Reisebericht: Rundreise Baltikum – Städte & Natur entlang der Ostsee

28.06. – 07.07.2023, 10 Tage Natur–Rundreise durch Litauen, Lettland und Estland mit Flug – Vilnius – Trakai – Memel – Kurische Nehrung – Riga – Sigulda – Pärnu – Insel Saaremaa mit Kuressaare – Tallinn


  Bildergalerie   Druckversion (PDF)   Kommentare   zur Reise
 
Die baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland und die Kurische Nehrung haben viel zu bieten. Jedes der Länder besticht auf seine ganz eigene Art und Weise durch architektonische Vielfalt und bezaubernde Sehenswürdigkeiten in den Metropolen. Landschaftlich erwarten uns Wasserfälle, Wanderdünen, viele Inseln und stille Buchten, Moore und zwei Nationalparks mit üppiger Vegetation. Wir freuen uns auf eine spannende Reise entlang der Ostsee ...
Ein Reisebericht von
Simone Willner
Simone Willner

Anreise nach Vilnius

Am Nachmittag trifft sich Reisebegleiterin Simone mit den Gästen am Berliner Flughafen. Viele sehen den Hauptstadtflughafen das erste Mal.

Gleich pünktlich zur Eröffnung des Schalters sind wir die ersten Gäste und erhalten die Bordkarten. Danach reihen wir uns in die lange Schlange zur Sicherheitskontrolle ein und siehe da: Wer steht vor uns - Andrea Sawatzki.

Mit einer Stunde Verspätung starten wir und fliegen direkt in die Hauptstadt Litauens - nach Vilnius. Zwei Gäste warten dort bereits auf uns, sie sind über Wien geflogen.


Romualda, unsere Reiseleiterin, empfängt uns herzlich und nach nur 15minütiger Fahrt erreichen wir unser mitten in der Innenstadt gelegenes Mariotthotel.


Beim köstlichen Abendessen im Hotelrestaurant lernen wir uns ein wenig kennen und sind nun gespannt, was uns morgen in der Hauptstadt und in der Wasserburg Trakai erwarten wird...

Vilnius und Wasserburg Trakai, Weiterfahrt nach Klaipeda

Vilnius empfängt uns mit einer Sage des Großfürsten Gediminas, der einst einen einsamen heulenden Wolf gehört haben soll. Dies deutete er als Zeichen, hier eine Stadt zu gründen. Soweit die Sage.

Die ersten historisch belegten Quellen existieren aus dem Jahr 1323. Die Zeit hat die Traditionen seitdem nicht verändert. Das prächtige Vilnius, errichtet am Fluß Vilna mit seinen weißen Kirchen, den roten Dächern der Häuser und dem unter UNESCO Weltkulturerbe stehenden Zentrum hat sich bis heute im alten Teil nur wenig verändert. Über die Jahrhunderte hinweg begegneten sich hier östliche und westliche Kulturen und so erblicken wir an Architektur verschiedene Stile. Wir bewundern gotische Elemente, klassizistische Gebäude, Gassen aus der Renaissance und natürlich den für Vilnius so typischen Barock. Mittlerweile leben etwa 550.000 Einwohner in der Hauptstadt und sie ist die größte Stadt des Landes.


Zuallererst werfen wir am heutigen Morgen von oben einen Blick auf den neuen Teil der Stadt und den gleich daneben liegenden Altstadtteil. Danach besuchen wir die katholische Peter und Paul Kirche , in der gerade ein Gottesdienst stattfindet, laufen durch das Tor der Morgenröte in die Altstadt hinein und schauen bei einen Holzschnitzereien in einem schönen Hinterhof vorbei, der mit seinen Werken den ganzen Hof samt darin stehenden Bäumen verziert hat. Auf dem Rathausplatz staunen wir über die fein herausgeputzten Häuser. Er ist einer der ältesten Plätze in ganz Litauen. Unser Spaziergang führt uns weiter durch die engen Gassen des ehemaligen jüdischen Ghettos, vorbei am Hotel Astorija mit seiner bezaubernden Fassade, hin zu einer von Cafés und Restaurants gesäumten Straße. Hier beenden wir den gemeinsamen Rundgang und können in unserer Freizeit die litauischen Spezialitäten, wie die kalte rote Beete Suppe oder die berühmten Ceppelinai, die mit Hackfleisch gefüllten Kartoffelklöße probieren.


Nach dem Hauptstadtbesuch begeben wir uns auf die Weiterreise und erreichen wenig später die berühmte Stadt Trakai. Sie ist wunderschön eingebettet in eine Seenlandschaft. Im Ort selbst wohnen heute gerade 6.000 Einwohner, von denen nur etwa die Hälfte Litauer sind, die restlichen sprechen Polnisch, Tartarisch, Jiddisch, Deutsch und Russisch. Der Ort mit seiner bekannten Wasserburg liegt auf einer Halbinsel. Wir laufen vorbei an kleinen Holzhäuschen, die aussehen wie Büllerbü aus den Astrid Lindgren Büchern. Über zwei Brücken müssen wir schreiten, um das Eingangstor der mächtigsten Wasserfestung Osteuropas zu erreichen. Die Anlage stammt aus dem 14. Jahrhundert und war einst die Wiege des Staates Litauen. Die Minderheit der Karaimem, auch Karäer genannt, wurde im 14. Jahrhundert vom Großfürsten Vytautas in diesem Gebiet angesiedelt. Die kulturellen Einflüsse dieser Minderheit sind bis heute deutlich im Stadtbild zu beobachten, die traditionellen Kibinai, eine Art Käsehörnchen, gehen auf ihre traditionelle Küche zurück.


Einst gegründet wurde die Wasserburg vom Großfürsten Kestutis, die Baumaßnahmen wurden von seinem Sohn Vytautas vollendet. Er verstärkte und modernisierte die Burg, errichtete eine neue gotische Ziegelburg, die zur Verteidigung dienen sollte und gleichzeitig Residenz der Fürsten war. Im Jahr 1409 verlegte Vytautas die Hauptstadt des Staates hierher nach Trakai und in der späteren Zeit war die Burg lange Zeit die Wohnstätte der verschiedenen litauischen Großfürsten und kulturelles Zentrum des Landes.


Erst 1951 begann man auf dem Gelände der Burg mit Untersuchungen und 1962 zog das historische Museum von Trakai in die mittlerweile liebevoll restaurierten Gebäude ein. In den Sommermonaten werden im Hof der Burg Konferenzen durchgeführt oder Musikfestivals abgehalten. Wir besteigen die engen Treppen, erklimmen den Turm und winden uns von Stockwerk zu Stockwerk die engen Stufen hinauf. Oben angekommen, stellen wir fest, daß die dunklen Wolken näher gekommen sind, es donnert bereits und wir beschließen, schnell zum Bus zurückzukehren, um nicht naß zu werden.

Wir haben Glück und erreichen alle trocken das rettende Gefährt und setzten unsere Fahrt in Richtung Klaipeda fort. Auf deutsch heißt die Stadt Memel. Sie liegt an der Ostsee und blickt auf eine vielfältige Geschichte zurück. 1252 gegründet, entwickelte sich Klaipeda zur drittgrößten Stadt Litauens mit etwa 183.000 Einwohnern Früher gehörte sie zu Deutschland und noch heute sind die architektonischen Einflüsse aus dieser Zeit im Stadtbild nicht zu übersehen. Strategisch liegt sie an einer wichtigen Transportverbindung zwischen Ost und West und besitzt einen der bedeutendsten Häfen der gesamten Ostküste, in dem jährlich mehr als 7.000 Schiffe aus bis zu 50 verschiedenen Ländern einlaufen und etwa 20 Millionen Tonnen Fracht laden.


Beim Abendessen lassen wir die Eindrücke des Tages noch einmal Revue passieren und freuen uns sehr auf den morgigen Ausflug auf die Kurische Nehrung ...

Klaipeda, Ausflug auf die Kuhrische Nehrung

Unseren Morgenspaziergang beginnen wir in der Altstadt von Klaipeda am Ufer des Flusses Dane. Entlang des Ufers laufen wir zum Theaterplatz mit dem Brunnen, in dem die Skulptur von Ännchen von Tharau steht. Hier sieht man die bis heute erkennbare deutsche "Seele" dieser geschichtsträchtigen Stadt am deutlichsten. Einst befand sich hier der historische Marktplatz, heute sehen wir nur noch den Stand eines Bernsteinhändlers. Im Hintergrund des Brunnens erstrahlt das Stadttheater im neuen Glanz, hier war schon immer der Dreh- und Angelpunkt Klaipedas. Der Brunnen wurde von Simon Dach entworfen, einem deutschen Barockdichter, der in Memel geboren wurde und von dem auch der Text des bekannten Liedes stammt. In diesem Lied wird Anna Neander, die Tochter des Tharauer Pfarrers besungen. Wir stimmen gemeinsam an und schaffen sogar drei Strophen.

Unser Weg durch die Altstadt führt an zahlreichen kleinen Skulpturen vorbei, einer Parkbank mit Schachbrettspiel, einer goldenen Wundermaus und einem dicken Kater. Wir flanieren an der Promenade entlang des Flusses und sehen die einstigen Speicherhäuser, in denen sich heute kleine Cafés und traditionelle Restaurants befinden. Das historische Segelschiff, die Meridianes, liegt ebenfalls unweit von hier vor Anker. Sie war ein Geschenk der Finnen und ist das Wahrzeichen der Stadt, darin befindet sich ein Restaurant.

Unseren Bummel beenden wir auf der anderen Flußseite und steigen wieder in den Bus, um kurz darauf mit der Fähre auf die Kurische Nehrung überzusetzen.

Diese unter UNESCO Weltkulturerbe stehende Halbinsel bietet einzigartige Dünenlandschaften, feine endlose weiße Sandstrände und wird von den Einheimischen liebevoll die "Perle der Ostsee" genannt. Mitten durch sie verläuft die Grenze zu Rußland, nur 52 Kilometer der insgesamt 98 Kilometer langen Landzunge gehören zu Litauen. Wir fahren auf der schmalen Straße in Richtung Nida, wo sich etliche Ferienhäuser, Hotels und Restaurants befinden und halten am einstigen Sommerhaus von Thomas Mann.

Der Ort Nida gehörte früher zu Ostpreußen im Memelland. Der Nobelpreisträger für Literatur schrieb in diesem Ferienhaus besonders gern. Nachdem er 1929 mit seiner Familie einen Sommer in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, verbracht hatte, begeisterte er sich derart für die Landschaft, daß er dem Architekten Herbert Reissmann den Auftrag zum Bau und zur Möblierung eines Sommerhauses erteilte. Dieses kleine Häuschen liegt am Hang einer großen Düne auf dem sogenannten "Schwiegermutterberg" und bietet einen traumhaften Blick auf die Ostsee bzw. das Kurische Haff. Im Haus verbrachte die Familie Mann die Sommerferien der Jahre 1930 bis 1932 und Thomas Mann schrieb in dieser Zeit "Josef und seine Brüder", etliche Artikel und Briefe.

Es ist Mittag geworden und wir machen in Nida eine ausgedehnte Pause, probieren die leckere kalte rote Beete Suppe und genießen die Blicke aufs Meer und die Sonnenstrahlen bei angenehmen 22 Grad. Im Anschluß an Speis und Trank laufen wir zur Parnidisdüne, die eine der höchsten Wanderdünen Europas ist. An der höchsten Stelle hat man eine 1995 eine Aussichtsplattform errichtet, auf der eine riesige 13 Meter hohe Sonnenuhr thront. Von hier oben hat man einen fantastischen Ausblick auf die Ostsee und das Haff. Das nutzt ein Hochzeitspaar aus Vilnius und läßt von sich die schönsten Bilder einfangen, wir dürfen natürlich auch ein paar Schnappschüsse machen.

Hinunter nach Nida laufen wir über die bequemen Holzstege und die Ausblicke lassen uns immer wieder im Schatten unter den Bäumen verweilen. Können wir nicht einfach den Urlaub um eine Woche hier verlängern?


In Nida angekommen erwartet uns ein Kapitän, der genau wie Käptn Iglu aus der Fischstäbchenwerbung aussieht. Er nimmt uns mit auf eine beeindruckende Bootsfahrt entlang dieser einmaligen Dünenlandschaft. Im Sand erblicken wir Möwen, einen Kormoran und sogar Spuren der Elche, die auf der Halbinsel leben. Vom Schiff aus sehen wir die Grenze zu Rußland. Die meisten Gäste gönnen sich auf dem Sonnendeck einen Sekt oder ein kühles Bier und zwei ganz Mutige spielen im Bug mit ausgebreiteten Armen die berühmte Szene aus Titanic nach, begleitet von der Filmmusik. Viel zu schnell vergeht diese tolle Fahrt, es ist Abend geworden und wir spazieren wenige hundert Meter zu einem Hotel in Nida, wo wir ein ausgezeichnetes Abendessen mit Fisch und Käsekuchen serviert bekommen. Im Anschluß daran erklimmen wir erneut den Hügel zum Busparkplatz, wer nicht mehr kann, wird mit einem original thailändischen Tuk Tuk hinauf gefahren und unser Bus bringt uns zurück nach Klaipeda.

Ein unvergeßlich schöner Urlaubstag hat uns müde gemacht und in unseren bequemen Hotelbetten werden wir von endlosen Sandstränden träumen.

Morgen werden wir unser Glück bei der Suche nach Bernsteinen versuchen und den Berg der Kreuze kennenlernen ...

Memel und Berg der Kreuze, Weiterfahrt nach Riga

Am heutigen Morgen verlassen wir Klaipeda in Richtung Norden, nach etwa einer halben Fahrstunde erreichen wir Karkle an der Ostsee, wo im Bernsteinzentrum bereits ein Experte auf uns wartet. Er weiht uns in die Kunst der Bernsteinsuche ein und wir qualifizieren uns recht schnell zu Kennern. Die Damen der Gruppe dürfen beginnen, echte und unechte Bernsteine voneinander zu unterscheiden und erzielen 25 Fehlerpunkte, danach sind die Herren der Schöpfung dran. Sie schlagen die Damenriege knapp mit nur 22 Fehlerpunkten. Wer hätte auch gedacht, daß man uns gefärbtes Epoxidharz und sogar Kandiszucker unterschmuggelt. :-)

Im Bernsteinzentrum gibt es ein großes Aquarium, in dem Garnelen schwimmen, die zu unserer großen Überraschung mit den kleinen Bernsteinen ein Fußballspiel veranstalten. Wenig später schauen wir uns einen kurzen Film über die Bernsteinfischerei an und natürlich sind wir nun aufgeregt und gespannt, ob uns auch ein Fund - wenigstens ein ganz kleiner - gelingen wird.

Wir marschieren hoffnungsvoll am Strand entlang, unser Experte steigt in die Fluten der Ostsee und leert für uns sein Netz immer wieder aus. Neugierig begutachten wir den Inhalt und tatsächlich finden etliche Gäste kleinere und größere Bernsteine. Sie sind gut zu erkennen im Treibholz und zwischen dem Schlick, da sie in der Sonne durchsichtig glänzen. Zwei Mutige trauen sich bei 17 Grad Wassertemperatur sogar ganz ins Wasser und probieren selbst einmal aus, das Netz in die Wellen zu halten. Die anderen Gäste spazieren barfuß am Strand entlang, genießen die Atmosphäre am Meer, die Sonne und das Urlaubsfeeling.

Am Ende dieses Abenteuers lassen wir uns Kartoffelpuffer und Apfelkuchen schmecken und fahren weiter in Richtung Jurgaiciai, wo wir uns den berühmten Kreuzhügel anschauen.

Nach etwa zwei Stunden Fahrt erblicken wir schon von weitem diese bekannteste Sehenswürdigkeiten Litauens. Im Laufe der wechselvollen Landesgeschichte wurde dieser Hügel immer wieder zerstört. Der gerade zehn Meter hohe Doppelhügel mit unzähligen Kreuzen darauf ist ein Symbol für den Widerstand der Bevölkerung und den tiefen katholischen Glauben der Einheimischen. Seit 1991 gilt die Anhöhe als heiliger Ort der Katholiken, die aus aller Welt hierher kommen, um ein Kreuz aufzustellen oder einen Rosenkranz aufzuhängen. 2000 gab Papst Johannes Paul II. den Auftrag, am Fuße des Hügels ein Kloster zu errichten.

Wir versuchen, einige Schätzungen über die Anzahl der vielen Kreuze abzugeben, es gelingt uns nicht und ist seit mehreren Jahrzehnten niemandem mehr gelungen. So betrachten wir staunend die Szenerie, die so mitten in der Landschaft nahe der Straße nach Riga liegt und kehren nach den erfolglosen Zählversuchen zum Bus zurück.

Dort erwarten uns gleich zwei Überraschungen. Ein Storch sucht genau neben uns nach Futter und Simone, die Reisebegleiterin, hat aus gegebenem Anlaß einen einheimischen Schnaps organisiert, mit dem wir Abschied vom schönen Litauen nehmen.

Am späten Nachmittag erreichen wir Riga, die Hauptstadt Lettlands, die auch als die Perle des Baltikums oder Paris des Ostens bezeichnet wird. Sie liegt am Unterlauf des Flusses Daugava, wird von 700.000 Einwohnern bewohnt und ist die größte Stadt im gesamten Baltikum. Einst entstand sie als Knotenpunkt vieler Handelswege und heutzutage ist sie das multikulturelle Zentrum mit exzellenter Jugendstilarchitektur, die seit 1997 zum UNESCO Weltkulturerbe zählt.

Da unser Fahrer sehr zügig gefahren ist, haben wir noch eine Stunde bis zum Abendessen Zeit, uns die schönsten Jugendstilfassaden der Hauptstadt genauer anzusehen. Dieses Viertel wurde nach dem Schleifen der Stadtbefestigungen angelegt. Damals gehörte Riga zum Zarenreich und wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vom deutschbaltischen Adel geprägt. Nachdem die alten Stadtbefestigungen geschliffen worden waren, erließ man ein Verbot des Baus von steinernen Häusern außerhalb der Stadtgrenzen und dadurch konnte sich die Stadt entfalten. Die damalige Einwohnerzahl stieg von 100.000 auf 450.000. Die deutsche Sprache blieb noch bis zur Jahrhundertwende Amtssprache, die Zusammensetzung der Bevölkerung änderte sich jedoch völlig. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war jeder zweite Bewohner Rigas Lette, ein Fünftel waren Russen und nur noch jeder Sechste war ein Deutschbalte. Für den reichen russischen Adel war Riga mit seiner modernen Lebensart attraktiv geworden und die weitsichtigen Städtebauer schufen eine Infrastruktur die großzügig und modern war und damit mondänen Villen und prächtigen Mehrfamilienhäusern an breiten Boulevards Platz boten, die im gleichen Stil bereits in Paris oder Wien angelegt worden waren. Rigas Jugendstil hat allerdings seinen ganz eigenen Charakter, der sich von dem in Deutschland oder Frankreich unterscheidet. Er Ist nicht so floral und verspielt. Die "Nationale Romantik" wurde für das damals erwachende Nationalbewußtsein der Letten besonders prägend. Vor allem drei Architekten entwickelten diese speziellen nur in Riga vorkommenden Varianten: Michail Ossipowitsch Eisenstein, Konstantins Peksens und Eizens Laube. Die beiden Letzteren sind Letten, der erste ist deutschbaltisch-jüdisch gewesen, hatte in Sankt Petersburg den russisch-orthodoxen Glauben angenommen und wurde 1983 Stadtbaurat in Riga. Am produktivsten war allerdings Peksens, der allein 200 der 800 noch heute erhaltenen Jugendstilvillen entwarf, die vor allem die Alberta Iela Straße zieren.

Wir flanieren staunend an Fassaden mit barbusigen Damen, ägyptischen Statuen, geschwungenen Balkonen und Erkern und geometrischen Ornamenten vorbei und sind ganz begeistert, daß unser Radisson Blue Hotel keine zehn Gehminuten von hier entfernt liegt und wir nach dem Abendessen noch einen Bummel durch dieses einmalig pittoreske Viertel unternehmen können.

Jetzt stärken wir uns allerdings erstmal am reichhaltigen Hotelbüffet und morgen werden wir auch die anderen Stadtviertel Rigas kennenlernen ...

Riga, Gauja Nationalpark mit Sigulda und Turaida

Beim Frühstück fallen uns die vielen Straßensperrungen auf. Wir rätseln, ob das wohl wegen des in einer Woche stattfindenden Jazzfestivals ist. Nein, ganz anders. Wir haben solch ein Glück, daß wir es am Morgen noch gar nicht begreifen können. Nur alle fünf Jahre findet im Baltikum ein Tänzer- und Sängerwettbewerb statt, zu dem sich alle baltischen Volkstanzgruppen und Blasmusikensembles in einer der Hauptstädte treffen und natürlich tragen sie alle Trachten und Blumenkränze. Als wir unser mitten im Zentrum liegendes Hotel verlassen, können wir es gar nicht fassen, wir sind bald umringt von bekränzten jungen Damen und Herren in feinen Leinenanzügen, die sich gerade alle formieren zum großen Umzug. Unsere Reiseleiterin Romualda hat mächtig Mühe, uns zu einem Stadtrundgang mit dem Fokus auf Geschichte und Architektur Rigas zu motivieren. Zu verlockend sind die vielfältigen Fotomotive mit schön bekleideten Menschen.


Wir beginnen unseren Spaziergang am Lettischen Nationaltheater, passieren etliche mittelalterliche Gassen, danach das Schwedische Tor und landen am Dom zu Riga. Er wurde auf Veranlassung des ersten Bischofs Albert von Buxthoeven im Jahre 1211 begonnen zu bauen. An ihn grenzt ein Kloster an und wir haben wiederum Glück, eigentlich ist der Dom heute Vormittag geschlossen, nur wir werden eingelassen und kommen dadurch noch in den Genuß eines Gratis-Orgelkonzertes.


Die Stadt Riga wurde durch den Livländischen Ritterorden 1201 gegründet und war damals eine Art religiöse und mittelalterliche Stadt und sollte vor allem der Verbreitung des Christentums im Baltikum dienen. Zuerst war sie Erzbischoftum und 1282 wurde sie zur Hansestadt. In der nachfolgenden Zeit entwickelte sie sich durch ihre günstige geografische Lage zu einem bedeutenden Handels- und Handwerkszentrum, welches den Handel zwischen Russland und Westeuropa miteinander verband.


1581 übernahmen die Polen die Stadt, auch der russische Zar Ivan IV. unternahm einige Besetzungsversuche, die allerdings erfolglos blieben. 1962 eroberte der Schwedenkönig Gustav II. die Stadt und erst 1710 fiel Riga während des russischen Krieges an Russland zurück. Im 19. Jahrhundert wurde sie zum Zentrum des europäischen Holzhandels.


Die deutsche Armee besetzte Riga 1917, nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Unabhängigkeit Lettlands hier in Riga erklärt und die Stadt wurde zur Hauptstadt ernannt. Zur Sowjetunion wurde ganz Lettland 1941 per Vertrag zugesprochen und wenig später erneut durch die Deutschen besetzt. Die Russen förderten die Migration von Nichtletten und bereits im Jahr 1975 waren nur noch 40 Prozent der Einwohner in Riga Letten. Nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion wurde Riga 1991 erneut die Hauptstadt, diesmal des unabhängigen Lettlands.


Wir stehen am Ende unseres Stadtrundgangs auf dem Rathausplatz von Riga mit der Rolandsfigur, dem Okkupationsmuseum und dem Schwarzhäupterhaus. Letzteres diente den Kaufleuten von Riga als Versammlungsort und wurde bereits 1343 erbaut und 1999 aufwendig restauriert. An den reich verzierten Hausfassaden kann man den ehemaligen Reichtum der Stadt deutlich erkennen. Vor dieser Bilderbuchkulissen stehen überall die Trachtengruppen. Einige singen und tanzen bereits. Wir fühlen uns wie im Set eines Hollywoodfilms und erst jetzt begreifen wir wirklich, was wir doch für ein Glück am heutigen Tag haben. Solche Fotomotive werden nur einmal alle fünf Jahre geboten!


Nachdem wir unseren Rundgang beendet haben, laufen wir vorbei an unzähligen Blasmusikkapellen und Trachtengruppen zurück zu unserem Hotel und machen eine kleine Verschnaufpause, bevor wir zum Gauja Nationalpark aufbrechen. Auf dem Weg halten wir an einer Hexenkneipe und essen Zeppelinas, gefüllte Paprikas, Salate oder leckere Nachspeisen mit frischen Beeren.


Der Gauja Nationalpark ist der größte und älteste Nationalpark in Lettland. Er besticht durch eine enorme biologische Vielfalt, verschiedene Reliefformen, Quellen, malerische Landschaften und sehenswerte Kulturdenkmäler. Der Park wurde im Jahr 1973 gegründet und umfaßt eine Fläche von 90.000 Hektar. Die durch ihn fließenden Flüsse sind die Gauja, die Valmiera und Murjani.

Zuallererst halten wir im Museumsreservat Turaida mit der gleichnamigen Burg, dem Landgut und der Kirche, wo wir viel über die Ereignisse der Umgebung seit dem 11. Jahrhundert erfahren. Einige sportive Gäste besteigen die 140 Turmstufen und genießen den wunderschönen Blick auf das Urstromtal der Gauja.


In der Kirche aus dem Jahr 1750 kann man einen schlichten Holzaltar sehen. Sie ist eine der ältesten Holzkirchen in der Region Livland, was auf deutsch soviel wie Mittelerde bedeutet. Auf dem Kirchenhügel befindet sich der Gedenkort für Matja, der Rose von Turaida. Die Legende besagt, daß sich der Burgschreiber Creif nach einer Schlacht bei der Burg im Jahre 1601 auf die Suche nach Überlebenden machte. Dabei soll er ein Neugeborenes in den Armen der toten Mutter gefunden haben. Er nahm das Kind zu sich und zog es auf, wie die eigene Tochter. Als das Mädchen zu einer schönen jungen Frau herangewachsen war, gaben ihr die Einwohner den Namen Rose. Sie verliebte sich in den Gärtner Viktor Heil und die beiden wollten 1620 heiraten. Als nun der Hochzeitstag nahte, lockte ein Bote die schöne junge Frau zur Gutmannshöhle, wo die Geschichte eine dramatische Wende nahm....


Nach kurzer Weiterfahrt erreichen wir eine Grotte, in der eine Quelle entspringt, deren Wasser den Damen Verjüngung verspricht und eifrig benetzen sich die Gäste mit dem erfrischenden Naß. Der Erfolg soll allerdings ein paar Tage auf sich warten lassen, wir sind gespannt...


Unseren letzten Halt machen wir in Sigulda am neogotischen Schloß, wo einst die Fürsten ihre Zeit in Muße verbracht haben. Heute findet hier das über die lettischen Grenzen hinaus berühmte Opernmusikfestival statt. Als wir ankommen, öffnet der Himmel seine Schleusen und schnell verschwinden alle Gäste in den neben dem Schloß befindlichen Souvenirläden oder im kleinen Schloßcafé. Einige Regenfeste besuchen noch die hinter dem Schloß liegende Ruine und schnell finden wir uns alle wieder im Bus ein und fahren nach Riga zurück.


In der Altstadt treffen wir uns zum gemeinsamen Abendessen wieder und ein sehr eindrucksvoller Tag neigt sich dem Ende zu.

Morgen verlassen wir die lettische Hauptstadt und werden weiter auf die estnische Insel Saaremaa fahren ...

Pärnu, Insel Saaremaa, Weiterfahrt nach Kuressaare

Wir verlassen die Hauptstadt Lettlands und fahren an der Küste entlang gen Norden nach Pärnu. Dieses kleine estnische Städtchen ist das Sommerferienziel für die Balten und vor allem für die Esten schlechthin. Man findet dort endlos lange Sandstrände, unzählige Restaurants, Bars, Cafés, Spas und eine entspannte Urlaubsatmosphäre. Obwohl hier nur knapp 40.000 Einwohner auf einer Fläche von etwa 850 km² leben, ist Pärnu die größte Stadt des Landes. Die kleinen Straßen haben mittelalterliches Flair und das Seebad zieht sowohl mit seinem Charme, als auch mit den vielen Bademöglichkeiten an den schneeweißen Sandstränden mittlerweile Gäste aus ganz Europa an. 2020 hat man dieses Städtchen zum nachhaltigsten Reiseziel an der Ostseeregion gewählt, da dieser kleine Kurort sehr auf Müllvermeidung und Erhaltung der Natur achtet.


Als wir ankommen, schaffen wir es gerade bis zur Fußgängerzone, dann öffnet der Himmel mal wieder seine Schleusen, und wir beschließen ganz eilig, in eines der Restaurants zu fliehen und den Schauer dort bei einem Kaffee erstmal vorbeigehen zu lassen.

Danach versuchen wir erneut, der Kirche einen Besuch abzustatten, aber leider ist sie geschlossen. Also genießen wir einfach das Urlaubsflair, flanieren durch die unzähligen kleinen Lädchen, in denen man vor allem Leinen, Lederprodukte und Souvenirs aus Holz kaufen kann und fahren zur Mittagszeit weiter in Richtung der Fähre in Virtsu, wo wir auf die Insel Sareemaa übersetzen wollen.


Estland ist von den drei baltischen Staaten der kleinste. Haben wir in Litauen und Lettland eher lebendige und sehr mitteilungsbedürftige und neugierige Menschen erlebt, begegnen uns die Esten eher schweigsam und zurückhaltend. Small Talk und zu häufiges Nachfragen empfinden sie als unangenehm und sogar unhöflich. Sprachlich ist Estnisch der finno-ugrischen Sprachfamilie zuzuordnen, während Litauisch und Lettisch zu den baltischen Sprachen gehören. Die Digitalisierung ist hier am weitesten fortgeschritten und so verwundert es auch nicht, wenn ein Este die Software für die bekannteste Bildtelefonie im Internet, nämlich SKYPE, erfunden hat und in den Schulen teilweise mit virtuellen Brillen unterrichtet wird.


Nachdem wir an endlosen Wäldern vorbeigefahren sind, erreichen wir am Nachmittag die Fähre, mit der man in einer halben Stunde auf die Insel Saaremaa übersetzen kann. Sie ist die größte der estnischen Inseln, wir passieren zuerst die kleinere Insel Muhu und über einen Damm fahren wir danach nach Saaremaa.

Dank des milden Klimas und den guten kalkreichen Böden hat die Insel eine reiche Flora und Fauna, es gibt etliche Naturschutzgebiete und Nationalparks mit Wandervögeln und wilden Orchideen. Wir erreichen unser direkt am Meer gelegenes Hotel in Kuressaare, und wollen natürlich sofort an der Ostsee entlang spazieren. Der Wind ist kräftig aber ein Spaziergang am Meer ist nun mal eines der schönsten Urlaubserlebnisse.


Wir sind schon sehr gespannt auf den morgigen Inselausflug mit einer Einheimischen, die uns alles zeigen und erklären wird ...

Ein Tag auf Saaremaa

Heli holt uns heute Morgen am Hotel ab, sie ist eine Estin vom Festland, die seit Jahren mit ihrer Familie in Kuressaare lebt und damit sozusagen Spezialistin für die Flora und Fauna, die Geschichte und die speziellen Gegebenheiten der Insel ist.

Bei einer kleinen Rundfahrt durch den Ort verschaffen wir uns einen Überblick über die einerseits erhaltene schöne alte Holzarchitektur und andererseits die charmebefreiten Zweckbauten der sozialistischen Zeit. Die Stadtrechte erhielt Kuressaare 1563 unter dänischer Obrigkeit. Ein Jahrhundert später waren die Schweden eingefallen und hatten die Insel in Besitz genommen. Im 18. Jahrhundert besetzten zaristische Truppen das Eiland. Nach den kurzen deutschen Besetzungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg übernahmen erneut russische Soldaten 1944 das Zepter und der Badeort bekam den Namen Kingissepp nach einem Kommunisten. 1990 erst erhielt der heutige Kurort seine Unabhängigkeit und seinen alten Namen wieder. Auf der gesamten Insel leben etwa 13.000 Einwohner.

Wir spazieren durch den Stadtpark der Inselhauptstadt Kuressaare und besuchen die weit hin sichtbare Bischofsburg oder auch Arensburg. Diese 700 Jahre alte vom Deutschen Orden errichtete Wehranlage wirkt mit ihren dicken Außenmauern sehr wuchtig, um sie herum erstreckt sich ein mächtiger Burggraben, der mit Wasser gefüllt ist. Durch die zwei hohen Ecktürme kann man in den inneren Burgbereich gelangen, um sich mittelalterliche Wohn- und Schlafgemächer, Wirtschaftsräume, einen Festsaal, den alten Burgbrunnen und die Löwenbastion anzusehen.

Im Anschluß an diese spannende Besichtigung fahren wir über die Insel, die von Kiefern- und Birkenwäldern bewachsen ist. Durch das milde Seeklima und die kalkhaltigen Böden gedeihen hier sehr seltene Pflanzen und Blumen, wie beispielsweise Orchideen oder der lila blühende Saaremaa-Klappertopf.

In Kaali besuchen wir den Meteoritenkrater. Vor etwa 4.000 Jahren erfolgte der Einschlag. Wir sehen das Zentrum des Einschlags, das mit grünlichem Wasser gefüllt ist und dessen Durchmesser etwa 50 Meter beträgt. Drumherum erstreckt sich ein Erdwall von 110 Metern. Bereits der griechische Geschichtsschreiber Pytheas soll diesen Einschlag in seinen Aufzeichnungen erwähnt haben. Die Einwohner von Saaremaa erzählen sich unterschiedliche Mythen über die Entstehung der Krater. Eine handelt davon, wie die Erde aus Entsetzen über eine Geschwisterheirat die Traukirche verschlungen haben soll. Eine andere Sage berichtet von einem Gutsherrn, der nach einer zügellosen Orgie samt Gutshof und Feiergesellschaft vom Erdboden verschlungen worden sein soll.

Es ist es Mittag geworden und wir wollen eine Pause am Windmühlenpark von Angla einlegen. Hier stehen vier für die Insel typische Bockmühlen, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts erbaut wurden und eine holländische Mühle, die aus dem Jahre 1927 stammt. Im Park kann man historische landwirtschaftliche Maschinen bestaunen und alle Arten von Nutztieren ziehen vor allem die Kinder in ihren Bann. Noch heute können die Mühlen in Betrieb genommen werden und die hauseigene Bäckerei ist berühmt für ihre leckeren Brote und Backwaren. Davon können wir uns im Mühlencafé überzeugen. Man serviert uns Kaffee und hausgemachte Beerenmuffins mit Vanillesauce. Wir genießen schweigend.

Mittlerweile sind am Himmel wieder dicke Wolken aufgezogen und es wird dunkler und dunkler und als wir an der Steilküste halten und uns schon so auf einen Spaziergang entlang der schroffen Felsen gefreut hatten, fängt es an zu regnen. Also werfen wir nur kurz einen Blick über die steil abfallenden Klippen und machen uns auf den Rückweg zu unserem Hotel.

Den heutigen Nachmittag nutzen wir zum Entspannen und Erholen, die hauseigene Sauna ist sehr einladend und gemütlich und erst zum Abendessen treffen wir uns alle wieder und nehmen langsam Abschied von der Insel.

Morgen erwarten und das Ethnographische Museum von Muhu und die Hauptstadt Estlands – Tallin.

Insel Muhu mit Etnografischem Freilichtmuseum Koguva, Weiterfahrt nach Tallin

Wehmütig verabschieden wir uns am heutigen Morgen von der Insel Saaremaa. Es war zu schön, aus dem Bett heraus beim Aufwachen auf die Ostsee blicken zu können, die Lichtspiele mit den dicken Wolken und die Regenbögen haben uns sehr begeistert.

Auf der kleineren Nachbarinsel Muhu, die wir wieder über den langen Damm erreichen, machen wir auf der Fahrt in Richtung Festland eine Pause am Ethnographischen Museum von Koguva. Dieses kleine Museumsdorf liegt an der Westküste der Insel und ist ein sehr anschauliches Beispiel für die estnische Bauernarchitektur. Hier lebten einst Bauern, die die Leibeigenschaft nie kennengelernt hatten.

Wir schauen uns die Volkstrachten, die uralte winzige Dorfschule mit Holzbänken, Globus, Schiefertafel und dem Lehrerstübchen an und stöbern neugierig im Museumslädchen. Zuletzt sehen wir noch die kleine Ausstellung im Geburtshaus des Schriftsteller Juhan Smuul und bummeln durch die restlichen vier Gehöfte. Die Türen und Eingänge sind allesamt winzig und in den Räumen ist es ebenso klein und dunkel. Die Einrichtung und Möblierung ist schlicht und funktional, Öfen, Betten, Webstuhl und ein kleiner Ofen zum Kochen.

Danach fahren wir erneut zur Fähre in Kuivastu und setzten aufs Festland nach Virtsu über.

Am Nachmittag erreichen wir die estnische Hauptstadt Tallin. Im Hafen sehen wir bereits zwei große Kreuzfahrtriesen liegen und zum ersten Mal auf unserer Reise sehen wir etliche weitere Gäste, die alle, wie wir, in die Altstadt strömen.

Die Stadt wurde im frühen Mittelalter gegründet und bietet heute eine atemberaubende Mischung aus alten und neueren Gebäuden. Die gesamte Altstadt gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Das Herz bildet der Rathausplatz, wo Estland stets seine Helden gefeiert hat, die weltweit etwas erreicht haben, wie beispielsweise lokale Musiker und Sportler. Die Talliner Café-Kultur sehen wir am ältesten Café der Stadt, dem Maiasmokk. Wir genießen die Blicke vom oberen Teil der Altstadt auf der Stadtmauer und vom Domplatz aus und sehen die unzähligen Türme, die so typisch für Tallin sind. Weiter winden wir uns durch verschlungene schmale Pflastersteingassen, sehen gotische Turmspitzen und mittelalterliche Märkte. Der gesamte Altstadtteil entstand in der Zeit vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, damals hieß die Stadt Reval und war Mitglied des florierenden Hanse-Städtebundes. Etliche farbige Giebeldächer erinnern an die Gilden, die einstmals darin zu Hause waren. Die alten Kalkstein-Stadtmauern mit ihren 46 Türmen sind zu fast 50 Prozent erhalten und haben immer noch eine Länge von zwei Kilometern. Sie verleihen der ganzen Stadt mit ihren vielen Wachtürmen einen märchenhaften Charme.

Besonders schön anzusehen ist die Alexander Newski Kathedrale, eine riesige im historischen Stil erbaute und reichlich dekorierte russisch-orthodoxe Kirche, die 1900 auf dem Talliner Domberg fertig gestellt wurde. Zu dieser Zeit gehörte Estland zum zaristischen Rußland. Ihr Glockenensemble besteht aus elf Glocken, deren größte 15 Tonnen wiegt. Im Inneren ist die Kirche mit Mosaiken und Ikonen förmlich übersät. Gleich neben der Kirche sitzt das Parlament von Tallin in einem riesigen klassizistischen Bau.

Nach zwei Stunden Bummel durch die Gassen sind wir so geschafft und hungrig, daß wir eine kleine Pause einlegen, bevor wir unser unweit der Stadtmauern gelegenes Tallink City Hotel beziehen. Von den vielen Eindrücken müssen wir uns erstmal ein wenig erholen und beim Abendessen die schönsten Fotos austauschen.

Morgen werden wir einen nahe der Hauptstadt gelegenen Nationalpark erkunden und viel Wissenswertes über Flora und Fauna erfahren, bevor wir in die Hauptstadt zurückkehren und unseren letzten Abend hier gemeinsam bei einem zünftigen Abendessen in einem Traditionsrestaurant genießen werden ...

Ausflug in den Lahemaa Nationalpark

Am letzten Tag unserer wunderschönen Reise machen wir einen Ausflug in den Lahemaa Nationalpark, der unweit der Hauptstadt Tallin liegt. Vier Gäste hat Tallin so fasziniert, daß sie beschließen, den Tag in der Stadt zu verbringen und nochmals einen ausgedehnten Stadtbummel zu machen.

Wir treffen unsere Spezialistin für die Flora und Fauna des Parks, sie heißt Monika, und gemeinsam mit ihr fahren wir an die Nordküste Estlands. Der Nationalpark Lahemaa ist bekannt für steinige und sandige Strände, malerische Moore, Kiefern- und Klippenwälder, Flüsse, die sich tief in das Kalksteinkliff eingegraben haben und riesige Findlinge aus der letzten Eiszeit. Der Park wurde 1971 gegründet mit einer Gesamtfläche von 72.500 Hektar, um die für den Norden des Landes charakteristische Natur, das Kulturerbe und die biologische Vielfalt zu bewahren und den Besuchern vorstellen zu können. Der Wald, die Sümpfe und die Strandökosysteme stehen unter strengem Naturschutz. Das Sammeln von Beeren und Pilzen ist allerdings erlaubt und wir sind gerade aus dem Bus gestiegen, da stehen wir schon mitten in Blaubeeren, die wir natürlich verkosten müssen.

Wir haben uns für den Holzstegweg mitten durch das Moor entschieden und wandern zuerst durch den dichten duftenden Wald. Wenig später erreichen wir das Moor und wechseln auf den schmalen Holzsteg. Die Moltebeeren und Moosbeeren stehen rechts und links von uns, als wir genauer hinsehen, entdecken wir auf dem Moos den fleischfressenden Sonnentau mit seinen klebrigen Tentakeln, sehen die Laubfrösche hüpfen, eine Bachstelze ihr Junges versorgen, Bläulinge umschwirren uns. Die Farben des Moores sind intensiv trotz wolkigem Himmel, von gelb über maigrün schimmern die Moose, die schlanken Birken ragen aus kleinen Seen heraus und spiegeln sich im Wasser. Einige Seen sind so groß, daß sie sich sogar zum Baden eignen. Idylle und Stille pur sozusagen. Im Park leben Fischadler, Steinadler, Seeadler, Schwarzstorch und Nerz, man findet immer wieder letzte Populationen der Flußperlmuschel, obendrein soll es Elche, Luchse und Biber geben, die sich uns allerdings heute nicht zeigen wollen.

Nach einer eindrucksvollen Wanderung erreichen wir eine Lichtung auf der wir nochmals die leckeren Blaubeeren genießen und danach steigen wir in den Bus, um zu einem typischen nordestnischen Dorf zu fahren. Die ersten Erwähnungen des kleinen Käsmu stammen aus dem Jahr 1453. Hier existiere eine Seeschule und fast jede Familie hatte mindestens ein Mitglied, welches Kapitän oder Steuermann war, daher leitet sich auch der Dorfname Käsmu ab, was auf deutsch soviel wie Kapitänsdorf bedeutet. Wir schauen uns den Ort mit seinen postgartengleichen Holzhäuschen an, laufen zum Strand, wo eine Art Tiny-Sauna steht und können uns gut vorstellen, hier eine Woche den Urlaub mit Nichtstun und Baden zu verbringen. Schade, daß dies schon unser letzter Urlaubstag ist.

Es ist Mittag geworden und in einem urigen Bistro essen wir etwas, bevor wir nach Palmse weiter fahren. Hier befindet sich ein ehemals deutsch-baltisches Landgut etwa 80 Kilometer östlich der Hauptstadt Tallin mitten im Nationalpark gelegen. 1522 kaufte die Familie von Metztacken das Areal, 1677 gelangte das Gut an die deutsch-baltische Familie von der Pahlen und Ende des 17. Jahrhunderts begann man mit dem Bau eines repräsentativen Herrenhauses, welches seine heutige Gestalt im 19. Jahrhundert erhielt. Um das Haus herum gestaltete man einen wunderschönen Park, der zunächst nach französischen Vorbildern angelegt wurde. Erst nach der Vergrößerung des Parks auf 18 Hektar erhielt er den Charakter eines englischen Landschaftsparks. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Gut enteignet, bis zum Zweiten Weltkrieg wurde das Herrenhaus als Erholungsheim des estnischen Schutzbundes genutzt und später nach der Übernahme der Sowjetunion verfielen die Ländereien und wurden zu verschiedenen Lagerzwecken genutzt. Erst nach der Gründung des Nationalparks Lahemaa setzte man seit 1972 Schritt für Schritt alles wieder liebevoll instand, belebte die Orangerie und die Schnapsbrennerei wieder und sanierte die Stallungen aufwendig.

Im Haus schauen wir uns die Innenräume und die Möblierung der Familie von der Pahlen an. Einige Stücke stammen aus Lüneburg. Die Schnapsbrennerei beherbergt mittlerweile ein Hotel, das kleine grüne Kaffeehaus ist zu unserer großen Enttäuschung heute geschlossen. Dafür werfen wir einen Blick in die Orangerie und sehen neben den zwitschernden Wellensittichen, Kakteen, Sukkulenten, Palmen und üppig behangene meterhohe Tomatenpflanzen.

Am Nachmittag kehren wir von unserem Ausflug nach Tallin zurück, packen die Koffer und genießen ein letztes gemeinsames Abendessen im Zentrum der Altstadt neben dem historischen Pfeffersack. Es heißt für uns, Abschied von Romualda und Gintarast, dem Busfahrer, und von den schönen Landschaften des Baltikums zu nehmen.

Morgen Nachmittag fliegen wir nach Hause ...

Heimreise

Eine wunderschöne Tour, mit vielen vielen Eindrücken, durch drei bezaubernde Länder geht zu Ende. Wir werden zu Hause nochmal nachsinnen müssen, so schnell sind wir in der kurzen Zeit von Land zu Land gewechselt. Wir haben alle drei baltischen Hauptstädte mit ihren jeweils ganz unterschiedlichen Charakteren kennen gelernt, die Natur in unterschiedlichen Nationalparks genossen, waren auf Inseln und Halbinseln unterwegs, wir haben uns kulinarisch verwöhnen lassen und unsere Romualda hat uns viel Wissenswertes über die wechselvolle Geschichte des Baltikums erklärt. Wir haben drei Länder erlebt, die sich ganz unbeeindruckt von ihrer Nähe zu Rußland und der dortigen momentanen Situation zeigen. Viele Russen leben bis heute friedlich neben den Balten in allen drei Ländern und Russisch ist zwischen den Esten und Litauern bzw. Letten noch immer die Sprache, in der sie sich verständigen können.

Zur Mittagszeit fahren wir auf den Flughafen in Tallin und fliegen zurück in die deutsche Hauptstadt Berlin. Wenig später folgen uns die letzten zwei Gäste über Frankfurt und Leipzig.

Schlusswort

Eine eindrucksvolle Reise geht zu Ende. Ich möchte mich vor allem bei Ihnen, liebe Gäste, bedanken. Niemand ist verloren gegangen. Alles Schöne und Spannende durften wir gemeinsam genießen und ich sage immer: man sieht sich zwei mal im Leben. Bleiben Sie gesund und reisefreudig und erinnern Sie sich oft und gern an die tolle Zeit im Baltikum zurück.

Ihre Reisebegleiterin Simone

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht