Reisebericht: Winter– und Frühlingstraum Schweizer Bahnen

27.03. – 02.04.2024, 7 Tage Winter–Rundreise in der Schweiz mit Zugfahrten Glacier–Express – Bernina–Express und Thusis – Rheinschlucht – St. Moritz – Schanfigg – Pontresina – Kreisviadukt in Brusio – Tirano – Chur – Arosa – Sarnen – Pilatus – Luzern – Rigi


  Bildergalerie   Druckversion (PDF)   Kommentare   zur Reise
 
Bernina- und Glacier Express – das sind nicht nur Beförderungsmittel, sondern diese beiden Schweizer Züge versprechen Genuss erster Güte.




Auf diese Genießerrunde begaben sich 19 frohgemute Gäste und waren rundum begeistert. Die landschaftlichen Schönheiten der Schweiz im Winter- und Frühlingskleid, die Bahntrassen, Tunnel und Kehren, bei denen einem schwindelig werden konnte, sorgten für Freude. In der schönen Stadt Luzern am sonnigen Ostersamstag wären wir gerne noch ein Weilchen geblieben. Doch der Pilatus rief. Wir haben viel gesehen und könnten aus den Eindrücken locker ein paar Tage mehr machen.
Ein Reisebericht von
Vivian Kreft
Vivian Kreft

Anreise von Dresden nach Tiefencastel

6 Uhr, zum Glück ist es schon hell, der Tag sehr freundlich, so ist das zeitige Aufstehen und Losfahren keine so große Mühe. Mit den ersten Fans der Schweizer Eisenbahnen fahren wir vom Dresdner Flughafen los, um auf unserem Weg weitere Gäste einzuladen.

Es ist eine halbe Deutschlandreise, die wir an diesem Tag unternehmen. Unser Busfahrer Heiko fährt bravourös die lange Strecke. Durch das Vogtland geht es durch die Fränkische Schweiz, das Fichtelgebirge, vom Freistaat Sachsen zum Freistaat Bayern, dann durch Baden-Württemberg an den Bodensee. Die ersten Frühlingsboten grüßen rechts und links der Autobahn: weiß und rosablühende Frühblüher, die ersten Forsythien, die Wiesen saugen sich mit dem ersten Grün voll. Und die Fränkische Schweiz erinnert daran, dass es auch die Holsteinische, die Sächsische und die Märkische Schweiz gibt. Allesamt sind diese Landschaften geadelt durch den Zusatz „Schweiz“, schon damals ein Qualitätsmerkmal, mit dem man der eigenen Landschaft zu mehr Marketing verhelfen wollte.

Vom Bodensee sehen wir nicht viel, da der Pfändertunnel uns versteckt und uns nach Bregenz führt. Liechtenstein lassen wir links liegen, einer der kleinsten Staaten der Welt und doch wirtschaftlich so „powerful“. Wir überqueren den Rhein, der in Graubünden entspringt, sich zwar entwickelt, doch auch hier eher wie ein schmaler Jüngling entlang fließt. Nichts deutet daraufhin, dass dieser Fluss mit einer Länge von 1232 km von hier bis ins Meer fließt und die verkehrsreichste Wasserstraße der Welt ist. Am dritten Reisetag werden wir noch mehr vom Rhein sehen, was uns beeindrucken wird.
Heidiland durchfahren wir. Bad Ragaz, der mondäne Kurort des 19 Jahrhundert, ist Keimzelle des so beliebten Buches. Johanna Spyri hat hier ihre schriftstellerische Tätigkeit, die sie mit 44 Jahren begonnen hat, fortgeführt und einen Erfolgshit gelandet. Werbewirksam kurz vor Weihnachten 1879 erschienen, war die Erzählung ein Kassenschlager. Interessant ist, dass ihre zuvor erschienen Bücher und „Heidi“ in Bremen und Gotha gedruckt worden sind. So hat das deutsche Druckereiwesen auch einen kleinen Anteil am Erfolg dieser liebenswerten Geschichte, die in mehr als 50 Sprachen übersetzt worden ist und Kinder auf der ganzen Welt erfreut.
Von zwei Fahrspuren auf eine, ausgezeichnet mit Grün, der schnellsten Fahrbahnkategorie. Doch wo führt sie hin? Durch einen Tunnel, der so tief wie ein Schlund wirkt und uns einzusaugen scheint. Finden wir hier jemals wieder raus? Doch, es gibt auch ein Ende, doch das wirkt nicht beruhigender in der so sicheren Schweiz. Die Straße windet sich in Kehren den Berghang entlang, Wolkenschwaden hängen in den Baumwipfeln fest, die Eisenbahnstrecke erscheint, führt über ein Viadukt, verschwindet in einem Tunnel rechts von uns. Wir verschwinden wieder im Tunnel links davon – und tauchen wieder auf. Ein enger Taleinschnitt, dem die Straße folgt. Tiefencastel – nun ist verständlich, woher der Ort seinen Namen hat. Tief liegt der Ort im Tal. Wir überqueren die Gleise der Bahn, hier ist der Bahnhof, den wir morgen früh ansteuern werden. Runter geht es zur einzigen Kreuzung im Ort, an dem unser Hotel liegt. Ziel erreicht, nach zehn Stunden Fahrt. An der Rezeption werden wir freundlich willkommen geheißen und sind dankbar. Die Zimmer sind mit Vollholzmöbeln ausgestattet. Schweizer Wertbeständigkeit. Der kleine Flusslauf hinter dem Hotel gurgelt und rauscht. Mit so wenigen Merkmalen wie in den vergangenen Minuten lässt sich Schweiz beschreiben: Bach, Bahn, wolkenverhangene markante Berghänge, Vollholzmobiliar und ein Blick aus dem Fenster, der nach wenigen Metern auf die gegenüberliegende Bergseite trifft. Ruhe, Geborgenheit, Verlässlichkeit – Wohlgefühl.

Mit dem Bernina Express unterwegs – Albulatunnel, Berninapass, Alp Grüm, Tirano, St. Moritz, Julierpass

Um 8.30 Uhr brechen wir auf, um gemächlich den Anstieg zum Bahnhof zu nehmen. Heute fahren wir mit dem Bernina Express von Tiefencastel über den Berninapass nach Tirano. Die wichtigste Frage heute ist jene nach der richtigen Kleidung. Denn im italienischen Tirano kann es freundlich sein, in St. Moritz hingegen, das wir am Nachmittag aufsuchen werden, lagen die Temperaturen um die null Grad in den letzten Tagen. Wir werden sehen, ob wir gut gepackt haben.

Der Bernina Express fährt um 9.17 Uhr ein, die Stationsvorsteherin geleitet uns auf Gleis 2. Unsere Plätze sind reserviert und zügig nehmen wir Platz, denn gleich werden wir schon das erste Highlight überqueren: das Landwasserviadukt.
Unser Hotel grüßt von unten herauf, der Zug windet sich den Berg entlang. Was für ein Glück, dass wir im letzten Zug Quartier bezogen haben, denn die Eisenbahnfans unter uns belegen sogleich den Absatz mit dem Blick nach hinten aufs Gleis.

Eine Lautsprecherstimme kündigt das Landwasserviadukt an. Wir sind ganz gespannt. Von Fotos wissen wir, was uns erwartet und dann geht es doch viel zu schnell. Und schon sind wir im Tunnel. Bergün liegt rechts, wir winden uns nun in abenteuerlichen Schleifen nach oben. Oben sieht man eine Bahnstrecke, wie sollen wir nur dorthin kommen? Dann liegen die Gleise unter uns. Da waren wir? Wie das?
Diese Strecke ist berechnet worden ohne Drohne. Schritt für Schritt hat man das Terrain sondiert, Trassen gelegt und befestigt, wo man niemals vermuten würde, dass hier ein Gleisbett Platz hat. Es ist nur zum Staunen und wir schauen links und rechts, kommen gar nicht zum Sitzen, nichts soll uns entgehen.

Der Albulatunnel bringt erneut Veränderung. Wir kommen in einer Winterlandschaft an. Wie in einem Zeitkanal werden wir nach fünf Kilometer wieder ausgespuckt und sehen Langläufer und Winterwanderer. Nach Pontresina nimmt uns dann ein Winterwald in Besitz. Wir hatten zwar mit Schnee gerechnet, doch nicht mit soviel. Wie wir vom Schaffner hören, lag vor drei Tagen hier auch noch kein Schnee. Wollte Frau Holle uns eine Freude machen? Wann hatten wir in Deutschland das letzte Mal so viel Schnee? Die Antworten purzeln durcheinander. Nach der Baumgrenze umfängt uns Dunst. Eine Gondelbahn legt ab und schwingt sich nach oben, den Schriftzug „Gucci“ mit sich tragend. Eine Modemarke wirbt im Nirwana für sich – irgendwie schräg. Und im Sommer schwingt die übergroße Guccitasche über die grünen Matten in die Höhe.

Wir erreichen die Alp Grüm und haben ein wenig Aufenthalt. Um Fotos zu machen vom Zug, vom Schnee, von uns und wieder von uns mit allen möglichen Hintergründen. Die eigentlich überschaubar sind, doch den vielen Bahnfreunden aller Nationen immer wieder erneut Anlass geben, sich in Pose zu werfen.

Nun geht es weiter und runter Richtung Tirano. Nach leichtem Schnee setzt Regen ein, der uns auf der steilen Strecke hinunterbegleitet. Der Zug fährt rund 15 km/h, das Gefälle ist sehr steil. Poschiavo, das hübsche Städtchen mit seinen schöne Patrizierhäusern, liegt im Schmuddelwetter traurig da. Der Zug nimmt nun wie eine Straßenbahn die Autospur ein und fährt mit großem Selbstverständnis durch die Orte. Nach Schnee und Winter folgt nun der Frühling mit blühenden Bäumen und Hangterrassen mit Obstbäumen und Spalier. Wie schnell wandelt sich die Landschaft auf wenigen Kilometern. Das Kreisviadukt von Brisio ist der letzte Höhepunkt, bevor der Zug in Tirano einfährt, auf der Straße durch den Ort wie eine stolze Frau, unser Bernina Express.
Der Ort wirkt ganz italienisch, pittoresk, gemächlich. Doch wir nehmen die Unterführung, finden unseren fröhlichen Bus wieder und Heiko, der uns mit starkem Kaffee begrüßt.

Nun geht es mit dem Bus die Strecke wieder zurück und auf der Fahrt berichtet Heiko, mit welchen Schneewehen er auf dem Bernina zu kämpfen hatte, nur die Stecken an der Seite gaben Orientierung. Das Abenteuer wiederholt sich mit uns in gelinder Form. Wir fahren mit Heiko in eine Schneewüste. Die Räumfahrzeuge sind im Einsatz, doch in Nullkommanichts ist die Straße wieder weiß. Uns bleibt das Staunen, während wir auf Heikos Fahrkünste und seine Unerschrockenheit vertrauen.

Auf dem Berninapass machen wir Halt. Vor lauter Aufregung müssen wir auf die Toilette. Das Hotel wirkt so verlassen. Ist da jemand? Doch, zum Glück ist da jemand, in einer großen Gaststube mit alten Fotos vom Hotel aus früheren Zeiten. Wir genießen die wohlige Wärme, die wir dann wieder einbüßen auf dem Weg zum Bus, auf dem wir ordentlich durchgeweht werden.

Heiko, der Unerschüttliche, und sein Bus mit Maja und Willi, durchpflügen die Eiswüste nun auf der anderen Seite des Berges. Die „Guccihandtasche“ winkt, ein für den Unkundigen vertrautes Zeichen, dass wir auf der richtigen Spur sind. Denn die Gondel haben wir auf dem Hinweg gesehen. Wir erreichen die Baumgrenze, es wird wieder wirtlicher, aus der Winterwüste wird wieder ein Wintermärchen.
Unser nächster Halt ist St. Moritz – das Gegenteil von dem bisher Erlebten. Ein Ort ohne Charme, mehrfach überformt, mit Schmuckauslagen, die dem europäischen Geschmack nicht entsprechen, wohl aber dem arabischen. Wo trägt man solche Klunker? Wir sind gerade der Eiswüste entronnen und stehen nun zwischen Hermes, Louis Vuitton, Rolex und Bulgari. Das Großartigste dieses Ortes ist die dreiteilige Rolltreppe, die einen vom Parkdeck in den Ort hochbringt – und dann auch wieder runter.

Heiko holt uns ab, bringt uns hier raus. Doch es geht nicht ohne erneutes Anlaufnehmen. Erst der Bernina-, nun der Julierpass. Er lässt sich weit besser fahren, die Straße ist frei und bevor wir unser Tiefencastel erreichen, fahren wir noch durch den einen und anderen hübschen Ort. Als wir unser Hotel erreichen, ist uns auch klar, warum es „Albula & Julier“ heißt. Tunnel und Pass haben wir heute genommen und unglaublich viel gesehen. Wie viele Temperaturzonen haben wir heute passiert, wie viele Jahreszeiten erlebt?
Heute Nacht sollte jeder gut schlafen.

Unterwegs mit dem Glacier Express – Chur, Rheinschlucht, Andermatt, Teufelsbrücke, Altdorf, Sarnen

Heute heißt es, Koffer packen. Wir ziehen weiter, der Bus nimmt unsere Koffer mit und entschwindet. In vier Stunden sehen wir uns wieder. Unterdessen nehmen wir wieder Anlauf zum Bahnhof von Tiefencastel und besteigen 10.10 Uhr den Glacier Express über Chur nach Andermatt.
Die Strecke, die wir vor zwei Tagen mit dem Bus genommen hat, sieht vom Zug noch spektakulärer aus. Wir sitzen wieder im letzten Wagon, der noch schicker ist als jener gestern. Dabei sind alle Züge und Wagons picobello. Die zweite Klasse geht locker auch als erste Klasse durch. Und jeder Platz ist mit Kopfhörern ausgestattet, über die wir sehr interessante Informationen bekommen. Die Bahnfans kleben schon wieder am Ende des Zuges und die Türen haben nun den unschlagbaren Vorteil, dass man ihre kleinen Fenster öffnen und gute Fotos schießen kann. Das Rheintal ist bald erreicht, wir fahren in Chur ein, wo wir vom Ende des Zugs an den Anfang kommen – der Zug wechselt die Richtung.

Die Fahrt beginnt wie eine Symphonie – ruhig, gleichmäßig. Wir sehen Frühlingslandschaft und erinnern uns an den vielen Schnee von gestern. Wir überqueren Vorder- und Hinterrhein, die hier zusammenfließen. Über 1.200 km lang ist der Rhein, durchquert sechs Länder und ist der verkehrsreichste Fluss der Welt. Das sieht man ihm hier wahrlich nicht an. Dem schmalen Jüngling.

Langsam geht die Landschaft in ein Crescendo über. Die Rheinschlucht mit 14 km Länge wird auch „Small Suisse Canyon“ genannt. Man könnte sich auch an die Kreidefelsen von Rügen erinnert fühlen. Doch lassen wir alle Analogien beiseite. Dies ist die Rheinschlucht und sie ist spektakulär. Hohe schroffe Felshänge begrenzen den Fluss auf der linken Seite. Ganz oben sieht man Passerellen, die den Wanderer sicheren Fußes über den Abhang führen. Schmeichlerisch sanfte helle Wände dann zur Rechten. Kanuten in farbigen Kajaks hüpfen über die kleinen Wellen des jungen Flusses. Ein Felsbrocken, ähnlich einem Hinkelstein, liegt hoch oben in einer noch sicheren Fassung. Wie lange mag sie halten? Eigentlich hat das Tal keinen Platz, doch eine Zugstrecke passt immer noch rein. Dieser Gedanke begleitet einen den ganzen Tag über.

Wir durchfahren ein weites Tal, grüne Matten zu beiden Seiten mit vielen malerisch platzierten Heuschobern. Dann erreichen wir Disentis mit seinem über dem Ort gelegenen Kloster und legen erneut einen Halt ein. Denn jetzt wird vor unserem Waggon – wir sind ja die Zugspitze – eine neue Lok gespannt. Sie hat Zahnräder und ermöglicht die Fahrt über die steile Strecke auf den Oberalppass. Lok und Waggons sind verbunden und eins, wir nehmen gemächlich den Anstieg. Winden uns mal links, mal rechts, passieren Durchbrüche mit Felswänden, die zum Greifen nahe sind. Und klettern Meter um Meter nach oben. Die Bildschirme im Waggon geben stetig Auskunft über Höhe und Temperatur. Ein langer Tunnel verändert alles: Als wir rauskommen, blendet uns strahlendes Weiß. So wird man wahrscheinlich schneeblind. Weiß der gegenüberliegende Berghang, der kein Ende nimmt nach oben. Weiß der Vordergrund. Und doch hebt sich das eine vom anderen unmerklich ab. Und diese Nuance macht bewusst, wie wunderbar fein unser Auge diese leichten Farbschattierungen aufnimmt.

Die Ansage kommt, dass der Zug gleich anhält und wir uns die Beine vertreten und frische Luft schnappen können. Bis dahin ist es noch eine Weile, doch dann kommt der Zug zum Stehen – rotleuchtende Waggons in einer Schneewüste und fröhlich rufende Menschen vielen Nationen entsteigen dem Zug. Wir sind in Nätschen.

Wir schreiten erst einmal zur Lok, die Zahnstange wollen wir in Augenschein nehmen. Der Lokführer gibt bereitwillig Auskunft und kniet sich sogar auf den Boden, um uns das Zahnrad zu zeigen. Wir knien mit und glauben ihm, dass die Zahnräder über den Achsen sitzen, denn sehen tun wir leider nichts. Mit dem guten Gefühl, etwas verstanden zu haben, der Schneewüste zu entkommen und nun weiteres Schönes zu sehen, klettern wir wieder in den Zug und fahren nach Andermatt, das allzu rasch auch schon kommt. Es liegt unter uns, wir nähern uns in Kehren. Der Ort gibt sich ein neues Image, viele neue Hotels sind im Bau. Doch es scheint mehr der Bebauung einer Mondlandschaft zu gleichen.

Heiko und unser schöner Bus wartet schon auf uns. Wie schön, erwartet zu werden. Das Mittagessen haben wir schon per Funk weitergegeben, so dass die Würstchen schon bereit sind, als wir ankommen. Und der Kaffee schmeckt.
Dann geht es weiter nach Altdorf, die alte Gotthardstraße hinunter.

Die Teufelsbrücke kommt ganz unvermittelt. Diese Stelle wurde erst 1230 über eine Brücke passierbar. Steile Wände links und rechts, wo da einen Übergang schaffen? Der Teufel hat geholfen, laut Legende. Und da fährt doch noch ein Bähnchen gerade über die Trasse, als wir ankommen. Wie war das, eigentlich ist kein Platz, doch für die Bahn reicht es immer. Und wir bekommen den Eindruck beim Weiterfahren, dass die Schweizer überhaupt und permanent mit dem Teufel im Bund sind. Denn durch das ganze Reusstal verweben sich Autobahn, Eisenbahn, die alte Passstraße und Wanderwege. Die Kurven der Gotthardautobahn weiten sich in die Landschaft, gehalten nur von leichten Stützen. Es sieht aus wie ein Autokarussell. Und hier stehen sie, die Autos, die durch den Gotthardtunnel wollen. 12 km, und wir rauschen an ihnen vorbei.

Die Kirche von Wassen, hoch oben, ist ein Symbol des Tales, für die Autofahrer das Signal, der Tunnel ist nicht mehr weit. Und den Zugfahrern eine Freude, denn der Zug windet sich um den Ort herum und mal sieht man die Kirche links und mal rechts. Dreimal erscheint sie vor dem Fenster.

In Altdorf kommt uns der Feiertag zugute, es ist sehr ruhig, so dass wird die hübschen Hausfassaden an der Hauptstraße in Ruhe betrachten können. Altdorf hat vom Gotthardpass sehr profitiert, denn als Anfangs- bzw. Endpunkt hatte es eine politische und wirtschaftliche Bedeutung. Und der Wohlstand ist den Häusern anzusehen. Das Wilhelm-Tell-Denkmal schauen wir uns an, leider ist der Uhrenturm geschlossen, obgleich ein Schild mit täglichen Öffnungszeiten wirbt. Es gibt auch Ausnahmen. Wir schlendern durch die Fußgängerzone und laben uns an einem Eis. Die Sonne ist rausgekommen, um uns türmen sich die Berge mit markanten Linien.

Nun geht es weiter nach Sarnen, wo wir die kommenden vier Nächte sein werden. Ein raffiniertes Tunnelsystem führt uns am Vierwaldstättersee vorbei. Fast könnte man meinen, „gucken verboten“, doch wir haben ja noch so viel zu schauen in den nächsten Tagen. Der Tunnel spuckt uns wieder aus. Es ist warm und ein ordentlicher Wind schaukelt sich hoch. Wir erreichen das Hotel Krone und freuen uns an den schönen Zimmern. Das Essen im mit Holz geschmackvoll eingerichteten Restaurant schmeckt uns sehr.

Ein ganz großer Dank geht an Heiko, unseren großartiger Busfahrer. Traumwandlerisch führte er das Steuer und fuhr uns durch Kehren, über Stock und Stein – rauf und runter.

Luzern und Pilatus

Heute geht es in die Stadt nach Luzern - ein Bilderbuchort. Susanne, die örtliche Reiseleiterin, nimmt uns am Löwenplatz in Empfang und führt uns zum Löwendenkmal. Dieses ist vom berühmten dänischen Bildhauer Thorvaldsen aus dem Kalksteinfels gehauen worden. Je länger man das Löwengesicht anschaut, desto mehr ähnelt es einem Menschen.

Wir schreiten runter zum Vierwaldstätter See, vorbei an der Hofkirche St. Leodegar. Auf unserem Weg liegen zwei prächtige Magnolienbäume. Am See laufen wir ein Stück die Promenade entlang, machen vor dem Hotel Schweizer Hof Halt und bewundern die Anlagestelle, die eigens zum Besuch Kaiser Wilhelms gebaut worden ist. Dann stehen wir in der Altstadt. Heute ist Markt auf beiden Ufern der Reuss, die hier den See verlässt. Gestern hat sie noch munter sprudelnd unseren Weg von Andermatt nach Altdorf begleitet und ist unter der Teufelsbrücke hindurchgerauscht. Heute treffen wir sie hier.

Die Kapellbrücke ist das Wahrzeichen von Luzern und wurde nach dem Brand 1993 schnell wieder aufgebaut. Die meisten Bilder sind jedoch verloren und der Verlust von Kulturgut in Europa wiegt schwer. Man rechnet nicht damit.
Wir stehen vor der barocken Fassade der Jesuitenkirche und treten ein. Der einheitliche zurückhaltende Schmuck von Stuck und Fresken im Inneren ist wunderschön.

Unsere lebendige Reiseführerin Susanne, die uns viel über die Schweizer erzählt, will uns fast nicht ziehen lassen. Und es fällt uns auch schwer, uns zu lösen, da es ja noch so viel zu hören gibt. Doch ein kleiner Bummel über den Markt in der schönen Frühlingsluft und eine kleine Stärkung geben Kraft für den nächsten Programmpunkt: die Fahrt auf den Pilatus.

Wir werden schon erwartet, so fahren wir erst mit Viergondeln auf die Höhe und wechseln dann in eine große Seilbahn, die uns 2070 Meter nach Pilatus Kulm bringt. Wir sehen Luzern, durchs Fernglas erkennt man die Kappelbrücke und die Jesuitenkirche. Der Vierwaldstätter See breitet seine Arme aus, die Rigi grüßt von gegenüber.
Wir laufen über den Drachenweg, der in den Fels geschlagen worden ist mit großen Balkonen und Fenstern, die den Blick in die Landschaft freigeben. Im Untergeschoss läuft eine Multimediashow über den Pilatus und seine Drachenlegende. Der lange Flur daneben zeigt anhand von Dokumenten den Bau von Bahn und Hotel. Irgendwie ging damals alles ganz schnell: der Abulatunnel mit 5 km wurde in vier Jahren gebaut, die Zahnradbahn auf den Pilatus in zwei Jahren. Das scheint heute unvorstellbar, zumal die Bauwerke immer noch Bestand und befahren werden.
Die Sonne kommt heraus, die Konturen werden klarer. Den Eiger sieht man dennoch nicht. Man muss halt wiederkommen. Auch, um einmal hier zu übernachten und in dem wunderbaren Speisesaal des alten Kulmhotels zu dinieren.

Plötzlich wollen alle hinunter, die auf dem Berg sind. Das war so nicht geplant, doch es ist naheliegend. Erstaunlich, wie viele Menschen mit uns hier oben waren. So haben wir auf der Umsteigestation Zeit, beim Anstehen noch ein wenig die Sonne zu genießen und den Blick auf den Pilatus, nun von unten.
Das rote Gondelbähnchen bringt uns wieder sanft nach unten. Unser lilafarbener Bus mit Maja und Willi und ihren Bienenfreunden leuchtet von unten herauf. Angekommen!

Es geht in unser schönes Hotel nach Sarnen. Kurz davor lässt Heiko uns vor dem Coop aussteigen und wir kaufen noch kulinarische Erinnerungen für Zuhause.

Verkehrshaus Luzern und Fahrt über den Vierwaldstätter See

Die Nacht über hat es geregnet und am Morgen heben sich die Wolken und geben die Berge frei. Für den ganzen Tag ist das Verkehrshaus in Luzern eingeplant, das bestbesuchte Museum der Schweiz mit mehr als 500.000 Besuchern im Jahr. Heute ist Ostersonntag und hoffentlich wird es nicht zu voll. Die Befürchtung ist unberechtigt, wie sich herausstellt, denn das Museum ist riesig und die Kinder sind auf den Aktionsflächen vollauf beschäftigt, Schiffe zu beladen, eine Baustelle in den Griff zu kriegen oder Züge umzurangieren.

Einige Gäste haben gestern den Wunsch geäußert, mit dem Schiff fahren zu wollen. Die Website der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees ist nicht sehr benutzerfreundlich. Man muss schon wissen, wohin man will, um die gewünschte Information zu bekommen. Doch die freundliche Stimme am Telefon bestätigt meine Recherche und so fahren zehn Gäste vom Verkehrshaus nach Beckenried und zurück nach Luzern und genießen Sonne, Wasser und die Berge. Ganz wunderbar.

Wir anderen freuen uns am Museum, das keinen Wunsch offenlässt. Es gibt kein Verkehrsmittel, das dort nicht zu finden ist. Selbst eine Sänfte steht bereit. Das war die Alternative auf der Alpenüberquerung, wenn man nicht zu Fuß oder zu Pferd gehen wollte. In jeder Halle stehen fachkundige Männer, die auf jede Frage eine Antwort haben.

Der Bau des Gotthard-Basistunnels ist faszinierend, der längste Tunnel der Welt. U-Boot können die Schweizer auch, und sei es nur für den Genfer See. Es ist eine einzigartige Vielfalt in dem Museum und alles sehr gut beschrieben in den drei Landessprachen.
Am Ende des Tages strahlen alle von einem Ohr zum anderen: die Eisenbahnfans, die an Technik Interessierten und jene, die die Schifffahrt gemacht haben.

Da kann dann nur ein Käsefondue den schönen Tag beschließen.

Auf der Rigi und durch die Hohle Gasse

Der Tag beginnt mit Regen. Die Wolken heben sich und wir sind zuversichtlich, denn heute geht es auf die Rigi.

Ostermontag, es sind wenige auf der Straße. Eher ein Tag, um im Bett und zu Hause zu bleiben, bevor die Arbeitswoche wieder beginnt. Die Strecke führt wieder nach und durch Luzern, am Verkehrshaus vorbei, in Kurven den Vierwaldstätter See entlang bis nach Vitznau.

Wir fallen fast vom Bus in die Zahnradbahn. Und einen Schritt weiter könnte man das Schiff besteigen. So nah ist alles beieinander. Es ist ruhig an der Bahn, eine Gruppe hat abgesagt und so können wir uns im Abteil ausbreiten. Der Zug ist gerade zwei Jahre alt. Das Beste ist die Holzliege neben dem Führerstand. Wir haben sie für uns alleine und blicken den Schienen und der Landschaft nach.

Es geht durch den Frühling, Obstbäume blühen, Tulpen, Osterglocken, Hyazinthen, die Wiesen sind sattgrün. Dann verlieren wir uns in den Wolken und dann kommt der Schnee. Das erinnert an unseren zweiten Tag mit dem Bernina Express. Wir nehmen es gelassen, steigen auf Rigi-Kulm aus, um gleich zu entscheiden, dass wir um 12 und nicht um 13 Uhr wieder runterfahren. Zum Glück geht das, obgleich dann nur ein Wagen fährt anstatt zwei. Die Tapferen unter uns erklimmen den Gipfel, dessen Aussicht genauso weiß ist wie ein paar Meter weiter unten. Der Schnee knirscht unter den Schuhen. Einige Spaßvögel haben eine Minischneemann auf den Holztisch vor dem Bistro gesetzt.
Als wir wieder unten sind, setzt Regen ein. Jene, die gestern die Schifffahrt von Luzern hierher gemacht haben bei bestem Wetter, freuen sich über diese gute Entscheidung.

Nun geht es nach Küssnacht am Rigi, an der Hohlen Gasse steigen wir aus. Hier hat Wilhelm Tell den Tyrannen Gessler erschossen, von hier ging gewissermaßen die Freiheitsbewegung der Schweizer aus. Die Gasse ist rekonstruiert worden im besten Sinn. Denn zunächst gab es einen Asphaltbelag und da er schon mal da war, wollte man die Straße darüber führen. Zum Glück haben sich die Bürger dagegen gewehrt, eine Schule hat eine Spendenaktion durchgeführt und der Weg wurde, wie man ihn sich für die damalige Zeit vorstellt, wieder hergestellt. Er liegt wie ein Bühnenbild vor uns und windet sich leicht bergauf zu einer kleinen Kapelle. Nachdem wir wieder nach unten gelaufen sind, informiert eine hübsch gemachte Präsentation über den Weg, der ein wichtiges Stück auf einem langen Handelsweg von Süddeutschland nach Italien war. Es war damals leichter, die Waren über den Vierwaldstätter See zu fahren, denn die Hänge waren zum Teil unpassierbar.

Nach dieser Geschichtslektion geht es zurück ins Hotel. Morgen fahren wir nach Hause und es bleibt genügend Zeit, die Koffer zu packen.

Rückreise in die Heimat

Die Sonne scheint uns zum Abschied. Schon um 7.50 Uhr – vor der verbarten Zeit – sitzen alle im Bus und wir reiten vom Hof Richtung Dresden. Eine lange Fahrt steht uns bevor. Durch das Steuerparadies Zug gelangen wir über den Hirzel zum Zürichsee. Auf der Höhe weist ein Schild zum Spyri-Museum, der Heidi-Schriftstellerin, womit sich die Klammer schließt, sind wir doch am Anreisetag durch Heidiland gefahren.

Die Fahrt entlang des Walensees offenbart die große technische Fertigkeit der Schweizer, Tunnel zu bauen, dem Berg durch Passerellen Wege und Straßen abzutrotzen. Früher nutze man für den Warenverkehr Schiffe, da man über Land kaum vorankam. Auch heute ist Quinten auf der gegenüberliegenden Seite nur mit Schiff oder mit einer dreistündigen Wanderung aus zu erreichen. Das Feeling von früher kann man also auch heute noch erleben, heute aus Freude, früher bedeutete es harte Arbeit.

Wir kommen die ganze lange Fahrt über zügig voran, obgleich es der erste Tag nach Ostern ist. Von Zug aus haben wir die Rigi noch einmal gesehen, die heute blank geputzt und ohne Wolken dasteht. Vorbei an Liechtenstein sehen wir den Säntis auf der linken Seite. Vielleicht wäre das die nächste Reise, die Eberhardt anbietet?

Um 17.35 Uhr haben wir den ersten Ausstieg in Chemnitz, um 18.35 Uhr sind wir am Dresdner Flughafen. Nun ist die schöne Reise tatsächlich zu Ende.

Schlusswort

Liebe Gäste,

es waren leichte und heitere Tage mit Euch.

Ich danke Euch für Eure Begeisterungsfähigkeit und Euer Interesse an all dem, was diese schöne Reise uns geboten hat. Ihr habt es mit Freude wahrgenommen und auch ausgedrückt, was zu einer richtig guten Gruppenstimmung geführt hat.

Auf der Reise haben wir Winter und Frühling getroffen. Und Heiko, unser versierter Busfahrer, der souverän die Kehren über die Pässe gefahren ist und sein lila Bus mit Maja und Willi sind ein wichtiger Bestandteil dieser gelungenen Reise.

Ich wünsche Euch alles Gute, Gesundheit und schöne Reiseerinnerungen und freue mich, wenn es ein Wiedersehen geben sollte auf einer anderen Reise,

Eure Vivian

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht