Reisebericht: Radreise Schweden zur Mittsommerzeit

18.06. – 26.06.2012, 10 Tage Radreise: Göteborg – Vätternsee – Götakanal – Linköping – Stockholm – Ostküsten–Radweg – Schären – Kalmar – Öland – Smaland – Malmö (190 bis 355 Radkilometer)


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Ein mit 20 Gästen voll besetzter Bus startete zur Radreise durch Südschweden zur Mittsommerzeit. Endlose Wälder, glitzernde Seen, rote Häuser und altmodische Städtchen aus längst vergangener Zeit. Aber natürlich auch die moderne, lebendige Hauptstadt ausgerechnet am Mittsommerabend und Mittsommertag!
Ein Reisebericht von
Ulrike Tranberg

Reisebericht

1. Tag:Ein traumhafter Sonnenaufgang versüßte die gar zu frühe Morgenstunde, zu der unser Bus mit dem schmucken Eberhardt-Fahrradanhänger und dem Radtour-erfahrenen Lutz in Kesselsdorf startete. Zeitiges Aufstehen ist nun mal der einzig mögliche Garant dafür, rechtzeitig in Kiel am Skandinavienkai anzukommen. Bis die letzten Teilnehmer unterwegs aufgesammelt waren, konnten die anderen noch ein Nickerchen nachholen, und dann nutzten wir die Zeit, um uns miteinander und mit unserem Reiseland ein wenig vertraut zu machen. Nach leider nur wenig Zeit zum Stadtbummel, wo aufgrund der Kieler Woche phantastische, vor allem alte, Segelboote zu bestaunen waren, begrüßte uns Schweden an Bord mit einem herrlichen Buffet. Und dann wiegte uns die Ostsee leicht, aber durchaus spürbar in den Schlaf… 2. Tag:…aus dem wir inmitten der Schärenlandschaft vor Göteborg erwachten, wo die Morgensonne schon hell leuchtete. Schließlich war es kurz vor Mittsommer, der kürzesten Nacht des Jahres. Das wunderschöne Göteborg muss als Ziel für eine neue Reise offen bleiben, denn unser Ziel für heute war das Städtchen Gränna am kristallklaren Vätternsee und die Insel Visingsö mitten darin. Fahrer Lutz und Reisebegleiter Achim luden erstmalig unsere Drahtesel aus, die bestellten Leihräder erwiesen sich als passend und natürlich fit, und wir rollten zum Zuckerbäcker, wo alle kindlichen, mütterlichen und großmütterlichen Herzen gleichermaßen höher schlugen, und er durfte sich über einen kleinen Umsatzschub freuen. Dann brachte uns die Fähre über den herrlichen See zur gar nicht so großen Insel Visingsö, die eine erstaunliche Zahl von Sehenswürdigkeiten bereithält - die Burgruine des Grafengeschlechtes Brahe gehört unbedingt dazu. Aber es locken auch ruhige Dorfstraßen vorbei an romantischen Höfen und sommerlich wogenden Feldern, entlang der ganz unterschiedlichen Küsten oder durch den alten Eichenforst, der eigentlich vor 180 Jahren angelegt wurde, damit unser 21. Jahrhundert daraus Kriegsschiffe bauen sollte, und zur wunderschönen Per-Brahe-Kirche. Wer lieber allein über die Insel radeln wollte, konnte dies tun - an der Fähre waren alle wieder pünktlich zur Stelle, so dass wir die Fahrt nach Jönköping antreten konnten 3. Tag:Auf dem Weg nach Motala locken zwei historische Highlights zum Fotostopp: aus der schwedischen Frühgeschichte erzählt der Röksten, einer der größten und besterhaltenen Runensteine. Und aus dem Mittelalter und der Renaissance das Städtchen Vadstena mit Kloster und Wasserschloss. In Motala starteten wir dann zur zweiten Radtour, die uns durch friedliche Felder und sommerlich schlafende Dörfer zu einer weiteren architektonischen Meisterleistung führte: dem Göta-Kanal. Der alte Treidlerweg entlang des Kanals, noch dazu mit einem sanften Rückenwind, der schließlich fast immer von Westen her weht, ist für Radler wie geschaffen. Zug- und Rollbrücken ermöglichen den hübschen alten Kanalbooten die Passage, und die alten Wasserbauwerke zogen vor allem die Techniker unter uns in ihren Bann. Ganz besonders die große Schleusentreppe in Berg. Dann war Gelegenheit für die „Kilometerfresser“ unter uns, bis Linköping noch einmal 15 km lang kräftig in die Pedale zu treten, während die „Urlauber“ nach absolvierten 40 km mit dem Bus in die Stadt fuhren. Beide Gruppen hatten vor dem Abendessen noch Gelegenheit, das abendlich vor sich hindösende Freilichtmuseum Alt-Linköping zu besuchen, wo die meisten Läden um diese Zeit schon geschlossen sind. Aber ein leichtes Bier, ein „Lättöl“, und Kaffee und Kuchen konnten wir noch genießen und uns auch die lustige Erfindung des „Tratschspiegels“ an den alten Wohnhäusern anschauen. Schön gelegen war unser Hotel am Rande des Parks der Gartenvereinigung, unweit vom berühmten Dom von Linköping. 4. Tag:Nächster Höhepunkt, vor allem für Literatur- und Filmfreunde: Schloss Gripsholm mit seiner phantastischen Ahnengalerie, die in kurzer Zeit Jahrhunderte schwedischer und europäischer Geschichte vor uns abrollen ließ. Und natürlich das bezaubernde kleine Theater - ebenso wie Tucholskis Falltür im ersten Saal. Huhuu! Das Schloss liegt auf einer Insel direkt vor Mariefred, am Bahnhof der niedlichen Schmalspurbahn. Und dann ging es bergauf, bergab - glücklicherweise in kurzem Wechsel - entlang des Mälarsees nach Osten. Und dort waren wir endlich im schwedischen Wald angelangt, so unglaublich grün in der schwedischen Sommersonne, wie die Wälder bei uns niemals leuchten. Üppiges Blaubeer- und Preiselbeerkraut zwischen den unzähligen hellgrauen Steinbrocken, rote Holzhäuschen mit weißen Fensterrahmen auf kurz rasiertem Rasen, uralte Bäume und die ersten Walderdbeeren des Jahres. Und mittendrin fanden wir das Schloss Taxinge, zu Recht als „Kuchenschloss“ berühmt. So lecker! Insgesamt brachten wir es heute auf nur 30 km, aber Sommersonne und kräftige Steigungen bewirkten, dass sich unsere Waden insgesamt damit zufrieden fühlten.Bevor wir unser Hotel im Stockholmer Hafen bezogen, hatten wir noch Gelegenheit, den Fest-Wochenend-Verkehr auf den Ausfallstraßen der Hauptstadt kennenzulernen: es scheint zu stimmen, dass Schweden eine Hochburg der Datschenbesitzer darstellt. Wir schafften es grad noch rechtzeitig zum Hotel, schnellem Umziehen, Räder ausladen und zum Hafen, denn halb acht legte unser Schiff zur abendlichen Schärenfahrt ab. Tausende Inseln auf dem glitzernden Meer, große bewohnte und ganz winzig kleine, die langsam sinkende Sonne und auf dem Tisch leuchtend rosa Krabben bis zum Abwinken - das ist eine original schwedische „Räkfrossa“ - eine Krabbenfahrt auf dem Meer!Nichts für Seafood-Verächter, aber für diese gab es auch ein Häppchen zu essen. Die Fahrrad-Viertelstunde zurück zum Hotel durch die helle nordische Sommernacht waren ein schöner ruhiger Ausklang. 5. Tag: Am Morgen leuchtete wieder einmal die Sonne über Schweden und seiner Hauptstadt, für die bei dieser Reise mehr als ein voller Tag zur Verfügung steht - ausgiebig Gelegenheit für jeden Besucher, den Reichtum dieser herrlichen Stadt zu genießen. 3 Stunden Stadtrundfahrt, zum Glück ohne Fahrradanhänger: die alten Straßen und Brücken sind dafür nicht so richtig geplant. Aber es war Mittsommerabend  und damit so gut wie Feiertag - nie ist die Stadt so ruhig und sind die Straßen so leer wie an diesem Tag. Wir hatten Gelegenheit, die verschiedensten Seiten Stockholms in Ruhe zu genießen. Dann zurück in den Hafen, Räder ausladen und ab zur Insel Djurgården - einem riesigen grünen Park, nur einen Katzensprung von der Altstadt entfernt. Grüne Wiesen, Fußballfelder und Yachthafen, Waldstücke und Gärten, Villen und Spielplätze - und eine weltbekannte schwedische Erfindung: das Freilichtmuseum. Im Skansen sind Bauernhöfe aus dem ganzen alten Schweden zusammengetragen und aufgebaut worden. Und zum Mittsommertag wird der Skansen erstürmt von gefühlt einer halben Million Menschen, die dort gemeinsam den Mittsommerbaum errichten und bei einem Familienpicknick auf den Wiesen und Bauernhöfen gesellig feierten. Das muss man erlebt haben! Danach war Zeit für einen individuellen Bummel durch die bezaubernde Altstadt. Da kam jeder auf seine Kosten, so dass zum Wiedersehen beim Abendessen viel zu erzählen war. 6. Tag:Småland, das finstere Småland mit seinen unendlichen Wäldern, stand für zwei Tage auf unserem Plan. Und dazu ein Einblick in das literarische Schaffen einer großen schwedischen Schriftstellerin: Astrid Lindgren. Nach einer halbtägigen Busfahrt von Stockholm stiegen wir an der hoch gelegenen Holzkirche Pelarna aus, wo sich sich ein guter Startpunkt bietet. Die schöne alte Kirche steht zur Besichtigung offen. Unsere Räder schnurrten los, bergauf bis zu einem der bekanntesten Dörfer Schwedens: Büllerbü! Und wer das Buch noch nicht kannte, hat sich vor der entzückenden Kulisse und bei einem kleinen Einblick in Astrid Lindgrens Kinderzeit Appetit geholt. Diese Bücher sind keineswegs nur für Kinder geeignet; eigentlich erschließt sich ihr Zauber ohnehin erst für Erwachsene wirklich. Dann ging es bergab und wieder steil bergauf, durch herrliche Wälder, die ein normaler Bus- oder Autotourist so nie zu sehen, zu fühlen und zu riechen bekommt. Und dort kam der Regen! Zum Glück behütete uns eine Scheune vor dem ersten Guss, aber der zweite erwischte uns in Lönneberga (schon mal gehört?) voll und ganz. Ziemlich durchnässt (zum Glück war es nicht kalt) kamen wir am Bus an, der bei einem guten Bekannten auf uns wartete: am Bahnhof von Lönneberga sitzt der kleine Michel nämlich noch heute in seinem Holzschuppen und schnitzt! Heute nur 26 km, aber wieder: bei diesen Bergen reicht das schon fast. Und bei dem Wetter auch. Es war ein schönes Gefühl, im gepflegten Jugendstilhotel in Kalmar, direkt an der schönen Domkirche und unweit vom Ostseehafen, anzukommen. 7. Tag:Und von Kalmar führt die Ölandsbrücke auf die eigenartige Insel Öland, deren Charakter so ganz anders ist als der der anderen Landschaften. Unser Ziel war die Nordspitze mit dem geheimnisvollen Trollskogen, dem Zauberwald. Deshalb fuhren wir nach der Brückenabfahrt noch ein ganzes Stück nach Norden und stiegen nahe an der uralten Wehrkirche Källa, die im Sommer offen steht, auf die Räder um. Unsere Route bei glücklicherweise freundlichem Rückenwind bot reichlich Abwechslung - Windmühlen, Wälder und Felder, die berühmten Raukar und einen geheimnisvollen, flechtenüberzogenen Küstenwald, den romantischen Hafen Byxelkrog, der uns in seiner alten Budenreihe zu köstlichen Fischspezialitäten verführte, dann die eigenwillige Kulisse von Neptuns Feldern an der Nordwestküste, schließlich die uralten knorrigen Bäume im Zauberwald. Die schlaftrunkene Stille auf der Rückfahrt zeugte von allgemeiner rechtschaffener Müdigkeit nach 52 Fahrradkilometern. 8. Tag:Und noch einmal Småland, das Glasreich. Und diesmal so viel Regen, dass niemand mehr Lust zum Radeln hatte. Zum Glück - die Presse vermeldete, der Regen eines Tages habe die Menge eines ganzen Monats übertroffen! In der Glashütte Pukeberg machte das nichts. Ein netter Glasbläser ließ uns zuschauen, wie unter seinen Händen und Lippen eine mehrfarbige Designervase entstand, und dann durfte Udo das Glasblasen ausprobieren - mit tatsächlich großem Erfolg! Wer wollte, konnte einzigartige Souvenirs mitnehmen, und dann kam die Regenvariante von Eberhardt-Travel an die Reihe: der  Elchpark Kosta. Denn ein Stück Spazieren im Regen, noch dazu mit unserer Outdoor-Kleidung, das war kein großes Problem. Elche haben wir nämlich auf unserer Reise leider nicht getroffen (und auf den Landstraßen mit unserem Bus glücklicherweise auch nicht). Obwohl natürlich ein Gehege, bietet Kosta mit seinen Waldstücken, Lichtungen und Teichen einen vollkommen natürlichen Hintergrund für die gewaltigen Tiere, die von den Besuchern so gar keine Notiz nehmen…und schließlich durfte jeder noch eine Elchwurst am offenen Feuer grillen. Dann bestiegen wir wieder den Bus für die lange Fahrt nach Malmö, wo wir - wieder einmal im Regen - den Turning Torso anschauten und schließlich das letzte Hotel der Reise ansteuerten. Kenneth, Chef im Elchpark 9. Tag:Zeitiges Aufstehen und Frühstücken war leider unvermeidlich, denn um 8 Uhr legte unsere Fähre in Trelleborg ab. Die Rückfahrt von Rostock zieht sich schon…aber sie bietet auch Gelegenheit, noch einmal alles Erlebte Revue passieren zu lassen, Fotos anzuschauen, E-Mail-Adressen auszutauschen und nach über 200 Fahrradkilometern mal so richtig faul zu sein. Unser persönliches Fazit: Ulrike und Achim freuen sich darauf, die Radtour durch das romantische Schweden auch zu Mittsommer 2013 wieder zu leiten.

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