Reisebericht: Die große Rundreise durch Zentral–Asien

22.04. – 10.05.2018, 19 Tage in 3/4 Länder entlang der Seidenstraße: Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan mit Almaty – Karakol – Bishkek – Taraz – Turkestan – Taschkent – Samarkand – Buchara – Chiwa – Turkmenistan


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Die Abenteuerlust und der Zauber aus 1001 Nacht hat uns tief ins Herz des eurasischen Doppelkontinents gelockt. Gemeinsam erkunden wir auf den Spuren von Marco Polo und der großen Karawanen die Gebirgslandschaften und weiten Steppen Zentralasiens.
Ein Reisebericht von
Dr. Andreas Wolfsteller
Dr. Andreas Wolfsteller

1./2. Tag (Sonntag/Montag, 22./23. April 2018): Flug nach Kasachstan – Herzlich Willkommen in Almaty

Nach einem sehr angenehmen und ruhigen Flug von Frankfurt nach Almaty landen wir kurz vor Mitternacht in Kasachstan, wo wir von unserer örtlichen Reiseleiterin Lena in Empfang genommen werden. Gegen 01:00 Uhr erreichen wir unser Hotel und verbringen unsere erste Nacht in Zentralasien. Wir können sogar ausschlafen, denn der kleine Stadtspaziergang am nächsten Tag beginnt erst um 11:00 Uhr. Beim Frühstück bewundern wir den riesigen Kronleuchter und die schönen Wandmalereien des kuppelförmigen Speisesaals, die uns schon in die Märchen- und Sagenwelt entführen. Die ehemalige kasachische Hauptstadt Almaty gilt als eine der grünsten Städte der ehemaligen Sowjetunion, was wir nach unserem kleinen Bummel bestätigen können. Wir sehen auch einige der schönsten Holzbauten des russischen Architekten Zenkow, darunter das ehemalige Versammlungshaus der Offiziere - heute ein Museum für kasachische Musikinstrumente - und die orthodoxe Auferstehungskathedrale mit einer goldenen Altarwand und prächtigen Ikonen. Am Nachmittag verlassen wir die Stadt und fahren in die schneebedeckten Berge, die wir schon beim Blick aus dem Hotelfenster bewundern konnten. Unser Ziel ist der Almaty-See, der malerisch in eine Schlucht mit steilen Hängen eingebettet ist, die auch Ende April immer noch von Schnee bedeckt sind. Der See, der als Trinkreservoir für die 1,4 Millionen Einwohner von Almaty dient, scheint von oben betrachtet sogar noch vereist zu sein. Lena erzählt uns, dass der Pegel des Sees im August erst seinen höchsten Stand erreichen wird. Anschließend werden wir in die Geheimnisse der Jagd mit verschiedenen Greifvögeln - Uhu, Falke, Steinadler, Seeadler, Bartgeier - eingewiesen, was sehr gefährlich und auf jeden Fall beeindruckend aussieht, besonders wenn so ein majestätischer Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen nur ganz knapp über unsere Köpfe hinwegfegt. Ich habe zwar schon einmal eine ähnliche Vorführung erlebt, aber zu sehen, wie man mit einem Adler auch Wölfe jagen kann, war auch mir neu. Auf dem Weg zum Abendessen machen wir noch einen Fotostopp am kolossalen Säuleneingang zum Park der kasachischen Präsidenten. Nun haben wir uns unser Abendessen aber auch wirklich verdient. Nach vier Gängen inklusive einer ebenso kolossalen Honigtorte fallen wir erschöpft aber glücklich in unsere Hotelbetten.

3. Tag (Dienstag, 24. April 2018): Fahrt über die Grenze nach Kirgistan zum Issyk–Kul–See

Da der Grenzübergang über den Kegen-Pass gesperrt ist, müssen wir einen großen Bogen fahren, um zu unserem nächsten Hotel am Issyk-Kul-See zu gelangen. Erst einmal fahren wir Richtung Bishkek zur kasachisch-kirgisischen Grenze. Zwar müssen wir unsere Koffer selbst über die Grenze ziehen (oder Kofferträger mieten), aber in einer knappen halben Stunde ist alles erledigt, und wir können wieder in unseren Bus einsteigen. In Kirgistan biegen wir dann Richtung Süden und damit Richtung Berge ab. An einem kleinen See mit Strand machen wir Mittagspause und erhalten ein reichhaltiges Menü im Café Hawaii. Der Besitzer ist offenbar ein großer Fan des amerikanischen Bundesstaates und hat sich den See mit Palmen dekoriert. Außerdem stehen einige Statuen in der Gegend, die offenbar aus Ersatzteilen und Metallobjekten zusammengeschweißt sind, darunter auch ein Drache. Ach, und ein alter MIL-Hubschrauber steht auch noch rum. Ein bisschen surreal wirkt das Grundstück dadurch schon. Gerade als wir abfahren wollen, kommt eine Hochzeitsgesellschaft an, die wir natürlich neugierig beobachten. Bis zum Issyk-Kul-See sind es immer noch einige Kilometer. Lena vertreibt uns die Zeit, indem sie uns von den uns zum Teil sehr fremden Gebräuchen und Traditionen ihrer Heimat erzählt. Neben uns taucht dann die einspurige Eisenbahnlinie von Bishkek nach Balyktschy auf, der wir bis zum Westufer des Issyk-Kul-Sees folgen. Der im Tianshan-Gebirge gelegene See ist der zweitgrößte Gebirgssee der Erde, verfügt über 118 Zuflüsse, aber keinen Abfluss. Er friert niemals zu, was teilweise an den heißen Quellen am Seeboden, teilweise am recht hohen Salzgehalt liegt. Bis nach Tscholponata fahren wir am Nordufer des Sees entlang. Uns fallen die vielen Straßenbaustellen auf, und Lena erklärt uns, dass alles für die internationalen Nomadenspiele vorbereitet wird, die bald hier in der Gegend stattfinden werden. Unser Hotelgebäude in Tscholponata ist Teil einer größeren Ferienanlage direkt am See. Vor dem Abendessen können wir uns noch ein bisschen die Füße vertreten und bis zum Seeufer spazieren, wo es sogar eine Sauna gibt.

04. Tag (Mittwoch, 25. April 2018): Fahrt nach Karakol

Heute haben wir keine lange Fahrt vor uns, denn wir wollen nur entlang des Nordufers des Issyk-Kul-Sees bis nach Karakol. Dafür stehen ein paar Besichtigungen und sogar eine Wanderung auf dem Programm. Ganz in der Nähe von Tscholponata befindet sich eine archäologische Stätte mit ungefähr 2.000 Petroglyphen. Sie stammen vor allem aus der Zeit der geheimnisvollen Skythen und stellen vornehmlich Jagdszenen dar. An einem kleinen Supermarkt kaufen wir dann Proviant für den Tag und unser Picknick und fahren dann ein Stück durch schöne Alleen mit blühenden Bäumen und kleine Dörfer bis zur Grigorjewskoe-Schlucht. Hier wandern wir ein kleines Stück in die Schlucht hinein und treffen auf Pferde, Reiter und Kuhhirten. Im Hochsommer leben hier auch für ein paar Monate Nomaden. Nach der Wanderung machen wir noch ein kleines Picknick mit Obst und Brot am Bus, bevor wir die Fahrt über den Schotterweg zurück zur Hauptroute am See antreten. Unser Bus passt übrigens gerade so unter dem Schlagbaum am Eingang der Schlucht hindurch! An einem typischen Friedhof machen wir anschließend einen kleinen Fotostopp. Lena erklärt uns, wie in Zentralasien der vorherrschende Islam mit Naturreligionen eine Verbindung eingegangen ist und daher eine ganz besondere Ausprägung hat. Kurz vor Karakol besichtigen wir das Przewalski-Museum, das dem berühmten Asienforscher gewidmet ist, der hier am 20. Oktober 1888 auf seiner fünften Reise verstorben ist. Die hübsche russische-orthodoxe Holzkirche in Karakol ist leider schon verschlossen, obwohl wir eigentlich noch innerhalb der offiziellen Öffnungszeiten eintreffen. Wahrscheinlich haben sie einfach nicht mehr mit Besuchern gerechnet. Wir beschließen, es am nächsten Tag noch einmal zu probieren. Immerhin können wir noch die hölzerne Dunganen-Moschee aus dem Jahr 1910 besichtigen, die von den aus China vertriebenen chinesisch-muslimischen Dunganen errichtet wurde, und vom Baustil daher eher an einen buddhistischen Tempel oder eine Pagode erinnert. In Karakol wohnen wir in einem kleinen familiengeführten Hotel, und zum Abendessen sind wir bei einer kirgisischen Familie in der Nähe eingeladen. Als wir die viel zu vielen Köstlichkeiten, die uns aufgetischt werden, verspeisen, fängt es draußen heftig zu regnen an. Zum Glück holen uns unsere beiden freundlichen Busfahrer mit dem Bus ab und bringen uns zum Hotel zurück.

05. Tag (Donnerstag, 26. April 2018): Entdeckungen in Karakol – Jeti Orguz – Bishkek (Kirgistan)

Nach dem Frühstück fahren wir noch einmal zur russisch-orthodoxen Kirche, die diesmal auch geöffnet ist. Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, denn das Innere ist wirklich sehr sehenswert. Lena kauft uns Kerzen, die wir vor den Ikonen der Heiligen aufstellen können. Anschließend fahren wir entlang des malerischen Südufers des Issyk-Kul-Sees nach Bishkek. Nach einer halben Stunde erreichen wir die Jeti-Oguz-Schlucht, wo wir eindrucksvolle Felsformationen aus rotem Sandstein bestaunen können, darunter ein gebrochenes Herz und die „Sieben Ochsen". In der Schlucht können wir uns ein bisschen auf eigene Faust umschauen. U. a. gibt es hier auch ein Sanatorium aus der Sowjetzeit, das immer noch in Betrieb ist. Die weitere Fahrt führt über teilweise sehr holprige Straßen. Unter alten Ladas und Eselskarren wirkt unser großer Bus schon seit Tagen wie ein UFO. Als Überraschung sind wir bei einer kirgisischen Familie zur Teepause eingeladen. Besonders die leckere Aprikosenmarmelade hat es uns angetan. Am späten Nachmittag erreichen wir die Ruinen von Burana. Die Überreste des angeblich einmal 40 m hohen Minarettes und weitere Ruinen sowie der Friedhof zeugen davon, dass es hier im 10. und 11. Jahrhundert eine große Stadt unter der Herrschaft der Karachaniden gegeben hat. Bis in die kirgisische Hauptstadt Bishkek fahren wir nun noch eine weitere Stunde. Als Entschädigung für die lange Fahrt werden wir aber mit einem sehr schönen Hotel und sehr guten Abendessen belohnt.

06. Tag (Freitag, 27. April 2018): Bishkek – Grenzübergang nach Kasachstan – Taras

Am Vormittag führt uns Lena durch ihre Heimatstadt Bishkek. Während wir über den Ala-Too-Platz, den Alten Platz und durch den Eichenpark bummeln, erzählt uns Lena von den Revolutionen 2005 und 2010, die Kirgisistan schwer erschütterten. Daran waren nicht zuletzt das starke ökonomische Gefälle zwischen dem Nordteil und dem Südteil des Landes sowie die patriarchalischen Clanstrukturen Schuld. Nach der Stadtbesichtigung fahren wir zurück nach Kasachstan. Auch diesmal geht der Grenzübertritt - von einer einzigen längeren Kofferkontrolle abgesehen - relativ unkompliziert vonstatten. Zurück in Kasachstan folgen wir dem Grenzverlauf in Richtung Westen bis nach Taras. Am Fluss Talas halten wir kurz an, denn hier in der Nähe fand 761 n. Chr. eine schicksalhafte Schlacht zwischen Chinesen und Arabern statt. Der Sieg der Araber leitete letztendlich die Vorherrschaft des Islam in Zentralasien ein. Unser Hotel in Taras erreichen wir am Nachmittag. Bis zum Abendessen ist noch etwas Zeit, weshalb Lena und ich einen Spaziergang zu einem Aussichtsturm anbieten, von dem man einen Blick über die Stadt und die benachbarten Ausgrabungsstätten hat. Die alte Karawanenstadt mit einer Geschichte, die mehr als 2.000 Jahre zurückreicht, wurde im 13. Jahrhundert von den Mongolen verwüstet, und später ein paar Kilometer weiter wieder aufgebaut.

07. Tag (Samstag, 28. April 2018): Von Taras in die alte Karawanenstadt Turkestan (Kasachstan)

Schon Taras stand bisher auf keiner Eberhardt-Reise auf dem Programm, und auch unser heutiges Ziel Turkestan ist sozusagen „Neuland". Unterwegs legen wir aber erstmal einen Stopp an den Mausoleen Aischa-Bibi und Babadschi-Hatun ein, die wie der Turm in Burana aus der Zeit der Karachaniden stammen. In ihnen sind die Tochter eines Statthalters, Aischa-Bibi, und eine adlige Frau, Babadschi-Hatun, bestattet. Der Legende nach starb Aischa-Bibi am Ufer des Flusses Talas, als sie auf dem Weg zu ihrem Verlobten von einer Schlange gebissen wurde. Tief erschüttert ließ er diesen wunderschöne kleine Museum für sie errichten, das mit Terrakotta-Fliesen und verschiedenen Mustern verziert ist. Die alte Karawanenstadt Turkestan war vor 1.500 Jahren ein großes religiöses und kulturelles Zentrum. Das gewaltige Mausoleum des bekannten Sufisten und Dichters Ahmed Jassewi überragt dabei alle anderen Gebäude. Das imposante Bauwerk mit den leuchtenden blauen Kuppeln, raffinierten Schnitzereien und prächtigen Majolika-Mosaiken wurde Ende des 14. Jahrhunderts auf Befehl von Timur errichtet, nachdem das vorherige, viel bescheidenere Grab bereits zu einem wichtigen Pilgerort geworden war. Man sagt auch heute noch, dass drei Pilgerreisen nach Turkestan äquivalent zur Haddsch nach Mekka seien. In unmittelbarer Nachbarschaft finden sich noch weitere interessante Gebäude, die wir mit Lena erkunden: die Juma-Moschee, die unterirdische Moschee Hilowat, ein mittelalterliches Badehaus und das Esumhan-Mausoleum sowie das Mausoleum Rabija Sultan Begim. Angesichts der Außentemperaturen ist die unterirdische Moschee der Derwische natürlich eine ganz besonders clevere Erfindung. Unser Hotel in Turkestan liegt in Sichtweite des großen Mausoleums, sodass wir am Abend auch auf eigene Faust noch einmal hinüber schlendern können.

08. Tag (Sonntag, 29. April 2018): Turkestan – Grenzübergang nach Taschkent (Usbekistan)

Unser erster Abschnitt dieser Reise geht heute zu Ende, sodass sich etwas Wehmut bemerkbar macht. Immerhin bleibt uns Lena ja noch ein paar Stunden erhalten. Auf dem Weg zur Grenze nach Usbekistan muss sie uns noch zwei Stationen erklären. Der erste Anlaufpunkt ist das Mausoleum des bekannten islamischen Mystikers Astanbab, der als Lehrer von Ahmed Jassewi gilt und daher ebenfalls sehr verehrt wird. Des Weiteren besuchen wir heute die Geisterstadt Otrar. Gegründet in der Nähe des Flusses Syrdarja entwickelte sich Otrar ab dem 9. Jahrhundert zu einem wichtigen Zentrum des Handels und der Wissenschaft, wurde aber stets auch zum Spielball verschiedener Mächte. Im Jahre 1219 belagerten dann die Mongolen unter Dschingis Khan die Stadt und machten sie dem Erdboden gleich. Nach dem Tod des großen Mongolenherrschers gelangte Otrar jedoch im Gegensatz zu anderen zerstörten Städten zu neuer Blüte. Erst im 17. und 18. Jahrhundert begann der endgültige Niedergang, als nach und nach das Bewässerungssystem ausfiel. Durch eines der rekonstruierten Stadttore können wir auf den Hügel, auf dem sich die Kernstadt befand, hinaufgehen und erkennen in der Ferne sogar ein paar Kamele. Nun geht es aber wirklich zur Grenze, und wir müssen uns von Lena und unseren beiden Busfahrern verabschieden. Auch diesmal ist alles weniger schlimm als befürchtet, aber dafür beobachten wir um uns herum ein heilloses Chaos, denn viele Usbeken versuchen in Kasachstan hinter der Grenze billig einzukaufen und ihre Waren dann in Usbekistan mit Gewinn wieder zu verkaufen. Dabei haben die Kleinhändler es vor allem auf Tafelgeschirr und ziemlich hässliche Thermoskannen abgesehen, was uns erst einmal ratlos zurücklässt. Auf der usbekischen Seite wartet dann unsere neue örtliche Reiseleiterin Swetlana auf uns, die uns ebenfalls sehr herzlich empfängt und bis ins Hotel in Taschkent bringt. Aufgrund von Reparaturarbeiten funktioniert leider bei unserer Ankunft in einigen Zimmern das Wasser nicht, was aber bis zum Abend behoben wird. Das Essen am Abend im Restaurant ist wieder sehr gut, und bei einer Runde Wodka stoßen wir auf den zweiten Abschnitt unserer Reise an.

09. Tag (Montag, 30. April 2018): Erkundung der usbekischen Hauptstadt Taschkent (Usbekistan)

Man könnte meine, das ganze Land habe sich heute für uns herausgeputzt. Doch es ist leider nur der türkische Präsident, der auf Staatsbesuch in Usbekistan weilt, dem diese Aufmerksamkeit gilt. Wir können ihn alle sowieso nicht so gut leiden, und die Tatsache, dass er uns den Besuch der Bibliothek am Hast-Imam-Platz mit dem ältesten handgeschriebenen Koran der Welt vermasselt, lässt ihn auch nicht gerade Sympathiepunkte gewinnen. Aber immerhin sieht die usbekische Hauptstadt heute ganz besonders sauber aus, weshalb wir tolle Fotos machen können. Am Hast-Imam-Platz können wir aber die wunderschöne Barak-Khan-Medrese, die Tillya-Sheikh-Moschee und das Kaffal-Shashi-Mausoleum aus schlichtem Backsteinmauerwerk bewundern. Anschließend bummeln wir über den riesigen Chorsu-Basar zur Kukeldash-Medrese, die auch heute noch als Koranschule dient. Auf dem Basar werden wir von den vielen Gerüchen und angebotenen Waren ganz überwältigt. Zum Mittagessen fahren wir in ein kleines Freiluftrestaurant. Verrückt: damit kein Rauch die Sicht von Erdogan auf seiner Fahrt durch Taschkent trübt, darf dort heute nicht gegrillt werden! Aber die Suppen, Salate und das traditionelle Gericht aus Frischkäse sind auch alle sehr lecker. Am Nachmittag fahren wir dann ein paar Stationen mit der U-Bahn, deren Stationen ähnlich wie in Moskau oder St. Petersburg reich dekoriert sind und jede eine Geschichte erzählen. Im Museum für angewandte Kunst in einer alten, reich verzierten Villa erhalten wir Einblicke in die traditionelle Handwerkskunst und sehen Teppiche, Goldstickereien, Keramik, Porzellan, Schmuck, Kleinmöbel und Musikinstrumente. Auch der zweite Versuch am späten Nachmittag, den Koran zu sehen, scheitert, und so kehren wir schließlich zu unserem Hotel zurück. Beim Abendessen in einem Restaurant unweit des Hotels wundern wir uns, dass die Gänge alle so schnell hintereinander serviert werden. Doch Swetlana erklärt uns, dass man in Usbekistan nicht den Eindruck erwecken will, dass es nichts mehr zu essen gibt, und ein an Tellern und Schüsseln überbordender Tisch Ausdruck von Gastfreundschaft ist. Schmecken tut es uns aber allemal.

10. Tag (Dienstag, 1. Mai 2018): Spannende Zugfahrt nach Samarkand (Usbekistan)

Es ist der 1. Mai, und Swetlanas Mutter hat uns zur Feier des Internationalen Tags der Arbeit(erklasse) rote Nelken besorgt. Vor dem Schnellzug Afrosiab im Bahnhof von Taschkent machen wir daher ein Gruppenfoto mit Blumen, bevor es an Bord geht. Hier kann sich die Deutsche Bahn durchaus eine Scheibe abschneiden, denn wir werden im Zug nicht nur freundlich behandelt, sondern auch mit Tee und Gebäck bewirtet. Und nach knapp zwei Stunden Fahrt sind wir auch schon in der sagenumwobenen Stadt Samarkand angekommen. Hier besichtigen wir als erstes das Gur-Emir-Mausoleum, die Grabstätte Timur Lenks. Die riesige, doppelschalige Kuppel und der mit Gold verzierte Innenraum sind sehr beeindruckend. Das Mausoleum ließ sich der große Herrscher noch zu Lebzeiten errichten. Es und wurde später unter seinem Enkel Ulug Beg weiter ausgebaut. Da es während unseres Besuchs zu regnen anfängt, stellen wir unser Programm für Samarkand spontan etwas um, und stärken uns in einem benachbarten Café mit Kaffee, Kuchen und Wodka. Anschließend besichtigen wir das Afrosiab-Museum, indem wir wunderschöne Wandmalereien sehen und mehr über die Religion des Zoroastrismus erfahren. Afrosiab war der Vorläufer der Stadt Samarkand und wurde ungefähr 750 v. Chr. als Oasenstadt gegründet. In einem Café nehmen wir ein spätes kleines Mittagessen ein, bevor wir zum Abschluss des Tages das Ulug-Beg-Observatorium besichtigen. Als Herrscher weniger erfolgreich, ging Ulug Beg, ein Enkel Timurs, vor allem als Förderer der Wissenschaften und genialer Astronom in die Geschichte ein. Mit seinen Gelehrten bestimmte er z. B. die Umlaufzeit der Erde um die Sonne auf 58 Sekunden genau - und das Anfang des 15. Jahrhunderts! Außerdem ließ er einen Katalog mit ungefähr 1.000 Sternenpositionen erstellen. Während wir später dann wieder ein reichhaltiges Abendessen bekommen, findet am Nachbartisch eine Geburtstagsparty statt, zu der allerdings nur die Frauen der Familie eingeladen sind. Diese möchten gern ungestört von den Blicken ihrer Männer ausgelassen feiern, wie uns Swetlana erklärt. Zurück im Hotel freuen wir uns schon auf den zweiten Tag in Samarkand.

11. Tag (Mittwoch, 2. Mai 2018): Samarkand – ein Märchen aus 1001 Nacht (Usbekistan)

Mit Blick auf den Wetterbericht hatten wir die Besichtigung des Registans auf den heutigen Morgen verschoben, was sich im Nachhinein als goldrichtige Entscheidung herausstellt. Verdunkelten gestern Vormittag noch Regenwolken den Himmel, so lacht uns heute wieder freundlich die Sonne an. Um den Registan sind drei Medresen, also Schulen für islamische Wissenschaften, angeordnet, wobei sich die älteste, die Ulug-Beg-Medrese aus dem 15. Jahrhundert, und die zweitälteste, die Sher-Dor-Medrese aus dem 17. Jahrhundert, entsprechend des Kosch-Prinzips gegenüberstehen. Die jüngste Medrese, die ebenfalls im 17. Jahrhundert erbaute Tilya-Kori-Medrese, befindet sich in der Mitte, am Nordende des Platzes. Beginnend mit der Ulug-Beg-Medrese besichtigen wir alle drei Gebäudekomplexe im Uhrzeigersinn. In der dritten Medrese darf/muss ich mich zu Anschauungszwecken als Derwisch verkleiden und ein Schweigegelübde abhalten. Gottseidank brauche ich es nicht lange einhalten, und kann somit zur Mittagspause in einer alten Karawanserei mein Essen bestellen. Auch meine Gäste profitieren davon, denn ich habe mal wieder die Spendierhosen an und jeder erhält einen leckeren Nachtisch. Die Moschee Bibi Khanim, die wir anschließend besichtigen, ließ der große Herrscher Timur ab 1399 erbauen. Sie sollte natürlich - wie es sich für einen größenwahnsinnigen Feldherren gehört, der sich in der Tradition Dschingis Khans sieht - die größte Moschee der Welt werden. Entgegen der Warnungen seiner Baumeister hielt Timur an seinen Plänen fest, weshalb schon bald nach Fertigstellung die ersten Ziegel auf die Gläubigen herabfielen. Als wir durch das gewaltige Paradeportal in den Innenhof der rekonstruierten Moschee treten, werden wir dennoch von Ehrfurcht erfasst. Ein Bummel über den Siyob-Basar holt uns wieder in weltliche Gefilde zurück, bevor wir zum Abschluss die Nekropole Shohizinda erkunden, in der angeblich ein Cousin Mohammeds begraben liegt. Unser Restaurant, in dem wir zu Abend essen, liegt etwas außerhalb, und auch hier findet parallel im Nachbarraum wieder eine Geburtstagsparty statt. Wir werden ebenfalls zum Tanzen aufgefordert, und lernen den Brauch kennen, nachdem die mutigen Tänzer mit Geld beschenkt werden. Nach dem Abendessen schauen wir spontan noch einmal am Registan vorbei, um diesen herrlichen Platz bei Nacht zu bewundern.

12. Tag (Donnerstag, 3. Mai 2018): Fahrt von Samarkand nach Buchara mit Abstecher nach Shahrisabz (Usbekistan)

Wir wandeln noch ein bisschen auf den Spuren der Timuriden und machen einen Abstecher nach Shahrisabz, der Geburtsstadt Timur Lenks. Anstelle von Samarkand wollte er langfristig diesen Ort zu seiner Hauptstadt ausbauen, weshalb er sich hier u. a. das „Weiße Schloss" (Oq Saroy) errichten ließ, von dem heute nur noch die Ruinen des Eingangsportals erhalten sind. Immerhin sind diese immer noch riesige 38 m hoch. Der Palast soll bis zu sechs Stockwerke gehabt haben. Manchmal wünsche ich mir wirklich eine Zeitmaschine, sodass ich zurückreisen kann, um mir solche Bauwerke vor ihrer Zerstörung anzuschauen! In Shahrisabz besichtigen wir ebenfalls die Kok-Gumbaz-Moschee und das Dorussiadat-Mausoleum, bevor wir bei einer usbekischen Familie zum Mittagessen einkehren. Am Nachmittag zieht unsere Karawane über teils sehr holprige Straßen nach Buchara weiter, das wir gegen 18:00 Uhr erreichen. Unser familiengeführtes Hotel in Buchara liegt ganz nahe am idyllischen Labi Hovuz, einem Gebäudeensemble um den einzigen verbliebenen künstlichen Teich, der im Mittelalter der Versorgung der Einwohner mit Trinkwasser diente. Zum Abendessen können wir zu Fuß gehen, und von der Terrasse des Restaurants aus den Blick über die historische Altstadt schweifen lassen.

13. Tag (Freitag, 4. Mai 2018): Oase Buchara, die Edle, mit Besuch der Synagoge (Usbekistan)

Schon am Vorabend sind wir angesichts der vielen schönen alten Gebäude im Zentrum von Buchara ins Schwärmen geraten. Während Taschkent und Samarkand moderne Großstädte sind, fühlen wir uns nun in Buchara so richtig in der Zeit zurückversetzt. Wir beginnen unsere Stadtbesichtigung nach nur wenigen Metern mit dem Besuch einer traditionellen Marionettenmanufaktur, und der Besitzer weiht uns in die Geheimnisse der Herstellung und auch der Vorführung ein. Wir schlendern an verschiedenen Geschäften und Marktständen vorbei, und Swetlana zeigt uns bei einem Bummel durch die Tor-Basara Toqi Sarrofon und Toqi Telpak einige besondere Produkte, wie kunstvoll geschnitzte Buchständer oder meisterhaft geschmiedete Messer. Auch in Buchara gibt es natürlich verschiedene Medresen, darunter ebenfalls wiederum eine, die von Ulug Beg gestiftet wurde, und die Mir-Arab-Medrese aus dem 16. Jahrhundert. Wahrzeichen der Stadt ist jedoch das Kalon-Minarett vor der Kalon-Moschee. Das 50 m hohe Minarett wurde im 12. Jahrhundert von den Karachaniden erbaut und diente gleichzeitig als Wachturm und Orientierungspunkt für Karawanen. Einzigartig auf dieser Reise ist auch die Zitadelle „Ark" auf einem künstlich aufgeschütteten 20 m hohen Hügel, die als Residenz der Khane und Emire von Buchara diente. Sie ist von gewaltigen Festungsmauern umgeben und erscheint fast uneinnehmbar. Im Thronsaal der Festung können wir uns selbst zum „Emir" krönen. Nach dem Mittagessen zeigt uns Swetlana ihr persönliches Highlight: das Samaniden-Mausoleum, bei dem es sich evtl. sogar um das älteste islamische Kuppelgrab der Welt handelt. Es stammt wahrscheinlich aus dem 10. Jahrhundert und ist damit das älteste Gebäude der Stadt Buchara. Wer möchte, kann mit uns anschließend noch die Synagoge besuchen und den Erzählungen des Rabbis lauschen. Zum Abendessen erleben wir in der Medrese Nodir Devonbegi ein tolles Abendprogramm mit Musik, Tanz und einer Modenschau.

14. Tag (Samstag, 5. Mai 2018): Durch die Kizilkum–Wüste – Fahrt durchs Nichts nach Chiwa (Usbekistan)

Nach dem Frühstück besichtigen wir in Buchara noch die Medrese Chahor Minor, bevor wir die wunderschöne Stadt verlassen und durch einen Teil der riesigen Kizilkum-Wüste fahren. Von der Medrese sind nur noch das Torhaus mit seinen vier 17 m hohen „Minaretten" und einige Anbauten erhalten, die allerdings nur der Verzierung dienten. Ursprünglich war der Gebäudekomplex aber 92 m lang und 40 m breit! Auf der Fahrt durch die Wüste nach Chiwa folgen wir teilweise dem Fluss Amudarja, aber meistens geht es durch endlose, eindrucksvolle Halbwüsten- und Steppenlandschaften. Anfangs ist die Straße wieder sehr schlecht, doch mitten in der Wüste beginnt dann eine zweispurige Autobahn, die von einem deutschen Unternehmen gebaut wurde. An einem Teehaus machen wir ein Picknick mit Obst, Keksen, Datteln, Käse und Cognac, was Swetlana und ich alles am Abend zuvor besorgt haben. Vor Ort kaufen wir dann noch leckere Grillspieße und Brot dazu. Am Abend erreichen wir die kleine Oasenstadt Chiwa und sind sofort ganz angetan. Unser Hotel ist eine umgebaute Medrese und wir übernachten in den ehemaligen Zimmern der Schüler, die auf zwei Etagen rings um den Innenhof angeordnet sind. Ein kleiner Spaziergang führt uns zum Restaurant Zerafshan, wo wir unter freiem Himmel nicht nur ein tolles Menü bekommen, sondern sogar eine kleine Show mit Sängern, Tänzern und Puppen erleben.

15. Tag (Sonntag, 6. Mai 2018): Märchenhaftes Chiwa (Usbekistan)

Den heutigen Tag verbringen wir ganz in Chiwa, ohne Bus. Es ist plötzlich ganz schön voll, denn viele Schulklassen machen heute einen Ausflug hierher. Doch Swetlana führt uns sicher durch die Gassen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. Direkt neben unserem Hotel befindet sich das Minarett Kalta Minor, das einmal 70 m hoch werden sollte! Am Ende sind es nur 26 kunstvoll verzierte Meter und der Status als Wahrzeichen der Stadt geworden. Der Palast Tasch-Hauli gilt als Meisterwerk orientalischer Architektur. Hier stoßen Nomadentum und Sesshaftigkeit noch einmal unmittelbar aufeinander, denn vor dem Thron befindet sich eine kreisförmige Erhebung für die Jurte des Herrschers. Nun steht noch ein besonderes Highlight auf dem Programm, denn wir besuchen die Zirkusfamilie Darbozschi in der Medrese Feruz Khan. Schon seit mehreren Generationen verdienen sich Mitglieder der Familie als Seiltänzer ihren Lebensunterhalt. Bei der Vorführung, der wir beiwohnen, wird auch der jüngste Spross der Familie eingespannt - uns wird allein vom Zuschauen ganz schwindlig. Einen donnernden Applaus haben sich die Artisten auf jeden Fall verdient! Nun geht es zum Mittagessen in die Medrese Yasaul Boshi. Wie immer kommen wir nicht unter vier Gängen davon. Am Nachmittag setzen wir unsere Besichtigung noch ein bisschen fort. So sehen wir die Djuma-Moschee mit ihren vielen hölzernen Säulen und das Islam-Khoja-Minarett. Bis zum Abendessen haben wir nun noch Gelegenheit, auf eigene Faust durch die schöne alte Stadt zu schlendern, die nun auch wieder deutlich ruhiger geworden ist. Zum Abendessen mit typisch usbekischen Spezialitäten bekommen wir alle (unter anderem) Plow, das usbekische Nationalgericht.

16. Tag (Montag, 7. Mai 2018): Chiwa – Grenzübergang nach Daschogus (Turkmenistan)

Heute beginnt der letzte Abschnitt unserer Reise mit dem Grenzübergang nach Turkmenistan. Dies bedeutet auch, dass wir von unserer Swetlana Abschied nehmen müssen, die uns in der Zeit in Usbekistan sehr ans Herz gewachsen ist. Wir sind die ersten Eberhardt-Gäste, die die Reise nach Turkmenistan wagen, weshalb wir an der turkmenischen Grenze auch vom Chef unserer örtlichen Partneragentur persönlich empfangen werden - überhaupt kommen nur wenige Touristen in dieses verschlossene Land. Er hilft uns jedenfalls beim Erledigen der Einreiseformalitäten, die nicht ganz so einfach sind, zumal es ein Problem mit unserem Gruppenvisum gibt, was aber vor Ort gelöst werden kann. Dann werden unsere Koffer noch nach bestimmten Medikamenten durchsucht, die in Turkmenistan verboten sind, aber niemand führt solche Amphetaminersatzpräparate mit sich. Ich muss sagen, dass es trotz allem recht schnell geht - nach knapp zwei Stunden haben wir beide Grenzkontrollpunkte passiert - und wir sehr höflich behandelt werden. Auch fällt uns auf, dass die Grenzschutzbeamten in Turkmenistan unbewaffnet sind, während in Usbekistan alle mit Sturmgewehren bewaffnet waren. Die Assistentin des Agenturleiters, Diana, kann etwas Deutsch und sehr gut Englisch und findet auf dem Weg zum Hotel in Daschogus ein paar einleitende Worte über unser letztes Reiseland. Nach einer Lagebesprechung und dem Check-In im palastähnlichen Hotel fahren wir dann erstmal Mittagessen (vom angebotenen Essen her unterscheiden sich alle vier Länder übrigens wenig). Im Restaurant treffen wir auch unseren neuen örtlichen Reiseleiter, Alexander. Er ist ein verschmitzter älterer Herr, der selbst schon in Deutschland war und es auch gern noch einmal besuchen möchte. Dann starten wir unseren Ausflug nach Kunja-Urgentsch. Die Fahrt führt uns über mal mehr, mal weniger gute Straßen tief ins Hinterland. Die Ruinenstadt Kunja-Urgentsch am Rand der Karakum-Wüste steht seit 2005 unter dem Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes. Die verschiedenen großen und kleinen Mausoleen, das Kutlug-Temir-Minarett, mit heute immer noch 62 m das höchste Minarett Zentralasiens, und das prächtige Tor der Karawanserei zeugen davon, dass sich hier einmal die große Hauptstadt einer unabhängigen Herrscherdynastie befand. Nach unserer Rückkehr nach Daschogus bekommen wir ein Abendessen im Hotel, bevor wir erschöpft in unsere großen weichen Betten fallen.

17. Tag (Dienstag, 8. Mai 2018): Ashgabat (Turkmenistan)

Nach einer ruhigen Nacht in unserem wirklich sehr schönen Hotel fliegen wir am Morgen in die turkmenische Hauptstadt Aschgabat, die am Fuße der Kopet-Dag-Berge in einer fruchtbaren Oase in der Karakum-Wüste liegt. Wir fahren zuerst in die Ruinenstadt Nisa, die erste Hauptstadt der geheimnisvollen Parther, und werden dort durch die Anlage geführt. In ihrer Blüte umfasste das Partherreich ein gewaltiges Gebiet, das (u. a.) weite Teile der heutigen Staaten Irak, Iran, Armenien und Turkmenistan umfasste. Mittags fahren wir in die Innenstadt zurück zu unserem letzten Hotel auf dieser Reise. Unterwegs besichtigen wir die monumentale - ein anderes Adjektiv würde dem Bauwerk nicht gerecht werden - Moschee in Kipchak. 5.000 unterirdische Parkplätze, im Inneren Platz für angeblich 20.000 Menschen - und wir sind die einzigen Besucher, mit Ausnahme der Wachsoldaten sogar die einzigen Menschen weit und breit. Neben der Moschee ist der Schrein für die Familie des ehemaligen Präsidenten, ansonsten gibt es kaum Häuser im näheren Umkreis. Dieser Irrsinn i. S. von Bauwahn scheint Ausdruck der internationalen Geltungssucht der politischen Elite zu sein; anders können wir uns die Stadt Ashgabat nicht erklären, in der es Parks gibt, durch die niemand läuft und an Paläste erinnernde Hochhäuser mit Wohnungen, in denen (angeblich) niemand wohnt (da sich die Wohnungen niemand leisten kann). Nicht weit von unserem Hotel entfernt befindet sich der russische Basar „Gulistan-Russkiy". Hier spendiere ich meine Gäste eine leckere Suppe zum Mittagessen, und wir können die vielen Eindrücke erst einmal verarbeiten. Unser Programm für heute ist jedoch noch nicht zu Ende, denn mit Parzdepe steht noch eine weitere Ausgrabungsstätte auf dem Programm. In den Ruinen der bronzezeitlichen Siedlung halten wir es aber nicht lange aus, denn die Sonne brennt wie verrückt vom Himmel, und es gibt kaum Schatten. Da machen wir mit Alexander doch lieber noch eine kleine Stadtrundfahrt, bestaunen die Regierungspaläste aus weißem Marmor und Gold, spazieren durch den Freiheitspark und halten am Neutralitätsdenkmal. Unser Abendessen nehmen wir in einem Restaurant nicht weit vom Hotel entfernt ein, und wir bekommen auch wieder Wodka spendiert.

18./19. Tag (Mittwoch/Donnerstag, 9./10. Mai 2018): Abstecher nach Mary (Turkmenistan) und Rückflug nach Deutschland

Als letztes Ziel auf dieser Reise steht ein Ausflug nach Mary auf dem Programm. Auch heute geht es wieder sehr zeitig los. Aber es lohnt sich wirklich, denn die Besichtigung der vielen historischen Monumente in der naheliegenden Ruinenstadt Merw ist sehr abwechslungsreich und gewährt uns einen tiefen Einblick in die lange Siedlungsgeschichte der Region. Die Ruinen sind auf einer Fläche von 70 km2 verteilt und reichen zurück bis in die Jungsteinzeit. Besonders beeindrucken uns drei Festungen: die große Gyz Kala, die kleine Gyz Kala und die Festung Erk Kala. Bei letzterer handelt es sich um die Überreste einer Siedlung aus der Zeit der Achämeniden, die von Alexander dem Großen erobert und zu einem griechischen Stadtstaat ausgebaut wurde. Als wir oben auf den Überresten der geschleiften Stadtmauer stehen, sehen wir in der Ferne eine große Herde Dromedare vorbeiziehen. Zum Abschluss unseres Besuchs in Merw besichtigen wir das Sultan-Sandschar-Mausoleum, welches mit einer Höhe von 38 m ebenfalls nicht wirklich klein ist. Der Besuch in Merw führt uns zusammen mit der Besichtigung von Nisa am Tag zuvor vor Augen, wie wenig wir auch nach unserer guten schulischen Ausbildung in Deutschland eigentlich von der Geschichte der Menschheit wissen, die sich außerhalb der deutschen bzw. europäischen Grenzen abgespielt hat. Einmal mehr bewahrheitet sich der Ausspruch: „Reisen bildet"! Auf dem Rückweg ins Zentrum von Mary halten wir an einem Restaurant für ein leichtes Mittagessen. Viel Hunger haben wir alle bei der Hitze nicht, aber ein klimatisierter Innenraum kommt uns jetzt gerade recht. Dann möchten wir das Historische Museum in Mary besichtigen, dürfen aber noch nicht rein, weil offiziell noch Mittagspause ist. Also entspannen wir in der Lobby eines nahegelegenen Hotels, wo wir auf Wunsch auch Kaffee und Tee bekommen. Nun kommt wieder so ein absurder Moment, den man so wohl nur in Turkmenistan erlebt: Im Museum sind wir die einzigen Gäste - nicht nur heute, so mutmaßen wir, sondern in der ganzen Woche, wenn nicht sogar im ganzen Monat. Unter den sehr, sehr strengen und wachsamen Augen der Aufseherinnen, müssen wir uns erst einen Raum anschauen, der ganz dem jetzigen Präsidenten und seinen Heldentaten gewidmet ist. Dann geht es weiter durch die Tier- und Pflanzenwelt, und am Ende wartet die historische Abteilung auf uns. Diese ist tatsächlich Dank Alexanders Ausführungen sehr interessant, denn sie gibt uns Einblick in das frühere Nomadenleben und die strikte Aufgaben- und Rollenverteilung von Mann und Frau. Am späten Nachmittag fliegen wir zurück nach Aschgabat. Auf der Fahrt zu unserem Restaurant sehen wir nun tatsächlich einmal Viertel der Stadt, in denen Menschen wohnen, denn das Lokal liegt mitten in einem Wohngebiet. Nach dem Abendessen - es ist inzwischen dunkel - machen wir noch eine kleine Stadtrundfahrt bei Nacht. Die langen, hell erleuchteten Straßenzüge, die wir vom futuristischen Standesamt aus sehen, sind ebenfalls sehr beeindruckend. Zurück im Hotel müssen wir endgültig unsere Koffer packen und können vielleicht noch 1-2 Stunden schlafen. Um 1:00 Uhr werden wir ein letztes Mal von Alexander vom Hotel abgeholt und zum Flughafen gebracht. Das internationale Terminal empfängt uns mit einer Lichtershow, die uns glauben machen soll, das gewaltige Gebäude in Form eines Falken würde tatsächlich abheben. Auch im Inneren wird nicht gekleckert, sondern geklotzt: eine riesige Empfangshalle, hohe Säulen, viel Gold und Marmor sollen uns beeindrucken. Es wirkt allerdings eher lächerlich, denn von den ca. 24 Gates starten im Laufe eines Tages gerade einmal sechs Maschine - drei am frühen Morgen, drei am Abend. Zeit uns auch von Alexander zu verabschieden, der uns sehr offen und ehrlich durch sein verschlossenes Heimatland geführt hat. Wir wünschen ihm von ganzem Herzen alles Gute. Unsere Lufthansa-Maschine nach Frankfurt ist nicht einmal annähernd ausgelastet; selbst nach der Zwischenlandung in Baku sind wir insgesamt mit Crew höchstens 80 Personen an Bord. Die erste Gäste verlassen in Frankfurt nach 19 aufregenden Tagen die Gruppe. Sieben Gäste fliegen mit mir weiter nach Dresden.
An dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich bei Ihnen, liebe Gäste, für die schöne gemeinsame Reise entlang der Seidenstraße. Auf dieser langen und mitunter auch anstrengenden Reise waren Sie die Pioniere, und für mich war es eine große Ehre, für Sie als Reisebegleiter fungieren zu dürfen. Wir haben viele beeindruckende Monumente und alte Städte gesehen, viel Wodka getrunken und Brot gegessen, sind durch Berge und Wüsten gefahren, und haben fast immer schönes Wetter gehabt und viel Sonne abbekommen.Ich wünsche Ihnen viele weitere tolle Reisen und freue mich wirklich sehr darauf, Sie bald wieder als Gäste auf einer Eberhardt-Reise begrüßen zu dürfen.
Herzlichst, Ihr
Andreas Wolfsteller

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