Kultur, Kulinarik und die Kunst des Pilgerns
Reisebericht: 22.09. – 01.10.2024
“Wir müssen von Zeit zu Zeit eine Rast einlegen und warten, bis unsere Seelen uns wieder eingeholt haben.” (Indianische Weisheit)
Ein Reisebericht von
Sabine C. Seifert
22.09.2024 Anreisen & ein bisschen Kultur in Bilbao
In kleinen Gruppen kamen die ersten Wanderfreunde vom Gepäckband am Ausgang auf mich zu. Lachend wurde erzählt, wie jeder sich umgeschaut hatte, wer denn möglicherweise zu unserer Reisegruppe gehören könnte.
Mit Geplauder fuhr dieser Teil der Gruppe vom Flughafen Paloma ins Zentrum der Stadt Bilbao. Direkt am Fluss Nervión gelegen, fanden wir unser Hotel Conde Duque und nach kurzem Warten konnten wir auch schon jetzt zur Mittagszeit unsere Zimmer beziehen. Einige hatten Lust auf einen Ausflug und begleiteten mich auf den Monte Artxanda, den Hausberg Bilbaos. Nur einige Straßenzüge hinter dem Hotel befindet sich die Station der Zahnradbahn Funicular, welche uns in wenigen Minuten zu einem gigantischen Panoramablick über die alte Industriestadt verhalf. Ein schöner Einstieg in die Reise, fanden die Gäste.
Kurz danach traf auch der 2. Teil der Gruppe ein und mit einigen wiederholten wir die Fahrt mit dem Funicular. Andere nutzten die Zeit für einen Bummel durch die Altstadt oder den Besuch des Guggenheim- Museums.
In der Nachmittagssonne, die sich mit Regenschauern abwechselte, spazierten wir nun alle gemeinsam rund um das emblematischste Gebäude der Stadt, das Guggenheim-Museum. Von allen Seiten betrachteten wir es, bis auch die interessantesten Erklärungen von lautem Magengegrummel übertönt wurden und wir schnelleren Schrittes den Weg zu unserem Restaurant für das Abendessen suchten.
Was für ein Menü uns dort erwartete!!! Entenpastete in kleinem Waffelhörnchen, Thunfisch-Tartar mit diffundierter Melonen- und Aperolsauce, Kabeljau, Iberische Schweineschulter und karamellisierter French Toast.
Zwischen den Gängen blieb Zeit, um sich gegenseitig ein wenig kennenzulernen. Wir freuten uns auf eine erlebnisreiche Reise und stellten schon heute fest, dass sich tolle Menschen zusammen gefunden haben.
23.09.2024 Regen in Gaztelugatxe und Sonnenschein in San Sebastian
Es war fast noch dunkel, als wir während unseres Frühstücks den Blick versonnen über den Fluss Nervión schweifen ließen. Ein erster aktiver Tag lag vor uns. Zeitig zogen wir bequeme Schuhe an die Füße. Die Badekleidung verstauten wir erst einmal in der Tasche und mit dem Regenponchoin der Hand waren wir gewappnet für das Kommende. Denn wieso musste der Himmel gerade heute seine Schleusen in seiner Gesamtheit öffnen? Die Insel mit dem fast unaussprechlichen Namen Gaztelugatxe (sprich: Gaz-te-lu-ga-tsche) lag mystisch von ein paar Nebelschwaden umhüllt vor uns. Leider konnten wir die Augen oft nicht vom rutschigen Boden heben, um einen Blick auf die Insel zu werfen, die auch in der Serie Game of Thrones als Spielort genutzt worden war. Auch wenn sonst viele Touristen den Weg hierher suchen, heute waren wir – wohl wegen des Wetters – fast allein unterwegs.
Als wir die 241 Stufen zur kleinen Kapelle des Hl. Johannes bewältigt hatten, zogen sich die Wolken auseinander. Die Sonne uns schickte ein paar Sonnenstrahlen entgegen, wir atmeten auf und genossen den Augenblick und die Aussicht aufs weite Meer hinaus. Die Wellen brandeten an den Felsen und gern hätten wir dieses Schauspiel noch länger bewundert.
Gegen Mittag erreichten wir die elegante Küstenstadt San Sebastian. Immer am Fluss Urumea entlang bummelnd, erhaschten wir einen Blick auf das mit vielen Werbebannern verdeckte Theater Victoria Eugenia und das Hotel Maria Cristina. Gerade fand das 72. Filmfestival Zinemaldia in der Stadt statt. Vielleicht liefen uns ja die diesjährigen Preisträger Cate Blanchett oder Javier Bardem über den Weg? Weiter über die Einkaufsstraße laufend, erreichten wir die Altstadt mit dem Plaza de la Constitución, der früher für den Stierkampf genutzt wurde, hin zur Basilika Maria del Coro und den Resten der alten Stadtmauer. Doch vielen knurrte ein wenig der Magen, oder es meldete sich einfach der Appetit. So teilte sich die Gruppe. Einige begaben sich in eine der berühmten Bars der Altstadt, wo Pintxos, die kleinen verführerischen Happen, in einer riesigen Vielfalt angepriesen wurden, genossen dazu den jungen, baskischen Weißwein Txakoli, oder ein frisches Bier. Die Anderen warteten damit noch ein wenig und schlenderten mit mir am Monte Urgull entlang durch den alten Fischerhafen, bevor sie sich der Kulinarik widmeten. Doch für alle fühlte sich der Tag so richtig nach Urlaub an.
Gleich hinter dem alten Stadttor beginnt das Hafenviertel und daneben liegt einer der schönsten Stadtstrände Europas, den „Playa de la Concha“– Strand der Muschel. Ein Spaziergang über
die stattliche Uferpromenade, vorbei an den kleinen Skulpturen von Don Quijote und Sancho Panza verweilten wir kurz im Schatten der Sommertamarisken und warfen einen Blick zurück auf das ehemalige Grand Casino. Fast wehte uns noch ein wenig des alten Flairs herüber. Wer weiß, mit wem hier Mata Hari alles flirtete, um wichtige Informationen zu erhalten?
Dann ging es zum Strand, die Füße im Wasser kühlend, in den Wellen planschend oder immer die Strandpromenade entlang. Deren Geländer ist bereits mehr als hundert Jahre alt und wurde zu einem typischen Symbol für die Stadt. Einige sprangen mutig durch die Wellen und spürten den weichen Sand unter den Füßen.
Der Spaziergang endete an der "Königlichen" Tennishalle, von wo aus wir gemeinsam mit dem Funicular del Monte Igueldo hinauf zum nostalgischen kleinen Vergnügungspark mit spektakulärer Aussicht fuhren.
An der Küstenstraße entlang fuhren wir wieder Richtung Bilbao.
24.09.2024 Bischofsstadt Comillas & Käse in Asturien
Der heutige Tag stand ganz im Zeichen der Kultur, und das Programm war vollgepackt. Wir begannen mit einem kleinen Rundgang durch die romantische Stadt Santillana del Mar. Einmal kurz beim Orden der Klarissen und ihren leckeren Keksen vorbeigeschaut, einen Blick auf die Stiftskirche der Heiligen Juliana erwischt, in die Souvenirgeschäfte mit ihren lokalen Köstlichkeiten hineingeschaut und schon mussten wir weiter in die alte Bischofsstadt Comillas. Hier wollten wir auf die Suche nach einem Bauwerk des großen Meisters Gaudí gehen. Am Ortseingang begrüßte uns jedoch als erstes das imposante Gebäude der Päpstlichen Universität. Der neoklassische, riesige Bau, der einstmals auch als Priesterseminar der Jesuiten diente, protzte auf dem Hügel über der Stadt. Wir liefen durch eine parkähnliche Anlage, wo sich uns wuchtig und kein bisschen bescheiden der Palast des Marqués de Comillas präsentierte. Und hier lugte auch schon ein wenig vom EL Capricho de Gaudi hervor. Der ungewöhnliche Turm der “Laune Gaudí ´s“ ließ erahnen, was uns erwartete. Ein wenig Zeit zur Stärkung blieb, bevor wir uns dem Haus von Maximo Diaz de Quijano widmeten. Der Name von Maximo wäre wahrscheinlich im Laufe der Geschichte untergegangen, wenn sein Haus nicht von dem großartigen Meister entworfen worden wäre: Antoní Gaudi. Beide verband die Liebe zur Natur und so spiegeln sich Flora und Fauna ebenso im Haus wider wie die Musik.
Nach diesem wunderbaren Besuch fuhren wir weiter in die Picos de Europa, einen Teil des Kantabrischen Gebirgszuges, der mit hochaufragenden Felsen, kristallklaren Flüssen und einer spektakulären Aussicht auf uns wartete. Immer weiter hinein in die enger werdenden Straßen manövrierte uns Santiago sicher mit seinem Bus. Und immer steiler ragten die Felswände neben uns auf. In Arena de Cabrales erreichten wir pünktlich die Höhlenkäserei. Ein kleiner Rundgang durch eine der vielen Höhlen, die zur Reifung des Edelschimmelkäses in Asturien genutzt werden, machte uns mit allem, was für die Herstellung eines erstklassigen, asturischen Käses notwendig ist, bekannt.
Nur wenige Minuten entfernt, befand sich auch unser einfaches, aber liebevoll eingerichtetes Hotel. Am Abend wollten wir die typische Küche der Bergwelt kennenlernen. Nur leider hatte das Restaurant unsere Reservierung vergessen. Schnell wurden Tische zusammengeschoben, ein Menü besprochen und das Abendessen war gerettet. Na ja - außer dass der Kellner oftmals einen Teil der großen Tafel aus den Augen verloren hatte. Doch ein langer und erfüllter Tag lag hinter uns, so dass uns die Aussicht auf ein weiches Bett ein wenig tröstete.
25.09.2024 Die göttliche Schlucht – Ruta del Cares
Sie wartete mit bestem Wetter auf uns: die göttliche Schlucht. Die Wanderung auf der Ruta del Cares ist einer der Höhepunkte dieser Reise. Nach einem circa einstündigem Aufstieg wurden wir mit einem gigantischen Ausblick belohnt. Der Wind pfiff uns um die Ohren und trieb uns vorwärts. Die Gruppe zog sich auseinander, da zum einen die Lauftempi sehr unterschiedlich waren und zum anderen jeder auf seine Weise eine Wanderung genießt. Und alle wussten: Zum Fotografieren bitte stehenbleiben! Es ist ein Erlebnis für sich, den Fluss Cares einige Hundert Meter unterhalb zu erblicken und neben sich eine steile Felswand nach oben ragend.
12 km legten wir laufend zurück, immer mit Blick in die Schlucht oder zu den Bergmassiven gegenüber. An manchen Stellen konnten sich unsere Wanderfreunde zuwinken, an anderen mit den Bergziegen plaudern oder einfach nur stehen bleiben, um dieses einzigartige Panorama für immer in sich aufzunehmen.
Am Ende des Weges wartete nicht nur die kleine Ortschaft Caín, sondern auch die Bar "12 km", die zu einem kühlen Bier oder einem Eis einlud. Von hier starteten wir mit Großraumtaxen, denn hierher konnte unser großer Bus auf keinen Fall kommen. Wie abgeschieden muss es hier wohl im Winter sein? Am Spätnachmittag erreichten wir den Wallfahrtsort Covadonga. Von den Tagestouristen verlassen, zeigte sich der Ort in friedlicher Ruhe. Ein kurzer Rundgang endete an der Heiligen Höhle mit der Kapelle, wo die Nonnen bereits mit den Säuberungsarbeiten begannen.
Am Abend probierten wir lokale Spezialitäten.Vor allem die Vor- und Nachspeise fanden enormen Anklang.
26.09.2024 Sintflut in Covadonga & Nippflut am Kathedralenstrand
Der Tag begann entspannt, denn heute wollten wir erst gegen 09.00 Uhr starten. Zwei Großraumtaxen waren für uns bestellt, die uns bis zum Besucherzentrum des Parkes bringen sollten. Wir wollten das Gebiet des ehemaligen Bergwerks Buferrera mit seinen märchenhaften Felsformationen kennenlernen. Und danach stand die wundervolle Wanderung rum um die Gletscherseen an. Alle hatten sich schon darauf gefreut und warteteten mit den Wanderschuhen in der Lobby des Hotels. Doch ein Blick vor die Tür zeigte den wolkenverhangenen Himmel, der all seine Schleusen geöffnet hatte. Es regnete in Strömen. Aber heutzutage hilft natürlich eine Wetter-App und diese sagte uns, genau um 10.00 Uhr solle es aufhören zu regnen. Hoffnungsvoll schauten wir gen Himmel. Und diese magische App behielt Recht! Nur hatte sich bedauerlicherweise währenddessen auch noch ein Baum überlegt, die Straße zu versperren. Nach einer weiteren Stunde des Wartens und 100en Telefonaten erhielten wir die traurige Nachricht: Bis zum Nachmittag bleibt die Straße zu den Gletscherseen gesperrt.
Schnell nachgedacht: ‘Lasst uns losfahren, wir pausieren in Oviedo, schauen uns die Pilgerstadt und die dortige Kathedrale an, fahren ein wenig zeitiger zum Kathedralenstrand und genießen dort gemeinsam ganz gemütlich unser für heute geplantes Picknick.’ Alle waren einverstanden.
Am Kathdralenstrand packten wir all die wunderbaren Köstlichkeiten aus. Wein, frischer Orangensaft, Trauben, Schinken, Käse, frische Baguettes und “Letizias”, die königlichen Süßigkeiten – es fehlte an nichts. Selbst der Wind hatte Lust auf unsere Spezialitäten. Ständig wollte er sich das eine oder andere mitnehmen.
Jetzt freuten wir uns auf den versprochenen Strandspaziergang, doch wieder eine Hiobsbotschaft: “Ob wir den Strand heute besuchen können, stehe noch nicht fest, es herrsche Nippflut, d.h.
man wisse nicht, ob das Wasser sich ausreichend zurückzöge, damit man den Strand für die Besucher freigeben könne.” Ohje! - Nun ja, es gibt einen tollen Holzbohlenweg mit schönen Ausblicken oberhalb der Felsküste entlang. Wir wollten so gern laufen, also begannen wir eben damit. Als wir wieder am Eingang ankamen, hatte das Meer doch genügend Platz geschaffen. Was für ein Glück! Diese Felsformationen sind einfach spektakulär, ebenso wie die kleinen Entenfußmuscheln, die an ihnen haften. Staunend liefen wir von Fels zu Fels und teilten uns voller Freude unsere Entdeckungen mit. Müde von den Aufregungen, doch erfüllt von so
viel Schönheit erreichten wir unser Hotel, wo der Tag bei einem gemeinsamen Abendessen ausklingen konnte.
27.09.2024 Pilgern auf dem Camino francés von A Brea nach Melíde
Die Reste unseres gestrigen Picknicks bereicherten das eher spartanische Frühstück.
Heute kamen nun auch endlich wieder die Wanderschuhe zum Einsatz. Unser Bus brachte uns zum Startpunkt unserer Pilgeretappe, die von Palas de Rei nach Melide gehen sollte. Diese Distanz erschien uns jedoch etwas zu kurz und so konnte sich jeder entscheiden, ob die Etappe bereits in A Brea gestartet wird. Dort gab es ein kleines Restaurant, so dass eine gesundheitliche Pause vor dem Beginn gesichert gewesen wäre. Tja “wäre“, wenn das Lokal denn geöffnet gehabt hätte.
Doch auf dem legendären Camino Francés´, dem bekanntesten der vielen Jakobswege, gibt es viele Möglichkeiten der Einkehr. Am Anfang erinnerten wir uns nochmals an die Erklärungen zur Beschilderung des Weges, und so wusste jeder: „Wir folgen immer der Muschel oder den gelben Pfeilen.“ Früher war der Jakobsweg nicht ausgeschildert, dies begann erst in den 1970er Jahren. Im Mittelalter, besonders in den ersten Jahren der Pilgerfahrt nach Compostela, verliefen sich viele Pilger in den Bergen und kamen niemals am Grab des Apostels Jakobus an. Im Laufe der Zeit begann man den Jakobsweg mit Kreuzen und Steinhügeln auszuschildern, um den Pilgern die Wanderung zu erleichtern. Die gelben Pfeile des Jakobsweges kamen 1984 dazu, was Elías Valiña, einem Pfarrer von O Cebreiro, der kanonisches Recht studierte und seine Doktorarbeit über den Jakobsweg schrieb, zu verdanken ist.
Auf dem heutigen Tagesmarsch sollten es die Pilger nicht eilig haben, wenn sie ihn genießen wollen, heißt es immer wieder.
Für uns wurde es ein Tag, der wie eine gesamte Pilgerreise alles in sich vereinte: Asphaltstraßen, Dörfer, Feldwege, Wald und Wiesen, Regen und Sonne. "Ist dies die landschaftlich schönste Etappe?", wurde gefragt. “Nein, sicher nicht, aber sie zeigt genau, wie eine Pilgerreise ist, die einmal ganz Spanien durchquert, eben ein ganz normaler Tag eines Pilgers!” Und auch darum ging es an diesem Tag, ebenso wie um das Aufsaugen von Schönheit, Historie, Natur und den vielen Legenden.
Nach einigen Regenschauern traute sich die Sonne hervor. Als wir in O Leboreiro, einem Pilgerort, der schon im alten Pilgerführer Campus leuurarius erwähnt wurde, ankamen, lagen nur noch 5 km bis nach Melide vor uns. Das Abenteuer näherte sich seinem Ende. Während die ersten der Gruppe bereits um 14 Uhr im Hotel ankamen, erreichten es die letzten kurz nach 17 Uhr. Jede(r) durfte nach seinem Tempo laufen.
Am Abend gingen wir ins berühmte Restaurant “La Garnacha” Auf den Tisch kamen gegrillte Paprikaschoten, die Tortilla española, Käse, Salat und auch der berühmte Pulpo durften nicht fehlen. Melide wirbt damit, dass man hier den beste Oktopus in Galicien essen kann. Der Name "pulpo á fereira" stammt im Übrigen von der Art und Weise, wie dieses Gericht auf den alten Viehmärkten in den Dörfern zubereitet wurde. Der Ruhm der Pulperías in Melide basiert auf dieser Tradition und wurde vor allem durch die Pilger in die Welt getragen. Auch wir können sagen: „Der Tintenfisch schmeckte wirklich lecker!“
Am Abend probierten einige noch einen Orujo und es wurde in der Hotelbar viel gelacht. Ein Orujo ist ein Tresterbrand, der in Galicien spätestens seit dem 17. Jahrhundert hergestellt wird.
28.09.2024 Vom Berg der Freude nach Santiago de Compostela
Zeitig am Morgen starteten wir bei strahlendem Sonnenschein, aber kühlen Temperaturen zur letzten Etappe. Wir fuhren ein paar Kilometer bis zum Monte do Gozo, dem Berg der Freude, wo wir auf einer der Anhöhen mit einem wundervollen Blick auf Santiago de Compostela belohnt wurden. Ein paar Schritte weiter befindet sich das Pilgerdenkmal, bei welchem unsere Gruppe mit den obligatorischen Muscheln als Geschenk von Eberhardt Travel überrascht wurden, damit sie sich als Pilger erkenntlich auf die letzte, wenn auch kurze Etappe nach Santiago de Compostela machen konnten. Die Pilger hängten sich früher die Muscheln an ihre Taschen, Hüte, Mäntel oder Pilgerstäbe. Auf diese Weise unterschieden sie sich von den anderen Reisenden. Nun hatte es Einige von uns sehr eilig, strebten der Stadt entgegen und vergaßen ganz, dass dieser Augenblick unwiederbringlich war.
Auf den Plätzen in der Altstadt empfing uns der rasante Rhythmus einer Trommelgruppe und mit wippenden Schritten durchquerten wir den Eingang zum Plaza Obradoiro, an dem uns ein Gaita-Spieler mit dem galicischen Dudelsack begrüßte. Ergriffen schauten wir auf den von Menschen gefüllten Platz, die sich glücklich in den Armen lagen oder wie wir den Blick auf die fantastische West-Fassade der Kathedrale richteten. Diese wurde von Fernando de Casas y Novoa geschaffen und gilt als Meisterwerk des spanischen Barocks. Schnell spurteten wir weiter zum Seiteneingang der Kathedrale, um der Messe beizuwohnen. Die Warteschlange ließ jedoch bei uns die Hoffnung schwinden: “Lohnte es sich wirklich? Die Kathedrale kann man sich doch auch später noch anschauen.” Doch schließlich reihten sich fast alle in die Reihe ein und mit einem Quäntchen Glück schafften wir es, der Pilgermesse beizuwohnen. Und dann wurde unsere Geduld auch wirklich belohnt. Der große Weihrauchkessel schwang sich durch das Querschiff, passend vom Pfarrer kommentiert: “Genießen Sie den Augenblick nicht hinter einem Bildschirm, denn der Botafumeiro ist zwar spektakulär, aber kein Spektakel.” Früher konnte man den Botafumeiro der Kathedrale von Santiago fast jeden Tag in Betrieb sehen. Allerdings zeigten Restaurierungsarbeiten im Jahr 2006, den Verschleiß des Seils und des Weihrauchfasses und der tägliche Gebrauch des riesigen Pendels wurde beträchtlich eingeschränkt.
Anschließend verstreute sich die Gruppe. Einige begaben sich mit mir noch zum Alameda-Park, von wo wir einen fantastischen Blick auf die Kathedrale hatten.
29.09.2024 Am Strand entlang bis ans Ende der Welt
Nach einer morgendlichen Fahrt durch das grüne Galicien, vorbei an den steinernen Horreos, kamen wir am heutigen Startpunkt zu unserer kurzen, einfachen Wanderung entlang der Küste an. Wir begannen in dem kleinen Ort Sardiñeiro, passierten den duftenden Eukalyptuswald und erblickten schon bald das Meer. Mit Blick auf das Fischerdorf Fisterra wanderten wir am Strand Langosteira entlang, an dessen Ende bereits unser Bus auf uns wartete. Nicht alle von uns schnürten heute die Wanderschuhe. Wer keine Lust hatte, fuhr einfach im Bus mit und bummelte ein wenig am Strand hin und her.
Gern wären ein paar von uns bis zum Kap Finisterre gelaufen, doch durch den immer wieder einsetzenden Regen erschien uns die Fahrt mit dem Bus erstrebenswerter. Direkt am Kap suchten wir den bronzenen Pilgerschuh und sahen uns eine Freiluftausstellung an.
Auf der Weiterfahrt hielten wir kurz in Carnota, um einen der größten Getreidespeicher Galiciens zu besichtigen, bevor wir zu unserem Hotel in Poio kamen.
Am späten Nachmittag spazierten wir vom Hotel am Strand entlang, aßen Käsekuchen oder erfreuten uns am Blick auf die Ria.
30.09.2024 Muscheln, Tanz und galicischer Wein
Der heutige Tag blieb zur freien Verfügung oder es konnte sich zu einem Ausflug zur Halbinsel O’Grove und einer Bootsfahrt angemeldet werden. Ein Großteil der Gruppe wollte sich noch ein wenig die Küstenorte Galiciens, die für für ihre Muschel- und Austernzucht berühmt sind, anschauen, zumal das Wetter nicht unbedingt zu einem Erholungstag am Strand einlud. Schon von weitem sahen wir die Holzplattformen im Wasser schwimmen, an denen unterhalb an Seilen die verschiedensten Muscheln bis zu ihrer Ernte hängen. Das Zusammentreffen zweier Strömungen und der Reichtum an Plankton in den Rías sind unter anderem dafür verantwortlich, dass die Meeresfrüchte hier so gut gedeihen. Gemeinsam mit einer kleinen spanischen Gruppe startete das Ausflugsboot hin zu den Muschelbänken, wo uns die Arbeitsweise der Fischer erklärt wurde. Leider regnete es sich ein und so verbrachten wir die meiste Zeit
an Bord im unteren Deck. Trotz allem verkosteten wir bei Musik und mit guter Laune die fangfrischen Muscheln mit einem Glas Wein. Auch Austern fanden nach kurzen Zögern ihren Absatz. Im Anschluss ließen sich fast alle zum ausgelassenen Tanzen animieren. So fuhren wir beschwingt in den Hafen ein und waren ein klein wenig traurig, dass dieser Ausflug so schnell zu Ende ging.
Der Regen hatte ein Einsehen und so konnten wir unseren Ausflug zur kleinen Insel La Toja wirklich genießen. Am Denkmal des Esels, der für die Entdeckung des Thermalwassers verantwortlich war, blieben wir lachend stehen, denn da lag er nun mit seinen vier in die Luft gestreckten Beinen. Ob das wohl jemand von uns nachmachen konnte? Claro que si! Weiter ging es zur wunderbaren Muschelkirche. Von außen ganz mit Jakobsmuscheln bedeckt, besticht sie im Inneren jedoch eher durch ihre Schlichtheit. Daneben befindet sich das ehemalige Fabrikgebäude der berühmten schwarzen Seife. Jung und schön soll sie die Haut erhalten. Um das auszuprobieren nahmen wir das eine oder andere Seifenstückchen mit. Bei der Benutzung der Seife können wir uns an diesen schönen Tag erinnern und werden sehen, ob die Seife ihre Wirkung bei uns wirklich entfaltet.
Erst am späten Nachmittag erwartete uns das Weingut Granbazan mit einer Weinverkostung des galicischen Albariños, dem Weißwein der Region. Bis dahin blieb Zeit, um einen weiteren Küstenort zu besichtigen. Wir entschieden uns für Cambados, schauten beim Weingut "Ribeira de Fefiñáns" vorbei und lasen die Inschrift “Erkenne Dich selbst, …“ im alten „Turm der Huldigung“ des Gutes. Auf der Insel Arousa schlenderten wir am Kai entlang, tranken Kaffee und plötzlich mußte es doch ganz schnell gehen. Das Team des Weingutes Granbazan wollte unsere Führung vorverlegen, so dass wir unsere Wartezeit verkürzen konnten. Es erwartete uns nun der Albariño, dieser trockene Weißwein, der erst mit den richtigen Speisen sein volles Aroma entfaltet: Das lernten und erschmeckten wir bei unserer Verkostung.
Bei unserem letzten Abendessen wurden wir im Hotel verwöhnt, und so genossen wir den letzten gemeinsamen Tag.
01.10.2024 Rückreise mit Hindernissen
Früh am Morgen starteten wir Richtung Porto, denn der erste Flug sollte schon am Vormittag abheben. Doch was für eine Aufregung! Der Flug hatte mehrere Stunden Verspätung. Dies wirkte sich natürlich auf unsere Anschlussflüge aus. Mit viel Geduld, digitaler Hilfe und Beschwerden am Lufthansa-Schalter lösten wir die Probleme. Einige Gäste nutzten die deutsche Bahn, andere mussten mit mir in einem Hotel in Frankfurt ihre Reise um einen Tag verlängern.
Doch schliesslich erreichten alle ihre Heimat und hatten sicher eine Menge zu erzählen, frei nach dem Motto "Wenn einer eine Reise tut, ...."
Der Norden forderte uns mit wechselhaftem Wetter und der Jakobsweg mit der Frage des Pilgerns heraus, oder wie Theodor Heuss sagte: „Der Sinn des Reisens ist es, an ein Ziel zu kommen, der Sinn des Wanderns, unterwegs zu sein.“