Reisebericht: Rundreise durch Litauen, Lettland und Estland

18.04. – 28.04.2019, 9 Tage Rundreise durch das Baltikum mit Flug: Vilnius – Trakai – Kaunas – Klaipeda – Kurische Nehrung – Riga – Gauja Nationalpark – Tallinn


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Das Baltikum ist immer eine Reise wert. Naturschönheiten und kulturelle Sehenswürdigkeiten wechseln sich in den drei Ländern wohltuend ab. Und selbst im entlegensten Winkel hat man Netz mit 4G, und im Gegensatz zu Deutschland keine Funklöcher!
Ein Reisebericht von
Peter Rudolph

1.Tag, Flug nach Vilnius

Am Flughafen in Frankfurt am Main treffen wir, das sind 20 Reisegäste aus allen Himmelsrichtungen ein und besteigen den Flieger nach Vilnius. Dort landen wir nach nur 2 Stunden und stellen unsere Uhren noch eine Stunde vor, denn die Sonne geht hier eher auf. Die Hauptstadt Litauens hat gut 550000 Einwohner und ein kleiner Bach namens Vilnia, was Welle bedeutet gab ihr den Namen. Von diesem ist heute nicht mehr viel zu sehen. Dagegen durchzieht groß und mächtig die Neris, Litauens zweitgrößter Fluß die Stadt. Sofort beziehen wir unser Hotel, einen gründerzeitlichen Prachtbau direkt an der Oper mitten in der Stadt. Die Sonne strahlt, und so unternehmen wir mit unserer örtlichen Gästeführerin Regina einen ersten Spaziergang zu wichtigen Sehenswürdigkeiten. Unweit unseres Hotels schlendern wir durch Wilnas gute Stube, den Gediminus Prospekt. Diese Prachtstraße ist nach dem Stadtgründer benannt und führt uns direkt zur Kathedrale. Diesen klassizistischen Bau bestaunen wir auch von innen. Der Campanile davor ist der letzte Turm der Unterburg und wurde erst zu späteren Zeiten ein Glockenturm. Über der Kathedrale erhebt sich die Oberburg mit dem Gediminusturm. Der Berg wird zur Zeit jedoch saniert und ein Besteigen ist nicht zu empfehlen. Kam man doch auf die glorreiche Idee, mit dem Bau einer Drahtseilbahn auch gleich den gesamten Berg abzuholzen. Die Folge ist, dass alles ins Rutschen kommt und man nur den gesamten Burgberg aufwendig sanieren muss. Ein Stückchen schlendern wir die Burgstraße entlang, in welcher sich Kneipen, Bars und Restaurants wir Perlen an einer Kette aufreihen. Hier sind die Nächte lang. An der Universitätskirche machen wir kehrt und finden uns zu gegebener Zeit zum Abendessen ein. Zum defitigen Essen trinkt man hier gerne ein Bier. Es wird ein Svyturys (Leuchtturm) gezapft. Svyturys ist Litauens größte Brauerei. Sie wirbt mit dem Jahr 1734. Damals war es jedoch der Memeler Kaufmann J. W. Reincke, welcher sie als Brauerei Reincke daselbst gründete. Mit der ersten litauischen Unabhängigkeit wurde sie 1923 litauisch, dann wieder deutsch, 1945 sowjetisch und 1990 wieder litauisch und heißt seitdem Svyturys. Aber dass dieses Bier unter so verschiedenen Besitzen und Nationalitäten gebraut wurde kann nur heißen, dass es immer schon gut war. Davon konnten wir uns selbst überzeugen und es war ein sehr guter Abschluss unseres ersten Tages.

2. Tag, Vilnius – Wasserburg Trakai

Nach einem sehr reichhaltigen und abwechslungsreichen Frühstück, wie es sich für 4 Sterne gehört, begeben wir uns zunächst zur Peter und Pauls Kirche. 1652 vollendet ist sie ein Meisterwerk des Barock, für welches man sich extra Stuckateure aus Italienleistete. Danach betreten wir durch das Tor der Morgenröte eine der flächenmäßig größten Altstädte Europas. Nicht umsonst steht sie auf der Unesco-Welterbeliste. Gleich hinter dem einzigen erhaltenen Stadttor befindet sich die katholische Theresienkirche und ein paar Schritte weiter die orthdoxe Heiliggeistklosterkirche, die verschiedenen Märtyrern geweiht ist. Am Rathausplatz biegen wir in die Glasmachergasse ein und befinden uns mitten im jüdischen Ghetto. Mehr als 100 Synagogen hatte Wilna als multikulturelle Stadt vor dem 2. Weltkrieg, aber nichts ist von ihnen übrig geblieben. Kurze Zeit später erreichen den Präsidentenpalast und den Universitätskomplex einer der größten und ältesten Unis in Europa; gegr. 1579. Wieder durch das jüdische Viertel gelangen wir zum sog. Gotischen Dreieck. Es besteht aus der spätgotischen Bernhardinerkirche und der hochgotischen St. Annakirche von der Napoleon sagte, sie sei so schön, und wenn sie kleiner wäre, würde er sie mit nach Paris nehmen. Die dritte Ecke bestand aus einem Franziskanerkloster, welches jedoch in sowjetischer Zeit abgebrochen wurde. Bie herrlichem Wetter gestatten wir uns eine Pause in den vielen Cafés der Burgstraße und begeben uns danach nach Trakai.
Wir machen diese schon auf dem Weg nach Trakai. Am Stadtrand befindet sich ein riesiger Einkaufstempel, wo man schauen kann, was der normale Litauer für ein Angebot für seine Wochenendeinkäufe hat. Zahlreiche Cafes und Restaurants mit internationaler und heimscher Küche lassen keine Wünsche offen. Von hier aus brauchen wir nicht lange bis zur alten Residenz der der litauischen Großfürsten Trakai. Sozusagen der Regierungssitz, bevor Vilnius Hauptstadt wurde. Hier befindet sich die einzige Wasserburg des Baltikums im Galves-See. Sie hat etwas vom Stil der Burgen des dt. Ordens, ist jedoch rein litauisch und für die Litauer fast so etwas wie ein Nationaldenkmal. Der Anblick ist einfach malerisch und romantisch. Wir bekommen eine geführte Besichtigungdurch den liebevoll restaurierten Komplex. Danach bleibt uns freie Zeit für die Burg und auch den Ort, der stark von der Volksgruppe der Karäer geprägt wurde. Sie wurden vom Großfürsten Vytautas vornehmlich als Leibgarde hier angesiedelt und stammten von der Krim. Ihren alttestamentlichen Glauben praktizieren sie in einem Kenesa genannten Gebetshaus. Typisch für die Karäer sind die bunten Holzhäuser, die man leicht an den drei Fenstern zur Straße hin erkennt, welche sie haben müssen: Eines für Gott, eines für den Großfürsten und das dritte für den Hausherrn. Den Abend beschließen wir in einem Restaurant in der Stadt mit typisch Litauischem Essen. Viel Kartoffeln, Würste, Kartoffelpuffer, Plinsen, der berühmte litauische Kümmelkäse, Rote Beete Suppe, Kraut, Kwas, Wodka, Schokoladenkuchen und riesige Zeppelinas; in Form der Flugzeugkörper geformte Kartoffelklöße mit Hackfleischfüllung. Und wem das noch nicht genug Kalorien sind: Zerlassene Butter und Sauerrahm stehen in großen Töpfen auf den Tischen. Fast biegen sich die Tische unter der Last der Speisen. Da kann man nur sagen: Leben wie Gott in Litauen. Es tut gut, danach noch ein paar Schritte zur Verdauung zu tun.

3. Tag, Vilnius – Kaunas – Memel

Von Wilna aus reisen wir gut 100 km nach Kaunas. Die zweitgrößte Stadt war zwischen den beiden Weltkriegen sogar Hauptstadt des Landes. Schon immer war sie hart umkämpft. Der deutsche Orden hätte zu gerne seine Ostpreußischen und Livländischen Besitztümer durch die Einnahme dieses Gebietes miteinander verbunden. Und so wurden Stadt und Burg immer wieder angegriffen und beschädigt, und so ist heute von der Burg im Grunde nur noch ein einziger Turm übrig. Sie liegt genau an der Mündung der Neris in die Memel, dem längsten Fluß Litauens. Überall in der Stadt wird kräftig saniert, denn bald soll Kaunas für ein Jahr Kulturhauptstadt werden. Unser Weg führt uns zunächst in die St. Georgskirche hinein, der Kirche des alten Franziskanerklosters. Übner das Gelände des alten Bischofspalastes erreichen wir den riesigen Marktplatz mit dem Rathaus, welches wegen seines Aussehens auch der weiße Schwan genannt wird. Rechter Hand befindet sich das Jesuitenkolleg mit einer riesigen Kirche im reinen Barock. Der Rest des Platzes ist von schön sanierten Bürger- und Gildehäusern gesäumt. Hanseatisch mutet das wunderschöne Perkunashaus an in lupenreiner Backsteingotik. Es ist nach einer Statue des baltischen Gewittergottes benannt, die man in einer der Nischen des Hauses gefunden haben will. Nur einen Steinwurf weiter betreten wir die Vytautaskirche, die sich direkt am Ufer der Memel befindet. Nachdem wir danach auch die riesige Kathedrale besichtigt haben, deren Grundstienlegung 1410 war, haben wir uns ein Käffchen in einem der vielen Cafés in der Vilniusstraße verdient. Dies ist die Hauptachse der Altstadt mit vielen Geschäften und Restaurants. Nachmittags erreichen wir Klaipeda, das ehemalige Memel. Die Memel ist hier jedoch weit und breit nicht zu sehen, sondern mündet viele Kilometer weiter südlich der Stadt ins kurische Haff. Klaipeda war der Name einer litauischen Ansiedlung bevor die Ritter des deutschen Ordens kamen und Memel gründeten. Sie wähnten sich im Haff bereits auf dem Fluss und so bekam die Stadt samt Burg auch diesen Namen. Noch vor dem Abendessen lernen wir die Altstadt kennen. Gotische Kirchen suchen wir jedoch umsonst, denn sie alle wurden nach 1945 von den Sowjets gesprengt. Dennoch ist noch so einiges aus alten Zeiten zu sehen. Zum Beispiel das Theater aus dem 19. Jh. vor dem der Simon Dass Brunnen steht, mit der Figur des Ännchen von Tharau. Gemeinsam stimmen wir das bekannte Liebeslied vor dem Brunnen an. Auch an jenem Stadtpalais kommen wir vorbei, in das sich König Fried. Wilhelm III. 1806 nach der Eroberung Preußens durch Napoleon zurückgezogen hatte, quasi geflüchtet in die hinterste Ecke des Reiches. In Berlin spottete man: Unser Dämel sitzt in Memel. Wir schlendern durch die schachbrettartig angelegten z. T. engen Gassen mit Kopfsteinpflaster und erblicken neben alten Speichern und mitunter schon schön sanierten Häusern fast an jeder Ecke eine Skluptur. Das wundert nicht, denn Memel hat eine Kunsthochschule. Den Tag beschließen wir heute im Hotelrestaurant bei Ostseekabeljau: Dem Dorsch.

4. Tag, Ausflug auf die kurische Nehrung

Vorbei an der Stelle der Memelburg direkt am Haff fahren wir zur Fähre und setzen in nur 7 min auf die Kurische Nehrung über. Auf der alten Poststraße nach Königsberg begeben wir uns gleich bis zur zur Hohen-, oder Parniddendüne, denn schon nach kurzer Zeit kann es hier von Bussen nur so wimmeln. Von hier oben sieht man nicht nur die Ostsee und das Haff, sondern blickt auch in das nur ca. 3 km entfernte Russland hinein, das Kalinigarder Gebiet. Oben auf der Düne steht eine große Sonnenuhr, deren Beschädigungen durch einen Sturm mittlerweile repariert sind. Am Fuß der Düne bieten Bernsteinhändler ihre Ware feil. Der ist hier günstiger als in Wilna oder Kaunas und erst recht Estland oder Lettland. Neu ist auch eine Bronzeskulptur für Jean Paul Sartre, der einmal ganz kurz hier gewesen ist. Soll man machen, schließlich ist bei uns ja auch jede Stelle gekennzeichnet, wo Goethe nur wenige Minuten gewesen ist. Wir reisen mit dem Bus zum Sommerhaus von Thomas Mann, das seinerzeit nur mit einer Kutsche zu erreichen war. Ihm waren jedoch nur drei Sommer von 1930-32 hier vergönnt, bevor er in die USA auswanderte. Hinter dem Haus können wir auch wir den sog. Italienischen Blick auf das Haff genießen und gehen dann zu Fuß in den Ort Nidden, Nida hinein. Im dortigen Bernsteinmuseum werden uns die Ursachen für die verschiedenen Farben des fossilen Harzes erläutert. Auch schöne Inklusen kann man dort mit der Lupe betrachten. Nach dem wir durch den mit vielen schönen traditionellen Fischerhäusern versehenen Ort geschlendert sind, verteilen wir uns zum Mittag auf verschiedenen Restaurants, die herzhafte Speisen, aber auch süssere Dinge wir Pfannkuchen mit Quark anbieten. Auf dem Weg nach Juodkrante legen wir einen Stopp an der Ostseekürste ein. Feinster Sand erstreckt sich hier bis zum Horizont. Im Sommer ist es ein idealer Ort zum Baden. Dann gelangen wir nach Schwarzort, wie Juodkrante früher hieß. Auf einem wahrlich verwunschenen Pfad unternehmen wir eine Wanderung über den Hexenberg. Dieser Rundweg ist mit 82 Holzfiguren aus der litauischen Märchen- und Sagenwelt gestaltet, die von ortsansässigen Künstlern gestaltet wurden. Einige der Märchen werden von Regina gekonnt erzählt. Mit der Fähre überqueren wir das Haff danach in entgegengesetzter Richtung und nehmen unser wohlverdientes Abendessen im Hotel ein.

5. Tag, Memel – Berg der Kreuze – Riga

Heute werden wir Litauen verlassen. Als letztes Ziel erreichen wir den wohl wichtigsten Wallfahrtsort des überwiegend katholischen Litauens, den Berg der Kreuze. Hier soll sich eine von den Kreuzrittern zerstörte Burg befunden haben, aber womöglich befand sich schon in grauer Vorzeit eine heidnische Kultstätte auf dem weithin sichtbaren Hügel. Die ersten Kreuze begann man hier für die Opfer der Aufstände gegen das zaristische Russland aufzustellen, später auch für die Deportierten in der Sowjetzeit. Doch je häufiger die jeweiligen Machthaber die Kreuze abräumten und verbrannten, desto mehr wurden es hinterher von Mal zu Mal. Und so entwickelte sich der Hügel nicht nur zu einer Manifestation tiefer Volksfrömmigkeit, sondern auch zum starken Zeichen des Widerstands gegen die Usurpatoren. Seitdem Papst Johannes Paul II. dort eine Messe gelesen hat, wurde der Ort auch international für katholische Pilger ein Begriff, und so sieht man heut auch Kreuze, die aus Japan oder Australien hierher gebracht wurden. Vor einigen Jahren hat man eine Zählung der Kreuze versucht, Diese jedoch bei 50000 abgebrochen. Nachdem wir noch in der Nähe von Siauliai (Schaulen) unsere Mittagsrast getätigt haben, begeben wir uns auf den Weg nach Norden in Richtung Riga. Wie schon den ganzen Tag zieht endlose Frühlingslandschaft an uns vorbei, nur leicht wellig oder hügelig. Wald und Wiesen, sowie Felder werden nur selten von Dörfern unterbrochen. Oft sehen wir kleine Einzelgehöfte in der Weite der Landschaft. Die baltischen Staaten sind, abgesehen von den städtischen Zentren rein agrarisch geprägt. Sehr zahlreich sichten wir auch Störche, die erst vor kurzem aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt sein müssen.
Am Nachmittag erreichen wir Riga, mit 700000 Einwohnern die größte Stadt des Baltikums und Hauptstadt Lettlands. Unser Hotel befindet sich direkt am Altstadtrand und hat alles, was 4 Sterne im Zentrum einer Kapitale ausmachen sollte. Hier nehmen wir auch unser Abendessen ein, nachdem der eine oder andere Gast schon einmal die Umgebung des Hotels erkundet hat.

6. Tag, Riga

Der heutige Tag steht ganz im Zeichen der Erkundung Rigas, der alten Hansestadt. Wir begeben uns mit dem Bus zunächst in den Art Nouveau District. Jugendstil gibt es zwar in ganz Riga, aber hier tritt dieser Architekturstil geballt und in einer für Riga kolossalen Ausprägung auf. Herausstechend sind vor allem die Bauten von Michael Eisenstein (1867-1921). Die Wohnungen hinter den von Ornamentik und Plastiken überbordenden Fassaden haben mitunter von 200 bis zu 400 qm. Wohnfläche oder mehr. Die Gentrifizierung ist hier schon lange abgeschlossen. Ein Quadratmeterpreis von 5000 € ist noch sehr günstig. Und so verwundert es nicht, dass sich hier auch viele Botschaften befinden. Zu Fuß begeben wir uns danach zu einem Rundgang durch die historische Altstadt. Wir beginnen auf dem Rathausplatz, auf dem sowohl der Roland steht, als auch das Schwarzhäupterhaus, welches nach einer Vereinigung unverheirateter Kaufleute zur Hansezeit benannt ist. Einen Steinwurf entfernt befindet sich St. Petri, auf dessen Turm man für 9 Euro ganz bequem mit einem Fahrstuhl gelangen, und eine herrliche Fernsicht über die ganze Stadt genießen kann. Daneben staunenn wir nicht schlecht, als wir die Bremer Stadtmusikanten erblicken. Aber das wundert nicht, denn Bremen ist die Partnerstadt. Schön ist auch der Livenplatz vor den Gildehäusern, die schon im 14. Jh. entstanden, heute aber ein Ensemble aus purer Neogotik des 19. Jh. bilden. Letten waren in den Gilden nicht zugelassen, nur Deutsche Kaufleute. Aus Groll über seine Ablehnung errichtete ein reicher lettischer Kaufmann direkt gegenüber ein großes Haus mit zwei Karten auf den Türmchen, deren Hinterteile sich den Gildehäusern zuwandten. Per Gerichtsbeschluss mussten die Katzen jedoch umgedreht werden. Danach beschauen wir uns das mächtige Opernhaus, und schlendern an den Stadtgräben der ehemaligen Bastionen entlang bis zur Freiheitsstatue, dem vermutlich wichtigsten Denkmal Lettlands, welches schon aus der Zeit der ersten Unabhängigkeit stammt. Langsam schlendern wir zurück, und lassen linker Hand den Pulverturm der ehem. Stadtbefestigung stehen. Nach drei uralten Häusern, den drei Brüdern gehen wir durch St. Jakob am Parlament vorbei und durch die alte Börse in den Dom, dem mächtigsten Sakralbau im gesamten Baltikum. Nach soviel geballter Kulturgeschichte haben wir uns redlich einen Kaffee oder ein Mittagessen verdient. Den freien Nachmittag nutzen Viele, um eine Bootsfahrt entweder auf der Düna, oder den alten Wallgräben zu unternehmen. Auch die größten Markthallen Europas, zweckentfremdete Zeppelinhallen, lassen wir uns nicht entgehen. Zehntausende Rigaer kommen hier täglich zum Einkaufen her. Man bekommt hier und außerhalb der Halle sämtliche Lebensmittel, aber auch Hausrat, Kleidung und allen möglichen Tand. Das Abendessen nehmen wir wieder im Restaurant unseres Hotels ein.

7. Tag, Tagesausflug zum Schloss Rundale

Die gesamte Gruppe kommt heute mit auf den fakultativen Ausflug zum Schloß Rundale, der bedeutendsten Barockanlage im gesamten Baltikum. Baumeister war Bartolomeo Francesco Rastrelli: In Paris gebürtig, italienischer Abstammung und russischer „Stararchitekt". In und bei St. Petersburg stammen u. a. das Smolny Kloster, der Kastharinenpalast und der Winterpalast, also die Ermitage von ihm, aber auch Rundale. Auftraggeberin war Zarin Anna Ivanowna, die es für ihren Vertrauten Ernst Johann Biron errichten ließ, als sich abzeichnete, dass der den Herzogstand erreichen würde. 1736 begann der Bau von Schloß und Garten und endete jäh 1740, als Biron nach dem Tod seiner Gönnerin für 22 Jahre nach Sibirien verbannt wurde. Erst nach seiner Rehabilitierung und Rückkehr 1762 wurde der Bau unter Zar Peter III. beendet. Man nennt es auch das Versailles des Baltikums. Wir können uns folglich auf meisterliche Pracht des Barock und Rokkoko freuen. Wir bekommen eine sehr detailreiche Führung durch viele der 138 Räume. Angefangen vom Goldenen Saal für Audienzen, den weißen Ballsaal mit überbordenden Stuckarbeiten, bis hin zu den Privatgemächern des Herzogs und seiner Gattin. Seit mehr als 20 Jahre restauriert man liebevoll einen Raum nach dem anderen, denn z. T. arge Zweckentfremdungen im 20. Jh. hatten mehr zerstört als erhalten. Nachdem wir noch einige Schritte durch den original erhaltenen barocken Garten getan haben, wo leider die Rosen im Rosengarten noch nicht so weit waren, nehmen wir ein ausgewachsenes Drei-Gänge-Menü in einem urigen Restaurant auf dem Schloßgelände zu uns. Viele halten deshalb auf der Rückfahrt nach Riga ein kleines Verdauungsschläfchen bei lettischen Volksweisen. Die Fahrt führt uns auch durch die Stadt Bauska mit Ihrer mächtigen Trutzburg über dem Fluß Lielupe. Und nachdem der Rest des Nachmittags für individuelle Freizeitaktivitäten genutzt wurde, beschließen wir den Tag beim Abendmenue in unserem Hotel.

8. Tag, Gauja Nationalpark – Tallin

Unser letztes Ziel in Lettland ist heute der Gauja Nationalpark, der 1973 gegründet wurde und seinen Namen von dem ihn durchfließenden Fluß erhalten hat. Markant ist die Bergig-hügelige Landschaft, die der Gegend auch den Namen Livländische Schweiz eintrug. Wir begeben uns zunächst in die Kleinstadt Sigulda und beschauen uns die dortige Burg des Deutschen Ordens an. Nur 5 Minuten Fahrt sind es von dort bis zur Gutmannshöhle in welcher eine heilsame Quelle entspringt. Generationen von Besuchern haben seit dem 18. Jh. Ihre Namen mit Datum hier eingeritzt. Den Namen, so erzählt uns Regina, hat sie von einem ehemaligen Besitzer, welcher das heilsame Wasser großherzig an alle Menschen verschenkte, anstatt es teuer zu veräußern. Ich dagegen schenke heute im Namen von Eberhardt den berühmten Rigaer schwarzen Balsam aus. Der Schnaps ist mindestens genauso heilsam; besteht er doch aus 24 wohltuenden Kräutern und Beeren und hat schon Katharina der Großen wieder auf die Beine geholfen (s. Reisetipp). Nur einen guten Kilometer entfernt befindet sich die Bischofsburg Turaida hoch über dem Tal der Gauja. Sie wurde Anfang des 13. Jh. von Rigaer Bischof errichtet. Erklimmt man den 30 m hohen Bergfried, eröffnet sich ein atemberaubender Ausblick auf die bewaldeten Flächen der Umgebung. Im Vorfeld der Anlage befindet sich zum einen eine der ältesten Holzkirchen Lettlands aus dem Jahr 1750 und das Gelände eines alten Friedhofs. Der ist nicht mehr vorhanden, aber das Grab für die berühmteste Bestattete hier: Die Jungfrau Maja, auch "Die Rose von Turaida" genannt. Eine wunderschöne Jungfrau, welche, um ihre Ehre zu retten, für Ihren Versprochenen mit einer List in den Tod ging, nur um nicht von Söldnern entehrt zu werden. Die Aussage dahinter: Lieber ehrenvoll sterben, als sich schmachvoll ergeben. Jedes Lettische Schulkind kennt die Legende von Maja und Viktor, in der sich ein historisch verbriefter Kern aus dem Jahr 1620 verbirgt. Unser Mittagessen nehmen wir unweit von Turaida in der Hexenküche ein, einem Lokal mit deftigster und nahrhafter Hausmannskost. Nach einer weiteren Rast an der Grenze sind es noch gut 1,5 Stunden Fahrt nach Tallin, der Hauptstadt Estlands. Die estnische Sprache ist sehr eng mit dem Finnischen verwandt, was uns schon an den vielen Doppelvokalen auf den Schildern auffällt. Auch die weiten Birkenwälder und die sumpfige Landschaft rechts und links der Straße, nur selten von Einzelgehöften unterbrochen, erinnert schon stark an Finnland. Von den drei baltischen Hauptstädten ist Tallin, alias Reval mit 400000 Einwohnern die kleinste. Wir erleben aber auch hier dichtesten Verkehr. Das kann aber auch daran liegen, dass wir genau zum Feierabend in die Stadt gelangen. Wir erreichen wohlbehalten unser Hotel, das direkt am Jachthafen liegt und nur einen Steinwurf von der Altstadt entfernt. Bevor die meisten Gäste schon einmal das Wasser in Augenschein nehmen, bedienen wir uns jedoch zunächst am leckeren Buffet zum Abendessen.

9. Tag, Tallin

Heute erkunden wir die Hauptstadt Estlands, die zur Hansezeit noch Reval hieß. Mit dem Bus durchreisen wir zunächst den schönen Vorort Kardiorg, welcher von Zar Peter d. Großen gegründet wurde. Hier stehen noch sehr viele schöne und große Villen aus Holz, die von betuchten Revalern errichtet wurden. Nicht weit davon erreichen wir die Sängertribüne aus dem Jahr 1960. Sie war einer der Orte, wo die so genannte singende Revolution der baltischen Staaten ihren Anfang nahm. Die Tradition des Chorsingens in Wettbewerben lebt bis heute mit ungebrochener Beliebtheit fort. Bergab an der Ostsee im Ortsteil Pirita werfen wir einen Blick auf die riesige Kirchenruine des mittelalterlichen Brigittenklosters und machen einen Stopp am Wasser unweit des Olympiahafens, wo 1980 die Segelregatten der Olympischen Spiele ausgetragen wurden. Von hier aus hat man die komplette Stadtsilhouette Tallins im Blick.
Die Altstadt, im Grunde ist es eine Doppelstadt, ist zu großen Teilen von den noch erhaltenen mächtigen Stadtmauern umgeben. Von den ehemals 40 Türmen stehen noch 26. Wir beginnen unseren Fußmarsch in der Oberstadt, bzw. auf dem Domberg. Hier wohnten früher vornehmlich geistliche Würdenträger und Adlige; in der Unterstadt dagegen Bürger und Handwerker. Beide Städte waren eigenständig und beäugten sich mißtrauisch. In der Oberstadt sehen wir zunächst auf dem Gelände der alten Burg des dänischen Stadtgründers Waldemar II. das Parlamentsgebäude und gegenüber die orthodoxe Alexander Newski Kathedrale. Diese stammt aus dem 19. Jh. An der Domkirche und vielen Palais ehemaliger Adelsgeschlechter vorbei, führt uns der Weg zu zwei Aussichtspunkten, von denen aus man einen wunderbaren Blick auf die Unterstadt hat. Durch das Lange Bein, so der Name der zwischen den Stadtmauern verlaufenden Verbindungsstraße gelangen wir in die Unterstadt, die uns allenthalben mit hanseatischen Flair umfängt. Große spitzgiebelige Speicherbauten wechseln mit Gildehäusern, Kirchen und Kapellen ab. Die größten Stadtkirchen sind St. Olaf im Norden und St. Nikolaus im Süden. In letzterer hat sich u. a. ein Fragment des berühmten Totentanzgemäldes des Lübecker Malers Bernt Notke aus dem 15. Jh. erhalten. Auf einer der Hauptachsen, der Pikk sehen wir nach der Heiliggeistkirche neben einigen schönen Jugendstilhäusern auch hier, wie in Riga ein Schwarzhäupterhaus; diesmal mit dem Schutzheiligen der Gilde, dem hl. Mauritius über einer prachtvollen Barocktür. Durch eine enge Gasse gelangen wir unter einem Durchgang der Ratsapotheke von 1422 auf den Marktplatz. Hier steht seit über 600 Jahren unverändert das Rathaus in stolzer Pracht. Neben der doppeltürmigen Virupforte hat sich die Stadtmauer sogar so gut erhalten, dass man den Wehrgang gegen Eintritt besteigen kann. Nachdem wir die enge Katharinengasse durchschritten haben locken nun, am freien Nachmittag viele Cafés und Restaurants und danach die Altstadt als Weltkulturerbe zum weiteren Erkunden. Am Abend lockt uns wieder das reichhaltige Büffet in unserem Hotelrestaurant.

10. Tag. Ausflug in den Lahemaa Nationalpark

Der Lahemaa Nationalpark ist der älteste und größte estnischen Nationalpark. Ein Drittel des Parks ist Meer. Hochmoore sind für den Lahemaa Nationalpark typisch. Wir begeben uns in das Viru-Moor. Schon der Wald an der Straße ist mit Pfützen und Tümpeln recht durchnässt und je weiter wir hineingehen, desto üppiger werden Flechten und Moose an den Bäumen und auf dem Boden. Irgendwann ist es so feucht, dass es nur noch über einen Holzbohlenweg geht. Stelltafeln daneben unterrichten den Wanderer über die Flora und Fauna, sowie über die Entstehung dieser Hochmoore. Der Moosboden ist vollgesogen wie ein Schwamm. Der Boden hat nur wenige Nährstoffe. So wundert es nicht, dass die Krüppelkiefern, nicht höher als 2 m schon über 100 Jahre alt sein sollen. In der Mitte befindet sich ein Aussichtsturm von welchem wir einen guten Rundblick über das Moor haben. Nach einem Abstecher zu einem alten Torfabbaugebiet, dass sich gerade wieder von selbst renaturiert , erreichen wir nach einer guten Stunde wieder festen Boden unter den Füßen. Wölfe, Bären und Kreuzottern, von denen es hier viele gibt, sind uns nicht begegnet. Unsere Fahrt geht durch unendlich scheinende Wälder auf schmalen kurvigen Straßen. Erst einige Kilometer vor der Ostseeküste kommen plötzlich Wiesen und Gehöfte in Sicht. Wir nähern uns dem Fischerdorf Altja. Hier begeben wir uns zunächst zum Ufer der Ostsee. Die Gletscher der letzten Eiszeit haben hier eine Unmenge an Findlingen hergeschoben. Manche fast so groß wie eine Gartenhütte. Weit geht unser Blick aufs Meer hinaus, an dessen anderem Ufer Finnland liegen muss. In einem der stohgedeckten Bauernhäuser werden wir zu einem nahrhaften Mittagsmahl geladen. Es gibt Fisch, Graupen mit Speck, würzigen Kartoffelstampf, Waldpilze in Rahmsoße und Blaubeerkuchen. Einfaches, aber leckeres und sättigendes Bauernessen wie früher. Nach Natur folgt nun Kulturlandschaft:
Estland war voll mit Landgütern. Ca. 2000 zählte man vor dem 1. Weltkrieg. Oft gingen sie bis ins 13. Jh. auf livländische Rittersitze zurück. Viele wurden ab dem 18. Jh. prächtig im barocken oder klassizistischen Stil umgestaltet. Spätestens 1939 kam das Ende und die meist deutschen Besitzer mussten ihre Güter und Ländereien verlassen. Heute versucht man viele dieser Häuser deutschbaltischen Adels zu restaurieren, wenn das noch möglich ist, und oft einer touristischen Nutzung zuzuführen. Zunächst besuchen wir das Gut Sagadi, das sich ab ca. 1750 im Besitz der Familie von Fock befand. Wir betrachten es von außen, denn es ist ein Schulungszentrum der staatl. Forstverwaltung darin untergebracht. Die ehemaligen Stallungen beherbergen neben einem Hotel auch ein Forstmuseum. Noch Schloßartiger ist das Gut Palmse. 1676 kam das Gut in den Besitz der Familie von Pahlen, deren Nachfahren heute in Deutschland leben. Wir bekommen eine Führung durch das Haus und können uns an der Einrichtung erfreuen, die vom Empire über Biedermeier bis zum Historismus reicht. Das Gut verfügte auch über eine Orangerie und im schön angelegten Garten mit Badehaus und Pavillon kann man sich gut ergehen. Die Springbrunnen plätschert leiblich uns man hätte Lust, sich sofort zu setzen und ein Käffchen zu trinken. Verschiedene Wirtschaftsgebäude gehören zum Gut von denen ein Teil der Stallungen heute ein Hotel birgt. Am späten Nachmittag erreichen wir unser Hotel und haben den letzten Abend der Reise die Möglichkeit, diesen individuell nach eigenem Gutdünken zu gestalten.

11. Tag Rückflug

Wie im Flug ist die schöne Reise durch das Baltikum vergangen. Heute heißt es Abschied nehmen von Regina und unserem Chauffeur Tardas. Viele von uns waren überrascht, daß man noch in den entlegensten Gegenden einwandfreien Netz- und Telephonverkehr hatte. Da haben die baltischen Staaten Deutschland wirklich etwas voraus. Funklöcher wie bei uns gibt es nicht. Wirklich jede Hütte mitten in der Wildnis ist vernetzt und durchgehend mit 4G versorgt. Wieso klappt das dort und in Deutschland nicht?
Nach genügend Zeit zum Frühstücken und Packen begeben wir uns zum Flughafen und besteigen die Maschine nach Frankfurt/Main. Hier trennen sich unsere Wege und wir reisen zu unseren Heimatorten in alle Himmelsrichtungen. Eine nette und harmonische Reisegruppe, gute Hotels, kundige Guides, leckeres Essen, eine guten Mischung aus Natur und Kultur und das durchgehend gute Wetter machten die Reise zu einem Erlebnis, das allen Teilnehmern noch sehr lange in guter Erinnerung bleiben wird.

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