Reisebericht: Radreise "Romantisches Schweden" per Rad erleben

25.06. – 03.07.2010, 9 Tage Gruppen–Radreise Vätternsee – Göta–Kanal – Linköping – Stockholm – Vimmerby – Kalmar – Öland – Smaland (200 bis 270 Radkilometer)


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Erstmalig 2010 startete eine 18-köpfige Gruppe zur Radreise durch Südschweden. Endlose Wälder, glitzernde Seen, rote Häuser und altmodische Städtchen aus längst vergangener Zeit. Aber natürlich auch die prickelnde, lebendige Hauptstadt.
Ein Reisebericht von
Ulrike Tranberg

Reisebericht


1. Tag: Ein traumhafter Sonnenaufgang versüßte die gar zu frühe Morgenstunde, zu der unser Bus mit dem schmucken Eberhardt-Fahrradanhänger und dem radtour-erfahrenen Ingo in Kesselsdorf startete. Zeitiges Aufstehen ist nun mal der einzig mögliche Garant dafür, rechtzeitig in Kiel am Skandinavienkai anzukommen. Bis die letzten Teilnehmer unterwegs aufgesammelt waren, konnten die anderen noch ein Nickerchen nachholen, und dann nutzten wir die Zeit, um uns miteinander und mit unserem Reiseland ein wenig vertraut zu machen - und mit unserem imaginären Mitreisenden, dem kleinen Nils Holgersson
von Selma Lagerlöf, dessen Abenteuer von vor über 100 Jahren auch für Erwachsene von heute ein vorzügliches Reisehandbuch darstellen. Nach ein wenig Zeit zum Stadtbummel in Kiel, wo aufgrund der Kieler Woche phantastische, vor allem alte, Segelboote zu bestaunen waren, begrüßte uns Schweden an Bord mit einem herrlichen Buffet. Und dann wiegte uns die Ostsee nur ganz leicht in den Schlaf... 2. Tag: ...aus dem wir inmitten der Schärenlandschaft vor Göteborg erwachten, wo die Morgensonne schon hell leuchtete. Schließlich war es der Mittsommertag, der kaum ein paar Stunden Dunkelheit zulässt. Das wunderschöne Göteborg muss als Ziel für eine neue Reise offen bleiben, denn unser Ziel für heute war das Städtchen Gränna am kristallklaren Vätternsee und die Insel Visingsö mitten darin. Beim Zuckerbäcker schlugen alle kindlichen, mütterlichen und großmütterlichen Herzen gleichermaßen höher, und er durfte sich über einen kleinen Umsatzschub freuen. Dann luden Fahrer Ingo und Reisebegleiter Achim erstmalig unsere Drahtesel aus, die bestellten Leihräder erwiesen sich als passend und natürlich fit, und wir rollten auf die Fähre. Auf Visingsö gibt es eine erstaunliche Zahl von Sehenswürdigkeiten - die Burgruine des Grafengeschlechtes Brahe gehört unbedingt dazu. Aber es locken auch ruhige Dorfstraßen vorbei an romantischen Höfen und sommerlich wogenden Feldern, entlang der ganz unterschiedlichen Küsten oder durch den alten Eichenforst, der eigentlich vor 180 Jahren angelegt wurde, damit unser 21. Jahrhundert daraus Schiffe bauen sollte...und am Straßenrand auch kleine Sommercafés mit hausgebackenem Kuchen und dem in Schweden unvermeidlichen Kaffee. Unsere Gruppe teilte sich daher je nach Radlerlust und -laune, um zwischen 5 und 25 km abzuradeln oder ganz gemütlich mit dem Remmalagen, gezogen von zwei schweren Kaltblütern, über die Insel zu zockeln. An der Fähre waren alle wieder pünktlich zur Stelle, so dass wir die Fahrt nach Jönköping antreten konnten. 3. Tag: Auf dem Weg nach Motala locken zwei historische Highlights zum Fotostopp: aus der schwedischen Frühgeschichte erzählt der Röksten, einer der größten und besterhaltenen Runensteine. Und aus dem Mittelalter und der Renaissance das Städtchen Vadstena mit Kloster und Wasserschloss. In Motala starteten wir dann zur zweiten Radtour, die uns durch friedliche Felder und sommerlich schlafende Dörfer zu einer weiteren architektonischen Meisterleistung führte: dem Göta-Kanal. Der alte Treidlerweg entlang des Kanals, noch dazu mit einem sanften Rückenwind, der schließlich fast immer von Westen her weht, ist für Radler wie geschaffen. Zug- und Rollbrücken ermöglichen den hübschen alten Kanalbooten
die Passage, und die alten Wasserbauwerke zogen vor allem die Techniker unter uns in ihren Bann. Ganz besonders die große Schleusentreppe in Berg.
Zeit für ein Bad im nördlich kühlen Roxensee und die Gelegenheit für die ?Kilometerfresser" unter uns, bis Linköping noch einmal 10 km lang kräftig in die Pedale zu treten, während die ?Urlauber" nach absolvierten 40 km mit dem Bus in die Stadt fuhren. Beide Gruppen hatten vor dem Abendessen noch Gelegenheit, das abendlich vor sich hindösende Freilichtmuseum Alt-Linköping zu besuchen, wo die meisten Läden um diese Zeit schon geschlossen sind. Aber ein leichtes Bier, ein ?Lättöl", und wieder einmal Kaffee und Kuchen konnten wir noch genießen und uns auch die lustige Erfindung des ?Tratschspiegels" an den alten Wohnhäusern anschauen - allerdings überwogen die Frauen, denn die Männer der Welt und daher auch von unser Reisegruppe waren aufgrund der Fußball-WM am Fernseher unabkömmlich. 4. Tag: Nächster Höhepunkt, vor allem für Literatur- und Filmfreunde: Schloss Gripsholm mit seiner phantastischen Ahnengalerie, die in kurzer Zeit Jahrhunderte schwedischer und europäischer Geschichte vor uns abrollen ließ. Und natürlich das bezaubernde kleine Theater - ebenso wie Tucholskis Falltür im ersten Saal. Das Schloss liegt auf einer Insel direkt vor Mariefred, wohin wir noch schnell hinüberradelten, um die tolle Fotoperspektive mitzunehmen und der niedlichen Schmalspurbahn vor dem altmodischen Bahnhof einen Besuch abzustatten. Und dann ging es bergauf, bergab - glücklicherweise in kurzem Wechsel - entlang des Mälarsees nach Osten. Und dort waren wir endlich im schwedischen Wald angelangt, so unglaublich grün in der schwedischen Sommersonne, wie die Wälder bei uns niemals leuchten. Üppiges Blaubeer- und Preißelbeerkraut zwischen den unzähligen hellgrauen Steinbrocken, rote Holzhäuschen mit weißen Fensterrahmen auf kurz rasiertem Rasen, uralte Bäume, Walderdbeeren und die ersten stattlichen Pilze des Jahres. Ob mir unsere Gäste meine Schilderung der fußballgroßen Birkenpilze in Lappland geglaubt haben? Insgesamt brachten wir es heute auf nur 35 km, aber sommerliche Hitze und kräftige Steigungen bewirkten, dass sich unsere Waden insgesamt damit zufrieden fühlten.
 
Und nachdem die Räder verladen waren, war noch Zeit für ein Bad in einem der unzähligen verschlafenen Seen, bevor wir unser Hotel im Stockholmer Hafen bezogen.
              5. Tag: Am Morgen leuchtete wieder einmal die Sonne über Schweden und seiner Hauptstadt, für die bei dieser Reise ein voller Tag zur Verfügung steht - ausgiebig Gelegenheit für jeden Besucher, den Reichtum dieser herrlichen Stadt zu genießen. 3 Stunden Stadtrundfahrt, zum Glück ohne Fahrradanhänger: die alten Straßen und Brücken sind dafür nicht so richtig geplant, und natürlich ähnelt das Großstadttreiben einem Ameisenhaufen. Aber Ingo steuerte unseren kleinen Bus virtuos durchs Getümmel, und wir hatten Gelegenheit, die verschiedensten Seiten Stockholms in Ruhe zu genießen. Dann zurück in den Hafen, Räder ausladen und ab zur Insel Djurgården - einem riesigen grünen Park, nur einen Katzensprung von der Altstadt entfernt. Grüne Wiesen und Rasenflächen, Fußballfelder und Yachthafen, Waldstücken und Gärten, Villen und Spielplätze - und eine weltbekannte schwedische Erfindung: das Freilichtmuseum. Im Skansen sind Bauernhöfe und andere traditionelle Bauten aus dem ganzen alten Schweden zusammengetragen und aufgebaut worden.
Bevölkert von den Tieren, die nun mal dazugehören, von Schaf und Ziege bis hin zu Elch und Rentieren. Letztere allerdings waren in der heiß brennenden Sonne erheblich weniger glücklich als wir. Und eine Menge Kultur für Groß und Klein, vor allem traditionelle schwedische Kunst, Theater und Musik, ist das ganze Jahr über zu erleben. Nebenan ist Rummelplatz: wer schon immer mal den freien Fall ausprobieren wollte, kann das dort erledigen. Die Interessenlage unserer Gruppe zielte dann aber eher auf die Museen - Wasaschiff, Naturkunde, Kunstmuseum - oder auf einen Bummel durch die bezaubernde Altstadt. Da kam jeder auf seine Kosten, so dass zum Wiedersehen beim Abendessen viel zu erzählen war. 6. Tag: Småland, das finstere Småland mit seinen unendlichen Wäldern, stand für zwei Tage auf unserem Plan. Und dazu ein Einblick in das literarische Schaffen zweier weiterer großer schwedischer Persönlichkeiten: Astrid Lindgren und Vilhelm Moberg. Nach einer halbtägigen Busfahrt von Stockholm nach Vimmerby in Astrid Lindgrens Heimatstadt befanden wir uns am Einstieg in ein eigenes thematisches Astrid-Lindgren-Radwegenetz, dessen ersten langen Anstieg wir aber lieber Ingo als unseren Beinen überließen. Denn Småland ist steil! An der hoch gelegenen Holzkirche Pelarna bietet sich ein guter Startpunkt mit gleich zwei Sehenswürdigkeiten an: die schöne alte Kirche selbst steht zur Besichtigung offen,
und daneben befindet sich eine vorzeitliche Steinsetzung, Begräbnis-, Richt- und Festplatz in grauer Vorzeit. Und Festplatz noch heute, wie der hohe Mittsommerbaum erzählt. Dann schnurrten unsere Räder los, noch immer bergauf bis zu einem der bekanntesten Dörfer Schwedens: Büllerbü! Und wer das Buch noch nicht kannte, hat sich vor der entzückenden Kulisse und bei einem kleinen Einblick in Astrid Lindgrens Kinderzeit Appetit geholt. Diese Bücher sind keineswegs nur für Kinder geeignet; eigentlich erschließt sich ihr Zauber ohnehin erst für Erwachsene in seiner ganzen Größe. Am Ende des Tages erwartete uns noch ein guter Bekannter: am Bahnhof von Lönneberga sitzt der kleine Michel nämlich noch heute in seinem Holzschuppen und schnitzt!
 
 
Aber vorher hieß es: tief durchatmen, denn der Anstieg bis zur Kirche Lönneberga zieht sich...aber er zieht sich durch herrliche Wälder, die ein normaler Bus- oder Autotourist so nie zu sehen, zu fühlen und zu riechen bekommt. Heute nur 26 km, aber wieder einmal: bei diesen Bergen reicht das schon fast. Und zur Belohnung überraschte uns die alte Schule Fridhem mit einer neu eröffneten Gaststube - und natürlich wieder einmal Kaffee, Kuchen und frisch gebackenen schwedischen Waffeln. Abends dann noch ein Bummel durch eine weitere der schönsten Städte Schwedens, die alte Hafenstadt Kalmar. 7. Tag: Und von Kalmar führt die Ölandsbrücke auf die eigenartige Insel Öland, deren Charakter so ganz anders ist als der der anderen Landschaften. Unser Ziel war die Nordspitze mit dem geheimnisvollen Trollskogen, dem Zauberwald. Deshalb fuhren wir nach der Brückenabfahrt noch ein ganzes Stück nach Norden und stiegen an der uralten, halb verfallenen Kirche Källa (die im Sommer offen steht) auf die Räder um. Unsere Route bei glücklicherweise sehr leichtem Wind bot reichlich Abwechslung - Windmühlen, Wald und Feld, der romantische Hafen Byxelkrog,
der uns in seiner alten Budenreihe zu köstlichen Fischspezialitäten verführte, ein Bad in der kühlen, dort im Norden schon fast salzfreien Ostsee, dann die eigenwillige Kulisse von Neptuns Feldern an der Nordwestküste, schließlich die uralten knorrigen Bäume im Zauberwald. Einige unter uns wären gern noch weitergefahren, aber der Hotelkoch wartete schließlich auf uns, und die schlaftrunkene Stille auf der Rückfahrt zeugte doch von allgemeiner rechtschaffener Müdigkeit. 8. Tag: Und noch einmal Småland, das Glasreich und die Heimal von Vilhelm Moberg und seiner großen literarischen Schöpfung Christina von Duvemåla. Noch einmal tauchten wir in die unendlichen Wälder ein, radelten auf dem Auswandererweg in noch immer - seit einer Woche! - ununterbrochen strahlendem Sonnenschein an roten Häuschen und schimmernden Seen, an verzauberten, grasbewachsenen Hütten und glücklichen Kühen vorbei, bis ich feststellte, dass man sich im Wald in der Himmelsrichtung täuschen kann, selbst wenn man glaubt, den Weg zu kennen...aber die zusätzlichen 5 km rollten wir flink über die fast autofreie Landstraße dahin, um uns kurz vor dem Ziel, der Glashütte Johansfors, noch einmal zu trennen. Die ?Urlauber" fuhren mit Achim direkt zur Glashütte, neben der sich ein phantastischer Badeplatz mit klarem, eisenbraunen Flußwasser, Sandstrand und Felseninseln befindet, und waren mit ihren 30 km sehr zufrieden. Und die ?Kilometerfresser" flitzten mit mir noch 20 extra-km durch Wald und Dörfer und legten dabei auch eine letzte, kurze und schmerzvolle Bergetappe zurück, um Mobergs alte Schule zu besichtigen, die nach altschwedischer Manier einfach nur offen steht und besichtigt werden kann. Nach dem Bad und einem verkürzten Blick in die Verkaufsausstellung der Glashütte hatte Eberhardt-Travel noch einen Abstecher ins Blaue in Reserve und lud die ganze Gruppe zu einem Besuch in den Elchpark Kosta ein. Denn Elche haben wir im Wald leider nicht getroffen (und auf den Landstraßen mit unserem Bus glücklicherweise auch nicht). Obwohl natürlich ein Gehege, bietet Kosta mit seinen Waldstücken, Lichtungen und Teichen einen vollkommen natürlichen Hintergrund für die gewaltigen Tiere, die von den Besuchern so gar keine Notiz nehmen...und da uns das Buffet auf der Fähre erst gegen 20.30 Uhr erwartete, kam die Möglichkeit, eine Elchwurst am offenen Feuer zu grillen, grad zur rechten Zeit. In der alten Marinestadt Karlskrona blieb uns ein Stündchen Zeit, um noch einmal mit unserem kleinen Freund Nils Holgersson zusammenzutreffen und sein großes Abenteuer mit Karl XI. und dem alten Rosenbom kennenzulernen.
Und dann war die Abschiedsstunde da, die uns die Bordküche aber reichlich versüßte. Die Fähre nach Gdynia und ihr Buffet erwiesen als etwas kleiner als auf der Hinfahrt in Kiel, aber dafür als besonders fein und sehr raffiniert, denn sowohl die Künste des Kochs als auch der gesamte Service waren von polnischer Eleganz und charmanter Freundlichkeit deutlich geprägt. 9. Tag: Die Rückfahrt zieht sich...aber sie bietet auch Gelegenheit, noch einmal alles Erlebte Revue passieren zu lassen, Fotos anzuschauen, E-Mail-Adressen auszutauschen und nach über 250 Fahrradkilometern mal so richtig faul zu sein. Unser persönliches Fazit: Ulrike und Achim freuen sich darauf, die Radtour durch das romantische Schweden auch 2011 wieder zu leiten.

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