Zeitreisen

Anne de Bretagne – die mutige Herzogin

Von Dr. Michael Krause, 07.09.2023
Nantes Anne de Bretagne – © Eberhardt TRAVEL
Die letzte eigenständige Herrscherin der Bretagne war eine ungewöhnliche Frau. 1477 wurde Anne de Bretagne geboren und noch vor Vollendung ihres zwölften Lebensjahres starb Ihr Vater, Franz II. de Bretagne. So wurde das junge Mädchen als seine Alleinerbin das erste Mal Herzogin – aber als sie mit knapp 37 Jahren starb, war sie insgesamt dreimal Herzogin und zweimal Königin von insgesamt sechs Länd

Der Vater der 1477 in Nantes geborenen Anne, Herzog Franz II. der Bretagne, hatte Ende des 15. Jh. in einer von der Geschichtsschreibung als „verrückter Krieg“ bezeichneten Revolte gegen den französischen König eine Niederlage erlitten und dabei bis zu einem gewissen Grad die Unabhängigkeit seines Herzogtums Bretagne aufgeben müssen. Als er unerwartet 1488 starb, wurde in Ermangelung männlicher Nachkommen die damals noch elfjährige Anna von Bretagne bretonische Regentin unter Vormundschaft, aber sogleich von wichtigen europäischen Monarchen wie Maximilian I. von Habsburg und Karl VIII., König von Frankreich, als offizielle Herrscherin der Bretagne anerkannt. Schließlich war sie damit eine begehrte Heiratskandidatin, die ein für seine Ritterschaft bekanntes Land – das bis dahin von Frankreich, England und anderen europäischen Großmächten noch unabhängig war – mit in die Ehe bringen würde.
Die erste Ehe
Und Maximilian von Habsburg, den die Geschichtsschreibung gern den „letzten Ritter“ nennt, brachte  sogleich seine Interessen ins Spiel. Einige Jahre zuvor war seine Frau Maria von Burgund bei einem Jagdunfall gestorben, seine Rechte auf das dabei ererbte Burgund, Nachbarland des mächtigen Frankreichs, nicht unumstritten. Der 31-jährige Witwer Maximilian warb nach Verstreichen der Trauerzeit um die damals erst dreizehnjährige Waise Anna (ihre Mutter war bereits zwei Jahre vor ihrem Vater verstorben) und heirate sie kurzerhand 1490. Allerdings ließen die Staatsgeschäfte offenbar seine persönliche Anwesenheit bei der Hochzeit nicht zu. Doch es gab einen einfachen Ausweg: die damals mögliche Stellvertreter-Ehe „per procurationem“, die sogenannte „Handschuh-Ehe“.

Der Vorgang mag heute kurios erscheinen: Nach der in der Kathedrale von Rennes am 19.12.1490 erfolgten Eheschließung in Abwesenheit begab sich Anne de Bretagne vor dem Hofstaat ins Ehebett und stellvertretend für ihren abwesenden Gatten Maximilian I. von Habsburg stieg dessen Gefolgsmann und habsburgischer Gesandter am bretonischen Hof, Wolfgang Freiherr von Polheim, in voller Rüstung ins Hochzeitsbett und berührte dann vor aller Augen die Beine der frischvermählten Anne mit seinem von der Rüstung entblößten Knie. Damit war die Ehe rechtsgültig – aber de facto nicht vollzogen. Anne de Bretagne wurde jedoch auf diese Weise Gemahlin Maximilians I. und Erzherzogin von Österreich.

Der französische König hingegen fühlte sich durch diese Hochzeit betrogen und verraten: kurz vor seinem Tod hatte Annes Vater die Schlacht bei St. Aubin verloren und danach im Vertrag von Sablé dem französischen König Treue geloben und zustimmen müssen, dass seine erbberechtigten Nachfolger nicht ohne Einwilligung Frankreichs heirateten.
Daher schickte der vor Wut schäumende Karl VIII. Truppen ins Nachbarland, um auf die Auflösung der Ehe zu drängen. Anne sah ihr Heimatland plötzlich französisch besetzt und die Hauptstadt Nantes, in der sie sich aufhielt, belagert, ohne dass Ihr Angetrauter Maximilian I. ihr mit Habsburger Truppen zu Hilfe gekommen wäre.

In Geheimverhandlungen arbeitete der französische König, dem das Pikante der Situation natürlich bewusst war, nun auf seine eigene Verbindung mit dem bretonischen Hof hin. Erschwert wurde diese Situation noch dadurch, dass der damals zwanzigjährige Karl VIII. von Frankreich an ein Eheversprechen mit der Tochter Maximilian I. von Habsburg gebunden war. Diese junge Dame, Margarete, Tochter Maximilians aus dessen Ehe mit Maria von Burgund, lebte sogar – damals erst zehnjährig und hatte das Eheversprechen als Dreijährige entgegengenommen – schon seit Jahren am französischen Hof.

Anne de Bretagne, von allen Seiten bedrängt, sah keine andere Möglichkeit, ihr Land und ihr Volk vor dem Zugriff der Franzosen zu retten, als dem Drängen des französischen Königs nach einem politischen Bündnis mit bekräftigender Eheschließung nachzugeben und verlobte sich heimlich mit Karl VIII. Die Pikanterie dieser – man könnte fast sagen „Klatschgeschichte“ des ausgehenden 15. Jahrhundert – wurde noch erhöht, als ausgerechnet der habsburgische Gesandte in der Bretagne, Freiherr von  Polheim – eben noch  Stellvertreter bei Annes „Handschuh-Ehe“ mit Maximilian – seinem  Habsburger Dienstherrn mitteilen musste, dass sowohl seine Ehe mit Anne de Bretagne als auch das Eheversprechen des französischen Königs an Maximilians Tochter aufgelöst seien. Das war sogar relativ problemlos möglich, da beide Ehen nachweislich nie vollständig vollzogen worden wären. Schon hatte auf Drängen Frankreichs Papst Innozenz VIII. beide Eheverträge annulliert!

Es ist nie bekannt geworden, ob Maximilian I. bedauert hat, nicht genug Interesse gezeigt oder Truppen entsendet zu haben, aber weit entfernt von Bretagne und französischem Hof musste er zähneknirschend akzeptieren. (Er bekam seine Tochter etwas später zurückgeschickt und konnte sie dann 1497 mit dem spanischen Thronfolger verheiraten).

Schloss Langeais

Die zweite Ehe

Knapp ein Jahr nach ihrer ersten Eheschließung (mit Polheims entblößtem Bein anstelle des echten Maximilian von Habsburg) heiratete Anne de Bretagne am 6.12.1491 ganz offiziell den König von Frankreich auf Schloss Langeais. Böserweise hatte der Karl VII. auch den Ex-Ehemann und Beinahe-Schwiegervater Maximilian I. von Habsburg zur Hochzeit eingeladen. Warum der wohl dieser Einladung nicht nachkam …?

Ihre erstmalige Krönung zur französischen Königin in der Kathedrale von St. Denis erlebte die nun fünfzehnjährige Anne de Bretagne dann 1492, zudem wurde sie Königin von Sizilien und Jerusalem. Diese Ehe, „ordnungsgemäß vollzogen“, war allerdings auch nicht von allzu langer Dauer. Zunächst starben alle Kinder des jungen Ehepaars sehr früh und der lebenslustige König selbst hatte unglaubliches Pech: erst 27 Jahre alt, stieß er sich bei einem Unfall auf Schloss Amboise so heftig den Kopf, dass er kurz darauf an einer Hirnblutung starb und die gerade 21-jährige Anne zur Witwe machte.

Da Karl VIII. keinen erbefähigen Nachkommen hatte, wurde sein Cousin Ludwig von Orleans als Louis XII. neuer König von Frankreich. Der war 15 Jahre älter als Anne de Bretagne und damals schon seit 22 Jahren mit Jeanne de Valois (Jeanne de France) verheiratet. Aber da seine Ehe kinderlos geblieben war, nutzte Ludwig sein gutes Verhältnis zu Papst Alexander VI. und ließ seine erste Ehe kurz nach seiner Thronbesteigung Ende 1498 annullieren.
Die dritte Ehe

Der Weg war damit frei für eine neue Hochzeit. Und auf wen fiel wohl seine Wahl? Richtig: wenige Tage nach der Annullierung seiner ersten Ehe im Januar 1499, heiratete der neue König die Witwe seines Cousins, die Herzogin der Bretagne, damit Frankreich die Ansprüche auf deren Herzogtum behielt. Anne de Bretagne erbte damit zugleich alle Titel ihres neuen Mannes Ludwig XII. und wurde 1504 zum zweiten Mal zur Königin von Frankreich gekrönt. Ihre Titel konnten sich nun sehen lassen: Königin von Frankreich, Königin von Sizilien, Apulien, Kalabrien und Neapel, außerdem Königin von Jerusalem und neuerdings Herzogin von Mailand – und sie blieb zudem Herzogin der Bretagne, aber mit dem Versprechen der Einbindung dieses Herzogtums in Frankreich, sollte kein zweiter männlicher Nachkomme es erben – der erste Sohn würde Dauphin von Frankreich werden.

Aber Anne schenkte nie einem Sohn das Leben, der das Erwachsenenalter erreicht hätte – obwohl sie insgesamt elf Kinder (in beiden Ehen) gebar. Nur zwei ihrer Töchter überlebten. Die ältere von ihnen, Claude, war formal die letzte bretonischen Erbin – sie heiratete aus politischen Gründen Herzog Francois von Angouleme. Als der später als Franz I. König von Frankreich wurde, übernahm er endgültig die Bretagne in französischen Besitz und integrierte sie nach Claudes frühem Tod ins französische Königreich. Dabei entmachtete er 1532 das bretonische Parlament. An die Königin (Reine) Claude soll – der Legende nach – die ihr zu Ehren erfolgte Benennung der damals gerade durch den Hofgärtner gezüchteten neuen Pflaumensorte „Reineclaude“ erinnern.

Annes zweite Tochter Renée de France wurde 18-Jährig mit Ercole II. d’Este, dem italienischen Herzog von Ferrara, Modena und Reggio verheiratet und starb als letzte Nachfahrin der Bretonen-Herzöge 63-jährig im Jahr 1574.

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