Reisebericht: Rundreise Rumänien: Donaudelta, Karpaten und Siebenbürgen

31.08. – 08.09.2019, 10 Tage Rundreise Rumänien: Bukarest – Donaudelta – Moldauklöster – Schäßburg – Hermannstadt – Kronstadt – Burg Bran – Schloss Peles


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Walachei, Siebenbürgen, Transsylvanien - alles Begriffe, die wir mit Rumänien in Verbindung bringen. Doch wofür genau stehen sie? Wir machen uns auf Spurensuche und tauchen ein in vielfältiges Land im Aufbruch.
Ein Reisebericht von
Jana Wessendorf
Jana Wessendorf

Samstag, 31.08.2019 – Anreise nach Bukarest mit einem Sommerfest im Heraustrau–Park

Unsere kleine, aber feine 14 Gäste starke Gruppe reist aus vier verschiedenen Abflugorten an und trifft sich am Bukarester Flughafen. Freundlich und herzlich werden wir von Doru, unserem örtlichen Reiseleiter empfangen. Auf der kurzen Fahrt vom Flughafen zum Hotel begeistert uns Doru gleich mit seinem vielfältigen und gekonnt vorgetragenen Wissen.
Am Nachmittag checken wir im Hotel ein. Die knapp drei Stunden bis zum Abendessen stehen zur freien Verfügung.Wir sind alle zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht aufgestanden und eine gewisse Müdigkeit lässt sich nicht verleugnen. Manch einer ruht sich im Zimmer aus oder nimmt ein erfrischendes Bad im Pool des Hotels. Andere gehen sofort auf Erkundungstour und spazieren, vorbei am prächtigen Pressezentrum, das an die Lomonossow-Universität in Moskau erinnert, zum Heraustrau-Park, dem grössten Park in Rumäniens Hauptstadt. Der Park ist ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Gäste. Jeder findet hier, was er sucht. Ruhe am See, stille Bänke unter hohen schattigen Bäumen, gesellige Bars oder die Möglichkeit, mit dem Boot oder Schiff über den See zu tuckern. Auch heute steppt hier der Bär. Familien mit Kindern bevölkern den Park, Angler versuchen ihr Glück beim Fischen, Freunde treffen sich zum Picknick oder zum Quatschen, Hochzeitsfotos werden geschossen. Ausserdem findet gerade ein Sommerfest statt und Bukarests grösste Bierbar quillt vor allem am Abend vor Menschen über. Wer Live-Musik sucht, findet sie hier.
Gemeinsam dinnieren wir im Hotel am Abend und knüpfen Kontakte untereinander. Ein angenehmer Start in unsere Rumänien-Reise!

Sonntag, 01.09.2019 – Durch die Walachei und die Kornkammer Europas ins Donaudelta


Der frühe Vogel fängt den Wurm! Bereits um acht Uhr sitzen wir in unserem Bus, der uns allen viel freien Platz bietet. Wir spuren uns nach Osten ein. In Richtung Donaudelta. Doru besticht, wie schon gestern, mit umfangreichem Kenntnissen und bringt uns sein Land auf sehr angenehme Weise näher. Während wir so die Kilometer abspulen, zeichnet sich in unseren Köpfen ein erstes konkreteres Bild vom uns bis dahin unbekannten Land Osteuropas. Gehört es zu Osteuropa, Mitteleuropa oder ist es ein Balkanstaat? Auch über diese Frage philosophieren wir nach Dorus Anreiz.
Wir durchqueren die Kornkammer Europas, die wiederum ein Teil der Grossen Rumänischen Tiefebene ist. Landwirtschaft und Ackerbau, wohin das Auge reicht. Doch auch hier ist unverkennbar, dass der Regen in letzter Zeit gefehlt hat. Riesige Sonnenblumenfelder sind stumme Zeugen dafür. Wie ein Soldatenchor sind ihre Köpfe einheitlich zur Sonne ausgerichtet, doch die Pflanzen sind welk. Überall entlang der Strecke entdecken wir grosse Getreidesilos, neue und ältere, als Lagerstätten für das viele Korn, was in dieser Region angebaut wird.
Siebenbürgen, Transsylvanien, Walachei - all das sind Bezeichnungen, die wir alle schon einmal gehört haben und auch mit Rumänien in Verbindung bringen. Doch was liegt wo und woher kommen die Namen? Wie hängen sie zusammen? Doru bringt Licht ins Dunkel. Heute durchqueren wir einen Teil der ehemaligen Walachei und schwups, sind wir am östlichen Ende des Landes angekommen. In Tulcea, dem Tor zum Donaudelta. Es wirkt nahezu ein bisschen ungläubig, dass wir fast am Schwarzen Meer sind. Auch so ein Sehnsuchtsort.
Ein kurzer Spaziergang entlang der Uferpromenade der Donau bringt uns zu unserem Flachboot, mit dem wir ins Delta hineingleiten. Für die nächsten vier Stunden tauchen wir ein in das wonnige Grün, teils auf schmalen Wasserstraßen, immer auf der Suche nach Reihern, Kormoranen und anderen Vögeln, für die das Delta so bekannt ist. Und wir haben sogar richtig Glück: Sogar eine kleine Gruppe Pelikane können wir an einem kleinen Binnensee erkennen. Hurra! Das Donaudelta ist das drittgrösste Biosphärenreservat Europas. Dass es schützenswert ist, erkennen wir sofort. Gerne würden wir im Delta übernachten und in der Abenddämmerung oder in den frühen Morgenstunden auf Pirsch gehen. Dann gehört das Delta den Tieren und der Natur, die Tagesausflügler wären verschwunden. Man darf ja noch träumen, oder?
Nach einem leckerem Abendessen (natürlich Fisch!) im sehr schönen Hotel "Esplanade" haben wir Zeit zur freien Verfügung. Einige zieht es in eine der vielen Bars der lebendigen Stadt, andere spazieren die lange Uferpromenade entlang. Ein Geheimtipp ist ein halbstündiger Spaziergang hinauf zum Monumental Eroilor, einem Denkmal auf einem kleinen Hügel oberhalb von Tulcea. Nicht nur die Aussicht auf das nächtliche und beleuchtete Tulcea ist reizvoll, sondern auch die Eindrücke, die unterwegs vom alten und charmanten Ortskern der Stadt locken. Das Gesamterlebnis wird durch zwei schöne orthodoxe Kirchen abgerundet, die sich ebenfalls in den engen Gassen verstecken.
Auch ein solch schöner Tag muss einmal zu Ende gehen. Fast möchte man denken: leider.

Montag, 02.09.2019 – Von der Dobrudscha in die Moldau


Der morgendliche Blick aus dem Fenster schweift über den weiten Donaubogen und das Grün des Deltas. Flusskreuzfahrt- und Frachtschiffe fahren vorbei in Richtung Schwarzes Meer oder treten die Rückreise nach Westeuropa an. Es ist schön hier! Doch unsere Reise durch Rumänien geht weiter.
Nach rund zwei Stunden Fahrt hat uns die Donau wieder. Wir dürfen an dieser Stelle aber nicht mit der Fähre übersetzen. Der Wasserstand ist zu niedrig. Wir fahren weiter in die Nähe von Brâila. Hier klappt es und zusammen mit vier anderen Brummi-Schwergewichten borden wir unseren grünen Bus. Das Treiben beim Rangieren der LKWs ist ein Erlebnis für sich und wir beobachten es mit Interesse. Pragmatismus wird hier gross geschrieben. Die deutsche Gründlichkeit kommt hier jedenfalls zu kurz. Wir staunen und schmunzeln.
Auf unserer langen Fahrt verlassen wir die Dobrudscha. Doru berichtet ausführlich über das Gebiet und das Schicksal der Dobrudscha-Deutschen. Letztere gibt es als solche heute nicht mehr in Rumänien, wie auch der Zahl der Deutschen insgesamt rapide gesunken ist. Auch viele (junge) Rumänen verlassen das Land, auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten im Ausland.
Weiter führt uns die Reise in die Provinz Moldau mit ihrem gleichnamigen Fluss, den wir jetzt - viel einfacher als die Donau zuvor - überqueren. Wer an die Moldau denkt, denkt auch gleich an das gleichnamige Musikstück von Bedrich Smetana. Wieder glänzt Doru mit vielen Hintergrundinformationen. Die Unterscheidung zur Republik Moldawien, die im Norden an Rumänien grenzt, ist wichtig.
Wir erreichen unser Ziel Piatra Neamt, am südlichen Ende der Bukowina, die ein Teil der Moldau ist. Im Hotel werden wir mit Brot, Salz sowie Pflaumenlikör mit Waldbeersaft empfangen, einem typischen Empfangsritual hier in Rumänien.
Vor dem Abendessen freuen sich unsere Beine endlich über etwas Bewegung. Wir spazieren in die kleine, aber sehr feine Altstadt. Leider hat die sehenswerte Kirche bereits geschlossen, doch das Treiben auf dem Platz davor, wo Jung und Alt den Sommer geniessen, entschädigt dafür. Auch der Theaterpark lockt mit einem Besuch, vor allem abends, wenn es bereits dunkel ist und die Liebe der Rumänen zu Farbspielen eine besondere Atmosphäre schafft.

Dienstag, 03.09.2019 – Von Kloster zu Kloster im Buchenland


Der heutige Tag steht im Zeichen des historischen Erbe Rumäniens, seiner Kultur und seiner Religionen. Drei der berühmten Moldauklöster wollen wir besichtigen! Fünf dieser vielen Klöster in der Region gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO dank der besonderen und farbenfrohen Fresken an den Aussenwänden.
Unser Kloster-Hopping beginnt beim Nonnenkloster Agapia. Hier leben rund 500 Nonnen, die das Kloster zu einem der größten in Europa machen. Die liebevoll gepflegte Anlage des Klosters begeistert uns. Im Museum besichtigen wir eine Sammlung wertvoller Kunstobjekte aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die Nonnen arbeiten außerdem in der weithin bekannten Teppich- und Nähwerkstatt und schaffen auch Stickereien aller Art. Eine Gelegenheit für das besondere Mitbringsel! Es ist ausserdem noch Zeit, einen Blick in das Dorf Agapia zu werfen. Die alten Holzhäuser mit den bunten, üppigen und perfekt gepflegten Gärten sind eine Wonne.
Wir fahren weiter durch die Bukowina, begleitet von vielen bewaldeten Hügeln. Kurz vor dem Kloster Voronet gibt es in ebendiesen Wäldern ein Naturschutzgebiet, in dem Wisente, die in Europa fast ausgestorben waren, wieder angesiedelt worden sind. Das Kloster Voronet, dass den Beinamen "Sixtinische Kapelle des Ostens" trägt, gehört zu den Klöstern mit dem Siegel des Weltkulturerbe. Das Kloster wurde im 15. und 16. Jahrhundert von Stefan dem Großen, einem Herrscher des Fürstentums Moldau, und später seinen Nachfolgern, erbaut. Doru zeigt uns die Besonderheiten bei den Fresken auf jeder Seite der innerhalb der Klostermauern liegenden Kirche "Heiliger Georg". Besonders die Westseite ist besonders gut erhalten und ein farbenfrohes Spektakel mit Szenen aus dem "Jüngsten Gericht". Der Blick in die kleine Kirche ist nicht minder faszinierend. Der gesamte Innenraum ist voller Malereien. Und - wer findet die Geheimtür?
Unsere Mittagspause machen wir im nahe gelegenen Ort Gora Humorului. Die Zeit steht zur freien Verfügung. Gelegenheit, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden oder sich einen Mittagsimbiss auf dem Bauernmarkt zu holen. In der Markthalle selbst versteckt sich auch ein sehr gut besuchter Cevapcici-Grill. Bebe, unser Fahrer, holt uns mit unserem Bus am vereinbarten Treffpunkt wieder ab und zu guter Letzt steuern wir das Männerkloster Neamt an. Auch dieses wurde vom Moldaufürsten Stefan dem Grossen gegründet und ist das grösste seiner Art in Rumänien. Es ist ausserdem bekannt für seine Miniaturmalereien und die grösste Klosterbibliothek des Landes mit seltenen Werken. Gerade geht ein heftiger Regenschauer und Gewitter nieder, was die Klosteranlage in ein besonderes Licht wirft. Gleich neben dem Kloster liegt die besonders schöne "Heilige Jakob"-Kirche auf dem Gelände eines Priesterseminars. Das leuchtende Blau der Aussenmalereien erinnert an das Blau vom Kloster Voronet des bekannten Malers Grigorescu.
Wir kehren nach Piatra Neamt zurück. Wer nach einem langen Tag noch nicht genug von neuen Entdeckungen hat, schwebt mit der Seilbahn auf den Hausberg des Orts. Dort oben warten ein schöner Rundblick über die Gegend und der Blick über die Stadt aus der Vogelperspektive.
Zum Abendessen gibt es heute ein ganz typisches Gericht: Krautrouladen mit Polenta und Crème Fraîche. Der Abend steht zur freien Verfügung.

Mittwoch, 04.09.2019 – Rumänische Reichtümer: Waldreiche Karpaten und eine architektonisch wertvolle Altstadt


Um 8.30 Uhr verlassen wir das quirlige Piatra Neamt fahren in Richtung der Ost-Karpaten, die sich mit ihren endlosen Wäldern vor uns auftürmen. Schnell erreichen wir das Naturwunder der Bicaz-Klamm, in der sich der Fluss Bicaz zwischen steil auftürmenden Felsen hindurchschlängelt. Leider regnet es heute Vormittag. Ein damit einhergehender Temperatursturz verleidet es uns, den Bus zu verlassen. So bestaunen wir die Naturschönheit durch die grossen Fenster unseres Busses. Nur kurze Zeit später erreichen wir den "Lacu Rosu", den Roten See, der doch eigentlich gar nicht rot ist. Es gibt verschiedene Legenden zu seiner Entstehungsgeschichte. Ein Unwetter spielt dabei eine entscheidende Rolle. Eine Legende sagt, ein Felssturz hätte einen Fluss aufgestaut. Eine andere Legende erinnert an das tragische Schicksal ein paar Männer, die im See ertrunken sein sollen.
Entspannt kurven wir über zwei Ausläufer der Ost-Karpaten und erreichen dabei auch das Szeklerland. Die Szekler sind eine eigene ethnische Gruppe, die in diesem Teil Rumäniens lebt und einen eigenen (ungarisch geprägten) Dialekt spricht. An vielen Häusern entdecken wir ihre blau-gelben Fahnen. Wie bei so vielem in der rumänischen Historie, ist auch die Geschichte der Szekler weit verzweigt und durch verschiedene ethnische Einflüsse geprägt.
Kurz nach dem Mittag erreichen wir Sighisoara, zu deutsch Schässburg. Wir sind jetzt in Siebenbürgen. Schässburg ist einer der Namensgeber Siebenbürgens. Weitere dieser sieben Burgenstädte warten im weiteren Verlauf der Reise noch auf uns. Wir tauschen den Naturschatz der Karpaten mit dem kulturhistorischen Schatz Schässburgs. Das kleine Städtchen, dessen historisches Zentrum zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, besticht mit seiner bunten architektonischen Vielfalt. Bei einem gemeinsamen Stadtbummel sehen wir die Ringmauer, die Klosterkirche und das Geburtshaus Draculas. Doch es sind vor allem die bunten Häuser dazwischen, an denen das Auge haften bleibt. Besonders ist auch, dass diese knuffige Altstadt noch bewohnt ist und ganz in das Alltagsleben der Schässburger integriert ist. Dann steigen wir auf überdachten Stufen hinauf zur Bergkirche. Diese 176 Stufen wurden und werden von Schülern in Schässburg jeden Morgen erstiegen, um zur deutschen Schule zu gelangen. Die evangelische Bergkirche besticht durch ihre Schlichtheit und ist die einzige, die eine Krypta unter dem Altar hat. Über den deutschen Friedhof gegenüber der Kirche kehren wir in die quirlige Altstadt zurück. Wer gerne noch ein paar Stufen steigen möchte, wählt das Wahrzeichen der Stadt aus: den Stundturm, den alten Uhrturm. Die Belohnung? Ein tolles 360-Grad-Panorama sowie ein Einblick in das alte Uhrwerk. Wir haben noch Zeit und können nach eigenem Gutdünken durch die Gassen stromern oder auch das lebendige Treiben im Zentrum unterhalb der Altstadt entdecken. Schässburg bietet Vieles, so dass es nicht so schnell langweilig wird.
Unser schönes Hotel liegt in Tírgu Mures, dem Zentrum des Szeklerlandes. Bei einem gemeinsamen Stadtspaziergang bewundern wir die unerwartete Jugendstil-Bauweise, die sich von den bisher gesehenen Stadtbildern unterscheidet. Siebenbürgen überrascht und begeistert. Das Abendessen mundet und wir bleiben noch eine ganze Weile zusammen sitzen und unterhalten uns.

Donnerstag, 05.09.2019 – Kultur und Geschichte atmen!


Weiter führt uns unsere Reise durch das "Land jenseits der Wälder", Siebenbürgen. Bei der Fahrt über Landstrassen und durch die vielen Dörfer im ganzen Land begegnen uns wiederkehrende Motive. Im Land der Landwirtschaft, Rumänien, entdecken wir mit den Bauern auch die berühmten Pferdefuhrwerke, die es immer noch gibt und die gleichberechtigt auf den Strassen den Verkehr mitbestimmen - und trotzdem eine Remineszenz an bald endgültig vergangene Zeiten sind. Zum Dorfleben und Bauernsein gehört in Rumänien auch die Bank, die sich vor fast jedem Haus an der Strasse befindet und auf der sich die Einwohner zu einer Pause und einem Plausch niederlassen. Egal ob Frauen oder Männer, diese Form der Müssiggangs, ist beliebt und gehört zum Alltag. Genauso wie die Störche, die zum rumänischen Sommer gehören. In jedem Dorf findet sich ein oder mehrere Störchennester. Ein Anblick zum Freuen, sind sie doch ein Zeichen für eine noch intakte Kultur-Natur-Landschaft.
Wir starten unsere Erkundungen heute in Medias mit dem Besuch der Margarethenkirche, die nicht nur für ihren schiefen Turm (rund 2,5 Meter Neigung!) bekannt ist, sondern auch für die größte Sammlung anatolischer Teppiche in Siebenbürgen. Diese Teppiche sind ein wahrer Schatz! Bei einer kurzen Führung, die von einer rumänischen Schülerin in sehr gutem Deutsch gehalten wird, erfahren wir etwas zur Geschichte und zu den Besonderheiten der Kirche. Medias, eine Kleinstadt, lebt und lockt mit einem schönen Park mitten im Zentrum.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir schon Sibiu, Hermannstadt. 2007 war es, als Sibiu Kulturhauptstadt Europas war. Heute wandern wir auf den Spuren dieser reichen historischen Vergangenheit. Bei einem geführten Stadtrundgang entdecken wir den Großen und Kleinen Stadt-Ring, die rumänisch-orthodoxe Kirche, die evangelische Stadtpfarrkirche (bei Lust und Laune auf den Turm steigen) und die Kathedrale von Sibiu. Wir erreichen die Lügenbrücke. Woher diese ungewöhnliche Name für eine Brücke kommt, findet man am besten selbst heraus. Nur soviel: Ganz viele Menschen sagen hier: "Ich liebe Dich." Auf dem weitläufigen Marktplatz wuseln die Menschen. Es lohnt, innezuhalten und das Treiben zu beobachten. Hier steht auch das Brukenthal-Palais mit der Galerie der Europäischen Kunst. Samuel von Brukenthal war Siebenbürger Sachse und der einzige, der jemals Gouverneur von Siebenbürgen war. Er war leidenschaftlicher Sammler von Kunst und Büchern. Die Ausstellung zeigt von ihm gesammelte Werke und ausgewählte Meisterwerke (z.B. von Jan van Eyck).
Danach steht Zeit zur freien Verfügung. Es lohnt sich, durch die Gassen zu schlendern, in die kleinen Geschäfte zu schauen, verborgene Höfe zu entdecken oder auf dem großen Bauernmarkt lokale Produkte wie Käse, Obst oder Gemüse zu kaufen. Wer noch Kraft in den Beinen hat, steigt auf den Ratsturm mit einer schönen Fotoausstellung und überblickt die historische Altstadt in ihrer ganzen Schönheit. Direkt am zentralen Platz mit seinen vielen Cafés befindet sich auch eine deutschsprachige Buchhandlung - die Siebenbürger Sachsen lassen grüssen, auch wenn ihre Zahl immer geringer wird.
Doru erklärt uns, dass wir die Häuser der Siebenbürger Sachsen an ihren Arkadentoren erkennen können. Und ja, wir entdecken diese farbenfrohen Häuser nicht nur in Sibiu, sondern auch in Medias, Sighisoara und den vielen Dörfern unterwegs. In Medias, zum Beispiel, leben noch 700 bis 800 Siebenbürger Sachsen. Die Stadt hat ein dreisprachiges Ortsschild - rumänisch, deutsch und ungarisch - weil ein Gesetz im Land vorsieht, dass alle Amtsangelegenheiten auch in der Sprache einer Minderheit erfolgen müssen, wenn diese mindestens 20% Anteil an einer Gemeinde hat.
Am Nachmittag nimmt uns Bebe wieder auf und fährt uns nach Brasov, wo wir mitten im Grünen im nahen Wander- und Skizentrum Poiana Brasov oberhalb der Stadt übernachten. Als krönenden Abschluss des Tages geniessen wir einen Folklore-Abend bei sehr gutem Essen und Hauswein.

Freitag, 06.09.2019 – Ein Tag als heimlicher Höhepunkt


Es gibt so Tage, die erscheinen vom Programm her unscheinbar, entpuppen sich dann jedoch als heimliche Höhepunkte auf so einer Reise. Alles passt. Heute war so ein Tag.
Unser erstes Ziel des Tages ist die Wehrkirche in Harman (Honigberg). Die kolossale und doch idyllische Anlage ist sehr gut erhalten und beim Spaziergang durch die Wehrmauer bekommen wir ein "Geheimgang-Gefühl" und können uns leicht in die damalige Zeit hineinversetzen. Der Anstieg auf den Kirchenturm befeuert unseren Abenteuergeist und bringt vielleicht auch ein paar Kindheitserinnerungen zurück. Besonders gefällt auch das in einem der Räume eingerichtete Schulzimmer, in dem ein Junge im Siebenbürger Sächsisch eine Geschichte vorliest. Wer kann diesen Dialekt verstehen?
Die Betreiber der Wehrkirche sind grosse Tierfreunde und geben in Not gekommenen Strassenkatzen ein Zuhause. Im Moment tummeln sich sieben Fellnasen auf dem Gelände und selbst der einst ungestüme Tomi geniesst jetzt seine Streicheleinheiten. Und wem Niki über den Weg läuft, der sollte seine Chance nutzen: Sie ist eine dreifarbige Glückskatze.
Kurz vor dem Mittag erreichen wir die schöne Stadt Brasov (Kronstadt). Wir beginnen mit einem geführten Stadtrundgang, bei dem uns Doru, wie immer äusserst wissensgewandt, die berühmte Schwarze Kirche, die gut versteckte Orthodoxe Kirche, die Schnurgasse im Sachsenviertel und auch die Synagoge zeigt. Danach steht Zeit zur freien Verfügung. Das erweist sich als Glücksfall, haben wir doch einen sonnigen Spätsommertag und die freundliche Stadt lädt zum Flanieren und Verweilen ein. Wer Lust hat, fährt mit der Seilbahn hinauf auf den Hausberg, erkundet die Seilerbastei oder spaziert am anderen Stadthang entlang des Graftkanals. Es fällt auf, wie Grün Brasov ist. Wer dem Müssiggang fröhnen möchte, beobachtet das Treiben in den Gassen von einem der vielen Strassencafés aus.
Doch es gibt noch einen weiteren Höhepunkt an diesem Tag. Die Burg Bran, in heutiger Zeit bekannt als Draculas Burg. Hoch oben über der kleinen, fein herausgeputzten Stadt Bran thront die weithin sichtbare Burg. Dracula ist längst ein Publikumsliebling und viele Menschen aus aller Welt tummeln sich hier, um Burg und Ort zu besuchen. Doru erklärt, wie es zum Namen Dracula gekommen ist - ein väterlicher Drachenorden und eine kleine Sprachkonfusion waren die Hauptzutaten. Vlad III. Tepes, auch genannt der Pfähler, der das historische Vorbild für Bram Stokers Roman war, herrschte in der Gegend mit eiserner Hand. Durch Geheimgänge, über kleine Balkons und eine gekonnt versteckte Wegführung erobern wir sein Reich. Die Besichtigung macht Spass, auch wenn wir sie mit vielen anderen Interessierten teilen müssen. Fun Fact: Man kann ein nahes Schloss als Dracula-Burg zu Halloween mieten. Kosten: 25.000 Dollar für eine Nacht. Ausgebucht bis 2028. Dank Dracula erlebt Bran eine Renaissance. In der Vorwendezeit hat sich hier noch niemand für den gruseligen Fürsten interessiert. Auf dem Rückweg zum Bus lockt ein übervoller Souvenirmarkt, wo Mitbringsel und leckere einheimische Köstlichkeiten erworben werden können.
Wir lassen diesen schönen Tag beim gemeinsamen Abendessen im Hotel ausklingen. Manch einer stürzt sich dann noch in das Abendleben in Poiana Brasov, das mitten in den Karpaten liegt.

Samstag, 07.09.2019 – Das Prachtschloss wie aus einem Märchen!


Heimlich still und leise ist Samstag geworden und unsere kurzweilige Rundreise durch Rumänien neigt sich langsam den Ende zu. Doch noch immer wartet Besonderes darauf, von uns entdeckt zu werden. Wir verlassen die Poiana Brasov und spuren uns in Richtung Predeal-Pass ein. Wir fahren noch immer in den Südkarpaten, deren bewaldete Berglandschaft uns immer wieder begeistern. Bei unserer Fahrt durch das enge und idyllische Prahova-Tal entdecken wir auch die hohen Berge, die über die 2000 Meter hinausragen. Egal, ob im Sommer oder im Winter, Naturfreunde kommen hier voll auf ihre Kosten.
Gegen 10.00 Uhr erreichen wir Sinaia, den bekanntesten Ort im Tal. Hier steigen wir aus und gehen zu Fuss zum Schloss Peles - und müssen uns erst einmal buchstäblich hintenanstellen. Viele andere Gäste wollen diese prächtige Schloss mit all seinen Reichtümern besuchen. Doch nicht lange müssen wir warten, bald dürfen wir eintreten. Dieses gigantische Schloss atmet nicht nur Geschichte, sondern auch Kunst und Kultur vom ersten bis zum letzten Zentimeter. Doru weist auf die vielen besonderen Details hin, die sich in jedem Zimmer des Schlosses befinden. Wir staunen! Es bleibt noch Zeit, im Schlossgarten zu flanieren, den Spätsommertag zu geniessen und originelle Fotomotive zu finden.
Schloss Peles wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert für König Carol I. von Rumänien erbaut. Es hat 160 Zimmer, sieben Terrassen, eine Ansammlung von Waffen, Skulpturen und anderen dekorativen Gegenständen. Besonders beeindruckend sind die Bibliothek (mit Geheimtür!), der Speisesaal (wer möchte nicht mal an einer solchen Tafel speisen?) und der zum Kino umfunktionierte Theatersaal. Gustav Klimt wurde im Schloss mit Wandgemälden beauftragt. Der Besuch von Peles ist einer der Höhepunkte unserer Rumänienreise.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen, bei dem wir das bekannte rumänische Dessert Papanasi probieren können - und schon wieder begeistert sind - spazieren wir vorbei am Schloss Peles und bekommen das gewaltige Gebäude in seiner gesamten Pracht zu sehen. Nur ein paar Spazierminuten später erreichen wir das Kloster Sinaia mit seiner bekannten "Alten Kirche".
Dann müssen wir Siebenbürgen und die Karpaten endgültig hinter uns lassen und fahren zurück nach Bukarest. Der Kreis unserer Reise schliesst sich. Viele Erinnerungen werden wir mit nach Hause nehmen. Was bleibt besonders haften? Wo hat es mir am besten gefallen?
Wir ruhen uns kurz im Hotel aus und kehren für das Abendessen in den nahen Heraustrau-Park zurück. Im populären Restaurant "Pescarus" runden wir unsere Reise bei einem stimmungsvollen Folklore-Abend ab. Vor lauter Begeisterung wird sogar das Tanzbein geschwungen. Welch' gelungener Abschluss!

Sonntag, 08.09.2019 – Eine Ehrenrunde in der Hauptstadt


Auch an unserem letzten Urlaubstag strotzen wir vor Erkundungsdrang. Trotzdem gönnen wir es uns erst einmal, etwas länger zu schlafen.
Um 10 Uhr sammelt Bebe uns und unser Gepäck ein. Und los geht die Stadtrundfahrt durch Rumäniens Hauptstadt. Vorbei am Triumphbogen, eine bewusste Ähnlichkeit zu Paris ist gewollt, fahren wir vorbei am Platz des Sieges, am Platz der Revolution (der Balkon mit Ceaucescus letzter Rede ist hier zu finden), durch die Innenstadt, zum Parlamentspalast (Ceaucescus Palast), der Kathedrale des Volkes sowie zum Patriarchenhügel - Fotostopps inklusive. Da wir Zeit haben, machen wir spontan aus unserer Stadtrundfahrt einen Stadtspaziergang und stromern durch die Altstadt, die so langsam zum Leben erwacht, bis zum Nationaltheater. Überall gibt es versteckte Details zu entdecken, die uns Doru gerne zeigt. Wir stellen fest, wie nah doch "schön" und "nicht so schön" liegen können. Auch das ist charakteristisch für Rumänien, das wissen wir jetzt. Es ist ein Land im Aufbruch.
An einer S-Bahn-Station ist auf dem Boden eine schöne Landkarte Rumäniens abgebildet: Mit einer Art "Landkartentanz" lässt Doru unsere neun Tage in seinem Land Revue passieren, in dem er von einem zum nächsten Ziel tappt. Ein Höhepunkt reihte sich an den anderen. Ereignisreiche, schöne Tage.
Und ganz zum Schluss: das Bukarester Dorfmuseum. Der Name mag irritieren. Ein Dorfmuseum inmitten einer Millionenstadt. Das wunderschön angelegte Museum liegt in einer friedlichen Oase, im uns schon bekannten Heraustrau-Park. Im ethnografischen Museum sind rund 100 Häusertypen aus Rumäniens Vergangenheit ausgestellt. Die Lage am See macht die Idylle perfekt. Im Sommer stellen hier Handwerker ihre Produkte zum Verkauf aus, was die Szenerie echt erscheinen lässt. Hier lässt es sich verweilen.
Dann müssen wir zum Flughafen. Dankes- und Abschiedsreden werden im Bus gehalten. Es passt zur schönen Stimmung dieser Tage und in der Gruppe und ist ein gebührender Abschluss.
Danke, Rumänien. Multumesc, România!

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