Reisebericht: Studienreise Russland: Transsib von Moskau nach Burjatien

13.07. – 29.07.2012, 19 Tage Rundreise in Russland mit der Transsibirischen Eisenbahn: Moskau – Kasan – Jekaterinburg – Omsk – Nowosibirsk – Krasnojarsk – Irkutsk – Baikalsee – Ulan Ude


  Bildergalerie   Druckversion (PDF)   Kommentare
 
5200 Km im Regelzug auf der Trasse der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau zum Baikalsee mit Hotelübernachtungen und Besichtigungen und Begegnungen in Kasan, Jekaterinburg, im Ural, in Omsk, Novosibirsk, Krasnojarsk, auf dem Jenissei, in Irkutsk
Ein Reisebericht von
Dr. Jürgen Schmeißer

03.07.2012 Anreise nach Moskau

Eine kleine Gruppe von nur neun Gästen traf sich am Freitagnachmittag am Flughafen Dresden, um gemeinsam sibirische Städte zu erkunden und den Baikalsee mit der Transsibirischen Eisenbahn im Regelzug zu erreichen. Voller Spannung flogen wir mit Aeroflot nach Moskau, wo wir mit zwei Stunden Zeitumstellung bei Einbruch der Dunkelheit in Scheremetjewo ankamen.  Nina, unsere Moskauer Stadtführerin holte uns ab. Mit einem Mercedes-Kleinbus ging es dann aus Moskaus Vorort über die Leningrader Chaussee und den Leningrader Prospekt zum Weißrussischen Bahnhof und dann über die Stadtringstraßen zum Hotel Katarina City südlich des Moskwa-Kanals.  Bereits bei dieser Autofahrt viele Eindrücke einer pulsierenden und bauenden 12-Millionen-Einwohner-Metropole. Ein wirklich spätes Abendessen in der letzten Stunde des Tages beendete den Anreisetag.

04.07.2012 Moskau und Zugfahrt nach Kazan

Um 9 Uhr trafen wir uns für eine Stadtrundfahrt mit dem Bus. Eine beeindruckende Ansicht auf den Kreml genossen wir zunächst vom gegenüberliegenden Moskwa-Ufer. Dann ging es vorbei am, geschichtlich in der Stalin-Zeit exponierten,  Haus an der Moskwa und hinüber über den Fluss, vorbei am Puschkin-Museum zur Erlöserkirche. Diese wohl größte russisch-orthodoxe Kirche wurde vor ca. 15 Jahren wieder an jener Stelle errichtet, wo ihre Vorläuferkirche 1931 abgerissen wurde.  Nun ging es zu einem der ältesten und bedeutendsten Moskauer Klöster, dem Neuen Jungfrauenkloster. Im Teich am Kloster spiegelten sich die goldenen Kuppeln der Kathedralen. Anschließend beschäftigten wir uns bei einem Besuch des angrenzenden Friedhofs mit dem letzten Jahrhundert der sowjetisch-russischen Geschichte: Gräber von Gogol, Chrustschow, dem Schauspieler Nikulin, dem Flugzeugkontruteur Iljuschin, dem Kosmonauten Titow, der Gorbatschowa und zuletzt des ehemaligen Präsidenten Jelzin. Von hier brachte uns der Bus zur Aussicht auf den Spatzenbergen vor dem großen Gebäude der Lomonossow-Universität.  Nun hatten wir noch Zeit für den Bummel über den Roten Platz und durch das Staatliche Universal  Geschäft (GUM), was heute eher einer westlichen Mal gehobener Marken entspricht. Nun ging es im Eilesschritt durch den Alexandergarten an der Flamme für den Unbekannten Soldaten vorbei zum Troizkitor des Kreml. Nach etwas Schlangestehen und schupsen waren wir im Heiligtum russischer Staatsmacht. Auf den üblichen, touristenbelassenen Wegen ging es zum großen Kremlplatz und in die Uspenskikathedrale. DasWetter war freundlich, das wohl allen die gewünschten Bilder mit goldenen Kuppeln vor blauem Himmel gelangen. Vorbei am großen Kremlpalast und der Rüstkammer verließen wir das Gelände, um noch ein wenig über den Arbat zu bummeln und endlich unsere Euros in Rubel zu tauschen. An der Smolenskaja begaben wir uns dann unter die Erde, um einige besonders interessante der 182 Moskauer Metrostationen zu besichtigen. Wir führen zunächst auf der Ringbahnstrecke und staunten über die Pracht der Stationen Kiewskaya, Bjelorusskaja, Novoslobodskaja, Komsomolskaja und auf der blauen Linie dann über die heroischen Figuren am Platz der Revolution. Wieder über der Erde war noch Zeit für ein Foto des Bolschoi - Theaters. Bevor wir unsere Bahnfahrt antraten noch im Innenhof eines Hotels ein typisch russisches Abendessen mit Lachs. Am Kasaner Bahnhof konnten wir ein wenig das bunte Treiben auf Moskauer Bahnhöfen beobachten bevor der Zug bereitgestellt wurde.  Schön mittig fanden wir dann unseren achten Waggon im fünfhundert Meter langen Zug. Nach einigen Verstauübungen hatten wir uns eingerichtet und pünktlich 19:20 Uhr zog der Zug an. Durch Wälder und Datschensiedlungen des Moskauer Umlandes ging es in die Nacht hinein.

15.07.2012 Kazan

Gegen 7:00 Uhr klopfte uns die Schlafwagenschaffnerin wach. Ein wenig Frischmachen am tropfenden Hahn mit Gegenschlagventil und gegen 8:20 Uhr lief der Zug in Kasan ein.
Im Hotel war man gut auf uns vorbereitet, so dass wir sofort unsere Zimmer zum Frischmachen beziehen konnten und anschließend frühstückten. Gegen 10:30 Uhr war dann unsere Neugier auf die tatarische Hauptstadt so groß, dass wir zur Besichtigungstour in den Bus stiegen. Zunächst fuhren wir in den tatarisch-muslimischen Teil der Stadt, wo wir an der Moschee die Vorbereitungen einer Hochzeitsfeier erlebten. Die Braut saß noch gegenüber im Souvenirgeschäft beim Anstecken des Schleiers. Vorbei an alten Handelshäusern und der Universität, wo einst Tolstoi studierte und der Jurastudent Uljanov nach wenigen Wochen wegen ketzerischer Reden exmatrikuliert wurde, ging es zum Theaterplatz mit dem Denkmal des nun reifen Wladimir Illjitsch.
Oberhalb der Kasanka steht die Burg Kazans, der weiß umgrenzte Kreml mit dem Spasskiturm - Unesco - Weltkulturerbe.  Inmitten des Kremls nun seit zehn Jahren eine der größten Moscheen außerhalb der muslimischen Welt in weißem Gestein  mit blauen Kuppeldächern und vier Minaretten. Wesentlich älter als die Moschee im Kreml ist jedoch die Maria-Verkündigungskathedrale aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die wir besichtigten. Von dort noch schnell ein Blick in den Hof des Präsidentenpalastes Tatarstans, bevor es zum Mittagessen in den Keller eines alten Handelshauses ging. Nach dem Essen ging es dann an den Flussschiffhafen der Wolga. Durch den Anstau kommt Mütterchen Wolga  nun sehr nahe an die Stadt und lädt zum Probefüßeln ein. Bei 35 Grad sind wir nun eigentlich recht müde, aber zwei Fotohalts an der (bayrisch)farbenfrohen Peter- und Pauls Kirche sowie an der (Kopie der) wohl einst wundertätigen Ikone der Kazaner Gottesmutter sind unerlässlich. Abendessen dann im Restaurant der tatarischen Kulinarität (z.B. Piroggen mit Gänsefleisch) und mancher bummelt noch über den jugendlich belebten Baumann-Boulevard.

16.07.2012 Zugfahrt von Kazan nach Jekaterinburg

Die Nacht war kurz; 4:00 Uhr geht es zum Bahnhof. Einfach die Gleise querend standen wir dann auf dem Bahnsteig; unser Waggon 13 war ganz am Ende des über 400 Meter langen Zuges. Wir wechselten die Betten mit den Aussteigenden und legten uns  mit frischer Bettwäche ausgestattet doch bis gegen 8:00 Uhr hin. Beim ersten längeren Vormittagshalt kosteten wir fleischgefüllte Piroggen, Schattenmorellen und frisch eingelegte Gewürzgurken (keine „Bapschen“). Zwischen Schlafen und Wachen, Lesen und Kreuzworträtseln und Landschaftschauen  erreichten wir die Mittagszeit. Im Zugrestaurant prob ierten wir einen hausgemachten Wurstsalat und Soljanka. Den leichten Aufstieg der Bahn in das Uralgebirge verschliefen dann wohl alle in geruhsamen Nachmittagsschlaf. Zum Aufwachen gegen 16:00 Uhr Moskauer Zeit war es dann Zeit für ein Scheibchen Waffeltorte und einen Kaffee; danach stellten wir die Uhren zwei Stunden vor - wir waren in der neuen Zeitzone. Die letzten knapp zwei Fahrstunden verging die Zeit schnell; wir durchfuhren das hier ca. 400 Meter hohe Uralgebirge an jenem Stausee, an dem  wir am kommenden Tag  stehen sollten. Am Bahnhof holte uns der Direktor des hiesigen Reiseveranstalters ab und begleitete uns zum sehr angenehmen Radisson Park Inn.

17.07.2012 Jekaterinburg

Ausgeschlafen und fast verschlafen trafen wir uns erst  9:30 Uhr zu  einer Stadttour. Stadtgründung als Handelsplatz, Eisenerzgewinnung, klassizistische Regierungsbauten,  funktionale Gebäude des russischen Konstruktivismus sowie das Wirken von Boris Michailowitsch (Jelzin) als Gebietsparteisekretär der Kommunistischen Partei prägten diese Stadt.  Beim Betreten der Kirche auf dem Blute wurde  uns bewusst,  dass wir heut den 17.Juli haben - in der Nacht vom 16. Zum 17. Juli 1918 wurde an diesem Ort, im Ipatjew-Haus die Familie des russischen Zaren ermordet.  Das Ipatjew-Haus ließ Jelzin einst abreißen - natürlich auf  Weisung von Moskau - und als Wiedergutmachung initiierte er den Bau der Kirche auf dem Blute.  Viel, den Zaren wohl ein wenig verklärendes,  Volk treffen wir später auch in Ganina Jama am neuerrichteten Männerkloster. Wen die orthodoxen Rituale und monarchistischen Bekundungen vielleicht ein wenig betroffen machen, der kann sich hier jedoch an hübschen Holzkirchlein mit goldenen Kuppeln im lichten Wald bei Sonnenschein erfreuen.
Nach dem Mittagessen im Jelzin -Business- Center - natürlich irgendwo in der Nähe des Jelzin -Denkmals und der Universität names B.M. Jelzin besichtigten wir die welterste  Ausstellung über das ruhmreiche Leben des ersten Präsidenten der Russischen Föderation Boris Michailowitsch Jelzin.
Nach etwas  Geschichtsverklärung am Vormittag fuhren wir am Nachmittag Richtung Westen zurück nach Europa. Im Wald wurden wir an ein schreckliches Kapitel der opferreichen, russischen Geschichte erinnert: der Memorialkomplex zur Erinnerung an die Opfer des stalinschenTerrors. Von hier fuhren wir der Regenfront entgegen zum Volkochinsker Stausee inmitten von Hügeln und Wäldern des Uralgebirges. Ein herannahendes (?) Gewitter hinderte uns an unserem Vorhaben einer Bootsfahrt auf dem See.  Für zwei Fototermine an Denkmälern der europäisch-asiatischen Grenze blieben die Regenwolken geschlossen. Diesen einmaligen Moment begossen wir mit russischem Sekt und erhielten  eine, das Ereignis würdigende Urkunde. Der bisherigen Erlebnisse nicht genug, begleiteten uns Vadim und Irina noch in ein Bauernhaus, wo uns die Hausfrau mit Blinis, Johannisbeermarmelade und Tee bewirtete. Fachkundig begutachteten viele den großen Bauerngarten, die kostbare Mineraliensammlung des Hausherrn und streichelten der Kuh die Schnauze.  Zum Abendessen begrüßte uns der „Austauschschüler - icke aus Donauschwenningen“, der nach Jahren in St.Petersburg nun hier in Matrosenart lebt und kocht. Selten war ein Tag meines bisherigen Reiseleiterseins  so mannigfaltig gefüllt mit Architektur, Geschichte, Landschaft, Nähe zur Bevölkerung, kulinarischen Höhepunkten  und kleinen Erlebnissen wie dieser Tag -ein wahrhaftiger Reisehöhepunkt.

18.07.2012 Uralgebirge

Nach dem nächtlichen Regen erwarte uns Sonnenschein. Unser Ziel hieß Nevyansk, das älteste Bergbauzentrum im Ural. Noch heute wird in der Umgebung Gold gefunden. Vor mehr als dreihundert Jahren stand jedoch die Eisenmetallurgie im Blickpunkt Peters I.  und des quasi ersten Oligarchen Russlands, des Herrn Demidov. Auf dem Weg nach Nevyansk stoppten wir am Tavaitu-See. Da heute keine Gewitterwand drohte, bestiegen wir zwei schnittige Motorboote und flitzten über den See, vorbei an Strandvillen der Neuen Russen und öffentlichen Badestränden der Seenlandschaft mitten im Uralgebirge. Im ehemaligen metallurgischen Areal in Nevyansk bestiegen wir den mit 2,20 Meter Abweichung geneigten Turm und ließen uns viel über die Bergbautradition und Legenden über Demidov erzählen. Am Nachmittag führen wir in ein Dorf der Altgläubigen und konnten eine der wenigen in Russland fast immer aktiven Kirchen mit erhaltenen Ikonen und drei Altaren besichtigen - die Kirche des Heiligen Nikolaus, wohl auch Schutzheiliger der Reisenden.
Anschließend fuhren wir durch recht freundliche Dörfer mit hübschen Holzhäusern, genossen die Ruhe der Urallandschaft am Fluss Njewa und besuchten eine Töpferei. Wer wollte, konnte selbst mittun. Ausklang fand der Tag im bayrischen Restaurant „Hans“ - hier wollten uns wohl unsere Gastgeber eine große Freude machen …

19.07.2012 mit der Transsib nach Omsk

Zu fast bürgerlicher Zeit ging es 8:00 Uhr zum Bahnhof von Jekaterinburg, wo der Zug bald einfuhr. Die Plätze waren schnell gefunden und ein servicefreundlicher Schlafwagenschaffner brachte neue Bettwäsche, Pantoletten, Zeitungen und Kaffee oder Tee. Zunächst fuhren wir noch durch die hügeligen Ausläufer des Uralgebirges, bevor wir in die Westsibirische Tiefebene kamen: flaches Land, Birkenwälder, dazwischen immer wieder große sumpfige Wiesen, auf denen grazile Birken ohne Krone stehen, an der Fahrstrecke kaum Dörfer, nur manchmal einige Gehöfte und man fragt sich, wie hier die Anbindung an die Zivilisation und zum Beispiel eine ärztliche Versorgung funktioniert. Gegen Mittag wurden  ein Süppchen und eine Frikadelle mit Kartoffelmus am Platz gereicht - natürlich alles in Sibirien vermüllende Wegwerfplaste. Später fuhren wir bei Regen und Gewittergrollen durch Tjumen, Zentrum der westsibirischen Erdölindustrie. Abendessen dann im Restaurantwagen - alle entsprechenden Vereinbarungen müssen mit dem Bordpersonal durch den Reiseleiter in Moskauer Zeit getroffen werden. Nach Mitternacht dann Ankommen in Omsk; gegen ein Uhr sind wir im Ibis-Hotel und der Schlaf schwebt über uns langsam ein…

20.07.2012 Omsk und mit der Transsib nach Novosibirsk

Nach kurzer Nacht treffen wir uns zu einem - fast noch erfrischendem - Morgenbummel. Die einstige Festungsstadt an Om und Irtysch kam uns so näher. Von der Landspitze am Zusammenfluss ging es zur den Resten der  Festung und weiter zur neuen Kathedrale. Geschichte ist umfangreich und widersprüchlich, gerade auch in dieser einst geschlossenen Stadt: vorbei am Denkaml des verbannten Dostojewski, dem Museum des Innenministeriums, dem Kulturhaus der Tschekisten bis zur neuen orthodoxen Kirche mit Bettlern und einer sich bekreuzigenden örtlichen Stadtführerin.
Mittags dann Zustieg in den Zug nach Novosibirsk mit schmackhaftem Essen im Bordrestaurant. Wieder geht es stundenlang durch Birken-Moorlandschaft. Am zeitigen Abend erreichen wir die Millionenstadt am Ob. Die Agentur hat diesmal Kofferträger geordert, die uns den Weg zum Bus leichter werden lassen. Von den oberen Etagen des River Inn - Hotels blickten  unsere Gäste auf den gigantischen Strom Ob an einem heißen Sommerabend.

21.07.2012 Novosibirsk

In der Nacht war wenig Erfrischung zu finden; für den heutigen Tag waren gar 37 Grad angesagt. Wir begannen unsere Tour am Ufer des Obs und ließen uns die Entstehung der Stadt, die Anbindung an die Transsib und die Bedeutung des Zaren Alexander III. für die technisch-logistische Erschließung Sibiriens erklären. Im beginnenden Sonnabendausflüglerstrom in die Natur setzten wir unsere Busfahrt fort in den Stadtteil Akademgorodok, zu Sowjetzeiten bedeutendes Forschungs-, Lehr- und Wohnstädtchen im Grünen. Auf dem Rückweg dann ein Besuch im Eisenbahnmuseum der Stadt. Kaum zählbare Lokomotiven und verschiedenste Eisenbahnwaggons wurden zusammengetragen und künden von der Eisenbahngeschichte des Landes. Am Ende des Waggonparks dann noch eine Flä#che mit alten Moskwitschs, Wolgas, Saparoshez und auch ein Katjuscha-Geschosswerfer war zu sehen.
Am Nachmittag besuchten wir das Museum der Birkenrinde mit mannigfaltigen bildlichen und figuralen Ausstellungsstücken aus Birkenrinde. Das Stadtbild von Novosibirsk ist stark durch die 50 er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geprägt, so bummelten auch wir rund um die Große Oper, das Lenindenkmalund über den Roten-Oktober-Prospekt mit seinen vierzehn Fahrbahnen.
Das Abendessen heute ganz sibirisch mit Vorspeisenteller, Borschtsch, Pelmeni und zum Dessert Blinys. „Na Passatschok“ - auf den Weg - mit fünfzig Gramm Wodka ging es dann zum Bahnhof zur Nachtfahrt mit der Transsibirischen Bahn nach Krasnojarsk.

22.07.2012 Krasnojarsk und der Jenissei

Ein deftiges Frühstück wurde uns noch im Zug angeboten, bevor wir am späten Vormittag Krasnojarsk erreichten. Die Straßen der kommunistischen Dreieinigkeit von Lenin, Marx und Frieden wechselnd gelangten wir zum Hotel Oktjabrskaja. An den Straßen Palmenkübel - der Bürgermeister fand das bei einem Lateinamerikabesuch schön, weshalb er dies auch in der sibirischen Millionstadt für angebracht hielt. Nach einem „Schon-wieder-Essen“, aber von ausgezeichneter Qualität in einem alten Kaufmannskeller, ging es zum Jenissei. Sehr schnell brachte uns das Schiff aus der Stadt hinaus und eine bergige Landschaft mit Felswänden und Badenden und Angelnden am Ufer des mächtigen Stromes. Nach einer Stunde Fahrt stiegen wir von Bord und unser Kleinbus brachte uns die letzten Kilometer bis unterhalb der Staumauer eines der größten Wasserkraftwerke der Welt. Da die Staumauer selbst nicht betreten werden kann, fuhren wir weiter, bis  wir jenseits am Ende des 400 Kilometer langen Stausees standen. In diesem einst völlig abgesperrten Gelände war im Anblick der hunderten russischen Ausflügler schon sehr zu erkennen, welche enormen Veränderungen in der Mentalität und auch in den Besitzverhältnissen der Menschen vor sich gehen. Auf unserem Rückweg genossen wir noch vom „Zarenfisch-Felsen“ oberhalb des Jenisseis und vom Hügel nördlich des Stadtgebietes von Krasnojarsk zwei tolle Aussichten auf die Stadt, deren Name sich auch als „Schöner Berg“ übersetzen lässt. Zum Abendessen dann nochmals im Keller des Restaurant Kabinett mit feinstem 4-Gang-Menue - selten so hervorragend kulinarisch einen Tag ausklingen gelassen.

23.07.2012 mit der Transsib von Krasnojarsk nach Irkutsk

In den Vormittagsstunden bummelten wir durch die großen Straßen der Innenstadt, die mit ihren teilweise noch aus dem beginnenden 20. Jahrhundert erhaltenden Häusern einen recht freundlichen Eindruck macht. An nunmehr wieder aktiven Kirchen ging es nochmals zum Jenissei, dem Recken mit den auf ihn zuströmenden schönen und wilden Töchtern. Die vom 10-Rubel-Schein bekannte Brücke wurde zum Vergleich fotografiert und nunmehr wird wohl jeder zumindest einen Geldschein als Souvenir aufheben. Unser Zug hatte wahrscheinlich schon Erbauer des Krasnojarsker Kraftwerks vor fünfzig Jahren befördert - da waren wir bereits auf unserem langen Bahnweg besser klimatisiert worden. Am geöffneten Fenster Kühlung erwartend, blickten wir am Nachmittag auf eine bergige Mittelgebirgslandschaft mit kleinen Orten an den Hängen, an denen sich der Zug in großen Gleisbögen vorbeiwand. In Iljanskaja am späten Nachmittag dann nochmals ein reges Treiben auf den Bahnsteigen mit einer Unzahl fliegender Händler zur Versorgung der Reisenden.
Im warmen Zug fanden wir dann nur schwer Schlaf.

24.07.2012 Irkutsk

Da im Zug ohne Biotoiletten - also mit Gleisblickloch - eine 30-Minuten-Sanitärzone vor großen Städten besteht, wurden wir bereits eine Stunde vor Ankunft geweckt. Nach über 5000 Kilometer Bahnfahrt kamen wir wie an allen anderen Reisetagen pünktlich an; da staunt man schon, wie das andere machen…  Abholung, hilfsbereite Träger, check in im neuerbauten Hotel der Mariott-Kette, Frühstück vom Büffet, Frischmachen, ein wenig Ruhen - alles vom Besten.
Am späten Vormittag begannen wir dann  unsere Stadtrundfahrt. Das administrative Zentrum befindet sich am Kirowplatz. Von der Ewigen Flamme drehten wir einen Bummel zur Angara und dann über Gotteserscheinungskathedrale  zur konstruierten  Erlöserkirche mit bedeutenden Außenfresken der Christianisierung der Burjaten.  Unsere Rundfahrt mit dem Bus führte uns durch Straßen mit erhaltenen sibirischen Holzhäusern voller geschnitzter Verblendungen und Fensterrahmen - am schönsten das Europahaus. Im nunmehr wieder arbeitenden Frauenkloster erfuhren wir mehr über die Dekabristen, die in der hiesigen Verbannung die Kultur und Bildung der Region maßgeblich förderten. Im Restaurant „Tower“ auf der Karl-Marks (!)-Straße speisten wir wieder sehr gediegen im Keller eines ehemaligen Handelshauses. Am Nachmittag dann ein Ausflug durch das ehemals „Karl-Marx-Städter-Wohngebiet“ an den südlich der Stadt gelegenen Stausee. Hier liegt der Eisbrecher „Angara“, der bereits 1895 gebaut wurde und 1905 russische Truppen über den Baikalsee Richtung Front des Russisch-Japanischen Krieges brachte. Wir besichtigten den Kesselraum und hörten, dass selbst Gäste aus Newcastle wohl staunten, das einer von damals zwölf gebauten Schiffen noch erhalten ist. Hier im „Paris Sibiriens“ hatten wir uns dann auch ein wenig individuelle Freizeit verdient.

25.07.2012 Zugfahrt auf der Strecke der Baikalbahn

Die baulich wohl spektakulärste Strecke der klassischen Transsibirischen Eisenbahn ist die der Baikalbahn, die einst von Irkutsk entlang der Angara über Port Baikal dann entlang des Baikalsees bis nach Sludjanka am Südufer führte. Seit 1956 sind Irkutsk und Sludjanka mit einer direkten Strecke über tausend Meter hohe Berge verbunden und die Bahnstrecke entlang der Angara ging in den Fluten des Stausees unter. Wir fuhren mit einem Touristenzug zunächst über die imposante Gebirgsstrecke, die uns bald schon Aussicht von oben auf das südwestliche Ende des Baikals bot nach Slujanka mit seinem Marmor-Bahnhof. Von hier ging es dann auf der Trasse der zu Beginn des 20.Jahrhunderts gebauten Baikalbahn 80 km entlang des Baikalsees. Mit Unterstützung italienischer Tunnelbauer entstanden hier 40 Tunnel und  Galerien, durch die der Zug zwischen Berghang und See fährt. An den imposantesten baulichen und landschaftlich eindrucksvollsten Stellen hielt der Zug mit ausreichend Zeit und Umsorgung durch die Bahnbediensteten, so dass alle Gäste zu ausreichend Fotos kamen. Im alten Hafen von Port Baikal wartete die Fähre, die uns über die hier ausströmende Angara brachte. Ein örtlicher Kleinbus fuhr uns zum am Berghang über dem See gelegenen Hotel „Baikal“, das uns mit restsowjetischem Charme empfing, aber durchaus sauber war. Beim Sitzen im wohlkaum noch genutzten Ballsaal des einstigen Intourist-Hotels stießen wir mit einem „Baikal“ auf den Baikal an und schliefen tief in der Mischung von Taiga- und Seeluft.

26.07.2012 Listwijanka und der Baikalsee

Ein Vormittagsspaziergang führte uns auf leichtem Weg  vom Hotel dreihundert Höhenmeter nach oben zum Tscherskifelsen mit einem schönen Ausblick auf den südlichen Baikal und den Beginn der Angara. Am zeitigen Nachmittag bestellten wir uns ein Sammeltaxi und fuhren die vier Kilometer in das Ortszentrum von Listwijanka. Was vollmundige Reiseführer als Touristenzentrum am Baikalsee verkünden, ist wohl eher eine Ansammlung von Kiosken mit gegrilltem Schaschlik und Marktständen mit warm und kalt geräuchertem Omul, dem forellenartigen Fisch des Baikals. Die dörflichen Häuser des Ortes ziehen sich eher in zwei Tälchen in die Berge hinein und werden neuerdings unterbrochen durch einige Häuser der „neuen Russen“. So blieb uns ohne großes  touristisches Getümmel ausreichend Zeit zum Probieren von Omul, Lamm-und Schweinsschaschlik und zum Sitzen im Kies am Wasser des süßwasserreichsten Sees der Erde. Morgen geht es dann von hier hinaus auf den See.

27.07.2012 über den Baikalsee nach Bolschie Koty

Früher waren die „Jaroslavez“ wohl bewaffnete Küstenschutzschiffe,  heute fahren sie als Fischkutter oder als kleine Passagierschiffe auch auf dem Baikal. Ein solches Schiff hatten wir exklusiv für unsere Reisegruppe und steuerten in einstündiger Schifffahrt am Westufer des Baikals die Bucht Bolschie Koty an. Am späten Vormittag wälzten sich noch mächtige Nebelschleier über den Seeund es war sibirisch sommerlich frisch. Zunächst bummelten wir an der Küste entlang und genossen die Blicke auf klares Wasser und aktivierten unsere botanischen Kenntnisse. In der Siedlung Bolschie Koty leben ca. einhundert Menschen, andere Häuser werden von Irkutskern meist als Datscha genutzt. Wir waren zum Mittagessen zu Gast bei einer Familie, die zwei Grundstücke als Datscha nutzt, einen schönen Blumengarten dort pflegt und im tiefen Sibirien unter Folie gar Paprika, Tomaten und Gurken anbaut. In der Wohnküche wurden wir sibirisch bewirtet mit einem Thymian-Wodka zum Appetit anregen, mit Salaten, Borschtsch mit Geflügelflesich und als Hauptgang natürlich gebackener Omul, dem regionalen Fisch aus dem Baikal. Zum Tee (und zweiten Thymian) dann Kringel, Marmeladenkonfekt und Apfelkuchen.
Ein zweiter Spaziergang führte uns dann durch das Dorf, ein wenig in den Wald in Richtung einer ehemaligen Goldgräberwäsche und an den kiesigen Strand, wo uns 10 Grad kaltes Baikalwasser Abkühlung versprach. Bei schönen Spätnachmittagslicht tuckerten wir mit dem Motorboot zurück.
War dies nun ein angenehmer Abschluss der Reise oder gar der Reisehöhepunkt?

28.07.2012 Freiluftmuseum Talcy und Irkutsk

Am Schamanenstein in der Angara nahmen wir Abschied vom Baikal. Nebelschwaden wälzten sich noch einmal über den Hafen von Port Baikal und den Berg dahinter, aber die Sonne hatte an diesem Tag  wieder große Kraft. Auf der Straße, die einst Chrustschow und Kennedy zu einem Treffen am Baikal bringen sollte und heute einer asphaltierten Wellenschaukel gleicht, fuhren wir Richtung Irkutsk durch den Pribaltiiski Nationalpark. In Talcy, nach einem Drittel des Weges, wurde ein Freilichtmuseum auf andernorts abgebauten Bauernhäusern, burjatischen Holzjurten und Kirchleins errichtet. Seit unserem ersten Reisetag in Moskau stießen wir wohl hier auf die erste größere Anzahl deutscher Touristen - wir waren also bisher  „richtig gereist“.  Am zeitigen Nachmittag bummelten wir noch gemeinsam zum örtlichen Markt, wo jeder nach Herzenslust Süßwaren, Räucherfisch und andere Souvenirs kaufen konnte oder auch nur die Stadt noch ein wenig individuell erkunden konnte.
Am Abend dann noch ein kleiner Bummel zum Abschlussessen im „London Pup“ im Angara-Hotel am zentralen Kirowplatz: wieder ein unbekannter, leckerer Salat, Lendchen in Sahnecremesoße, russisches Sahneeis; nun zum Abschluss einigten wir uns auf einige Flaschen Sekt aus der „Klassengeldkasse“ und … „na pasatschok“. Optische Verabschiedung vom „Grauen Haus“ und den goldenen Türmen der Erlöser- und der Gotteserscheinungskirche auf dem Heimweg.

29.07.2012 Abschied von Sibirien

Nochmals kurze Fahrt über den Kirowplatz und vorbei an Holzhäusern in der Straße der Dekabristen.
Am neuen, aber recht unorganisierten Flughafen von Irkutsk dann banges Nachfordern eines fehlenden Koffercoupons - da wir als Gruppe eingecheckt hatten, war das Mädchen wohl etwas überfordert. Mit einer Boeing 737-800 ging es dann nach Moskau, im neuen Flughafen von Scheremetjewo dann eine schnelle Ausreisekontrolle und mit einem Airbus 320 pünktlich weiter nach Dresden. Sieben Stunden Jet-lag hatten wir im Rücken, so dass wir zur besten Kaffeezeit in Dresden eintrafen. Während des insgesamt achtstündigen Fluges hatte jeder ausreichend Zeit über den Weiten Russlands seinen Erinnerungen nachzugehen und von neuen Zielen - auch in Russland - zu träumen.
Fazit aller Gäste bei der Verabschiedung:
Erwartungen weit übertroffen - Vorurteile über Sibirien („kaltes, unfreundliches  Land der Verbannten“) korrigiert!

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht