Reisebericht: Genießerreise Spanien – Madrid, Extremadura und Andalusien

02.05. – 15.05.2022, 14 Tage Rundreise mit exklusiven Parador–Hotels in kleiner Reisegruppe: Madrid – Toledo – La Mancha – Trujillo – Merida – Cordoba – Sevilla – Granada – Valencia


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Bericht von unserer Genießerreise mit einer kleinen Reisegruppe (11+1) nach Spanien. Mit Höhen (Meseta Central) und Tiefen (Strand von Valencia)
Ein Reisebericht von
Andreas Böcker
Andreas Böcker

Montag, 2. Mai 2022 – Ankunft in Madrid

Die ersten von uns hatten ihre Reise zwar schon am Vortag angetreten, aber das Gros von uns tröpfelte peu a peu, bzw. spanisch poco a poco erst am Montag in unserem Hotel im Zentrum von Madrid ein. Während die einen, darunter der Verfasser dieser Zeilen, sich erst eincheckten, kamen die anderen schon aus dem Prado, Madrids wichtigstem Kunstmuseum, zurück.
Erstmals kam die ganze Gruppe zusammen, als wir uns zum Marsch zum Abendessen trafen. Hier erfuhr ich, dass ein Koffer nicht angekommen war, er sollte aber direkt nach Toledo geliefert werden.
Wir machten einen Umweg am ägyptischen Debodtempel vorbei, da erlebte der erste Reisegast schon seine erste Tiefe. Eben hatte er noch einen Gruß an seine Schwägerin geschickt, als er plötzlich sein Handy vermisste. Da es ausgeschaltet war, und er sich sicher war, die Tasche verschlossen zu haben, blieb fast nur Taschendiebstahl übrig. Mit Verspätung kamen wir entsprechend im Botín, einem seit 1725 sich im Betrieb befindlichen Restaurant an, wo wir Suppe und Spanferkelchen bekamen. Lediglich dem Diebstahlopfer wollte es verständlicherweise nicht schmecken.
Auf dem Rückmarsch gingen wir zurück über die Plaza Mayor.
Kurz nach der Rückkehr erhielt ich einen Anruf: Eine zweite Mitreisende war bestohlen worden.
Tagesbilanz: ein fehlender Koffer, zwei Taschendiebstähle. Willkommen in Madrid!

Flughafentransfer: 15 km


Dienstag, 3. Mai 2022 – nicht nur el Madrid de los Austrias

Petra, unsere örtliche Reiseleiterin in Madrid, mit der wir schon seit Jahren gerne zusammenarbeiten, holte uns in unserem Hotel ab. Zunächst entführte sie uns per Bus durch die edleren, oft vom Jugendstil geprägten Bezirke Madrids zu Las Ventas, der Stierkampfarena, wo wir uns schnell auch das zugehörige Museum, das ja ei-gent-lich noch geschlossen war, ansahen. Connections muss man haben. Und wenn man die nicht hat, Vitamin B. Beziehungen tun es aber auch.
Anschließend ging es zum Königspalast, den wir durchwanderten. Wir stiegen die Botschaftertreppe hinauf und begaben uns durch die Repräsentationsräume der spanischen Monarchie. Nun... man spricht von "Madrid de los Austrias", denn es waren die Habsburger (" 'absburgos" für die Spanier, was denen aber nicht so leicht über die Zunge kommt, weshalb sie sich in "los Austrias" flüchten), welche aus dem unbedeutenden Dörflein auf dem Felsen über dem Manzanares mit einer verfallenen arabischen Qasba (Alcazaba) die Hauptstadt ihres Imperiums machten, "in dem die Sonne nicht untergeht". Als Karl V./Carlos I. 1516 die Regierung in Spanien antrat, vollzog sich gerade der Sprung von Kuba auf das mexikanische Festland, sein Reich reichte von Wien bis zum Pazifik, als sein Sohn Philipp an der Macht war, wurde eine Inselgruppe erobert, die in westlichen Sprachen bis heute als die Philippinen firmiert (nur dass Philipp aufgrund der habsburgischen Teilung nicht mehr über die österreichischen Gebiete regierte, sondern die Spanischen Niederlande als einzigen Teil im Heiligen Römischen Reich beherrschte, in dem jetzt sein in Spanien geborener Onkel Ferdinand Kaiser war und die habsburgischen Stammlande in Österreich beherrschte.
Der Palast, so wie wir ihn heute sehen, zeigt keine Spuren mehr der arabischen Qasbah und nur noch sehr wenige Spuren der Habsburgerzeit. Er stammt in der Hauptsache erst aus der Bourbonenzeit, nachdem das Vorgängergebäude einem Brand - wohl einer heißen Renovierung - zum Opfer gefallen war. Anlass für diese Mutmaßung geben Gegenstände, die den Brand auf wundersame Weise überlebt haben.
Nach dem Besuch des Palastes mit seinen vielgestaltigen Räumen und vielfachen Umnutzungen derselben, begaben wir uns dann noch einmal in das Madrid der Austrias, sahen das ein oder andere Gebäude der Habsburgerzeit, bevor wir uns auf der Plaza Mayor von Petra verabschiedeten. Jetzt hatten wir Freizeit, die wir verschiedentlich gestalteten.
Die Anzeige bei der Polizei wegen Taschendiebstahls blieb aus, da die Polizei uns wegen Überarbeitung bat, dies in Toledo zu tun, wo wir am Abend hinfahren wollten.

Stadtrundfahrt ca. 8 km
Km: 92


Mittwoch, 4. Mai 2022 – Toledo, Stadt der drei Kulturen

Der Parador von Toledo liegt über dem berühmten Mäander, der Toledo von drei Seiten umschließt. Man kann sich gut vorstellen, dass Domínikos Theotokópoulos - bekannter als "El Greco" - bei einer seiner Stadtansichten von Toledo hier mit seiner Staffelei gesessen und das imposante Panorama genossen hat (dem ist natürlich nicht so, denn er malte die Stadt von Osten und nicht von Süden gesehen). Von ihm sind im Parador Jesus und die zwölf Apostel zu bewundern.

Wir waren am Vorabend angekommen und hatten eine eher verregnete Sicht auf die Stadt gehabt. Heute waren aber alle Wolken beseite gewischt und allmählich wurde es auch warm. Begrüßt wurden wir von Francisco, der uns zusammen mit dem französischen Busfahrer Alain - zunächst dachte ich, dass das aber ein komischer Name für einen Spanier sei - bis in die Stadt brachte und mit uns dann zunächst Rolltreppe fuhr.

Das gibt es in mehreren spanischen Städten - also ich weiß zumindestens von zweien: innerstädtische Outdoor-Rolltreppen - mit denen man die meist mittelalterlichen Innenstädte, die strategisch günstig auf Bergen liegen leicher erreichen kann. Erste Station in der Altstadt von Toledo war die Plaza de Zocodover, die auch im Quijote zwei Mal als Schauplatz erwähnt wird. Der suq ad-dawabb war der 'Lasttiermarkt' in Tulaytula, wie die Araber das römisch-westgotische Toletum genannt hatten.

Wir folgten nun der Calle Ancha ('Breite Straße') bis zur Kathedrale, immer begleitet von Mazapán-Läden (ja klar, Marzipan) und Läden mit Messern sowie Hieb- und Stichwaffen angeblich aus toledanischem Stahl - leider macht die Verkitschung selbst hiervor nicht halt und man hätte leicht ein Schwert oder eine Streitaxt für die nächste "Herr der Ringe"-Party oder "Game of Thrones"-Fete erwerben können. Aber bitte nicht im Handgepäck mit nach Deutschland nehmen, das könnte Probleme am Flughafen geben und beim Zoll zu erheblicher Nervosität führen.

Ganz hübsch, aber schwer und teuer, waren die Damasquinados: Tellerchen, Schälchen, aber auch Manschettenknöpfe und Schmuckstücke, die mit Arabesken oder auch gegenständlichen Darstellungen aus gehämmerten Silber- und Golddraht versehen waren. So, wie auch die Schmiedetechnik der Klingen (Toledaner Stahl), hat auch die Damasquino-Technik ihren Ursprung in der Gegend um die Stadt, deren Namen sie trägt: Damaskus.

Wir betraten Toledos Kathedrale nicht durch die Puerta del Perdón, denn damit wären wir ja von aller Sünde befreit gewesen. Nein, die Vergebungspforte wird nur zu besonderen Anlässen geöffnet. Kein Kirchendiener reißt dieses Portal für 11+1 bzw. 11+2, Francisco war ja auch noch da, auf. Und so schlichen wir uns durch den Südeingang in die Bischofskirche - ach was sage ich? In die Kirche des Metropoliten von Spanien! Schon ihr Turm, gestaltet wie eine Tiara, soll dem Gläubigen - vor allem aber dem eifersüchtigen Bischof von Santiago - bedeuten, wer der wichtigste Kirchenfürst in den spanischen Herrschaftsgebieten dies- und jenseits der sieben Weltmeere ist.

Zum historischen Hintergrund: Toledo - Toletum - war so etwas, wie die Hauptstadt der Westgoten gewesen, hier wählten sie - wenn sie diese denn wählten - ihre Könige. Nach der Eroberung des Westgotenreiches durch die Araber und Berber und der allmählichen Islamisierung des nun al-Andalus genannten Teils von Spanien, war Toledo - Tulaytula - 374 Jahre lang (711-1085), muslimisch beherrscht. Die Reihe der Bischöfe Toledos in der Zeit vom 1. bis 11. Jhdt. - dargestellt in der Sakristei der Kathedrale - ist zum Teil lückenhaft, zum Teil auch eher legendär als historisch. Nach der Eroberung der Stadt durch Alfons VI. und der Installation eines Bischofs dort, brach zwischen den Bischöfen von Toledo und denen von Santiago - die immerhin beanspruchten, die Gebeine des Apostels Jakob (Maioris) zu besitzen - der Konflikt um das Primat in Spanien aus, den letztlich Toledo für sich entscheiden konnte.

In der Kathedrale besuchten wir nach einem Rundgang durch den Chor - dessen Gestühl Szenen von der Eroberung des Königreichs zeigt - und verschiedenen sehenswerten Punkten in dem Dom die Sakristei mit dem Kathedralmuseum. Nach dem wir immer weiter hindurch gingen und schließlich Francisco in einem kleinen Hof eine Tür öffnete, eilte ich zurück. Herr Q. war nicht mit in die Sakristei gekommen. Ich lief also zu ihm, um ihn mitzunehmen. „Ich dachte, Sie kommen hier wieder heraus...“ - „Hm, offensichtlich nicht. Wir haben einen anderen Ausgang gewählt.“ Also liefen Herr Q. und ich durch Sakristei/Museum, um den Anschluss nicht zu verlieren. Irgendwann verließen wir einen Gang und sahen die Gruppe ... nicht euer Ernst! ... genau dort stehen, wo ich Herrn Q. ein paar Minuten zuvor aufgescheucht hatte.

Wir verließen den Kathedralbezirk durch eine Arrabalmauer. Ein Arrabal ist ein maurisches Stadtviertel, welches dieses von anderen Stadtvierteln abgrenzt. Arabische Städte waren nach Ethnien, Stämmen und Familienclans organisiert. In den Wohnbereichen grenzte man sich voneinander ab. Hier in Toledo gibt es noch Reste dieser Abgrenzungen.

Unser nächstes Ziel war die Kirche Santo Tomé. Eigentlich nur eine Seitenkapelle derselben, in dieser wurde im 14. Jhdt. der Graf von Orgaz begraben. Der Graf hatte testamentarisch verfügt, dass das Dorf Orgaz der Kirche Santo Tomé jährlich 800 Goldmünzen sowie zwei Hammel, sechzehn Hühner, zwei Ziegenhäute Wein und zwei Ladungen Brennholz für den Unterhalt des Priesters und der Gemeindebediensteten sowie die Bedürftigen der Pfarrei abzuliefern habe. Das war natürlich - insbesondere der monetäre Anteil - sehr viel für das Dorf. Im 16. Jhdt. musste die Pfarrei die über 300 Jahre zuvor verfügten Zahlungen einklagen. Dass sie den Prozess gewann, führte dazu, dass die Grabkapelle des Grafen von Orgaz heute einer der toledanischen Besuchermagnete ist, denn so konnte der Pfarrer El Greco dafür bezahlen, die Beerdigung des Grafen von Orgaz, bei welcher der Legende zufolge der Heilige Stephanus und der Heilige Augustinus vom Himmel herabgestiegen waren, zu malen. Der Künstler verewigte auch gleich seinen Sohn und sich selbst in dem Gemälde.

Die als Santa María la Blanca eine Zeit lang als Kirche benutzte Synagoge aus dem 12. Jahrhundert war ein nach außen hin unscheinbarer Bau, der sich im Innern als fünfschiffig erwies, mit meist runden, vorne aber auch spitzzulaufenden Hufeisenbögen. Ein in seiner Schlichtheit sehr schöner Bau, der seine Schönheit erst allmählich offenbarte. Denn man musste schon mit dem Blick den Säulen nach oben folgen, um über den Hufeisenbögen die prächtigsten Verzierungen zu sehen.

Unser nächstes und als Gruppe letztes Ziel war de Kirche San Juan de los Reyes (Hl.Johann der Könige), die von den Katholischen Königen zunächst als Grablege geplant war. Abundant ihre Wappen mit dem Adler dem Joch (Yugo für Y = Isabell) und den Pfeilen (Flechas für F = Fernando). Auch das Patrozinium der Kirche - San Juan, nach dem Evangelisten - war programmatisch, hießen doch Sohn und älteste Tocher Juan und Juana (Johann und Johanna), die mit den Kindern des Kaisers Maximilian, Phillip und Margarethe verheiratet wurden.

Die Kirche vorwiegend im isabellinischen (spätgotischen) Stil errichtet, erhielt unter dem Engel der Katholischen Könige, Kaiser Karl V. noch einige zusätzliche Renaissance-Elemente. An ihrer Außenfassade sahen wir die Ketten von angeblich aus der Knechtschaft befreiten christlichen Sklaven. Die tatsächliche Grablege der Katholischen Könige wurde dann aber nach der Eroberung Granadas die heutige Capilla Real, dort.
Dass San Juan seit 1476. also vor dem Krieg gegen Granada 1482 - 1492, begonnen wurde, war auch an den vielen im Kirchenschiff zu sehenden Wappen zu erkennen: Es fehlte der Granatapfel, der seit 1492 das Wappen der Katholischen Könige und ihrer Nachfolger bzw. des spanischen Staates zierte.

Nach dem Besuch dieser Stätte war nun Freizeit. Ein Teil der Gruppe überquerte die mittelalterliche San Martín-Brücke, um den extra für uns bereitgestellten Shuttle zum Parador zu nehmen und von dort aus bei einem Wein oder einem Carlos III. den Blick über Toledo zu genießen. Andere blieben in der Stadt, um sich noch weiter umzusehen, zu Mittag zu essen oder vielleicht auch ein Souvenir zu kaufen. Weitere bereits einkalkulierte Einkäufe waren zum Glück nicht notwendig, da ich eben mit dem Parador telefoniert und erfahren hatte, dass nun auch alles sehnsüchtig erwartete Gepäck vollständig eingetroffen war.


Donnerstag, 5. Mai 2022 – Käse, Wein und Sancho Panza

Heute ging es von Toledo in Richtung Süden. Unser erstes Ziel war die Kleinstadt Consuegra. Also nicht im eigentlichen Sinne die Stadt selbst, die unterhalb eines langgestreckten Hügels - dem Cerro Caldérico - liegt, sondern vielmehr der Hügel, denn auf diesem reihen sich links und rechts der alten Kreuzritterburg der Johanniter, dem Castillo de Muela, zwölf Mühlen auf, wegen derer Consuegra sich als Schauplatz des Kampfes des Don Quijote gegen die schrecklichen Riesen mit den furchtbar herumduchtelnden Armen verkauft. Aber nein, dieser Kampf gegen Windmühlen fand nach Cervantes auf dem etwa 100 km entfernten Campo de Montiel statt. Nichtsdestotrotz ist das Mühlenpanorama mit Burg natürlich berühmt und steht für Kastilien-LaMancha, dem Burgenland welches wir mit Spaniens bekanntester literarischer Figur, dem Don Quijote verbinden.
Wir besuchten hier eine Mühle und unternahmen anschließend einen kleinen Spaziergang die Mühlen entlang, bevor wir weiter zogen. Denn so ganz allmählich meldete sich der Magen und fragte danach, wann es denn wohl einen kleinen Mittagssnack geben würde: No problema! Wir sind doch auf dem Weg nach Valdepeñas!
Hinter Valdepeñas lag unser zweites Ziel, inmitten von Feldern und baumbestandenen Dehesas. Im Mai alles voller Klatschmohn. Bald sahen wir, wenn auch nur aus der Ferne, die ersten Schafe und wussten somit, dass es nicht mehr weit sein konnte bis zur Quesería, zur Käserei. Denn heute wollten wir Manchego direkt beim Hersteller probieren. Die Anfahrt ging bald über einen leicht rumpeligen Feldweg, und als wir ankamen begrüßte uns ein wahres Monster von einem Hirtenhund, der gleich seinen Kopf in unseren Bus steckte um uns schwanzwedelnd zu begrüßen.

Aber wie das so ist bei solchen Produkttestungen: Der Magen muss dann meistens erst die Fütterung des Gehirns abwarten... Und so wurden wir zunächst neu eingekleidet. Wir bekamen Häubchen für den Kopf und Überzieherchen für die Schuhe, so dass wir tunlichst keinen Dreck in die Produktion trugen.
Zunächst erfuhren wir, dass ein Käse, um sich Manchego (Denominación de Orígen - geschützte Herkunftsbezeichnung) nennen zu dürfen nur von Milch von Schafen der Manchego-Rasse stammen dürfe, diese in der Mancha geweidet haben müssten und der Käse auch in der Mancha hergestellt und verarbeitet worden sein müsse.
Und so sahen wir uns zunächst ein wenig in der Produktion um. Es war ein kleiner, handwerklicher Betrieb, keiner von den großen, welche die Supermärkte bestücken. Um unerwünschte mikrobiotische Prozess in der Milch zu vermeiden, wird diese nach dem Melken auf 4° heruntergekühlt.
In der Käserei wird die Rohmilch dann auf 28° - 32° - man möchte gar nicht sagen "erhitzt" - temperiert, um den Gerinnungsprozess in Gang zu setzen. Es entsteht ein Käsebruch, wobei die Korngröße des entstehenden Bruchs mit Milchreiskörnern vergleichbar ist. Früher wurde der Bruch nun in zylindrische Körbe aus Espartogras gefüllt, heute benutzt man dafür Plastikzylinder, welche aber die Flechtmusterung der Espartograskörbe imitieren. Der Kunde möchte ja ein traditionelles, natürliches Produkt.
Im Zylinder werden die Käse regelmäßig gewendet und gepresst. Das dauert zwischen einer und sechs Stunden. Jetzt bekommen die Käse ihren Stempel mit der Identifikationsnummer und die Käse kommen in eine Salzlake, in der sie etwa zwölf Stunden herumdümpeln.
Schließlich wird der Käse zur Reifung in Körben in Trockenkammern gegeben. Wobei Trockenkammer anfänglich gar nicht der richtige Begriff zu sein scheint, da die Luftfeuchtigkeit in diesen Kühl-Kammern (3°-16°) doch sehr hoch ist. Hier wird zugelassen, dass sich rund um die Käselaibe eine Schimmelkultur etabliert, denn durch den Schimmel verdunstet die Flüssigkeit aus dem Käse.
Später werden die Käse in eine weitere Trockenkammer geschoben, der Schimmel wird ab- und mit Olivenöl eingerieben - es handelt sich ja um keinen Schimmelkäse, wie uns gegenüber betont wurde - und sie dürfen weiter trocknen.
Nach einem Spaziergang an den Stallungen vorbei und durch den Garten der Besitzer kamen wir endlich zur Manchegoprobe. Wir probierten verschiedene Reifegerade des Manchego, jüngere und ältere Varianten (maximale Reifezeit 24 Monate) und auch in Honig eingelegten Manchego. Sehr lecker, doch irgendwann war es Zeit, sich vom Käse loszureißen und uns zu verabschieden, denn wir hatten ja noch einen weiteren Termin, den es wahrzunehmen galt, uns erwartete nämlich Diana von der Bodega El Trascacho.

Diana entpuppte sich als Münchnerin, deren Mann die Bodega seiner Eltern geerbt hatte. Während er, der Spanier, weiterhin für seine deutsche Firma arbeitet, betreibt sie, die deutsche, die spanische Bodega seiner Eltern. Bzw., um es korrekt zu sagen: Die historische Bodega liefert das passende und gemütliche Ambiente für ihre Vermarktung von Manchego-Weinen, denn die Mancha, so verriet uns Diana, sei "der größte Weinberg Spaniens". Ausgerechnet zu Beginn der Corona-Pandemie hatte Diana sich selbständig gemacht, dann aber gleich auch mit Online-Workshops auf Deutsch, Englisch und Spanisch.

Zunächst bekamen wir unseren ersten Wein, fast eine Art Sekt noch im Hof der Bodega. Diana bat uns, den Wein zu riechen, ihn zu probieren und erklärte uns, dass uns zu jedem der Weine drei Tapas gereicht würden und wir bitte ganz bewusst, die Tapas und den Wein kombiniert schmecken sollten, wie der Wein mit den Tapas harmoniert, welche Aromen wir erspüren könnten. Zum ersten Wein bekamen wir unter anderem mit Bacalao (Stockfisch) gefüllte Spitzpaprika und Tortilla.

Danach ging es in die eigentliche Bodega. Dazu mussten wir eine Treppe in den Untergrund hinabsteigen, denn die Bodega ist in den anstehenden Kalkstein gehauen und befindet sich daher unterirdisch unter dem Betriebshof. Hier stehen noch die alten Tinajas, riesige Weinamphoren, in denen die Weine früher reiften. Da es erst kurz zuvor geregnet hatte - wir hatten ja selbst Regen in Madrid und Toledo mitbekommen - tropfte es hier oder dort mal von der Decke. Kalkstein ist eben wasserdurchlässig.

Hier bekamen wir weitere Weine und die Köchin brachte uns immer wieder Nachschub zu essen: Pisto Manchego (mit Ratatouille vergleichbar), Albóndigas (der arabische Begriff al-bundiqiyya bedeutet eigentlich Walnuss, aber Albóndigas sind tatsächich spanische Frikadellen/Buletten/Fleischpflanzerl) und Lammragout. Kurz, als wir eine geraume Zeit später durch den Wein leicht angeduselt wieder ans Tageslicht kamen und uns von Diana und ihrem Mann verabschiedeten, hatten wir die Grenze vom Gourmet - denn das Essen war wirklich zum Niederknien - zum Gourmant beinahe überschritten. Tatsächlich hielten die Menge an Käse in der Käserei sowie der Tapas unseres Tapeo in der Bodega so lange vor, dass die meisten von uns beim Abendessen im Parador auf einen oder gar zwei Gänge verzichteten (aber wenigstens der Nachtisch fand dann bei fast allen noch Gefallen).

Vor dem Abendessen im Parador lag natürlich noch die Fahrt von Valdepeñas nach Almagro. Almagro heißt so wegen seiner rötlichen vulkanischen Erde, spanisch (und durch das al- erkennbar auf das arabische zurückgehend) almagre bedeutet Rötel. Almagro war eine Stadt, die durch die Fugger im 16. Jhdt. stark geprägt wurde. Diese hatten Karls Kaiserwahl in Deutschland - bzw. korrekt im Heiligen Römischen Reich - finanziell unterstützt und dafür dann in Venezuela und eben hier in der Mancha wirtschaftliche Konzessionen bekommen. In der Mancha z.B. Schürfrechte in den Minen von Almadén (und wieder verrät der Ortsname, dass die Bergwerkstätigkeit auch dort mindestens bis ins Mittelalter zurückreicht).

Die Zeit bis zum Abendessen nutzten dann einige aus der Gruppe noch individuell die Möglichkeit zu einem Spaziergang durch die Stadt. Man begegnete sich auf dem Hin- oder auf dem Rückweg. Unser Parador war in einem ehemaligen Klarissenkonvent untergebracht und es waren ein paar Minuten bis zur Plaza Mayor mit ihren hübschen Balkonen und ihrem Theater Corral de las Comedias und auf dem Weg zwischen Parador und Plaza Mayor ließen sich hier und dort ein paar interessante Fassaden bestaunen.

Km: 320


Freitag, 6. Mai 2022 – In die Extremadura nach Mérida: Stadt der Lügen – Montánchez

Extrem hart (extremo duro) war das Leben in der Extremadura früher, weshalb wohl auch besonders viele der Conquistadoren Spanisch-Amerikas aus der Extremadura stammten, allen voran die beiden bekanntesten: Hernán Cortés aus Medellín und Francisco Pizarro (nebst seinen Brüdern) aus Trujillo. Eine spanische Hard Rock-Band spielt mit diesem Namen: Extremoduro.
Tatsächlich hat dieser Landstrich, die spanische Autonomie Extremadura und auch ihr portugiesisches Pendant, die portugiesische Estremadura (die sich in etwa auf gleicher Höhe befindet, sich allerdings entlang der portugiesischen Atlantikküste entlangzieht und somit nicht an die spanische Extremadura grenzt) ihren Namen vom Fluss Duero (port. Douro). Es sind die Ländereien (weit) jenseits des Duero (aus Sicht der frühen Reconquista), welche mit diesem Landschaftsnamen bezeichnet sind, der Duero/Doura war gewissermaßen der nasse Limes, hinter dem man sich sicher fühlen konnte, aber je weiter man nach Süden kam, desto umkämpfter war das Gebiet, desto stärker wurden die christlichen Siedler von den Mauren bedroht (auf maurischer Seite war es freilich nicht anders, aber hier geht es ja um die Motivation der Gebietsbenennung).

Wir fuhren zunächst einmal von Almagro aus eine durch die niedrigen Gebirge sich windende Straße, an verschiedenen iberischen Eichensorten (Korkeichen, Steineichen, portugiesische Eichen) vorbei und begleitet von wahren Blütenmeeren der weiß mit einem Stich rosa blühenden Zistrosen, welche den roten Mohn und die weiße Hundskamille der Felder in der Mancha abgelöst hatten.

Kurz hinter Ciudad Real hatten wir den Guadiana (in römischer Zeit Anas Flumen, dann Wâdî Ana, daraus Guadiana) überquert, der blieb nun meist links von uns. Er fließt in Ost-West-Richtung durch die Mancha und die Extremadura und biegt dann nach Süden ab, um die Grenze zwischen Spanien und Portugal zu bilden. Immer wieder durchquerten wird landwirtschaftlich genutzte Flächen in seinem Tal und konnten die vielen Störche auf ihren Nestern bestaunen. Kaum ein Mast einer Überlandleitung, kaum eine Antenne, der bzw. die nicht als Mehrfamilienhaus von Störchen genutzt wurde.

Endlich erreichten wir Mérida, als Emerita Augusta eine Veteranenkolonie für Soldaten des Kaisers Augustus und Hauptstadt der römischen Provinz Lusitanien (diese umfasste Süd- und Zentralportugal sowie die spanische Extremadura, weswegen "lusitanisch" oder "luso-" gerne auch als Synonym für "portugiesisch" verwendet wird. Mérida ist im Übrigen die Hauptstadt der Autonomen Region Extremadura, die in zwei Provinzen - Badajoz und Cáceres - eingeteilt ist. Mérida ist somit eine von zwei Autonomie-Hauptstädten in Spanien, die nicht gleichzeitig auch Provinzhauptstadt ist.

Einige von uns konnten im Parador sofort ihre Zimmer beziehen, aber, da wir bereits um 12:00 ankamen, waren andere Zimmer noch nicht fertig und so hatten wir anderen das Pech, dass wir vor der Stadtführung um 13:00 unsere Zimmer noch nicht in Augenschein nehmen konnten. Dafür saßen wir in einem schönen Innenhof des Parador, wie so viele Paradores ein ehemaliger Konvent, dieses Mal von einem Zweig der Frauensektion des Franziskanerordens, dem Orden Hospitalaria de Jesús Nazareno.
In diesem Innenhof waren - vermutlich alte römische - Säulen verbaut, die arabische (teils auf dem Kopf) und auch frühneuzeitliche Inschriften trugen, sie sind also offenbar zwei Mal als Spolien (archäologischer Begriff für bearbeitete Baumaterialen in Zweitverwendung) gebraucht worden, einmal in einem Kontext vielleicht von Grabdenkmälern, dann wieder in dem kleinen Atrium des Konvents.

Javier, unser Stadtführer, brachte einen Praktikanten mit, der wenig von diese Tag hatte, denn er sprach kein Deutsch.
Unser Weg führte uns zunächst zum Trajansbogen, einem Bogen der mal als Triumphbogen, mal als ehemaliges Stadttor interpretiert wird. Das Museum der Stadt interpretiert ihn als Zugangstor zum Provinzialforum (Mérida hatte einer Inschrift zufolge zwei Foren, nämlich das städtische Forum und das Provinzialforum, ähnliches lässt sich auch in Tarragona nachweisen). Hier nun erfuhren wir, dass der Trajansbogen genannte Bogen wahrscheinlisch schon zu Zeiten des Kaisers Tiberius (Kaiser von 14 - 37) gebaut wurde, also knapp 100 Jahre früher (Trajan: 98 - 117).

Ähnliches erfuhren wir am sogenannten Diana-Tempel: Dass dieser ein Tempel für die römische Jagdgöttin gewesen sei, dafür gibt es keinerlei Beleg: Man nimmt an, dass hier der Kaiserkult stattfand.

Halten wir hier einmal fest: Der Trajansbogen ist kein Trajansbogen und der Diana-Tempel kein Tempel für die Göttin Diana. Mérida, Stadt der Lügen.

Hier stellt sich nun ein neues Problem: Wenn man den Diana-Tempel als Tempel für den Kaiserkult versteht, kann der Trajansbogen nicht den Eingang zum Provinzialforum darstellen, bzw, der Tempel für den Kaiserkult sollte auf dem Gelände des Provinzialforums gestanden haben. Hier beißen sich die Interpretationen. Mérida ist eine Stadt mit einer nun bereits über 2000jährigen Geschichte, in der durchgängig Menschen leben. Insofern ist es für die Archäologen schwer, ihre Thesen einfach mal zu überprüfen und den ganzen neumodischen Kram, der über den römischen Fundamenten steht, zu entfernen. Aber wir sahen eben auch, was passiert, wenn man heute in Mérida bauen möchte: Javier lud uns ein, mal etwas näher an ein großes, schmuckloses Haus mit dunklen Fenstern heranzutreten: Erst jetzt sahen wir, was sich hinter den Fenstern verbarg, wir wären gnadenlos daran vorbeigelaufen: Römische Fundamente lagen vor uns. Hier war eine Tiefgarage geplant worden - da muss man mit rechnen, dass solche "Überraschungen" auf einen zukommmen, wenn man in historischen Altstädten Großprojekte plant.

Höhepunkt der Stadtführung in Mérida waren aber sicher die römischen Monumentalbauten des Theaters und Amphitheaters von Emerita Augusta. Diese lagen am historischen Stadtrand, gerade noch intramuros. Das Theater war vom römischen Feldherrn Agrippa, Augustus‘ wichtigster General, Schwiegersohn und designierter Nachfolger finanziert worden.

Nach dem Besuch hier hätte eigentlich Zeit für Freizeit sein sollen, aber aufgrund des Wochentags musste ein für morgen vorgesehener Programmpunkt vorgezogen werden: Die Schinkenprobe in Montánchez.

Santiago, unser Busfahrer, fuhr uns mit seinem Mikrobus fast direkt bis vor Carlos‘ Metzgerei. ¡Vaya! Das wurde hier oder dort auch mal ein wenig eng in den Gassen der Altstadt. Aber Santiago kannte seinen Bus, den er besser pflege als seine Frau, wie er mir verriet.

Wie würden von Carlos, einem sehr netten und freundlichen Endzwanziger bis Mittdreißiger begrüßt, der uns in einem etwas schmuddeligen Metzgerskittel begrüßte. Er entschuldigte sich, er müsse eben den Laden schließen, dann setzte er sich an die Spitze unseres kleinen Zuges und wir liefen einmal ums Eck, zum Secadero (Trockenhaus). Dort sahen wir die Schinkenverarbeitng. Carlos erklärte uns, dass die Schweine von den Dehesas aus der Ebene kämen, max. 50 km Umkreis. Hier oben auf dem Berg könne man nicht so viele Schweine halten, dafür sein hier die Luft geeigneter, um die Schinken abhängen zu lassen. (Kleiner Fun Fact zum Wort Dehesa: dieses wird, como dios manda (wie Gott befiehlt) [de‘esa] ausgesprochen. Dieses e-Sprechpause-e schien unserem Fahrer Santiago aber schwerzufallen, so dass dieser die Silben einfach verkehrte und aus dehesa [de‘esa] hedesa [edesa] machte.)

Im Secadero erklärte uns Carlos, dass sie die Schinken zunächst ordentlich massierten, um das Blut aus ihnen herauszupressen. Dann würden sie in Salz gelagert (auch das könnten wir sehen). Speziell ihr Betrieb würde nach der Einlagerung des Schinkens in Salz noch ein zweites Mal die Schinken massieren, um eventuelle Blutreste auch sicher aus ihnen herausgepresst zu haben. Die erste Massage würde in allen Betrieben, die sich der Schinkenproduktion verschrieben hätten, gemacht werden, die zweite nur in manchen.

Dann würden die Schinken zum Reifen aufgehängt (oder aufgehangen? >;-> En kleiner Gruß an Frank an dieser Stelle).
Um ein echter (Jamón) Ibérico zu sein, muss das Schwein der kleinwüchsigen Ibérico-Rasse angehören (also schwarzes Fell bzw. schwarze Haut haben) ein pata negra, ein Schwarzfuß sein. Demgegenüber steht das Weißfuß - pata blanca.
Um nun ein Schinken erster Ordnung zu sein reicht aber auch nicht die Zuordnung des Schweins zur Ibérico-Rasse, nein, wes soll sich vorwiegend von Kräutern und EICHELN ernährt haben. Um die schweinetypische Durchforstung des Bodens nach Insekten auf ein Minimum herabzusenken, bekommen die Pata Negras daher einen Nasenring verpasst. Und so leben die Schweine das Jahr über auf ihren eichenbestandenen Dehesas und fressen sich im Herbst und Winter an Eicheln satt, bis dann Mitte Januar die Schlachtsaison beginnt, die bis Anfang März andauert. Danach haben die Schweine wieder weitgehend Ruhe vor dem menschlichen Einfluss.

Nachdem wir den Schinken eine Weile beim Abhängen zugesehen hatten, ging es dann an den leckeren Teil der Führung. Hierzu mussten wir wieder zurück zum Laden.
Es gab Schinken und Lende, beides als Aufschnitt serviert, wie in Spanien durchaus üblich (z.B. beim Tapeo) und in einer Metzgerei kaum anders möglich, wurde im Stehen gegessen, es gab wenig Sitzgelegenheiten.
Nicht bei allen wurden die Erwartungen erfüllt, Herr Q. sagte später zu mir, dass er schon erheblich besseren Ibérico gegessen habe.

Im Anschluss an die Schinkenverkostung wollten wir noch hoch zur Burg und Santiago fuhr uns auch dorthin, bis... ja bis wir an eine Stelle kamen, an der er sich auch nicht mehr traute, um die Ecke zu fahren. Hier stiegen wir dann aus und stiegen zur Burg hoch, während Santiago mit den Kaffeeliebhabern kaltschnäuzig direkt vorm Rathaus auf der Plaza Mayor im Parkverbot parkte (er war aber nicht allein). In der urigen kleinen spanischen Bar gegenüber bekamen unsere Leute einen Kaffee und Santiago eine Flasche Wein geschenkt, dafür dass er der Bar unverhofft neue Kundschaft zugeführt hatte. Wir Übrigen genossen noch die Aussicht von der Burg, die Carlos uns als Balcón de la Extremadura empfohlen hatte. Die anderen trafen wir dann etwas später in ihrer Bar an und es ging zurück nach Mérida.

Km: 381


Samstag, 7. Mai 2022 – Torta del Casar, Cáceres und Trujillo

Das erste Ziel für heute war Casar de Cáceres (Kaßar de Ka?eres). In diesem nur wenige Kilometer von Cáceres entfernten Dorf wird die in Spanien berühmte Torta del Casar hergestellt, ein Schafskäse, der vielleicht mit einem Camembert vergleichbar ist, nur eben von der Rohmilch des Schafes und nicht von der Kuh.

Bevor wir in die Produktion durften, war auch hier zunächst ankleiden angesagt. Hier gab es richtige Stulpen über die Schuhe und einen Einmalkittel für den Wams. Dann rannte wir durch die Produktion und Javier, den wir mit seinem Praktikanten heute wieder trafen, übersetzte uns das Gesagte ins Spanische, manchmal trug die Marketingchefin der Käserei uns Dinge auch auf Englisch vor. Vieles, von dem, was wir hier sahen, war ganz ähnlich dem, was wir schon vom Manchego kannten, nur, dass die Rohmilch nicht vom Manchego-Schaf stammt, sondern vom Merino oder Entrefino. Die Besonderheit bei der Torta del Casar ist, dass hier anstelle des Labs bei der Käseproduktion Blüten einer Distel bzw. Wildartischocke treten. Die Rohmilch wird mit den Blütenblättern dieser Artischocke wieder auf 28° - 32° temperiert, es entsteht Käsebruch - wieso kommt mir das alles so bekannt vor? - der Käsebruch in Reiskorngröße wurde früher in runde Körbe, heute in Plastikformen gefüllt, gepresst und gewendet, landet in Salzlake und kommt dann für mindestens 60 Tage bei 4° - 12° in die Reifung. Anders als der Manchego, der fest werden soll, wird allerdings von der Torta de Casar erwartet, dass diese innen in einem dickflüssigen Zustand verbleibt, d.h.. wenn die Rinde aufbricht, soll der Käse dem Konsumenten entgegenquellen. Apropos Konsument: Natürlich durften wir auch hier nach der Theorie wieder zu einem praktischen Teil übergehen. Als mittlerweile geübte Käse-Degustierer bekamen wir nun diverse Ziegen- und Schafskäse gereicht, wobei wir die Käse im Uhrzeigersinn probieren sollten, beginnend mit einem mit Preiselbeeren versetzten und daher leicht süßlichen Ziegenkäse bis hin zu den etwas strengeren Käsen. Dazu bekamen wir Weiß- oder Rotwein gereicht, wobei die Marketing-Chefin von Doña Francisca (so der Name der Käserei, nach der Mutter ihrer Gründer) zur Überraschung einiger eher den Weiß-, als den Rotwein empfahl.

Nach der Degustation verabschiedeten wir uns und fuhren nun weiter in die Provinzhauptstadt Cáceres. Hier verabredeten wir uns mit Javier an einem Parkhaus, von dessen Dach er uns das Panorama seiner Mutterstadt zeigen wollte. Hier würden wir, später, Santi auch wiedertreffen.

Nun ging es gemeinsam in die Altstadt bzw. im Grunde genommen durch die Altstadt in den ummauerten Teil derselben, Cáceres intramuros oder Cáceres Monumental. Im Moctezuma (dt. Montezuma)-Palast, in dem sich heute das Stadtarchiv befindet, hatten wir dank einer Ausstellung für moderne Kunst die Gelegenheit, einen sonst für die Öffentlichkeit verschlossenen Raum zu besuchen. Hier hatte ein unbekannter Künstler - wobei Javier schon eine Theorie hatte, wer es denn gewesen sei - in Fresken seine Vorstellungen vom Aussehen Tenochtitlans, der Aztekenhauptstadt verewigt - natürlich ganz im Stile der Architektur eine Palaststadt der Renaissance. Der Auftraggeber war ein Urenkel des letzten Aztekenherrschers Moctezuma. Dessen Tochter Tecuichpoch hatte unter dem Namen Isabel de Moctezuma den Conquistadoren Juan de Cano geheiratet. Von den gemeinsamen fünf Kindern (Isabel hatte insgesamt sechs von denen wir wissen), heiratete der älteste Sohn Juan Cano de Moctezuma Elvira von Toledo und deren Erstgeborener, also der Enkel Isabels und Urenkel Montezumas, Juan Cano de Moctezuma de Toledo ließ diesen Palast in Cáceres errichten.
Am Bischofspalast zeigte uns Javier Spuren des Bürgerkrieges. Da Franco in Cáceres sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, war die Stadt Ziel eines der wenigen Luftschläge, welche die Spanische Republik mit sowjetischer Unterstützung gegen die Nationale Zone zu fliegen imstande war.
An der Casa del Mono - am Haus des Affen erzählte Javier uns eine Legende, die man in Cáceres erzählt. Sie dreht sich um die drei Wasserspeier, die an einer Seite des Hauses Regenwasser auf die Straße leiten. Bzw. die Legende ist von den Wasserspeiern, die einen Affen mit einem Kind, eine Frau und einen alten Mann zeigen, abgeleitet. Demzufolge habe der Hausherr, ein Händler, der häufig nach Amerika fuhr, seiner Frau einmal einen Affen mitgebracht als Ersatz für ein Baby, das sie nicht bekam. Als sie dann doch ein Baby bekam, habe der Affe, eifersüchtig, das Baby aus dem Fenster geworfen. Über den Gram über den Tod des Babys sei kurz darauf auch die Frau verstorben und der Hausherr soll den Affen in Ketten legen lassen haben, bis dieser verhungert war.

Gegen Ende der Stadtführung hatten wir noch ein wenig Freizeit, bevor wir nach Trujillo weiterfuhren.

In Trujillo fuhr Santi an ein paar Polizisten und einer halbherzigen Absperrung, die dem Verkehr das Weiterfahren verbot, vorbei und setzte uns mitten auf der Plaza Mayor, unter dem Denkmal von Trujillos bekanntestem Sohn - Francisco Pizarro - ab. Von hier aus stiegen wir bergan, um die Burg von Trujillo zu erreichen. Die aber war... geschlossen. Nun ja, immerhin hatten wir von dort oben einen wunderschönen Blick auf die verschneite Sierra de Gredos und probierten die Pflanzenerkennungs-App von Frau F.

Auf dem Rückweg hinunter in die Stadt kamen wir am mutmaßlichen Geburtshaus von Francisco Pizarro vorbei. Leider bogen wir an einer Stelle falsch ab (weil ein gewisser Reiseleiter auf seiner Karte falsch geschaut hatte) und kamen so viel tiefer aus als geplant, wir musste also wieder hochlaufen um dort zu landen, wo wir Santi nach dem Runterlaufen wiedertreffen wollten.

Km: 266


Sonntag, 8. Mai 2022 – Nach Andalusien: Córdoba und Carmona

Unsere Reiseroute führte uns weiter nach Andalusien. Wir durchquerten die Sierra Morena, sahen einige Erzminen. Diese haben eine Geschichte, die etwa 2.700 mindestens aber 2.300 Jahre zurückreicht. Ab ungefähr 750 vor Christus können wir phönikische Siedlungen an der andalusischen Küste ausmachen (auch wenn Cádiz seine Gründung 1106 v. Chr. datiert: die archäologischen Funde deuten auf die Mitte des 8. vorchristlichen Jahrhunderts. Die Phönikier interessierten sich v.a. für die Silbervorkommen der Sierra Morena. Nach dem ersten punischen Krieg, nach dem Karthago Rom Reparationen in Silbertalenten bezahlen musste, nutzten die Barkiden (Hamilkar Barkas und seine Söhne bzw. sein Schwiegersohn) die Schwesterkolonien ihrer Mutterstadt, um in Südspanien Fuß zu fassen und einen besseren Zugriff auf die Erzvorkommen der Sierra Morena zu bekommen. Spanien wurde somit neben Italien (Hannibals Zug über die Alpen) einer der Hauptkriegsschauplätze im Zweiten Punischen Krieg.

Irgendwann öffnete sich der Blick aus der Sierra Morena (die ihren Namen wahrscheinlich von einer römischen Familie hat, die von Kaiser Augustus Abbaurechte in den Minen erworben hatte) auf die Campiña de Córdoba und das Tal des Guadalquivir und wir konnten die Stadt sehen, die sich an den Südhang der Sierra schmiegte.

Santiago brachte uns auf die Südseite der Stadt und ließ uns in der Nähe der Torre de la Calahorra (qala‘at hurra = freistehende Festung) aussteigen. An der Torre de Calahorra wurde frisch vom Fass Freibier ausgeschenkt, das am Vorabend von der Fiesta del Flamenco übrig geblieben war. Einige Herren der Gruppe ließen sich das nicht zwei Mal sagen. Wir überquerten nun den Guadalquivir über die römische Brücke und liefen zunächst zum Mittagessen. Wir wurden sehr freundlich empfangen und die Restaurantmanagerin erklärte mir, dass die Säulen im Restaurant aus der kalifalen Zeit stammten und zu den wenigen erhaltenen Exemplaren gehörten, die mit Inschriften in den Kapitellen versehen seien.

Es gab wieder tapas, unter anderem Salmorejo Cordobés (ein gazpachoähnliches kaltes Gemüsepüree, das mit Ei und Schinkenwürfeln serviert wird, Albóndigas (Frikadellen), Berenjenas califales (frittierte Auberginen mit Honigsauce) und noch die eine oder andere Tapa mehr sowie einen Nachtisch.

Anschließend trafen wir uns mit Inés, die uns durch die Judería führte. Wir hatten Glück, dank ihr verzögerte die historische Synagoge ihre Schließung, so dass wir den kleinen Gebetsraum noch besuchen konnten, nach uns wurden die Türen zum Leidwesen einer französischen Gruppe geschlossen. Inés führte uns durch einen kleinen Markt und an der Blumengasse vorbei, aus der man einen schönen Ausblick auf den Turm der Kathedrale hat.

Jetzt war es Zeit, endlich die Mezquita-Catedral zu besuchen. Wir durchquerten eines der Tore, welches zum Sa-h-n, dem Innenhof der ehemaligen Moschee führte. Hier hatte in westgotischer Zeit die Kirche des Heiligen Vinzenz gestanden. Ob es sich dabei um einen episkopalen Komplex handelte oder nicht, ist unter Córdobas (Kunst)Historikern und Archäologen heiß umstritten. Fest steht, dass unter der Moschee-Kathedrale die Überreste älterer Tempel und Kirchenbauten liegen und das Córdoba ein Bischofssitz war. Kein Wunder, schließlich war das römische Corduba, welches bereits früh auf Basis einer iberischen Siedlung (aber etwas abseits von dieser) von den Römern errichtet worden war und - nachdem Caesar es zerstört und prächtiger als zuvor wieder aufgebaut hatte - die Hauptstadt der römischen Provinz Baetica. Die Baetica hieß wiederum so nach dem Baetis, dem heutigen Guadalquivir (< (al-)wâdî al-kabîr - der große Fluss).
Die Araber hatten zunächst die Vinzentskirche für ihr Freitagsgebet genutzt, kauften der christlichen Gemeinde die Kirche aber schließlich ab und errichteten die Moschee. Zunächst mit Säulen, die sie aus unterschiedlichen Bauten recycelten, weshalb manche Säulen im Boden verschwinden, andere auf extra hohen Podesten stehen. Dann wurde die Moschee in Richtung des Flusses erweitert (diesmal mit extra für sie angefertigten Säulen und in kalifaler Zeit noch ein weiteres Mal in Richtung des Flusses erweitert. Aus dieser Zeit stammen der von byzantinischen Handwerkern - der Basileos von Byzanz und der Kalif von Córdoba kamen sich gegenseitig nicht ins Gehege, hatten aber gemeinsame Feinde - gestaltete Mi-h-râb sowie die Eingänge zur Schatzkammer und der Durchgang zum Kalifenpalast. Eine vierte Erweiterung konnte nicht mehr in Richtung ds Flusses gemacht werden, das Gelände wurde zu abschüssig und die Stadtmauer war auch nicht mehr weit, der Großwesir plante sie daher nach Norden. Anstelle des stetigen Wechsels von Kalkstein und Ziegeln, wie in den vorherigen Teilen der Moschee, wurden die Doppelbögen hier nur mit Kalkstein gebaut und die Ziegelteile durch entsprechende Anstriche simuliert. Nun ist der Wechsel von Kalkstein und Ziegel aber nicht nur schmuck, sondern angeblich auch besonders elastisch im Falle eines Erdbebens. Im vom Großwesir gebauten Teil der Moschee ist man diesem Problem damit begegnet, dass man unscheibare Bleischeiben zwischen Säule und Kapitell gelegt hat.
Der letzte große Umbau vollzog sich ab dem 16. Jahrhundert. Man riss im Zentrum der ehemaligen Moschee, die seit bald 300 Jahren längst Kathedrale war, einen Teil ihres Säulenwaldes ein und baute eine große Kathedrale hinein, welche den spätgotisch-isabellinischen Stil, den der Renaissance und den des Barock miteinander vereint.
Nun kann man sich darüber streiten, ob dieser Kirchbau, den man auch anderswo hätte umsetzen können, das Raumwunder der Moschee von Córdoba, ihren Architektur gewordenen Palmenhain zerstörte oder ob er um Gegenteil dafür sorgte, dass die Moschee in ihrer Gesamtheit erhalten blieb?

Nachdem wir uns von Inés verabschiedet hatten, überlegten wir kurz, was die weitere Planung sei, ob wir noch ein wenig Freizeit in Córdoba verbringen wollten oder lieber weiter nach Carmona fahren sollten. Nun, ein Thermometer zeigte 38° an (ein anderes "nur" 34°), kurz gesagt: Es war ein heißer Tag und so lautete der ziemlich einvernehmliche Gruppenentscheid: Auf zum Parador.
Wir durchquerten also ein weiteres Mal das Barrio de la Judería und verließen die Altstadt durch das Stadttor mit Seneca (dem Jüngeren), der hier im Jahre 1 n. Chr. geboren wurde und das Pech hatte, Neros Erzieher zu werden und dessen Caesarenwahn zum Opfer zu fallen (er musste sich auf Geheiß dieses letzten julisch-claudischen Kaisers selbst umbringen). In Sichtweite waren wir mit Santi veranredet, der uns hier bereits erwartete.

Der Parador von Carmona ist an der höchsten Stelle von Carmona errichtet, eine Stadt, von deren Verteidigungsanlagen schon Julius Caesar schwärmte (Lib. Civ. II, 19: quae est longe firmissima totius provinciae civitas). Im 14. Jhdt. hatte Peter der Grausame bzw. der Gerechte - je nachdem, wen man fragt, der Adel und sein illegitimer Halbbruder, welcher seinen Thron usurpierte, setzten ersteren Beinamen durch, die städtische Geschichtsschreibung letzteren - hatte hier in der Alcazaba (al-Qasbah) einen Palast (Alcázar < al-Qasr < castrum) errichten lassen. Nun, der Parador ist nicht der originale Alcázar des 14. Jhdts., diesem aber nachempfunden. Die Annehmlichkeiten der spanisch-arabischen Kultur des 14. Jhdts. werden hier geschickt mit denen unserer Gegenwart verknüpft.

Mit den letzten Laufwilligen machte ich vor dem Abendessen noch einen kleinen Sonntagsspaziergang durch die Stadt, wobei wir auch an Santa María la Mayor vorbeikamen, deren Nebeneingang unüblicher Weise offen stand. Es wurde gerade die Messe zelebriert und so umrundeten wir die Kirche und betraten den ehemaligen Sa-h-n, wo ich eine gotische Kalendersäule zeigen konnte. Eintritt mussten wir keinen bezahlen, das Kassenhäuschen war unbesetzt. Und jetzt war die Messe auch schon zu Ende, der Abschlusssegen gesprochen und wir konnten, ohne zu stören, die Kirche betreten.
Anschließend gingen wir noch bis zur Plaza San Fernando, die das Herz der Altstadt bildet und kehrten zurück zum Parador.

Zum Abendessen bekamen wir diesmal kein Menü, sondern á la Carte. Das war ein wenig sperrig, da wir zunächst mit dem etwas seltsamen Aufbau der Karte nicht zu Recht kamen. Am kommenden Tag und später, in Chinchón, wo es ähnlich sein würde, waren wir schon an den Aufbau der Karte gewöhnt, was uns half, schneller zu entscheiden. Aber so aßen wir heute tatsächlich zu in Spanien normalen Uhrzeiten, also ziemlich spät. Ich glaube, es war schon nach 23:00, als wir das Restaurant zufrieden verließen.

Km: 365


Montag, 9. Mai 2022 – Denn sie will ja nach Sevilla

Nicht weit von Carmona liegt das Dörfchen El Viso de Alcor. Dort befindet sich die Ölmühle mit eigenen Olivenplantagen Basilippo. De facto ist dieser Name eine Übernahme eines nicht näher lokalisierten iberischen Ortes, der in römischer Zeit ein municipium war. Die Ölmühle Basilippo, welche auf ihren Ländereien Oliven der Sorte Arbequina (im Geschmack eher leicht), Manzanilla und Picual (richtig scharf im Abgang) anbaut, produziert Olivenöle der Klassifizierung Virgen extra.
Dafür ist es notwenig, die Oliven in den frühen Morgenstunden zu ernten, also wenn die Nacht, die Hitze des Vortages vertrieben hat, aber die Sonne noch nicht wieder Luft und Boden angeheizt hat (die Ernte sollte bei unter 27° geschehen, das sind Temperaturen, die im Spätsommer und Frühherbst in der Campiña de Sevilla nur in den Stunden vor Sonnenaufgang zu erreichen sind). Weiterhin dürfen die Oliven nicht verletzt werden und müssen praktisch sofort in den Verarbeitungsprozess gebracht werden. Sobald Fermentationsprozesse beginnen, ist es nicht mehr möglich ein Öl der Güteklasse Virgen extra herzustellen. Zudem stehen sich Quantität und Qualität gegenseitig im Weg. Will man ein Öl höchster Güte haben, muss man früh ernten. Am besten im September. Will man dagegen billiges Bratöl in rauen Mengen, erntet man die Oliven erst im Januar oder Februar, dann ist der Ölgehalt in der einzelnen Olive viel höher, aber die Qualität ist dahin.

Nach einer Führung durch die Ländereien und die Ölmühle, konnten wir selbst in einer Degustation vom Öl der Arbequina und der Picual verschiedene Geschmacksrichtungen im Öl herausfiltern. Isaac erklärte, dass es durchaus auch eine Frage des Geschmacks sei, welches Öl man bevorzuge, er würde das gleiche Rezept (Papaliña < Patatas Aliñadas, eine Art Kartoffelsalat) mit Öl vom Picual, seine Frau mit Öl von der Arbequina bevorzugen.
Zum Abschluss der Führung gab es Schokoladeneis mit mit Orangenöl versetztem Olivenöl (anderswo habe ich auch schon mal Orangeneis mit Olivenöl bekommen, ist also nicht so ungewöhnlich). Danach fuhren wir weiter nach Sevilla.

Hier ließen wir uns zunächst an der Plaza de España absetzen, überquerten diese individuell und trafen uns zwischen Plaza de España und Parque de María Luisa. Von dort aus liefen wird gemeinsam in die Altstadt, um zunächst dem Kaffeedurst oder gar schon dem ersten Hüngerchen mit den geeigneten Maßnahmen zu begegnen. Dann trafen wir uns gegenüber der Real Maestranza, der Stierkampfare... der Plaza de Toros von Sevilla mit unserem Bus und auch unserer Stadtführerin mit dem zu Sevilla seit Bizet so gut passenden Namen Carmen.

Zunächst machten wir eine kleine Rundfahrt durch das Gelände der Iberoamerika-Ausstellung von 1929, sagen einige der Pavillons von damals und ihre heutige Nutzung: Bibliothek, Grünflächenamt, Museum, Institut der Universität.
Dann stiegen wir aus und liefen in Richtung der Reales Alcázares. Die waren von Handwerkern aus dem damals noch muslimischen Granada für König Peter gebaut worden. König Peter? War das nicht der...? Genau: die Reales Alcázares in Sevilla und der Alcázar in Carmona, en dessen Rekonstruktion wir residierten waren für ein und derselben König errichtet worden. Im Anschluss ging es noch ein wenig durch die Judería von Sevilla, dann verabschiedete Carmen sich von uns. Und wir? Wir beschlossen zurück nach Carmona zu fahren.

Km: 105


Dienstag, 10. Mai 2022 – La Alhambra de Granada

Die Sevillan@s sagen:
Quien no ha visto Sevilla,
no ha visto maravilla.
Wer Sevilla nicht geschehen hat, der hat das Wunderbare nicht gesehen.
Die Granadin@s kontern den Spruch ergänzend:
Quien no ha visto Graná
no ha vista ná!
Wer Granada nicht gesehen hat, hat nichts gesehen.
Früher als geplant, kamen wir in Granada, der roten Stadt, an und so mussten wir tatsächlich noch auf Pedro warten, der unten in der Stadt noch eine andere Gruppe führte. Aber Pedro beeilte sich und so begann wir unsere Tour durch die Alhambra auch früher als geplant. Das war ganz gut, denn so hatten wir die Gelegenheit, den Generalife (< djannat al-arif, Garten des Architekten) vor den Palästen zu sehen. Denn der Generalife an sich ist großartig, doch die Paläste sind eine Steigerung davon.
Gemächlich durchwanderten wir die Alhambra vom Heck bis zum Bug (Pedro vergleicht sie gerne mit einem Schiff) und besuchten schließlich die Paläste.
Nach dem Ende der Führung liefen wir noch gemeinsam in die Stadt, die meisten wollten zügig ins Hotel. Nur eine Hand voll lief noch einmal hoch zum Mirador San Nicolás, dem schönsten Aussichtspunkt auf die Alhambra.

Abends gingen wir in ein arabisches Restaurant ganz in der Nähe unseres Hotels essen.

Und was hat das nun mit der roten Stadt auf sich?
Granada hat seinen Namen von der Farbe granat. Obwohl die Stadt erst im 11. Jahrhundert gegründet wurde, war der Name romanisch, die arabischen Autoren übersetzen den Stadtnamen Gharnâta mit Hisn ar-Rummân: Granatapfelburg. Die Alhambra (< al-hamra‘a) ist ‚die Rote‘., die Puerta del Vino, das Weintor, hieß ursprünglich mal Puerta Tinta (rotes Tor) und die Torres Bermajas gegenüber der Alhambra sind die roten Türme.

Km: 315


Mittwoch, 11. Mai 2022 – Abschied von Granada, Guadix, Valencia

Normalerweise bitte ich die Busfahrer bei Ankunft in Granada am Mirador San Cristobal zu halten. Wir schauen dann von dort über die Altstadt rüber zur Alhambra und schauen uns noch den Aljibe (Brunnen) und die gleichnamige Kirche an, die teilweise aus Grabsteinen gemauert ist. Diesmal lag es nahe, dies bei der Abfahrt zu tun. Vom Aussichtspunkt selbst entfernten wir uns recht schnell, damit ein Hochzeitspaar sich ungestört fotografieren lassen konnte.

Es ging weiter nach Guadix. Guadix hieß in römischer Zeit Colonia Gemella Acci. Aus Acci machten die Araber Wâdî Ash, daraus wurde der heutige Name.
Vor der Kathedrale von Guadix unter der man Reste eines römischen Theaters sehen kann, stiegen wir in den trencito (Züglein), der uns ins Höhlenviertel brachte. Dort hatten wir die Gelegenheit über die Höhlen zu steigen. Ein älteres Ehepaar besserte seine Rente damit auf, dass es Touristen gegen eine unverbindliche Spende in seine Wohnung ließ (und Souvenirs und Getränke verkaufte) , als der Mann uns einlud, beseitigte seine Frau noch die Spuren der Nacht. Auch die Kirche hatte einen Höhlenteil und gegenüber dieser war die Höhlenwohnung des Paters Pedro Poveda, der die erste Schule im Höhlenviertel gegründet und eine Werkstatt mit Nähmaschinen in seiner Höhlenwohnung für die Frauen des Viertels eingerichtet hatte, zu Beginn des spanischen Bürgerkriegs aber ermordet wurde.

Anschließend ging es weiter nach Valencia, das wir am frühen Abend erreichten. Zeit genug für einen Strandspaziergang.

Km: 524


Donnerstag, 12. Mai 2022 – Wassergericht und Heiliger Gral

Mit Ana María umrundeten wir die Stadt zunächst im Bus. Sie machte uns auf die Installationen im Hafen aufmerksam und dass Valencia sich bemühte, die alten Fischer- und Industrieviertel rund um den Hafen und am Strand aufzuwerten. Unser Hotel war sicher einer der Leuchttürme dieses Aufwertungsprojekts. Gut, der 5*-Komplex, der an die römische Herkunft von Valentía erinnern sollte, hatte einen Hauch von Las Vegas (Cesar‘s Palace), aber das beschränkte sich auf die etwas überdimensionierte römertümelnde Architektur.
Neben Architektur aus der allerjüngsten Zeit sahen wir rund um den Hafen aber auch Lagerhäuser im Jugendstil, in denen früher die Orangen auf ihre Verschiffung warteten. Wir sahen Jugendstil in der Stadt und dann im Kontrast mittelalterliche Stadttore. An einem solchen, nach seinen beiden flankierenden Türmen Torres de Serranos genannt, stiegen wir aus und erschlossen uns die Stadt von hier aus zu Fuß. Recht schnell standen wir auf dem Jungfrauenplatz (Plaza de la Virgen) mit der barocken Basilika der Virgen de los Desamparados (Heilige Jungfrau der Hilfsbedürftigen), der man römische Inschriftensteine in die Fassade gesetzt hatte und der Kathedrale.
Vor der Kathedrale erlebten wir etwas, was jeden Donnerstag um 12:00 Uhr stattfindet: das Wassergericht (Tribunal de las Aguas). Dies ist eine Einrichtung, die noch aus arabischer Zeit stammt, die Reconquista überstand, weil Jaume (Jakob) dieses Gericht unangetastet ließ und bis heute überlebte. Für jeden der großen Bewässerungskanäle gibt es einen Richter (insgesamt zwölf) und der Ausrufer fragt laut in die Runde unter dem Hauptportal der Kathedrale, ob jemand eine Klage vorzubringen habe. Beim ersten Kanal gab es keine Klage, aber beim zweiten näherte sich eine Familie. Die Richter hörten sich die Klage an und der Richter des entsprechenden Kanals stellte Fragen, dann berieten sich die Richter übereinander, das ganze im valencianischen Dialekt des Katalanischen. Meistens drehen sich die Klagen darum, dass ein Nachbar seine Bewässerungszeit nicht eingehalten hat und somit dem Kläger wichtiges Wasser entgangen ist. Oder jemand hat in seinem Kanalstück Äste und Laub nicht aus dem Kanal geräumt und somit für die unteren Anrainer die Wassermenge gedrosselt. Nun ja, da die meisten von uns nicht verstanden, worum es ging, gingen wir schnell weiter und besichtigten die Kathedrale mit der Gralskapelle. In Valencia wird ein Gebinde aus zwei Achatgefäßen als der originale Abendmahlskelch Christi verehrt und manche wollen darin auch den San Grial bzw. heiligen Gral aus den Gralsromanen von Chretien de Troyes bzw. Wolfram von Eschenbach identifiziert haben. Sicher lässt sich der Kelch bis ins 14. Jhdt. zurückverfolgen, Erwähnungen eines als originalem Abendmahlskelch in den Händen der Könige von Aragón gibt es bis ins 12. Jhdt. Ich persönlich glaube, dass die Achatschalen im späten 10. Jhdt. für den Hof des Großwesirs von Córdoba gefertigt wurden, dafür spräche nämlich die Inschrift auf der Schale, die heute als Fuß des Gebindes fungiert: li-zahira ‚für Zahira‘.

Nach dem Kathedralbesuch schlenderten wir noch bis zum Mercat Central, danach gingen wir zum Paella-Essen in einem Restaurant. Die Paella dürfte wohl das bekannteste spanische Gericht neben der Tortilla Española sein, ist aber typisch für Valencia. Und in die Paella Valenciana - es gibt natürlich auch andere Varianten - gehören kein Fisch und keine Meeresfrüchte, sondern nur Reis Gemüse und Kaninchenfleisch. Aber auch die Fischliebhaber kamen nicht zu kurz, denn es gab Stockfischkroketten (in Spanien wird aus so gut wie allem Kroketten gemacht: Stockfisch, Hühnchen, Gambas, Spinat, Schinken.... nur aus Kartoffeln nicht!) und Paprika gefüllt mit Glasaalen.

Nach dem Mittagessen wollten wir noch die mittelalterliche Seidenbörse besuchen. Diejenigen mit Mittagstief nahmen sich ein Taxi zum Hotel der Rest kam mit mir, teilweise wohl zweifelnd, ob sich das wohl lohne. Aber hinterher sagten mir Herr und Frau W. zufrieden: „Es war gut, dass wir hier noch gewesen sind!“

Dann brachte ich den tapferen Rest noch zum Treffpunkt mit Santiago, der die Gruppe zurück ins Hotel und an den Strand brachte. Ich selbst blieb noch in der Stadt und lief später die fünf Kilometer durch das ehemalige Bett des Turia.

Km: 80 (die meisten Santi alleine)


Freitag, 13. Mai 2022 – Cuenca und Chinchón

Die Altstadt von Cuenca (arab. Qûnka) liegt auf einem schmalen, etwas abschüssigen Hochplateau zwischen den Flüssen Júcar und Huécar. Wir trafen Cristián unten in der Stadt und mit ihm fuhren wir durch den Canyon des Huécar hoch zur „Burg“ bzw. dem, was von der Burg noch übrig war. Cristián war ein ganz netter Kerl, doch mit seinen halblangen Haare und seinen leicht überdimensionierten Totenkopfringen und den Piercings beinahe genauso sehenswürdig, wie die Stadt selbst. „Mein Sohn sah ja mal fast genauso aus, aber im Dunkeln wollte ich dem nicht begegnen“, hörte ich hinter mir jemanden sagen.
Ganz allmählich liefen wir von obersten Punkt der Stadt, dem früher unattraktiven Armenviertel, wo man heute im touristischen Zeitalter die besten Aussichten zu bieten hat, hinunter in die Stadt.
Wir durchquerten das Burgtor und hatten gleich auf der linken Seite den ehemaligen Sitz der Inquisition, der später als Gefängnis fungierte. Mit dem Aufkommen des Tourismus und den ersten Touristen, die auch mehr als nur Sonne, Meer und Strand suchten, bauten die franquistischen Behörden in den 1960er Jahren ein neues Gefängnis, da es ihnen nicht ganz angemessen erschien, ein Gefängnis direkt im touristischen Zentrum der Stadt zu unterhalten. Heute beherbergt das ehem. Inquisitionsgebäude das Provinzialarchiv.
Wir folgten dem Weg nach unten, an einigen Adelspalästen vorbei, die teilweise über die Straßen hinweg gebaut waren, schließlich hatte das mittelalterliche Cuenca nicht viel Platz. An einem solchen Adelspalast hielten wir, denn in diesem wuchs Juan Bautista Martínez del Mazo auf, der bereits im jungen Alter Schüler von Diego de Velazquez und später auch dessen Schwiegersohn wurde. Teilweise sei nicht zu entscheiden, welches Gemälde - wenn nicht sowieso beide daran gearbeitet hatten - von Velazquez und welches von del Mazo stamme.

Von der Kathedrale erfuhren wir aus ihrer Baugeschichte, dass sie zu den ältesten gotischen Kathedralen in Spanien gehöre und eine von zwei gotischen Kathedralen in Spanien gewesen sei im normannischen Stil. Dann sei ihre Fassade aber im Renaissance-Stil neu errichtet und schließlich barockisiert worden. Als es 1903 zu einem Unglück kam - der schon oft vom Blitz getroffenen Glockenturm stürzte ein - bedingte sich der für den Wiederaufbau engagierte Stararchitekt aus, die ursprüngliche gotische Fassade im normannischen Stil wiederaufzubauen. Die Alte Fassade wurde abgerissen und eine neogotische wieder aufgezogen, aber nie vollendet. Das auch an der Stelle des Glockenturms nach wie vor eine Lücke klafft, versteht sich da fast von selbst.

Wichtigste Sehenswürdigkeit von Cuenca sind aber wohl die Casas Colgadas, die Hängenden Häuser. Die heißen so, weil sie am Rand leicht über den Felsen überstehen, ihre Balkone über dem offenen Abgrund hängen. Von den ursprünglich acht, sind heute noch drei übrig.

Anschließend sollte es zur Alajú- und Resolí-Probe gehen. Resolí ist ein für Cuenca typischer Kaffeelikör (auf Basis von Schnaps oder Anislikör, mit Kaffee, Zimt, Nelken und der Schale einer Orange), Alajú ein in Cuenca typischer Mandel-Honigkuchen mit Oblate oben und unten. Als wir aber den Resolí aus einer Porrón trinken sollten (man trinkt quasi den Strahl des Getränks, das man sich mit dem ausgestreckten Arm in Richtung Mund gießt aus der Luft), was ohne vorherige Übung meist nicht gelingt, flüchteten die meisten aus dem Laden. Und so wurde als Ersatz von Eberhardt-Travel ein Glas Resolí auf der Plaza Mayor spendiert. Statt Alajú gab es einen Kaffee dazu.

Anschließend verließen wir die Stadt über die Brücke des Heiligen Paulus, deren erste Version das Obispat von Cuenca im 16. Jhdt. finanzierte, weil zu viele Mönche aus dem Kloster sich krank meldeten, anstatt den Abstieg ins Tal des Huécar und den schließlich ein Aufstieg nach Cuenca anzugehen. Mit der Brücke wurde es den Mönchen erleichtert, zum täglichen Gebet in der Kathedrale zu kommen. Und uns, uns wieder von Santi in Empfang nehmen zu lassen. Die heutige Brücke ist bereits die zweite Version, gebaut von dem valencianischen Architekten José María Fuster, der sich vom Eiffelturm inspirieren ließ.

Nachmittags erreichten wir den Parador in Chinchón, wo man für uns zum Abendessen draußen unter Bäumen eingedeckt hatte, die Plaza Mayor könnte man von dort kaum verfehlen, der Durchgang zu ihr lag direkt gegenüber des Ein- und Ausgangs des Paradors.

Km: 350


Samstag, 14. Mai 2022 – Aranjuez

Im Schwemmland von Tajo und Jarama liegt das Königsschloss Aranjuez. Hier hatten Habsburger und Bourbonen lange ihre Frühjahrsresidenz. Im März 1808 fand hier der Motín de Aranjuez statt, die Meuterei von Aranjuez, bei der Bauern und Bürger den ungeliebten Premierminister Godoy gefangen nahmen und den Rücktritt von Carlos IV. zu Gunsten seines Sohnes Fernando VII. durchsetzten. Grund für das ganze war der Vertrag von Fountainbleau aus dem Vorjahr, der es Napoleon gestattete, Spanien als Aufmarschgebiet gegen Portugal zu nutzen, weil dieses sich nicht an die 1806 von ihm nach der Eroberung Berlins ausgerufene Kontinentalsperre zu Ungunsten Englands hielt. (Die Engländer, die seit Trafalgar 1805 die uneingeschränkte Hoheit auf See hatten, nutzten die Kontinentalsperre zu ihren eigenen Gunsten.) Die Meuterei führte zur Besetzung Spaniens durch Frankreich und zum sechsjährigen Unabhängigkeitskrieg.

Die heutige Innenausstattung von Aranjuez ist stark durch Isabel II. geprägt, die von 1833 - 1868 Spaniens Königin war, 1868 aber ins Exil gezwungen wurde und bis 1904 in Paris lebte.
Nach dem Schloss besichtigten wir den Schlossgarten, den Nachmittag genossen wir in Chinchón.

Km: 90


Sonntag, 15. Mai 2022 – Abschied von Spanien

Heute stand der Abschied von Spanien und voneinander an. Die Zeit drängte nicht, alle konnten gemütlich frühstücken, so gegen 12:00 Uhr wurde der erste Teil der Gruppe abgeholt - auch der Verfasser dieser Zeilen, der somit nicht weiter berichten kann, wie der Rest der Gruppe sich noch die Zeit bis zur Nachmittagsabholung vertrieb. Geplant war jedenfalls, sich mit dem Trencito durch die Stadt kutschieren zu lassen.

Km mit Santiago: 2796
Flughafentransfer Chinchón - Madrid: 48 km
Km gesamt: 2958

Schlusswort

Wir waren eine tolle kleine Gruppe mit nur zwölf Personen (einschließlich des Reiseleiters) und bildeten schnell eine verschworene Gemeinschaft. Schön war auch, dass das in Spanien übliche späte Abendessen keine große Verwunderung auslöste. Als ich das mal ansprach, hörte ich: „Wir waren darauf vorbereitet.“ Ich glaube, die eine oder den anderen werde ich noch mal wieder sehen. Vielleicht ja bei einer anderen Paradores-Tour nach Nordspanien?

Kommentare zum Reisebericht