Experten-Tipps

Mittsommer – Schwedens bedeutendstes Fest zur Jahresmitte

Von Dr. Michael Krause, 15.05.2023
Mittsommer-Fest im Freilichtmuseum Skansen bei Stockholm – © Katrin Deutschbein - Eberhardt TRAVEL
Bei unseren Schweden-Reisen finden Sie im Juni oftmals Termine zum Mittsommer, einem ganz besonderen Fest, was in ganz Schweden zur Sommersonnenwende gefeiert wird. Woher diese schwedische Tradition kommt und wie man sie früher und heute an verschiedenen Orten zelebriert, hat Ihnen Eberhardt-Studienreiseleiter und Sprachhistoriker Dr. Michael Krause hier zusammengefasst ...

Sonnenwende, komm und ende
alles Dunkel, mach uns frei!
Wende ab den Schlaf der Satten,
wende ab den Tod der Schatten,
wende ab die Nacht der Träume,
sende Licht in alle Räume.
(Karl Schlüter)

Schweden ist ein Land voll ungezügelter Natur, fröhlicher Menschen und – je weiter man nach Norden kommt – unglaublicher, einsam wirkender Weiten. Es hat eine interessante Geschichte und eines zeichnet die Schweden aus: sie feiern gerne und ausgiebig Feste! Und vor allem natürlich Feste, die mit „Licht“ zu tun haben, liegt doch ein großer Teil des nördlichen Abschnitts dieses riesigen Landes durch die scheinbare Sonnenbahn für eine große Zeit des Jahres in ziemlichem Dunkel.

Das war schon so, bevor die Männer aus dem Norden, Wikinger genannt und zu ihrer Zeit als äußerst mutige Seefahrer gefeiert und rauhe Gesetzlose gefürchtet, mit Raubzügen von sich reden machten. Der erste von ihnen überlieferte Beutezug, 793 n. Chr. auf die nordenglische Gezeiteninsel Lindisfarne, ausgeführt von schwedischen, norwegischen und dänischen Wikingern – dieser heute noch gebräuchliche Name deutet auf Angehörige aller drei Nationen hin und bezeichnet eigentlich nur die Bewohner von Handels- und Hafenbuchten – ist gleichzeitig der Beginn einer Vielzahl nachfolgender Expeditionen der Nordmänner, die ihre Dörfer an den Fjorden der Nordsee und die Verstecke innerhalb der dänischen und schwedischen Inselwelt verließen, um Beute zu machen und Fernhandel zu treiben. Wahrscheinlich schon Jahrzehnte früher haben die Waräger genannten Bewohner Schwedens auf ihren gut manövrierbaren, relativ leichten seetauglichen Schiffen die Ostsee in östlicher Richtung überquert und sind – ihre Boote mitunter über Land schleppend – die größeren Flüsse wie Dnepr, Dnestr, Don oder Wolga weiter nach Osten entlang gesegelt.

Vielen Historikern zufolge stellten sie als „Waräger“-Garden, die ihre slawischen Nachbarn schon bald als „Rus“ benannten, eine elitäre militärische Oberschicht dar und nannten ihre Gebiete „Gardarike“ - was so viel wie „Reich der Burgen“ bedeutete. Viele der Waräger-Sippen, verbündet mit slawischen Bewohnern, übernahmen im 9. und 10. Jh. die Macht in mehreren, um bedeutende Städte gebildeten Großreichen wie Nowgorod, Smolensk oder Kiew, und kontrollierten die Handelsrouten zwischen Ostsee und Schwarzem Meer.

Die Christianisierung Skandinaviens – das Ende für heidnische Feste?


Das im 9. Jh. entstandene bekannteste derartige Staats-Konstrukt war die Kiewer Rus – wenn man so will, einer der bedeutsamsten Ursprünge aller slawischen Fürstentümer in Osteuropa.

Recht bald gaben die meisten dieser neuen Fürstentümer ihren alten Glauben auf, den die vordringende katholische Kirche bekämpfte, und nahmen die neue Religion des Christentums an, was ihnen lukrative Bündnisse sicherte.
In Osteuropa ließ sich der Regent der Kiewer Rus, Wladimir, schon 988 – kurz vor dem Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends taufen, der Schwedenkönig Olof Skötkonung folgte 1008 seinem Beispiel, nachdem Dänenkönig Harald Blauzahn bereits 969 Christ geworden war.
Die Norweger – durch die Geografie des Landes getrennt in kleinere Siedlungsgruppen, die nur per Schiff untereinander zu erreichen waren – brauchten nur wenig länger. 1014 wurde Königsanwärter Olav der Dicke in Rouen in der Normandie getauft und kehrte nach Norwegen zurück. Zwar stieß er als Christ zunächst auf wenig Gegenliebe, aber er ließ Kirchen bauen und sein Land galt seit der Schlacht bei Stiklestad 1030, in der Olav allerding den Tod fand, als christianisiert.
Im Zuge des nach Olavs Tod folgenden Heiligenkults wurde durch diesen die katholische Kirche im ganzen Land und sogar im übrigen Skandinavien stabilisiert und aus dem zu Ehren Olavs errichteten Heiligenschrein wurde eine Wallfahrtskirche und mit dem Nidarosdom die heute größte Steinkirche ganz Skandinaviens.

Feste wurden nun bald in Skandinavien nicht mehr zur Ehre der alten nordischen Götter wie Wodan, Thor, Frigg, Freya oder aber Balder, dem Gott des Lichts, der Sonne, des Guten und des Frühlings gefeiert. Man musste sich umgewöhnen und es setzte sich durch, wie im übrigen Europa überwiegend zu christlichen Anlässen zu feiern – höchstens zusätzlich zu besonders verehrten Tagen, die dann Heiligen zugeordnet wurden (wie z.B. das Lichterfest der Santa-Lucia am 13. Dezember)

Die größten Feste im Norden waren bis dahin (wie in vielen anderen Gegenden und Kulturen bis heute) die beiden „Lichtwechsel“ gewesen – Winter- und Sommersonnenwende. Fast überall versuchte die katholische Kirche, alle bis dahin gefeierten Feste als „heidnisch“ abzuschaffen oder durch neue zu ersetzen oder sie inhaltlich anzupassen.

So gelang Ihr in fast allen europäischen Kulturen die Übertragung des Winter-Festes zum Höhersteigen der Sonne und zum Wiederbeginn der Fruchtbarkeit auf die Geburt Christi ganz gut. Aber das Fest zur Sommersonnenwende und für eine gute Ernte, das traditionelle MIDSOMMAR, das ließen sich auch christliche Schweden und Skandinavier nicht nehmen!

Vorbereitungen zum Mittsommerfest in Schweden


Midsommar & Johanni-Fest


Bis heute blieb es das zweitwichtigste Fest nach Weihnachten. Die Kirche berechnete zwar auf der Basis des Jesus-Geburtstages den Tag des 24. Juni als Geburtstag Johannes des Täufers, eines der meistverehrten Heiligen. Aber das erhoffte Heiligenfest konnte – zumindest in Skandinavien – das alte „Midsommaren“ nicht verdrängen. Lediglich bei Urkunden, Dokumenten oder Vertragsabschlüssen nutzte man das Datum als „Johanni“.  

In anderen Regionen hatten die kirchlichen Gelehrten mehr Glück – die nach skandinavischem Vorbild auch in Mittel- und Westeuropa zur Verehrung der Sonne entfachten Feuer wurden hier meist Johannisfeuer genannt. Aber auch diese Feuer, die natürlich in Skandinavien Sonnenwend-Feuer sind, kann man  eindrucksvoller als anderswo  unter freiem Himmel bei den Festen der schwedischen Landbevölkerung oder dem größten derartigen Ereignis des Landes auf der großen Festwiese im Freilichtmuseum „Skansen“ nahe der Hauptstadt Stockholm sehen. Solche Feuer zur Sonnenverehrung und der Bitte um Fruchtbarkeit sind uralt und wurden und werden auch in Deutschland zu bestimmten Gelegenheiten mit vielen Beteiligten Anlass zu Volksfesten – ob zu Ostern, Walpurgisnacht oder eben um den 21. Juni.

In Schweden haben aber die Feiern und die Feuer und damit „Midsommar-Natten“ noch eine andere, vielen - zumindest Auswärtigen - kaum noch bekannte Bedeutung: wenn nämlich die kürzeste Nacht des Jahres tatsächlich begonnen hat, dann kommen fast immer die Götter inkognito zu Besuch in die Menschenwelt und trinken mit den Menschen. So kann es passieren, dass man seinen Aquavit mit Balder, Heimdall oder gar Thor selbst getrunken hat, ohne es zu wissen … vielleicht ein Grund, warum am Mittsommerfest der Alkoholkonsum in Schweden am größten ist. Übrigens herrscht an diesen Tag ein gewisser Ausnahmezustand, denn da jeder feiert, haben nahezu alle Einrichtungen Schwedens – ob Geschäfte, Tankstellen oder Behörden – geschlossen, mit Ausnahme natürlich von Not- und Rettungsdiensten.  

Besonders  eindrucksvoll ist Midsommar, verbunden mit Tanz, Musik, trachtengeschmückten Teilnehmern – besonders jungen Mädchen in Frühlingskleidern und mit Blumenkränzen im Haar – und stets kreisenden Flaschen mit Bier, Wein oder Schnaps  (womit hier meist Aquavit gemeint ist) natürlich vor der rustikalen Kulisse traditioneller Bauernarchitektur. Interessante Beleuchtung gibt es nicht nur durch die Feuer sondern auch durch die lange Helligkeit der erst sehr spät untergehenden Sonne, liegen doch die baltischen Staaten, Westrussland mit Sankt Petersburg, Mittelschweden und Finnland (sogar bis hinüber nach Schottland und den Hebrideninseln) von ihren Regionen her im Bereich der berühmten „weißen Nächte“, die in der Monatsmitte des Juni durch späten Sonnenuntergang für grandiose Bilder sorgen.

Aufstellen der Midsommarstängen im Freilichtmuseum Skansen

Mittsommerfest im Freilichtmuseum Skansen

Und wo könnten die schöner sein oder besser zur Geltung kommen als in Skansen, Schwedens berühmtestem, vor den Toren Stockholms auf der Halbinsel Djurgården liegenden Freilichtmuseum? 1891 gegründet von dem schwedischen Philologen und Ethnografen Artur Hazelius im Zuge der nationalromantischen Strömung, die Schweden damals ergriffen hatte, war es das erste und damit älteste Freilichtmuseum in Europa.
Hier in diesem herrlichen Freilichtmuseum, in dem seit seiner Eröffnung weit über hundert historische schwedische Höfe und Bauwerke – aus Zeiten zwischen dem 14. und dem 20. Jh. – originalgetreu wieder aufgebaut wurden, ist natürlich auch ein idealer Platz zum Feiern traditioneller Feste. Und so gibt es hier nicht nur einen besonders tollen Weihnachtsmarkt, sondern auch eine besonders schöne Sommersonnenwendfeier.

Die „Solstitien" (Sonnenwenden) sind zwar ein natürliches Himmelsphänomen, doch hat die schwedische Regierung eine Regelung getroffen, die die Feiern unabhängig von der exakten Gestirnstellung erlauben: das Fest wird gefeiert an dem Samstag, der zwischen 20. und 26. Juni dem Sonnenwendtag am nächsten liegt. Der Tag davor (und oft auch danach) wird in Schweden zumeist auch frei genommen.

Mittsommer ist unbedingt das Fest für Familien, Freunde oder auch, um sich kennenzulernen. Die jungen Mädchen in Schweden haben dabei eine besondere mystische Art, sich vorzubereiten. Am Vorabend pflücken sie Blumen , um sie zu Kränzen zu winden, und übergeben sie den Burschen, die darauf schon warten und mit Feiern beginnen, indem sie an Plätzen und auf Wiesen „Midsommarstängen“ – eine Art verspäteter „Maibäume“ – aufstellen, mit Kreuzen und Ringen daran, an denen sie die Kränze der Mädchen dann befestigen. 

Dann gehen die Mädchen leise und allein am Midsommar-Vorabend auf sieben Wiesen spazieren und pflücken von jeder Wiese eine Blume. Die legen sie nachts unter ihre Kopfkissen und versuchen, von ihren Zukünftigen zu träumen. Beim Pflücken dürfen sie aber nicht reden und auch später ihre Träume nicht erzählen, sonst treffen sie den Falschen …

Am nächsten Tag kommen alle zur Feier und packen auf den Tischen vor ihren Gehöften, oder auf den Festwiesen der Dörfer und den Plätzen vor den typisch schwedischen Bauerhöfen und auf dem Festplatz in Skansen ihre wohlgefüllten Picknickkörbe und natürlich Alkohol aus. Oft beginnt die Schlemmerei mit Erdbeerkuchen, für den jede Familie ein spezielles Rezept hat – man kann den Kuchen aber auch später als Abschluss essen.

Picknick zum Mittsommerfest - Räucherlachs und Erdbeerkuchen

Viele haben – wie es der Brauch will – ein paar Bröckchen Kuchen oder Räucherlachs unter ihre Türschwelle gelegt und ein paar Tropfen Bier, Wein oder Aquavit hinzugegossen: Feen und Kobolde, die an diesem Tag herkommen, muss man schließlich auch bewirten…

Aber hauptsächlich schlemmt man gemeinsam auf der Festwiese – muss man doch von den Köstlichkeiten der Nachbarn, hergestellt nach deren lange tradierten Familienrezepten kosten und naschen. Es gibt natürlich Räucherlachs, mitunter die eigentlich als Weihnachtsspeise beliebte „Jansons frestelse“ (Jansons Versuchung) – einen Auflauf aus Kartoffeln, Zwiebeln, Sahne und Anchovis – in jedem Fall aber neue Kartoffeln mit Sauerrahm, Dill und Hering. Und natürlich Erdbeerkuchen!

Spätestens dann kann man ganz beruhigt trinken – Bier, Wein, Likör und Aquavit – und vielleicht hat man ja sogar mit einem der nordischen Götter angestoßen!

Reise-Empfehlungen

  • 15.06. – 26.06.2024 / ab 2.948 €
  • + 2 weitere Termine
  • 18.07. – 26.07.2024 / ab 1.488 €
  • 18.06. – 25.06.2024 / ab 1.698 €
  • + 2 weitere Termine
  • 04.06. – 17.06.2024 / ab 3.898 €
  • + 7 weitere Termine
  • 18.06. – 27.06.2024 / ab 3.398 €
  • 21.08. – 30.08.2024 / ab 3.248 €
  • 19.06. – 24.06.2024 / ab 1.998 €
  • + 3 weitere Termine
mehr entdecken...

Kommentare zum Reise+Blog