Berühmte Reisende

Neue Ufer oder Walhalla – Wikinger als Entdecker

Von Dr. Michael Krause, 12.05.2023
Berühmte Reisende - Die Wikinger – © Eberhardt TRAVEL - Nejron Photo - stock.adobe.com
Erik der Rote und Leifur Eriksson – zwei berühmte, wenn auch nicht ganz gewaltlose Reisende, ohne die heute Nordeuropa anders aussähe …

„Ein neues rotes Schwert kann ehrenvollen Tod geben, aber ein neues grünes Ufer hoffendes Leben versprechen!“ Leifur Eriksson

Vor allem im „finsteren Mittelalter“ waren Reisende und Entdecker etwas andere Leute, als man heute dazu rechnen würde. An den Wikingern beispielsweise lassen die alten Chronisten kaum ein gutes Haar. Sie selbst hinterließen bis auf Sinnsprüche und Runenstein-Inschriften wenig Greifbares aus ihrer Anfangszeit und weil nur ihre Feinde berichteten, sah man sie meist nur als Plünderer, Räuber und gnadenlose Kämpfer. Erst „Sagas“ und Göttergeschichten, hunderte Jahre später in einsamen Regionen im winter-dunklen Nordeuropa entstanden und aus Resten ihrer alten Schiffe erbauten einzigartigen Stabkirchen zeigen sie auch als fähige Künstler, geübte und kühne Seefahrer, mutige Händler, optimistische Siedler und als unerwartet weit vordringende Reisende und Entdecker ...
Das erste Mal tauchen die „nördlichen Barbaren“, als „Schiffsleute“ oder „Dänen“ bezeichnet, im Zusammenhang mit Raubüberfällen in Schottland (742) und im südenglischen Dorset (787) sowie auf einer Urkunde über die Plünderung des englischen Klosters Lindisfarne 793 auf. Erst später, in der „Angelsächsischen Chronik“, deren erste Version Ende des 9. Jh. vermutlich am Hof Alfreds des Großen (848 – 899 n.Chr.) entstand und von Mönchen verfasst wurde, die Überfälle auf ihre Klöster miterlebt hatten, wurden Sie als „Wikinger“ bezeichnet und mit Hunnen und Räubern ohne christliche Tugenden erwähnt.

Wikingerschiffe - Foto: Vlastimil Šesták - stock.adobe.com
Doch dann mussten ihnen selbst ihre Feinde in manchen Chroniken – oft nur widerwillig – zugestehen, dass sie begnadete und unerschrockene Seefahrer waren, deren Schiffe tausende Kilometer weit in fremde Meere und Flüsse vordrangen. Bis heute sind dabei Einzelheiten Ihrer Navigation nach Sternbildern und mit dem geheimnisvollen „Sonnenstein“ nicht exakt aufgeklärt. Die Küstenbewohner Nordeuropas – wahrscheinlich nach den „Wiken“, Wohnorten und Stapelplätzen an Meeresbuchten benannt, für die sich auch die Bezeichnung „Nordmänner“ (später nach ihrer Besiedelung der nordwestfranzösischen Landschaft auch „Normannen“) erhalten hat, sind im Osten bis an die Grenzen des byzantinischen Reiches vorgedrungen und haben maßgeblich zur Gründung der Kiewer Rus und anderer Rus-Länder beigetragen, haben das Mittelmeer bereist und Süditalien und Sizilien erobert und sind im Norden in Gebiete der Arktis und Nordamerikas vorgestoßen – letzteres mehr als 500 Jahre vor dem damit zu Unrecht als Amerika-Entdecker gefeierten Genuesen Christoph Kolumbus.
Im hohen Norden sind es besonders zwei Namen, die in Heldengedichten und den nach der wenig bekannten Seherin und Asengöttin der Gewässer und der Legenden „Sagas“ genannten altnordischen Literatur auftauchen: „Eiríkur raudhi Thorvaldsson“ und sein Sohn „Leifur Eiriksson“. In deutscher Schreibweise und Geschichtsdarstellung nennt man sie „Erik der Rote“ und seinen Sohn „Leif Eriksson“.
Island – der "Vorhof zur Hölle"

Die Familie gehörte selbst im rauhen und mitunter gewalttätigen Nordeuropa mit seinen damals kaum vorstellbar unwirtlichen Lebensbedingungen zu den als gewalttätig Bekannten. Eriks Vater Thorwald musste Ende des 10. Jh., als in Norwegen gerade Christentum und alte Gottheiten um die Vorherrschaft rangen, das Land fluchtartig nach einem Mord verlassen. Er nahm Dutzende Schiffe mit Siedlern, die auf der Suche nach besserem Leben und fruchtbarem Land waren, mit sich und gehörte zu einer der ersten Einwandererwellen von Norwegen nach Island.

Wegen der rauhen Natur, den reißenden Flüssen und der Vielzahl immer wieder ausbrechender Vulkane wurde die nördlichste Insel Europas von den ersten christlichen Missionaren „Vorhof zu Hölle“ genannt. Was heute zu den landschaftlich dramatischsten und erlebnisreichsten Regionen im Morden unseres Kontinents gehört, war damals noch völlig unbewohnt und nur unter großen Schwierigkeiten urbar zu machen.

Leifur Eriksson Statuen in Island – bei Eriksstadir und vor der Hallgrimskirche in Reykjavik

Weiter ging es nach Grönland

Thorwalds Sohn Erik, der angeblich wegen seines rötlich gefärbten Bartes (und „weil rotes Blut an seinen Händen klebte“) den Beinamen „rauđi“ (isländisch „der Rote“) trug, wurde um 980 für mehrere Jahre aus Island verbannt – ebenfalls wegen eines Mordes.
Er befuhr in dieser Zeit das Nordmeer und entdeckte Grönland, die heute größte Insel der Welt. Nach seiner Rückkehr machte er Werbung für dieses neue, unberührte Land, indem er es – möglicherweise wegen der Küstenstreifen, die er im kurzen Sommer gesehen hatte – als “grünes Land“ schilderte. Seine Werbeaktion hatte Erfolg – als er 985 dorthin in die endgültige Verbannung aufbrach, folgten ihm 25 vollbesetzte Langboote mit Familien, die im verheißenen „Grünland“ ein neues Leben beginnen wollten. Auch wenn fast die Hälfte der Flotte auf See verloren ging, waren die Verbleibenden die ersten europäischen Siedler auf Grönland. Erik gehörte zu ihnen und errichtete mit den Ankömmlingen zwei Siedlungen, in deren einer sein neuer Hof Brattahliđ lag.

Da er als „Entdecker“ und Erstbesiedler Grönlands gilt und seine Siedlungen schon wenige Jahrzehnte später – auch infolge Zuzugs aus Island und Norwegen – über 3000 Einwohner hatten und damit als bedeutende Wikingerorte galten, wurde ihm die „Erik-der-Rote-Saga“ gewidmet, eine der bedeutendsten Isländer-Sagas, in der es um Entdeckung Grönlands und Neufundlands (Kanada) geht. Wohl erst mündlich überliefert, ist sie seit dem 13. Jh. auch als Handschrift überliefert. Eine späte Ehrung erfuhr er auch, als 2002 Norwegens damals größte selbstfahrende Ölbohrplattform „Erik der Rote“ getauft wurde (die wurde 2019 außer Dienst gestellt und wird derzeit in der Abwrackwerft Aliağa bei Izmir in der Türkei zerlegt).
Leifúr Eriksson

Eriks Sohn Leifúr wurde um 970 noch in Island, vor seines Vaters Verbannung, geboren und – da seine Mutter bereits Christin war – vermutlich christlich getauft. Sein Beiname „der Glückliche“ (vermutlich Altnordisch „gleđr“. „gleđi“ in deutscher Schreibweieise „Gledhi“) ist ihm nicht so zwingend zugeordnet wie seinem Vater dessen Beiname – vielleicht weil die Kombination von Vor- und Vatersnamen (Familiennamen gab es noch nicht) Eirik Thorvaldsson wesentlich häufiger war als Leifúr Eiriksson. Später übersiedelte er mit seiner Familie nach Grönland, ging aber als junger Mann für einige Zeit ins ursprüngliche Mutterland nach Norwegen, wo er freundliche und ehrenhafte Aufnahme am Königshof fand.

Der Legende nach kam er auf der Rückreise nach Grönland vom Kurs ab und entdeckte dabei, als er Schiffbrüchige rettete, ein unbekanntes Land – vermutlich Teile des nördlichen Kanada. Er gelangte aber nach Grönland zurück und bekehrte die dortigen Siedler zum Christentum und erfuhr, dass bereits ein anderer Seefahrer namens Bjarní Herjólfsson die unbekannten Regionen kurz vor seiner eigenen Herreise gesehen, sie aber nicht zu betreten gewagt hatte.

Nach kurzem Grönland-Aufenthalt zog es Leifúr Eiriksson  erneut auf See – schon um die bei seiner Rückfahrt von Norwegen entdeckten Gebiete wirklich aufzusuchen, da er sie für fruchtbares Neuland hielt. Bei diesen Reisen, über die vor allem die „Grænlandinga Saga“, eine zweite bedeutende Isländer-Saga berichtet, waren offenbar auch Siedler dabei.

Labrador und Neufundland

Nacheinander erkundeten Leif und seine Begleiter Teile der nordkanadischen Küste, fanden die ersten angelaufenen Landstriche aber wenig für Besiedlung geeignet. Sie gingen vermutlich auf der Baffininsel und in Labrador an Land, denen Leif die Namen „Helluland“ (Steinland, vielleicht auch nur „Festland“) und weiter südlich dann „Markaland“ (etwa „Waldland“) gab. Länger verweilte die Wikinger-Expedition dann in Neufundland, das sie „Vinland“ nannten. Bis heute ist der Sinn des Namens nicht völlig klar, da er je nach altnordischer Betonung zwei Bedeutungen haben konnte: manche sagen, es bedeute „Weinland“, da hier wilder Wein wachse, andere meinen, es hieße nur „Weideland“ um die Fruchtbarkeit zu betonen.

In jedem Fall errichteten die Wikinger hier Siedlungen – der Sage nach ließ sich ein Begleiter Leif Erikssons namens Thorfinn Karlsefni mit knapp 150 Leuten hier nieder und hielt diese Siedlung mehrere Jahre, bis die Auseinandersetzungen mit Einheimischen sie zur Rückkehr nach Grönland zwangen. Von mindestens zwei Siedlungen ist in den Sagas die Rede, wobei der von Leifúr Eiriksson gegründete Ort „Leifsbuđir“ aber schon bald wieder verlassen worden sein soll.

Dass das alles nicht nur Dichtung ist, zeigen mehrere Funde wikingischer Objekte in Teilen Nordkanadas sowie die großflächigen Reste einer 1961 ausgegrabenen Wikingersiedlung in Neufundland, die seit 1978 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht.

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