dessen Ausmalung eine Huldigung an die aus Frankreich stammende Königin darstellt. Nach Sobieski residierten hier die beiden Wettiner, von denen denn auch sehr gute Porträts den Ballsaal schmücken. Am Nachmittag ging jeder seinen Neigungen nach und ein Teil der Gruppe ging mit dem Reiseleiter in das Nationalmuseum, wo neben den berühmten nubischen Fresken von Faras die herausragenden sakralen Kunstschätze aus Schlesien und den ehemals preußischen Provinzen zu bewundern sind.

Donnerstag, den siebten September– Sandomierz und Chopin

Nach dem Frühstück fuhren wir parallel zur Weichsel in das malerisch über dem Fluß gelegene Sandomierz, wo wir im Restaurant Sarmacka zu Mittag speisten. Anschließend zeigte uns Stadtführerin Dorota die im 16. Jahrhundert durch den Getreidehandel reich gewordene Stadt, die mit einem unterirdisch gelegenen mittelalterlichen Kellersystem wirbt. Seit einigen Jahren ermittelt hier der populäre Fernsehpater Matthäus, sozusagen ein polnischer Pater Brown. Vom Opatowtor nahe beim Benediktinerinnenkloster gingen wir über den Markt mit seinem Renaissancerathaus zur mächtigen gotischen Kathedrale und von da über da hinunter zur Weichsel, wo unser Bus wartete, um den Rest der Strecke nach Krakau zu bewältigen. Dort angekommen konnten wir umgehend die Hotelzimmer beziehen und der Reiseleiter brachte einige Gäste in die Altstadt zu einem Chopinkonzert eines vielfach ausgezeichneten Pianisten.

Freitag, den achten September– Krakaus Altstadt

Beim morgendlichen Treffen im Hotel galt es zunächst, zwei Geburtstagskindern aus der Gruppe mit einem Lied zu beglückwünschen. Frau Grzelak feierte einen runden Geburtstag und Herr Gade eine runde Quersumme. Der Reiseleiter hatte für beide Jubilare ein hochgeistiges und typisch polnisches Geschenk.
Von unserem strategisch günstig zwischen Altstadt, Wawel und Kazimierz gelegenem Hotel in der Gertraudenstraße führte uns Stadtführerin Elisabeth oder Ela durch die Grodzka, eine der ältesten Straßen und Teil der Via Regia, sowie Krönungsweg. Neben prächtigen Häusern von Kanonikern und reichen Bürgern passierten wir die romanische Andreaskirche, sowie die benachbarte Jesuitenkirche Peter und Paul, die nach dem Vorbild von Il Gesu in Rom gebaut wurde. Auf dem halben Weg zum Markt kann man in der Stadtinformation nicht nur Material über Krakau bekommen, sondern auch einige für den Dom bestimmte Jugendstilfenster von Stanislaw Wyspianski bestaunen, der auch die benachbarte Franziskanerkirche ausgemalt und mit herrlichen Fenstern geschmückt hat. Mehr neogotisch beeinflusst kommt dagegen die gegenüber liegende Dominikanerkirche daher. Ein Abstecher führte ins Universitätsviertel, wo wir im Innenhof des gotischen Collegium Maius um elf Uhr dem Öffnen der mechanischen Uhr beiwohnen konnten. Gründer, Kanzler und Amtsträger der nach Prag zweitältesten Universität Mitteleuropas spazieren im Reigen durch ein Türchen heraus in ein anderes hinein. Dazu ertönt das Gaudeamus Igitur.
Nicht weit ist es bis zum Markt mit den berühmten Tuchhallen aus dem 14. Jahrhundert, in deren Gewölben Kunst und Kitsch verkauft werden. Vom Turm des 1820 abgerissenen gotischen Rathauses hat man einen schönen Blick über Altstadt und Wawel. Punkt zwölf erklingt von einem Turm der Marienkirche das abrupt endende Trompetensignal, der Hejnal, das täglich im Radio übertragen wird. In der Kirche konnten wir der Öffnungszeremonie des berühmten Marienaltars von Veit Stoß beiwohnen, die eine Nonne vollzieht. Dieser größte mittelalterliche Schnitzaltar, dessen fast 200 Figuren Ende des 15.Jahrhunderts entstanden, stellt alles andere in den Schatten und zeigt erschütternd realistisch die menschliche Agonie.
Nach diesem künstlerischen Höhepunkt hatten alle Gäste Freizeit und die meisten trafen sich am Nachmittag im Hotel zur Besichtigung des jüdischen Viertels in der ehemals autarken Stadt Kazimierz. Hier zeigte uns Ela mehrere pittoreske Örtlichkeiten, an denen auch Teile des Films „Schindlers Liste" gedreht wurden. Wir besichtigten mehrere Synagogen, das Rathaus, sowie die gotische Fronleichnamskirche der Chorherren vom Lateran, deren Ausstattung allerdings dem Barock verpflichtet ist. Im Restaurant „Klezmer Hois", das in einer ehemaligen Mikwe, einem rituellen Bad untergebracht ist, konnten wir bei entsprechender Livemusik ein stimmungsvolles Abendessen genießen.

Sonnabend, den neunten September– Wawel und Auschwitz

Um neun holte uns Elisabeth vom Hotel ab und wir spazierten die kurze Strecke zum Wawelhügel hinauf. Nachdem uns Ela die gesamte historische Topographie des polnischen Nationalheiligtums erläutert hatte, besichtigten wir die Krönungskathedrale des heiligen Wenzel und Stanislaus, dem dritten Dombau an dieser Stelle. Die künstlerisch teilweise äußerst qualitätvollen Grabmäler polnischer Herrscher gaben Gelegenheit zu einem neuerlichen Streifzug durch die imperiale Geschichte des einstigen Großreichs. Anschließend wechselten wir in die königliche Residenz. Mit Bona Sforza war eine Italienerin Königin geworden, die die Renaissance an den Hof brachte und deren Baumeister Francesco Fiorentino die offene Arkadenlösung des Innenhofes schuf, die sich allerdings in den harten Krakauer Wintermonaten nicht wirklich bewährte. Prächtig sind die Innenräume mit Malereien des Dürerbruders Hans, besonders schön die Decke des Gesandtensaales mit 30 von ehemals 194 geschnitzten Köpfen, die die verschiedenen Stände darstellen. Höhepunkt ist die in der Welt einmalige Sammlung von Brüsseler Wandteppichen, auch wenn nur noch 136 von ehemals 360 in Polen sind. Die Bilderzyklen erzählen die Paradiesgeschichte, sowie die Geschichte von Noah und dem Bau der Arche und als Kontrast die vom Bau des Turms zu Babel.
Anschließend fuhr ein Teil der Gruppe zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz, wo eine fachkundige Führung zunächst im Stammlager und anschließend im Vernichtungslager Birkenau detailliert über die Tötungsmaschinerie der deutschen Nationalsozialisten informierte. Die anderen Gäste widmeten sich je nach persönlicher Interessenlage noch den vielen Sehenswürdigkeiten der alten Königsstadt.

Sonntag, den zehnten September– Breslau

Obwohl wir recht früh in Krakau aufbrachen, verzögerte sich wegen mehrerer Staus unsere Ankunft in Breslau bis 15 Uhr, doch konnten wir dadurch gleich in unserem Hotel die Zimmer beziehen. Das Hotel lag neben der Dominikanerkirche und direkt an einem nach dieser Kirche benanntem Einkaufszentrum mitten in der Stadt und nur fünf Minuten Fußweg vom Hauptmarkt entfernt. Unsere Stadtführerin Malgorzata erwartete uns bereits in der Lobby mit den Headsets. Mit ihr schlenderten wir durch die Ohlauer Straße mit den Bauten der Breslauer Moderne, wie dem berühmten Kaufhaus Petersdorff von Erich Mendelsohn zum Rynek, wo wir neben den prächtigen Bürgerhäusern das gotische Rathaus und die Elisabethkirche besichtigten. Eine nette Besonderheit sind die kleinen bronzenen Zwerge, die allerorten zu finden sind. Erfunden als humoristische Art des Protestes gegen unliebsame Zustände sind die neueren oft kommerzieller Natur, weil von Unternehmen oder Geschäftsleuten für ihre Niederlassung bestellt und bezahlt. Anschließend konnten wir in der alten Breslauer Universität Leopoldina die Gebäude des ab 1659 entstandenen Jesuitenklosters anschauen, vor allem im Collegium Maximum die prächtige Aula Leopoldina, die noch Ende dieses Jahres komplett im ursprünglichen Glanz erstrahlen soll. Vorbei am Ossolineum, in dem die aus Lemberg stammenden Schätze des alten Polens bewahrt werden, ging es weiter zur Dominsel mit der Kathedrale des heiligen Johannes des Täufers, der auch im Stadtwappen Breslaus zu finden ist. Der im Krieg stark beschädigte Dom wurde zwar bis 1951 wieder aufgebaut, die Wölbung allerdings mit Stahlbeton. Ohnehin haben wir die wertvollsten Stücke der Ausstattung der Breslauer Kirchen, allen voran der Elisabethkirche, im Warschauer Nationalmuseum bewundern dürfen. Die Domorgel ist ein Fragment der ehemals weltgrößten in der Jahrhunderthalle. Hinter dem Dom steht die kleine Ägidienkirche, die älteste der Stadt und noch romanisch. Neben ihr auf einem Torbogen prangt ein steinerner schlesischer Knödel, zu dem es natürlich eine Legende zu erzählen gab. Von der Dominsel ging es vorbei am Breslauer Nationalmuseum und am Panorama der Raclawice- Schlacht von 1794 zurück zum Hotel. Nach der freien Zeit traf sich die Gruppe wieder im kaiserlich- königlichen Lokal direkt am Markt, wo in stilvollem Ambiente das letzte gemeinsame Abendessen der Reise zelebriert wurde.

Montag, den elften September– Kuppelhalle und Friedenskirche


Nach dem Frühstück war um halbzehn die letzte Abfahrt der Tour angesagt und wir fuhren zunächst zum Scheitniger Park. Seit 1904 gab es den Plan einer Kongresshalle mit Ausstellungsgelände, 1910 wurde das Projekt ausgeschrieben und von Stadtbaurat Max Berg sich selber und seinem Team anvertraut. Die Halle war mit 130 Metern Durchmesser die größte Stahlbetonkonstruktion ihrer Zeit und erstmal wurde von einer frei tragenden Kuppel mit einem Durchmesser von 65 Metern der Durchmesser der Kuppel des Pantheons in Rom übertroffen. Zum 100. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig wurde die Halle mit großem Pomp eingeweiht. Vor der Halle ragt inmitten ägyptisierender Säulen eine 96 Meter hohe Stahlnadel auf, die 1948 für die erste polnische Nachkriegsausstellung errichtet wurde. Zur Freude der Gäste spendierte Eberhardt Travel als zusätzliche Leistung den Eintritt in die Jahrhunderthalle und in das dazu gehörige Museum, das aus Anlass des 100. Geburtstages der Halle und des bevorstehenden Jahres der Kulturhauptstadt Breslau 2016 ganz neu erstellt wurde. In einem aufwändig produzierten Film konnte man die Geschichte der Halle verfolgen.
Letzter Programmpunkt war die Besichtigung der Friedenskirche in Jawor/ Jauer. Weil unser Reiseleiter aktiv im evangelischen Gustav-Adolf-Verein arbeitet, der sich um protestantische Kirchen in der Diaspora kümmert, konnte er viele Informationen zu diesem Bauprojekt anbringen. Die Kirche wurde nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges ab 1654 als monumentaler Fachwerkbau für die zumeist evangelischen deutschstämmigen Schlesier errichtet. Zu den Beschlüssen des Westfälischen Friedens im Jahr 1648 gehörte die Erlaubnis für die schlesischen Protestanten, drei Friedenskirchen in Glogau, Jauer und Schweidnitz zu bauen. Allerdings musste eine Reihe von Bedingungen erfüllt werden. Steine und Ziegel waren als Baumaterial verboten, nur Holz, Lehm und Stroh durften verwendet werden. Die Kirchen mit Türmen oder Glocken zu versehen war ebenfalls nicht gestattet. Als Standorte kamen nur Plätze außerhalb der Stadtmauern einen Kanonenschuß entfernt davon in Frage und die Gebäude mussten innerhalb eines Jahres fertig gestellt werden. Die Baukosten hatten die Gemeinden zu tragen. Die Kirche in Jauer wurde in den Jahren 1654-55 nach einem Entwurf des Breslauer Architekten Albrecht von Saebisch für etwa 5500 Besucher erbaut. Weil an Sonn- und Feiertagen aber oft bis zu 15.000 Besucher kamen, mussten trotzdem mehrere Gottesdienste nacheinander abgehalten werden.Der Glockenturm wurde erst 1709 angebaut, nachdem der Kaiser dies nach der Altranstädter Konvention von 1706 gestatteten mußte.
An der zweiten Empore sind 66 Szenen aus dem Neuen Testament dargestellt, an der vierten sind es 71 aus dem Alten Testament. Als direkte Vorlage benutzte der Maler eine Sammlung von 258 Kupferstichen von Matthäus Merian dem Älteren, die 1628 unter dem Titel „Biblische Abbildungen zur Darstellung der wichtigsten Geschichten der Heiligen Schrift" erschienen war.
Die erste Empore ist mit 28 Wappendarstellungen des Adels aus dem Umkreis bemalt. Der Altar von Martin Schneider entstand im Jahr 1672. Das Gestühl der Geistlichen an der Nordseite des Mittelschiffs ist mit Allegorien der drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe verziert. In der Kirche sind vier mit Bildern und Inschriften geschmückte Beichtstühle aufgestellt. Themen der Gemälde sind König David in Reue mit seiner Harfe, Petrus in Reue nach seiner dreimaligen Verleugnung Jesu und die Sünderin zu Füßen Jesu beim Gastmahl des Pharisäers. Die vierte Darstellung findet sich sonst nicht bei traditionellen Beichtstuhlbildern: einem knienden Sünder erscheint Jesus mit einer Tafel, auf der zu lesen ist: „Dir sind deine Sünden vergeben".
Die Kanzel aus dem Jahr 1670 ist ein Werk von Matthäus Knote aus Liegnitz. Als Träger des Kanzelkorbs fungiert ein Engel mit einem aufgeschlagenen Buch mit den Worten „Das ewige Evangelium". An der Brüstung stehen zwischen Säulen Mose mit den Gesetzestafeln, die vier Evangelisten mit ihren Symbolen und Johannes der Täufer. Den Schalldeckel, auf dem sechs Engel sitzen, bekrönt die Statue des auferstandenen Christus.
Die Orgel auf der Empore baute 1855 der Breslauer Orgelbauer Adolf Alexander Lummert. 2002 wurde sie durch die Dresdener Orgelbaufirma Eule in ihren Ursprungszustand zurückgeführt, mechanisiert und der alte Spielschrank instandgesetzt. Die evangelische Kirchengemeinde in Jauer zählt gegenwärtig ca. 40 Personen und wird mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland unterhalten. Es bestehen Partnerschaften mit der evangelischen Friedenskirche in Offenbach am Main und der Kirchengemeinde Bad Reichenhall. Die Kirche war keinem der Gäste bekannt und somit eine schöne Bereicherung des Programms, die allgemein Beifall fand. Kurz vor der Grenze hatten die Gäste noch Zeit, in einem Supermarkt allerlei Einkäufe zu tätigen, bevor es endgültig heimwärts ging.

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Lieber Andreas,
danke für die fürsorgliche Betreuung während unserer Rundreise durch Polen, die umfangreichen Informationen zum Land, den interessanten Reisebericht und die tollen Erinnerungsfotos.
Beim Lesen sind noch einmal viele Erinnerungen an diese beeindruckende Reise wach geworden.
Wir wären nicht traurig gewesen, wenn die Reise noch ein paar Tage länger gedauert hätte....
Wir möchten uns recht herzlich für die schöne Zeit bedanken.

Angelika und Dieter
13.09.2017

Das ist ganz lieb von Euch. Herzliche Grüße aus dem leider verregneten Leipzig, Andreas.

Andreas Höhn 14.09.2017