Reisebericht: Städtereise St. Petersburg – Russlands Zarenmetropole an der Newa

11.08. – 16.08.2013, 6 Tage Städtereise St. Petersburg mit Flug: Winterpalais – Eremitage – Peterhof – Katharinenpalast mit Bernsteinzimmer in Puschkin


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6 Tage St.Petersburg reichen wirklich nicht aus, um auch nur einen Teil dessen zu sehen, was diese Metropole am finnischen Meerbusen ausmacht. Kunst, Kultur, Architektur und Geschichte sind eingebettet in ein moderne und weiter aufstrebende Metropole - das europäische Fenster im russischen Haus.
Ein Reisebericht von
Detlef May
Detlef May

11.August: Berlin – St.Petersburg

Vom Berliner Flughafen Tegel startet unsere Reisegruppe gut gelaunt in die ehemalige Zarenmetropole und landet direkt im Stau. Unsere Parkposition ist besetzt. Ein erster Vorgeschack auf die kommenden Tage? Im Flughafen geht es auch nur zögerlich voran. Der alte Flughafen platzt aus allen Nähten und "Pulkovo 2" ist zwar fertig, aber noch nicht in Betrieb. Uns drängen sich Vergleiche auf, doch für die bleibt keine Zeit. Unser Reiseleiter Igor erwartet uns und nutzt die 17 km bis zu unserem Hotel für erste Daten und Fakten. Rund 600 Brücken überqueren mehr als 60 Flüsse und Kanäle in der Stadt, in der mehr als 5 Millionen Einwohner an rund 300 Tagen im Jahr mit Regen oder Schnee bedacht werden. Tolle Aussichten . Im Hotel sind die Zimmer schnell verteilt, erste Rubel getauscht und das erste Abendessen vom Buffet eingenommen. Auch der kleine Supermarkt gleich in der Nähe ist für uns kein Problem - Wasser, Obst und Kekse für die kommenden Tage sind ohne große Sprachkenntnisse einkaufbar, Dank europäischer Importe.

12.August: St.Petersburg und die St.Peter–und–Pauls–Festung

1703 auf sumpfigen Untergrund errichtet wechselte die Stadt mehrmals den Namen. Aus St.Petersburg wurde Petrograd, später Leningrad und schließlich wieder St.Petersburg. Den Kosenamen "Pitr" wie die Petersburger ihre Stadt kurz nennen, erwähnt Igor zwar nicht. Dafür fliegen uns die Zahlen und Namen sämtlicher Persönlichkeiten der Stadt aus drei Jahrhunderten um die Ohren, verpackt in Geschichte und Geschichten, verewigt in Denkmälern, Kirchen, Gebäuden, Straßen, Plätzen und Kanälen, die diese Namen heute tragen. Künstlerisch und romantisch werden unsere WC-Stopps zu "schonenden Harmonie-Pausen" Auf dem Weg zur Haseninsel zeigt uns Igor "das große Haus" (KGB-Zentrale), wir erfahren dass die "Aurora" 1967 ihren vermutlich zweiten und letzten Schuss abgab (50. Jahrestag der Oktoberrevolution) und dass der russische Badeanzug aus Strohhut, Sonnenbrille und Römersandalen besteht. Russischer Barock in weiß-grün, weiß-blau, weiß-rot und weiß-rosa füllt ganze Uferpassagen an der Newa und dazwischen sieht man überall schick gekleidete Russen in ihre Smartphones vertieft, als hätte die Stadt keine Sehenswürdigkeiten. Am Smolny-Institut erfahren wir, dass der Bürgermeister von St. Petersburg nicht umständlich gewählt werden musste - er wurde einfach "eingesetzt" - po prikasu zarja (auf Befehl des Zaren) hieß es früher.
Stretch-Limousinen, teure Porsche und BMW wetteifern auf den Straßen mit "Fast-Schrott-Ladas" um die Vorherrschaft, erzeugen beeindruckende Staus und verlangen unserem Busfahrer Sergej Ruhe, Gelassenheit und ein sehr genaues Auge beim kunstvollen Einparken ab.
In der beeindruckenden Peter-und-Paul-Festung mit den Grabstätten fast der gesamten Zarendynastie (zwei liegen nicht dort) eröffnet sich ein Bild, dass uns auch in den nächsten Tagen nicht loslässt. Sakrale Kunst, einmalige Zeugnisse und Schätze längst vergangener Zeiten konkurrieren mit Souvenirs von Kunst bis Kitsch um die Aufmerksamkeit der Besucher. Das ist Russland. Die Zufahrt zur Festung erfolgt über eine kleine hölzerne Brücke - zugelassen bis 16 Tonnen - in der Mitte begegnet uns ein Reisebus. Russische Brücken halten alles aus und die Sonne scheint bzw. es bleibt trocken.

13.August: Die Eremitage

In einem der größten Museen der Welt sind über 3 Millionen Exponate gelagert - einen kleinen Ausschnitt kann man in wenigen Stunden besichtigen. Die Sammlungen holländischer und flämischer sowie russischer und französischer Künstler lassen uns erstaunen. Igor läuft zur Hochform auf, interpretiert Gemälde und Skulpturen und ruft in unser Gedächtnis längst Vergessenes aus unserer Schul- oder Studienzeit zurück. Später erfahren wir, dass die russische Orthodoxie vor rund 1000 Jahren aus Byzanz nach nach Russland kam und mit ihr auch die Kunst der Ikonen, der Holzschnitzerei und Steinbearbeitung sowie der Knoblauch. Wir hatten das bislang für typisch russisch gehalten - errare humanum est.... Seit 1988 spielt die Kirche in Russland wieder eine bedeutende Rolle, die meisten Kirchen sind heute wieder aktive Kirchen, nachdem sie jahrzehntelang zweckentfremdet und sogar als Schwimmbäder missbraucht wurden. Mit Wodka, russischem Sekt (sowjetskoe schampanskoe!) und süßem Gebäck genießen wir bei einer Bootsfahrt das "Venedig des Nordens" und lassen die Seele baumeln. Die Sonne blinzelt auf St. Petersburg.

14.August: Peterhof – "Versailles des Nordens"

Direkt am finnischen Meerbusen ließ Peter I. einen ganzen Komplex aus Schlössern und Palästen bauen, umgeben von riesigen Parkanlagen mit beeindruckenden Fontänen, Wasserspielen, Kaskaden und Brunnen. Nach rund einer Stunde geduldigen Anstehens eröffnen sich uns die Prunk- und Prachtwelten Peters des Großen. Der Vergleich zu Versailles oder Sanssouci drängt sich unweigerlich auf. Im vorgeschriebenen Minuten-Takt werden Gruppen aus aller Herren Länder durch die Säle und Kabinette "geschleust". Auge und Verstand sind schlicht überfordert angesichts der Fülle und Pracht, die wir nun erleben dürfen. Original erhaltene Parkette, seidene Tapeten, Kunst- und Gebrauchsgegenstände aus edelsten Materialien lassen uns immer wieder erstaunen. Die großzügig angelegten Parks, Wasserspiele und Kaskaden verbinden das große Palais mit der Ostsee und dem Schloss Mon Plaisir - dem Lieblingsschloss Peter I. Wir gönnen uns einen Spaziergang im Park bei bestem Wetter und bestaunen das Spiel der Fontänen und Brunnen mit goldenen Figuren und Verzierungen. Auf dem Rückweg fahren wir ein kurzes Stück mit der Metro. St. Petersburg kann auch tief unter der Erde mit seiner Architektur glänzen und die alten Symbole der Sowjetunion wurden in den Stationen (Gott' sei Dank) nicht entfernt. Wir genießen diesen Tag und den Sonnenschein in St.Petersburg. (Wie war das noch mal? 300 Tage im Jahr Regen oder Schnee...)
In der Nacht unternimmt ein großer Teil unserer Gruppe noch einen Ausflug "St.Petersburg bei Nacht" - ein fantastisches Erlebnis, die vielen Gebäude und Straßen, die uns jetzt schon vertraut sind, im Lichterglanz zu erleben. Vor der Öffnung der ersten Zugbrücken feiern wir diese Erlebnis mit Wodka, Sekt, getrocknetem Fisch und eingelegten russischen Gurken. Kaum ist die erste Brücke geöffnet, kommen auch schon die ersten Frachter und wir sehen noch die Öffnung von zwei weiteren Brücken. Gegen 02.45 Uhr sind wir müde aber zufrieden zurück im Hotel.  

15.August. Isaaks–Kathedrale, Blutkirche und Katharinenpalast

Igor bekommt Recht: es regnet, und der Regen wird im Tagesverlauf noch stärker. Uns kann das nicht abhalten. Wir beginnen unsere Besichtigung mit der Isaaks-Kathedrale, dem viert-größten (sakralen) Kuppelbau der Welt. Imponierend von den äußeren Maßen steigert sich das Ganze im Inneren. Riesige Ikonen aus Mosaiken, gewaltige Türen (8 Meter hoch, mehrere Tonnen schwer), schwere Kronleuchter und eine kleine Kirche in der Kirche, die ihre eigentliche Aufgabe für die Gläubigen wahrnimmt - 12.000 Menschen passen in diese Kathedrale, wahrhaft russische Dimensionen. Zur Sowjetzeit musste die Kathedrale als "Museum für Atheismus" (!!!) herhalten und im Innern war ein Foucaultsches Pendel als Nachweis für die Erdrotation aufgehängt - diese Zeiten sind vorbei. Wir fahren weiter zur Blutskirche, Auferstehungs- oder Erlöserkirche, der einzigen in St. Petersburg, die im russischen Stil (sie ähnelt der Basilius-Kathedrale in Moskau) und nicht im klassizistischen oder westeuropäischen Stil errichtet wurde. Als Denkmal in Erinerung an die Ermordung Alexander II. diente sie nie sakralen Zwecken und ist heute ein Museum mit einer der größten Mosaik-Sammlungen Europas. Und Igor behält weiter Recht: Der Regen wird stärker und die Regenrinnen in St. Petersburg, die mindestens 50 Zentimeter über dem Gehsteig enden, geben ihren Inhalt auf die Straßen zurück - so kommt das Wasser von oben und unten relativ gleichmäßig   . 
Wir fahren aus der Stadt nach Puschkin bzw. Zarskoe selo und wollen uns trotz Regens einen weiteren Höhepunkt - den Katharinenpalast mit dem Bernsteinzimmer - nicht entgehen lassen. Unterwegs sehen wir die Putin-Datscha und weitere schöne Anwesen der "Reichen und Schönen" St. Peterburgs und erfahren, dass Alexander Puschkin nicht nur der große russische Nationaldichter sondern auch ein leidenschaftlicher Kartenspieler und Frauenheld war. Der verklärende Blick auf die Mythen und Helden in Russland scheint neuen Erkenntnissen oder Wahrheiten zu weichen. Das Katharinenpalais beeindruckt uns natürlich zunächst wegen seiner Ausmaße, die wir im Regen aber nicht als Kulisse für ein Gruppenfoto genießen können. Wie fast alle anderen Paläste auch werden Teile des Palais heute für große Empfänge oder spezielle Anlässe, als Filmkulisse oder für Konzerte genutzt. Die "planmäßige Revitalisierung" kostet schließlich sehr viel Geld. Im Bernsteinzimmer (Nachbau) achten die Museums-Angestellten peinlich genau auf die Einhaltung des Verbotes, zu fotografieren. In einer benachbarten Bernstein-Manufaktur könnte man Spezialisten bei ihrer Arbeit beobachten, die weitere Teile des Bernsteinzimmers restaurieren - leider haben wir keine Zeit mehr. Dafür lassen wir den erlebnisreichen Tag und unsere interessante Reise im Restaurant "Podvorje" bei russischen Spezialitäten aus Topf und Pfanne, aus Flaschen und Gläsern und bei russischer Volksmusik ausklingen.

16. August: Jussupov–Palast und Flug nach Berlin

Gegen 10.00 Uhr verlassen wir unser Hotel und fahren noch einmal in die Innenstadt. Wir besichtigen den Jussupov-Palast. Die Jussupovs gehörten zur Zeit der Zaren zu den reichsten Familien von St.Petersburg (eine Urenkelin lebt heute noch in Griechenland und besucht alljährlich St. Petersburg). Neben wunderschönen Sälen und Kammern beherbergt das Palais ein eigenes Theater und ein "Gruselkabinett" im Keller, das die Ermordung von Rasputin nachstellt. Nach der offiziellen Verabschiedung und dem obligatorischen Gruppenfoto fahren wir zum Flughafen. Igor erklärt die Bedeutung des Namens von Lomonossov mit "Nasenbrecher" und läßt uns rätseln, warum im Denkmal des "tanzenden Lenin" ein Fehler versteckt ist. Wir nehmen seine Erklärungen und Geschichten der letzten Tage ebenso mit wie die vielen unauslöschlichen Bilder von der einstigen und neuen Prunksucht der russischen Zaren und Herrscher. Auf dem Flughafen holt uns die russische Wirklichkeit schnell wieder ein. Wir genießen den Flug zurück in die Heimat. Doch unsere Gedanken bleiben noch in St. Petersburg. Die Stadt hat uns verzaubert.

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